"Es gibt kein richtiges Leben im falschen" hieß zuerst: "Es läßt sich privat nicht mehr richtig leben."

Wir starten unsere Tour der Idioten am Kotti mit einem kleinen Verweis auf den Film "Herr Lehmann" (2003) und ziehen die Parallele, dass es hier genauso wie in Idioten darum geht, dass eine Welt zerbricht, wenn sie mit ihrer Umgebung in Berührung kommt. Aber bevor wir in die Tiefe gehen, werfen wir noch ein paar Ideen zu "Das Fest" (1998) ein, den wir am gleichen Tag und in der letzten Episode behandelt haben. Micz versucht, vier Parabeln auf "Idioten" (1998) anzuwenden. Zuerst die von "Jacob's Ladder" (1990): Karen landet dekompensiert in der Psychiatrie nach dem Tod ihres Kindes. Das Finale des Films zeigt sie wieder zuhause, medikamentös stabilisiert. Alles dazwischen ist eine verschwommene Erinnerung an ihre zwei Wochen in der Psychiatrie. Dann wagen wir uns an die Parabel "Das Kino in der Gesellschaft", gefolgt von "DOGMA 95 in der Filmindustrie", nur um schließlich 2000 Jahre zurückzublicken und aus der Trickkiste zu ziehen: "Idioten" leitet sich vom altgriechischen "idiotes" ab, was so viel wie "Privatperson" bedeutet. Es bezeichnete in der Polis Personen, die sich aus öffentlich-politischen Angelegenheiten heraushielten und keine Ämter übernahmen. Das hat unter anderem Tocqueville in "Der alte Staat und die Revolution" (1856) beschrieben. (Dogville == Tocqueville? Weiß Lars von Trier, was er tut?) Und hier stoßen wir auf genauso viele Fundstücke wie bei den anderen drei Parabeln: Das Private ist Politisch. Stoffer möchte den inneren Idioten in die Welt entlassen und damit die zurückgezogene Kommune mit der Gesellschaft verbinden, um Veränderungen herbeizuführen.

Shownotes

Mitwirkende

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Micz Flor
Erzähler
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Florian Clauß
Der Flo

Transcript

0:00:01–0:00:04
Okay, Wireless läuft.
0:00:08–0:00:10
Okay, ja läuft.
0:00:10–0:00:11
Nee, noch nicht.
0:00:19–0:00:25
Hallo und herzlich willkommen bei eigentlich Episode 39, wie angetründigt.
0:00:25–0:00:31
Das ist die Fortsetzungsepisode zur letzten, wo wir über Dogma95 und das Fest
0:00:31–0:00:32
von Winterberg gesprochen haben.
0:00:33–0:00:37
Heute wird uns Mitch, Idioten von Lars von Grier, präsentieren.
0:00:38–0:00:43
Eigentlich Codcast heißt im Reden Laufen und Reden Laufen und jetzt ist der
0:00:43–0:00:48
Regen ein bisschen weniger geworden, aber es wird ein weiteres Regenfeld kommen.
0:00:49–0:00:54
Ich bin gespannt, was du jetzt zu Idioten... Ich habe mich ja auch ein bisschen
0:00:54–0:00:57
mit einem Auge darauf vorbereitet.
0:00:57–0:00:59
Ich hoffe, ich brauche das.
0:00:59–0:01:02
Du hast es auf jeden Fall auch gut.
0:01:02–0:01:03
Ich brauche deinen inneren Ioden.
0:01:03–0:01:08
Den inneren Ioden, da sind wir schon bei einem Stichwort.
0:01:08–0:01:18
Wir stehen jetzt hier vor dem Cottbusser Tor. Wir werden Richtung Ostkreuz laufen
0:01:18–0:01:21
und in die Reichenberger Straße lang.
0:01:21–0:01:25
Du hast mich noch mal hier zu diesem Ort geführt, Mitch. Warum hast du mich hierher geführt?
0:01:25–0:01:31
Wir stehen jetzt gegenüber von diesem, da drüben, Misia-Kar-Schiess heißt das, glaub ich, 1984.
0:01:32–0:01:36
Alles neu gemacht, dann zwischendurch im Laden. Aber du kennst die Location aus dem Film.
0:01:39–0:01:42
Helligemann. Aber wir sind ja auch da schon mal langgelaufen.
0:01:43–0:01:44
Da hatten wir ja schon mal drüber gesprochen, ne?
0:01:45–0:01:45
Ah, okay, genau.
0:01:45–0:01:46
Das war meine Rotkäppchen-Episode.
0:01:48–0:01:51
Da sind wir durch ... Ja, ja, da hatten wir ja schon, und dann hatten wir schon
0:01:51–0:01:54
die Szene gesponnen. Und jetzt kann ich sie reinlegen.
0:01:54–0:01:57
Ich find's halt einfach gut, so als Opener, wenn wir das nochmal...
0:01:57–0:02:02
Weil in diesem Film ist ja auch diese Mauerfeld, ja, und dann kommt hier...
