EGL032 Beau is afraid: Ari Asters überladenes surrealistisches Werk, das Ängste, Schuldgefühle und Traumata visualisiert
Wie vor einem Jahr ist Chris wieder zu Besuch in Berlin und auch diesmal nehmen Chris und Flo nach Midsommar einen Podcast über das neueste Werk von Ari Aster auf: Beau is afraid. Wir beide verehren den Hauptdarsteller Joaquim Phoenix sehr. Wir unterhalten uns über das tragische Schicksal von Joaquims Bruder River Phoenix, über die Erfolge der Produktionsfirma A24 und Ari Asters Filmografie, bevor wir dann zum eigentlichen Kernstück des Podcast kommen: dem Film "Beau is afraid". Wir sind uns einig, dass die ersten beiden Teile des Films, die Szenen in und um Beaus Wohnung und die Familiengeschichte in der Vorstadt, die stärksten Teile des Films sind. Angst, Schuld und Trauma werden hier in verschiedenen Varianten des gesellschaftlichen und familiären Zusammenlebens ausgelotet, die alptraumhafte Zustände annehmen. Chris bemerkt, dass Beau im Alltag mit einer Sprachfloskel eine Strategie entwickelt hat, mit der er seine Angst in der Konfrontation mit seiner Umwelt bewältigen möchte: "Thank you, sorry, thank you." Doch damit schliddert er von einer katastrophalen Situation in die nächste, ohne die Möglichkeit zu bekommen, die Situation selbst in die Hand nehmen zu können. Der Zuschauer könnte annehmen, dass Beau in einer fast schuldlosen Weise seinem Schicksal ausgeliefert sei, wäre da nicht seine Mutter. Die zweite Hälfte des Films wird von einem Mutter-Sohn Konflikt dominiert, der manchmal so banal ist, dass nur die überladenen und ausschweifenden Bilderwelten von Ari Aster der Leinwand etwas Gehaltvolles geben können. Der Film schafft trotz allem und gerade dank der genialen Kameraführung und des ausschweifenden Set-Designs mächtige Bilder, die im Kopf hängen bleiben. Wir tauchen in verschiedenen Tiefen des Films ab, sind uns uneins über die Bedeutung des Ganzen, finden aber schöne Referenzen in anderen Werken und gesellschaftlichen Phänomenen. Unsere Route führt uns durch das periphere Lichtenberg an einem heißen Nachmittag unter der Woche, das so leer und leblos wirken kann wie das Ende des Films Beau is afraid.
Shownotes
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Transcript
Der Film „Beau is afraid“ von Ari Aster entführt die Zuschauer in ein dichtes Gewebe von Ängsten, Neurosen und Traumata. Mit Hauptdarsteller Joaquin Phoenix, der in dem Film einen verstörten und ängstlichen End-40er mit grauen Haaren verkörpert, gelingt es dem Regisseur, eine Vielzahl archaischer Motive aus der Antike und der Gegenwart zu verweben. Das Ergebnis ist eine surreale und alptraumhafte Komödie, die von familiären Schlachtfeldern und toxischen Beziehungen geprägt ist.
Eine der stärksten Motive im Film ist die Mutter-Sohn-Beziehung. Von Anfang an wird der Hauptfigur Beau eine tiefe Angst und Schuld attestiert, die er mithilfe von Tabletten zu ertragen versucht. Der Film lässt sich nicht ohne einen psychologisierenden Blick betrachten, da er sich intensiv mit den individuellen und gesellschaftlichen Ängsten auseinandersetzt.
Eine interessante Parallele zum Film „Beau is afraid“ lässt sich in Laura Poitras‚ Dokumentarfilm „All the Beauty and the Bloodshed“ finden, der über die Fotografin Naan Goldin und ihre Aktivismus gegen die Familie Sackler berichtet. Goldin wurde 2014 von einer Medikamentenabhängigkeit von dem Schmerzmittel Oxycontin betroffen, was als Teil der dritten Welle der Drogentoten-Epidemie angesehen wird, die durch eine Opium-Krieg im eigenen Land hervorgerufen wurde.
Ein weiteres herausragendes Element im Film ist eine Theatergruppe, die als eine Art Parallelgesellschaft und einzige normale Entität in einer verschobenen „Normalgesellschaft“ dargestellt wird. Diese Parallele erinnert an den Roman „Station Eleven“ und wirft Fragen nach dem Wert von Kunst und der Bedeutung von Gemeinschaft in einer dystopischen Welt auf.
In einer kritischen Analyse des Films lässt sich feststellen, dass Ari Aster mit „Beau is afraid“ auf hohem Niveau gescheitert ist. Der Film wirkt überladen und es fehlt ihm an einer klaren Struktur. Der Regisseur nimmt sich die Freiheit, das zu machen, was er will, doch leider fehlt es an Disziplin und Klarheit, die in seinem früheren Werk „Midsommar“ noch zu finden waren. Stattdessen werden die Zuschauer in den unklaren Gefilden und Willkürlichkeiten des Regisseurs zurückgelassen.
Die Bilderwelten und die surrealistischen Elemente des Films sind beeindruckend, aber es fällt schwer, einen roten Faden oder eine verständliche Struktur in ihnen zu erkennen. Ari Aster lässt den Zuschauer in einem Irrgarten der Angst zurück, ohne eine klare Allegorie oder eine Möglichkeit der Interpretation anzubieten. Die Handlung wird zunehmend verwirrend, und ab der 90. Minute fühlt man sich als Zuschauer nur noch der Einbildungskraft des Regisseurs ausgeliefert.
Die Paranoia, die als Kernbestandteil der amerikanischen Gesellschaft betrachtet wird, ist ein ergiebiges Thema, das Ari Aster in „Beau is afraid“ anspricht. Die ökonomische Abhängigkeit und die Überwachung erzeugen eine Paranoia, die wiederum Ängste und Verrücktheiten auslöst. Leider bleibt der Film in der Umsetzung hinter seinen Möglichkeiten zurück. Der Mutter-Sohn-Konflikt und die verwirrenden Animationen dominieren die Handlung, während die gesellschaftliche Diagnose und die Paranoia in den Hintergrund geraten.
Insgesamt ist „Beau is afraid“ ein Film, der mit vielversprechenden Ansätzen startet, aber letztendlich an einer Überladung und mangelnder Klarheit scheitert. Ari Aster packt zu viele Elemente und Ideen in den Film, ohne ihnen eine klare Struktur zu geben. Der Film bietet einen Einblick in individuelle Ängste und gesellschaftliche Paranoia, verliert jedoch zunehmend an Fokus und lässt den Zuschauer mit einem Rätsel zurück. Trotz einiger beeindruckender Momente bleibt die Substanz des Films letztendlich unausgeschöpft und führt zu einer enttäuschenden Erfahrung.
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