0:02:02–0:02:05
Hallo, ich bin doch Micha aus Eisenach, oder irgendwie, und kommt so durch die
0:02:05–0:02:08
Mauer durch auf Herr Lehmann zu und spricht mit ihm.
0:02:08–0:02:11
Und da zerbricht irgendwie sowas von diesem Kreuzberg.
0:02:12–0:02:17
Und ich finde das deshalb einen ganz guten Anfangspunkt, weil...
0:02:17–0:02:20
In dem Film Idioten, um das schon mal von da weg zu nehmen, geht es ja auch
0:02:20–0:02:22
irgendwie darum, um so eine Gruppe von Menschen, die halt versuchen,
0:02:23–0:02:27
nach eigenen Regeln irgendwie zusammen zu leben und sich da auch irgendwie so
0:02:27–0:02:29
eine eigene Philosophie zusammenzuschrauben,
0:02:29–0:02:33
wo es zwar auch einen Anführer gibt, aber was eher so kommunenhaft sein soll.
0:02:33–0:02:36
Und das ist halt irgendwie so ein Moment, wo so eine Welt einbricht in die Welt,
0:02:36–0:02:40
die man sich hier halt irgendwie in dem Kreuzberg, Herr Lehmann ist ja schon
0:02:40–0:02:41
auch so eine sehr fragile,
0:02:41–0:02:45
aber sehr ausdrücklich in sich selbst geschlossene Welt, die dann da irgendwie
0:02:45–0:02:51
mit dem mauerfall komplett und das deutet dann diese letzte szene an ja komplett irgendwie auch ins,
0:02:53–0:02:59
Und damit sind wir jetzt dann eben immer noch irgendwie gefühlt in der gleichen Episode.
0:02:59–0:03:08
Wir haben eben gerade über Dogma 95 gesprochen, heute haben wir über den ersten
0:03:08–0:03:09
Dogma-Film gesprochen.
0:03:10–0:03:17
Ja, wir haben ja auch explizit gesagt, dass wir in einem Take aufnehmen, das heißt in einem Arm.
0:03:18–0:03:21
Und Mitch, haben wir da noch Anmerkungen zu dem,
0:03:22–0:03:26
das Fest, also wir können auch verraten, wir haben eine kleine Pause gemacht,
0:03:26–0:03:30
uns aufgewärmt und uns sind nochmal zwei, drei Sachen durch den Kopf gegangen
0:03:30–0:03:34
und ich glaube, du hast es nochmal so ganz gut zusammengefasst, dass...
0:03:34–0:03:38
Ja, also ich glaube, das waren zwei Sachen, weil ich finde, das eine ist natürlich,
0:03:38–0:03:43
dass das Thema von das Fest ist halt einfach wirklich so dramatisch,
0:03:44–0:03:54
dass ich gedanklich immer davor zurückschrecke, das als Parabe für irgendwas zu sehen.
0:03:54–0:03:58
Das möchte ich also gar nicht machen, weil du hast gemeint, so dieses gesellschaftliche,
0:03:58–0:04:00
die Gesellschaft, in die es so eingebunden ist und das finde ich,
0:04:00–0:04:05
das ist auf alle Fälle legitim, das so zu sehen, zu gucken, wie man mit so individuellem
0:04:05–0:04:09
Elend und Tabubrüchen in der Gesellschaft nicht umgehen möchte und das irgendwie
0:04:09–0:04:10
verdrängt und so außen vor lagert.
0:04:12–0:04:16
Aber das ist an diesem Thema, das im Film angelegt ist,
0:04:17–0:04:22
orientiert und das finde ich total legitim und ich wollte deshalb aber noch
0:04:22–0:04:28
eine Sache ergänzen, die dann vielleicht eine Form von Interpretation ist,
0:04:28–0:04:34
dass dieses Zwillingsthema von den Zwillingen,
0:04:34–0:04:43
die vom Vater missbraucht wurden und die Schwester hat sich umgebracht und deren
0:04:43–0:04:46
Zeugnis ist ja dann auch noch der Beweis, dass es wahr ist.
0:04:47–0:04:50
Und der andere Zwilling ist der, der,
0:04:53–0:04:57
der das aufdecken will. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, er will Rache,
0:04:57–0:05:02
aber er möchte das aufdecken und er möchte nicht, dass es einfach nur weggeschoben wird.
0:05:03–0:05:07
Also, er ist ja auch ein unglaublich proaktiver Charakter.
0:05:08–0:05:08
Ja.
0:05:09–0:05:13
Er hat, er ist, also, ich mein, als Opfer traumatisiert.
0:05:13–0:05:17
Auf der anderen Seite, so wie er im Film auftritt und dieses Thema immer wieder
0:05:17–0:05:22
nach vorne bringt und dabei auch immer wieder diese Rückschläge erleidet,
0:05:22–0:05:26
ist er ja so, er will es an die Öffentlichkeit bringen, ja?
0:05:27–0:05:29
Und das macht ihn auch so stark als Charakter.
0:05:30–0:05:34
Und ich glaube einfach, als Motiv, weshalb man diesen Film dann irgendwie doch
0:05:34–0:05:38
gucken kann und auch so eine gewisse Euphorie über diese Aufdeckung erleben
0:05:38–0:05:41
darf und das auch zulassen kann, ist wirklich dadurch, dass es Zwillinge sind,
0:05:42–0:05:43
es sind als Zwillinge angelegt,
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die Hälfte ist gestorben und die Hälfte deckt auf.
0:05:47–0:05:53
Und ich glaube, dass das anders gar nicht möglich wäre, Man braucht,
0:05:54–0:05:57
um das zu kompletieren, diesen toten Anteil.
0:05:57–0:06:01
Man braucht diesen Anteil, der nicht weiterleben konnte.
0:06:04–0:06:12
Und das, finde ich, ist durch dieses Zwillingsmotiv sehr gut hergestellt worden.
0:06:13–0:06:13
Ja.
0:06:13–0:06:20
Dass nicht eine Person beides tragen muss. dass aber dieses notwendige,
0:06:20–0:06:25
große, nicht aushaltbare Leid trotzdem vorkommen kann in der Abwesenheit.
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Und das wollte ich irgendwie dann nochmal nachlegen. Das ist dann irgendwie
0:06:28–0:06:32
so eine filmische Thematik oder dramaturgische Thematik.
0:06:33–0:06:39
Aber in der Essenz eben zu sagen, nur dadurch, dass es diese tote Zwillingsschwester
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gibt, ist er komplett als Figur im Film,
0:06:44–0:06:49
die Abwesenheit, dieses Gestorbene, das muss da sein.
0:06:50–0:06:55
Und gleichzeitig, weil es nicht da ist, kann man sich dann trotzdem auch mit ihm verbünden.
0:06:56–0:07:01
Er muss keine inneren Dilemmata als Rolle austragen, weil das wird eben über die ...
0:07:02–0:07:04
Tote zu Linksschwester ...
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Ja, das finde ich eine wichtige und gute Beobachtung in dem Zusammenhang.
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Und auch diese Dynamik, die der Film bekommt.
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Und ... ja, einfach diese ...
0:07:14–0:07:18
Diese ... diese ... diese Aktion von der Figur Christian, ja?
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Das ist vielleicht auf so einer, aber das kannst du wahrscheinlich besser einordnen,
0:07:24–0:07:32
auf so einer psychotherapeutischen Ebene nachvollziehbarer in dieser Zwillingsfigur.
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Ja, und das möchte ich halt eben gerade nicht machen, weil ich möchte jetzt
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nicht in diesen Film, der letztendlich dann eben doch, und da sind wir wieder
0:07:39–0:07:41
bei Dogma, kann Dogma überhaupt,
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die Realität abbilden, wenn es versucht Reale aufzunehmen, ohne zu sehen,
0:07:45–0:07:49
es ist dann eben doch nie die Realität und das sind eben doch Schauspieler.
0:07:49–0:07:53
Und das ist eine erfundene Geschichte, eine Geschichte, die so inszeniert ist,
0:07:53–0:07:58
dass sie etwas in allen auslöst, was sich mit dem dahinterliegenden Thema verbündet.
0:07:58–0:08:04
Aber in keiner Weise kann man die Performance oder das Narrativ oder das Setting
0:08:04–0:08:10
oder sowas jetzt da rausholen und sagen, ah, hier sieht man genau, wie es ist.
0:08:10–0:08:14
Das könnte nur jemand tun, der oder die ...
0:08:16–0:08:20
Sich mit diesem Erlebten so verbinden kann, dass die Person dann sagen könnte,
0:08:21–0:08:25
für mich ist es so und so. Aber ich möchte da gar nicht ...
0:08:26–0:08:28
Gar nicht den Film ...
0:08:30–0:08:32
Ähm, nutzen, um so was zu tun.
0:08:32–0:08:37
Ich glaube, es geht auch eben ... dock mal um die Frage nach Authentizität.
0:08:38–0:08:42
Aber auch einen respektvollen Umgang mit dem Thema.
0:08:43–0:08:43
Mhm.
0:08:43–0:08:45
Und das ist eben auch ...
0:08:47–0:08:57
Für eine größere, also für eine Gesellschaft dann auch so konsumierbar wird, ne?
0:08:57–0:09:00
Und das hat das Fest, glaube ich, ganz gut geschaffen.
0:09:00–0:09:07
Also mit diesem schwierigen Thema doch eine große, also dieses Tabuthema irgendwo
0:09:07–0:09:08
gesellschaftlich zu platzieren.
0:09:08–0:09:14
Ja, auf jeden Fall. Ja, es ist natürlich auch ein Thema, was dann ...
0:09:14–0:09:18
Wenn man über Traumata und so spricht, was einfach ...
0:09:19–0:09:23
Wo Welten zusammenkommen, die auch nicht zusammenpassen. Da kann ich nur sagen,
0:09:23–0:09:26
es gibt von Ferencsi, ein ungarischer Psychoanalytiker, einen sehr frühen Text.
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Der heißt, glaub ich, Sprachverwirrung in Deutsch. Ich weiß den Titel nicht, aber fällt mir dazu ein,
0:09:33–0:09:37
der sich mit diesem Thema sexueller Missbrauch auseinandergesetzt hat,
0:09:37–0:09:41
daran getastet hat, weil damals in den sehr frühen Jahren der Psychoanalyse
0:09:41–0:09:43
ja schon so Spuren aufkamen, dass das,
0:09:44–0:09:48
was lange Zeit Hysterie hieß, also etwas, was von der Gerbärmutter her kommt,
0:09:49–0:09:50
dass Frauen sind hysterisch,
0:09:51–0:09:55
dass da immer mehr in den Erinnerungen irgendwie dann klar wurde,
0:09:55–0:10:05
da ist sexueller Missbrauch mit im Spiel und das wurde dann von der männlichen,
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von dem männlichen Blick irgendwie so weg, erstmal zur Seite geschoben.
0:10:12–0:10:17
Es hat lange gedauert, dass man dann sagte, okay, vielleicht sind die Zahlen
0:10:17–0:10:22
andere als die, die wir uns zusammen hoffen.
0:10:22–0:10:23
Ja.
0:10:23–0:10:26
Und da gibt's diesen Text, den können wir vielleicht verlinken.
0:10:26–0:10:31
Der ist auch inzwischen sowieso in gemeinfrei von Ferencsi.
0:10:32–0:10:36
Der das noch mal, find ich, gut versucht, in Worte zu fassen,
0:10:36–0:10:38
einfach zu gucken, Sprachverfolgung.
0:10:38–0:10:42
Es gibt keine gemeinsame Sprache zwischen Kindern und Erwachsenen,
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wenn es um sexuelle Wünsche geht, die gibt es nicht. Ja.
0:10:45–0:10:51
Ganz verkürzt gesagt. Und das, find ich, hat er sehr gut klargestellt.
0:10:51–0:10:55
Und aber auch in sehr einfachen Worten.
0:10:58–0:11:00
Ja, soviel nochmal zum Festen.
0:11:00–0:11:05
Also, das nochmal zum einen zum Nachtrag und das, wie du es nochmal so zusammengefasst hast,
0:11:07–0:11:16
das Fest war vielleicht der erste und der einzige Film, der eben alle Dogma-Regeln,
0:11:17–0:11:23
so befolgt hat und damit eigentlich auch Dogma dann wieder gestorben ist, mit das Fest.
0:11:24–0:11:32
Eine ganz komprimierte Ansicht für die Filmbewegung Dogma 95.
0:11:32–0:11:37
Ja, Proof of Concept, also Regeln drei Jahre später Film.
0:11:38–0:11:43
Sonderpreis der Jury bekommen in Cannes. Und das würde mich noch mal interessieren,
0:11:43–0:11:46
weil Idioten war auch im gleichen Wettbewerb.
0:11:47–0:11:48
Ne, Idioten kam später raus.
0:11:48–0:11:52
Ne, der kam auch 98 raus und der war, glaube ich, auch 98 in Cannes.
0:11:52–0:11:54
Aber der ist leer ausgegangen.
0:11:54–0:11:54
Ah.
0:11:57–0:11:59
Meinst du, die beiden waren beide im Fest der Welt?
0:11:59–0:12:04
Ja, das würde mich halt auch noch mal interessieren. Weil das war irgendwie so ...
0:12:04–0:12:06
Oder war der in Venedig?
0:12:06–0:12:07
Nee, das war, glaub ich, alles in Cannes.
0:12:08–0:12:11
Gut, wir sind gut vorbereitet, wie man merkt.
0:12:11–0:12:17
Ja, also Lars von Trier hatte davor eben mit Breaking the Waves mit einem Nicht-Dogma-Film,
0:12:18–0:12:20
... Wo das Kochexperiment schiefgegangen ist.
0:12:24–0:12:28
Also Lars von Trier war viel in Cannes, war der Liebling von Cannes,
0:12:28–0:12:30
wurde irgendwann dann später von Cannes verbannt,
0:12:31–0:12:36
aber zu der Zeit ist er dann auch mit Idioten eben bei Cannes gewesen,
0:12:36–0:12:43
hat aber keinen Preis bekommen, hatte davor mit Breaking the Waves die goldene Palme bekommen.
0:12:44–0:12:48
Was kein Dogma-Film war, was aber nach dem Dogma-Manifest gedreht wurde.
0:12:50–0:12:53
Und wenn man Lars von Trier hört und auch Winterberg, hatten wir ja in der letzten
0:12:53–0:12:58
Folge schon, die sind beide einfach da auch total entspannt und sagen,
0:12:58–0:13:00
es muss nicht alles Dogma-Film sein. Darum geht es gar nicht.
0:13:01–0:13:05
Es geht nur darum, irgendwie ein Manifest zu schaffen, was Regeln über Bord
0:13:05–0:13:09
schmeißt und gleichzeitig neue Regeln zuzulassen, die gute Geschichten erzählen
0:13:09–0:13:14
können und die auch mit einfachen Mitteln erlauben, Filme zu machen und ihnen
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eine gewisse Bühne zu geben.
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Also wenn ihr mit Dogma95 jetzt,
0:13:20–0:13:23
also mit dieser Folge eingestiegen seid, dann würden wir empfehlen,
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die davor nochmal zu hören, weil wir da ausführlich über das Regelwerk von Dogma95
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sprechen und das setzen wir jetzt einfach voraus für die, für die Folge.
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So, also der Film Idioten von Lars von Trier, der ist auch 19,
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also ich mach mal einen kurzen Überblick, was ich versuche, was wir vielleicht
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hinkriegen. Herr Lehmann haben wir schon gemacht.
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Das Zweite ist, ich wollte eigentlich in der Skarlitzer Straße lang laufen,
0:13:49–0:13:54
um dieses Kinothema allgemein noch mal zu setzen, weil die Skarlitzer Straße,
0:13:54–0:13:59
das hatte mir ein Befreundeter der Filmemacher mal erzählt, hatte ihm ein alter
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Taxifahrer mal erzählt, das war,
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wenn man von der Warschauer Straße kommt, als die Mauer noch nicht stand von
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Herr Lehmann, also Davor war das so, dass die Taxis oft aus der DDR rüber in
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die BRD nach Westberlin gefahren sind.
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Und in der Skaldeser Straße gab es so unglaublich viele Kinos.
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Ich habe seitdem immer so mal den Wunsch, nochmal in so alte Zeitungsarchive
0:14:21–0:14:25
zu gucken, wo so Kinoprogramme drin sind, zu schauen, welche Kinos denn da wirklich waren.
0:14:25–0:14:31
Der meinte, der war damals eben noch in den 50er Jahren auch als Taxifahrer unterwegs.
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Der meinte, der hat immer dann die Leute rübergefahren, so am Freitagnachmittag oder am Wochenende.
0:14:37–0:14:39
Eiszeitkino war wohl auch eins dieser Kinos.
0:14:39–0:14:41
Eiszeit-Movimento ist da auch.
0:14:42–0:14:46
Das fand ich ganz interessant. Wir laufen jetzt aber nicht die Skalitzer,
0:14:46–0:14:48
weil die ist einfach zu laut zum Aufnehmen.
0:14:48–0:14:53
Aber wir laufen an der viel ruhigeren Kopfsteinpflasterstraße entlang.
0:14:55–0:14:56
Ja, das stimmt.
0:14:57–0:15:02
Also ich wollte dann heute ein bisschen kurz mit dem Film, hab schon angefangen,
0:15:02–0:15:06
kurze Zusammenfassung geben, aber dann eigentlich eher in so Hypothesen gleich
0:15:06–0:15:11
einsteigen, weil entweder hat man den Film schon gesehen oder man würd den eh
0:15:11–0:15:13
nicht gucken, dann hört man auch diesen Podcast nicht.
0:15:13–0:15:17
Und hab dann so drei Parabeln oder Hypothesen dazu.
0:15:18–0:15:22
Das eine ist halt, ist der Film Idioten irgendwie so was, eine Parabel über
0:15:22–0:15:28
das Kino in der Gesellschaft? Also Kino ist die Gruppe der Idioten und die Gesellschaft
0:15:28–0:15:30
setzt sich damit auseinander.
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Das zweite, dann wirklich diese Dogma 95.
0:15:33–0:15:36
Ganz kurz, willst du das nochmal so ausführen?
0:15:36–0:15:37
Ja, ja, das mach ich dann nachher.
0:15:37–0:15:39
Achso, du willst die erstmal so vorstellen.
0:15:39–0:15:44
Ich möchte die Leute jetzt binden, dass sie bleiben. Ah ja. Weil es regnet,
0:15:44–0:15:46
wir husten, keine Ahnung wie der Sound ist.
0:15:46–0:15:50
Also die geile Hypothese, die wir hier haben. Die zweite Hypothese ist dann
0:15:50–0:15:53
noch tiefer in die Filmindustrie.
0:15:53–0:15:58
Also ist Dogma 95, sind diese Idioten, die ihren inneren Idioten suchen,
0:15:58–0:16:03
sind das die Dogma 95 Leute innerhalb der Filmindustrie, die umgibt,
0:16:03–0:16:04
wir sind umgeben von der Filmindustrie.
0:16:05–0:16:09
Und dann gehe ich aber auch noch mal so ganz raus und wir gucken mal drauf,
0:16:09–0:16:17
auf so einer politischen Ebene, also dass es wirklich dann um diese Frage auch von Idiotie geht,
0:16:18–0:16:23
die dann vordergründig immer wahrgenommen wird als Geisteskrankheit oder wie auch immer.
0:16:23–0:16:26
Das heißt, wir gucken uns da mal ein bisschen die Geschichte der Psychiatrie an.
0:16:27–0:16:27
Ganz schnell. Okay.
0:16:28–0:16:34
Aber auch eine zweite, eine zweite Deutung beziehungsweise eine zweite Bedeutung,
0:16:34–0:16:42
die ich da irgendwie spurenhaft fühle, was dann auch mit Lars von Triers Film Dogville zu tun hat.
0:16:43–0:16:43
Ja.
0:16:43–0:16:47
Und vielleicht aber auch nur mit dem Titel des Films. Das kommt dann später.
0:16:48–0:16:52
Da geht es dann also um Individuen, Gruppen oder was in der Gesellschaft.
0:16:52–0:17:01
So, also wir haben schon gesagt, der Film Idioten ist 98 entschieden, ist 117 Minuten lang.
0:17:01–0:17:06
Regie hat Lars von Trier und weil es halt irgendwie, sagen wir mal 95 ist,
0:17:06–0:17:11
taucht er nicht als Regisseur in den Titeln auf, namentlich.
0:17:11–0:17:16
Er hat aber auch das Drehbuch geschrieben, was der Legende nach nur vier Tage
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gedauert hat. dann ging es gleich in die Produktion.
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Er hat auch die Kamera gemacht, was ich ganz beeindruckend finde.
0:17:23–0:17:26
Er hat da auch wohl viel Spaß gehabt. Er hat in einem Interview auch mal erzählt,
0:17:27–0:17:31
er war aber auch so ein bisschen neidisch auf die Gruppe der Schauspieler,
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Schauspielerinnen, die halt einfach so da sich so richtig reinbegeben konnten.
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Und er musste hinter der Kamera dann noch ...
0:17:37–0:17:39
Er konnte keinen Sex machen, ne?
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Das hat er so nicht gesagt, aber er hat jealous, hat er gesagt.
0:17:44–0:17:46
Also, er könnte neidisch oder eifersüchtig sein.
0:17:46–0:17:48
Ja, wahrscheinlich, weil er keinen Sex macht.
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Das ist jetzt eine Interpretation.
0:17:51–0:17:55
Ja, ja. Aber jetzt muss man auch noch mal, weil ich so drauf rumreite,
0:17:55–0:17:59
der Film Idioten hat explizite Sexszenen.
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Das hat man so in der Form auch noch nicht im Kino, in so einem normalen Film so gesehen.
0:18:06–0:18:09
Lars von Trier, ich weiß nicht, ob ihr das auch noch erzählt,
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aber der hatte auch eine Produktionsfirma, die Pornos produziert hat. für Frauen.
0:18:18–0:18:23
Also, das heißt, er ist da auch dem Genre jetzt nicht fremd, ne?
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Und, ähm, ich ... Ja, also, das fand ich, hab ich ... Damals hat mich das ein
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bisschen geschockt, aber irgendwie war's dann auch sehr natürlich.
0:18:32–0:18:37
Mhm. Nee, das wusste ich gar nicht so. Aber ja, es gibt explizite Sexszenen,
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und es war wohl im norwegischen Vertrieb irgendwie, wo es dann doch in die Kinos
0:18:42–0:18:45
durfte, und das wurde dann gefeiert ...
0:18:45–0:18:51
Als eben der erste Film, der im Kino mit Distributionen gezeigt werden durfte,
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der explizite Sechsszenen hatte, so aber ja.
0:18:56–0:19:04
Der Schnitt wurde von Molly Marlenes-Densgaard, die viele Lars von Trier,
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fast alle Lars von Trier ab 1994 geschnitten hat.
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Die hat auch den geschnitten und der, einer der Hauptdarsteller, der Stoffer spielt. der,
0:19:20–0:19:26
Der heißt Jens Albinus. Der hat später auch bei Dancer in the Dark und bei Nymphomaniac mitgespielt.
0:19:28–0:19:35
Und wichtig auch noch, eine der zentralen Rollen, Karin, gespielt von Bodil Jorgensen.
0:19:36–0:19:39
Die ... für ihre Darstellung ...
0:19:40–0:19:43
Sagen wir mal, des Publikums, das ist so eine Hypothese von mir.
0:19:43–0:19:46
Also, die ist wir anfangs.
0:19:48–0:19:49
Weil sie die Beobachterin allnehmt.
0:19:49–0:19:50
Die einzige war die Preise.
0:19:50–0:19:54
Also, sie nimmt ja so die Position der Beobachterin.
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Genau, die führt uns ein.
0:19:58–0:20:02
Aber führt das dann existenziell aus?
0:20:02–0:20:06
Ja. Idioten wurde 1998 zu einem Filmfestspiel von Cannes eingeladen.
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Und hat aber dort keine Preise bekommen, hat später ein paar Preise bekommen,
0:20:10–0:20:20
aber vor allen Dingen eben auch Odin Jorgensen, die in Dänemark für beste Darstellerin gewonnen hat.
0:20:21–0:20:26
Und diese Karin, jetzt mach ich mal so eine ganz kurze ... Kennst du den Film Jacob's Ladder?
0:20:26–0:20:26
Ja.
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Bei Jacob's Ladder gibt's zwei Schnittversionen. Die eine Version ist ...
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Directness-Cut und die andere nicht.
0:20:34–0:20:37
Ja, ich weiß nicht, worum die heißen. Bei der einen ist es so,
0:20:38–0:20:43
dass der Hauptdarsteller ist im Vietnamkrieg und irgendwie wird dann für tot
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erklärt, aber ist er dann irgendwie doch nicht und hat dann so Halluzinationen.
0:20:47–0:20:50
Alles so ein weirder Film, den irgendwie alle kennen und ich weiß gar nicht
0:20:50–0:20:52
mehr, wo ich den gesehen hab.
0:20:52–0:20:57
Im Kino oder im Fernsehen, keine Ahnung. Jeder kennt den, aber irgendwie weiß ich gar nicht, warum.
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Und in einer Version ... stirbt er quasi in Vietnam.
0:21:04–0:21:07
Und dann geht das alles später in Amerika wieder los mit den Halluzinationen.
0:21:07–0:21:11
In der anderen Version ist dieser ... Er ist tot in Vietnam,
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am Ende von diesen ganzen Halluzinationen geschnitten.
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Das heißt, da wird das alles wie so ein Todeskampf zusammengefasst.
0:21:18–0:21:23
Ja, das ist so großartig, das hat mich umgehauen damals bei dem Film,
0:21:24–0:21:30
diese Version, dass du eine Sterbesszene-Sequenz hast, die über anderthalb Stunden geht.
0:21:31–0:21:35
Das ist ein bisschen wie Sixth Sense, nur intelligenter.
0:21:36–0:21:40
Und ich möchte jetzt mal so eine, einfach mit einem Jacob's Ladder,
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Zusammenfassung der Szene.
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Und zwar nehme ich damit den Schluss auch vorne weg. Also, das ist der Riesen-Plotz,
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weil, und zwar Karin, ich will nur über Karin sprechen, Karin ...
0:21:51–0:21:55
Ähm ... hat ein Kind, das Kind ist gestorben.
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Sie konnte damit überhaupt gar nicht umgehen.
0:22:01–0:22:03
Landete in der Psychiatrie.
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Und ... Wurde da irgendwie so weit stabilisiert, oder hat sich wieder so weit
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gefangen, dass sie wieder zu Hause leben kann.
0:22:13–0:22:17
Aber die Familie zu Hause, nachdem sie aus der Psychiatrie entlassen wurde,
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hat halt jetzt einfach eine Karin, die sabbernd am Tisch sitzt,
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weil die auf schwere Medikationen ist.
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Damit wäre dieser ganze Teil von der Gruppe, die da die Idioten sind,
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auf die wir gleich genauer eingehen, zusammengefasst als Karens Fantasie über
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die Zeiten der Psychiatrie.
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Und zum Schluss wird sie ja auch von einer von den, in Anführungszeichen,
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Pflegerinnen oder so, wie man sie bezeichnen möchte, begleitet, zurück zur Familie.
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Und da in gewisser Weise abgegeben.
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Und man sieht dann eben, Karin, wie sie dann da ...
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Mit halb offenem Mund so Kuchen rauslaufen lässt.
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Das ist aber eine ganz, also das ist ja wirklich so eine völlige ...
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Crazy.
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Perspektivwechsel inside-out.
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Das ist eine, genau, Sushi-Roll inside-out. Aber ich find's irgendwie auch mal
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ganz gut, weil man da nicht so ganz reingeht, sondern wirklich bei dieser Geschichte bleibt.
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Weil der eigentliche Showdown ist ja wirklich zum Schluss Karin.
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Man weiß nichts über Karin.
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Wenn man aber nur Karin beobachtet, dann ist das dazwischen einfach ihre Zeit in der Psychiatrie.
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Das finde ich einen ziemlich genialen Kniff, ja. Das folge ich dir.
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Ja, und ... Und wenn wir jetzt in die Geschichte zurückgehen, dann ist Karin,
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wie wir später eben erst wissen, nachdem ihr Sohn oder Tochter,
0:23:43–0:23:49
das wird, glaub ich, gar nicht klar, gestorben ist, sitzt sie in einem Restaurant
0:23:49–0:23:54
und zwei Männer am Tisch nebenan, Die benehmen sich komisch, stehen absurd drauf.
0:23:54–0:23:56
Dann können die Leute nicht mit umgehen.
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Dann werden die rausgeschmissen. Der eine greift sie bei der Hand und zieht sie mit raus.
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Und nimmt sie einfach so mit. Sie lässt sich dann auch da mitnehmen.
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Und die kommen dann zum Schluss von dieser Escape-Szene ...
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Also lernen sie einfach kennen. Es gibt so eine Gruppe, die in gewisser Weise
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geführt wird von Stoffer, die wie so eine Kommune leben. Die leben in einem
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Haus von Stoffers Onkel, was irgendwie verkauft werden soll.
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Und er soll da irgendwie aufpassen und das Haus vorführen.
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Der Onkel weiß anfangs, unglaublich, der weiß gar nicht, dass die da drin als Kommune leben.
0:24:35–0:24:39
Und die versuchen, in ihrer Kommune, das ist so ein bisschen die ...
0:24:40–0:24:44
Die Grundhaltung, diesen inneren Idioten zu finden.
0:24:44–0:24:47
Der innere Idiot, was das genau ist, wird nicht so richtig klar.
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Aber wir sehen einzelne Leute immer wieder in ihren Dayjobs,
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die halt irgendwie eine Volkshochschule lernen oder so.
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Und die dann ... Ach, wir müssen uns noch kurz unterstellen.
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Es ist einfach zu nass.
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Und dann aber immer wieder eben zur Kommune zurückkehren. Die Kommune versucht ...
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Raum zu geben, oder ein Setting zu sein, in dem unglaublich viele Dinge passieren dürfen.
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Das kommt eben auch zu den Sexszenen, die du schon beschrieben hast.
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Das war's für heute, wir sehen uns beim nächsten Mal.
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Ja, und es gibt einfach auch so kuriose Einzelszenen, wo die da Weihnachtsschmuck
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verkaufen wollen und klingeln dann.
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Und das ist das, was ich so meinte mit Herr Lehmann am Anfang.
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Du hast halt ... Du folgst natürlich den ProtagonistInnen, die ...
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Die das Idiotische spielen. Und wenn die dann an der Tür klingeln,
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dann bist du bei denen und weißt aber auch, dass die irgendwie spielen.
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Und dann geht die Tür auf und die Leute sind perplex und wissen nicht,
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wie sie damit umgehen können.
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Leute, die sich fürs Haus interessieren, werden dann irgendwie auch abgeschreckt,
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weil gesagt wird, sie wissen aber schon, dass da eben im ersten Stock eine Psychiatrie ist und ja.
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Also diese Figuren, Idioten, bewegen sich ja auf so einem, wie soll man sagen,
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gesellschaftlichen Randbereich, dass die ja auf der einen Seite durch ihre Aktion
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dann eine gewisse Gruppe von Menschen diffamieren,
0:26:25–0:26:29
aber auf der anderen Seite dadurch auch Vorteile rausholen.
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Ja, genau, das wird immer wieder auch herangeführt. Weil sie dann diese Idioten
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spielen, kriegen sie dann bestimmte, also für das Haus dann Förderung.
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Aber gleichzeitig haben ja die Mitglieder der Gruppe auch ein gesellschaftliches Leben.
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Das heißt, es bleibt immer so in so einem Gruppenkern dieses Spiel,
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ja, aber es verlässt nicht diesen Gruppenkern, ja, es gibt ja Aber das wird
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ja dann, das ist ja dann was, was Stoffer irgendwie auch so mit diesen Flaschen
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drehen oder so, dann irgendwie so ins Team.
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Genau, er versucht das dann so auszubrechen, aber es bleibt irgendwie in dieser
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Gruppe drin und dann dieser Mut, dann nach außen zu gehen und zu sagen,
0:27:07–0:27:11
ich spiele auch den inneren Idioten in meinem Umfeld,
0:27:12–0:27:18
wird ja nur konsequent dann von Karin, aber aus einer anderen Motivation, dann zu Ende geführt.
0:27:18–0:27:21
Und es gibt aber auch Szenen, die einfach erschütternd sind.
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Innerste irgendwie nach außen gekehrt wird, ist schon spät, und mir fallen die
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Namen jetzt nicht mehr alle ein, aber die ... war das Johanna oder so?
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Die von ihrem Vater abgeholt wird, die dann irgendwie reale,
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in Anführungszeichen, psychische Probleme hat, Medikamente nehmen müsste, was sie nicht getan hat.
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Die ja auch dann in Liebschaft eingeht mit einem Jungen, eine romantische Liebe,
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wo sie auch dann in so einem ganz klaren Moment sagt, ich liebe dich.
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Die wird dann abgeholt, und Stoffer kann dann auch nichts und will auch nichts wirklich dagegen tun.
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Und gleichzeitig ist das schon so eine Sache, wo ich das Gefühl hab,
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dass dieses Innerste spürbar wird. Also die Verzweiflung, so bestimmte innere Sachen.
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Wem jetzt das Innerste ... Also jetzt von der Gruppe oder von den Personen?
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Nee, von denen, die da wirklich betroffen sind. Also der eine,
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der ... ich weiß nicht mehr, wie er heißt, der, mit dem sie zusammen ist dann,
0:28:16–0:28:20
der dann erst gar nix macht und dann aber ganz verzweifelt im Auto ist und so.
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Der möchte nicht, dass sie geht.
0:28:22–0:28:27
Es ist ja auch unklar, ob sie gehen müsste oder nicht. Kann sie das selber bestimmen?
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Oder hat der Vater die Bestimmungsmacht über sie, aber sie geht dann irgendwie
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mit? Es ist eine ganz unklare Situation.
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Das ist ein Punkt, wo wir später noch mal draufgucken müssen,
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was heißt denn Geisteskrankheit?
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Also ... Weil das ist ja schon ein Thema, was in dem Moment spürbar wird.
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Darf die da bleiben oder nicht? Wer entscheidet das?
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Nein, also diese Entmündigung quasi von einem Individuum.
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Ja. Und dieser Punkt, ich glaub, Josephine heißt sie, wo sie abgeholt wird,
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ist dann so der Punkt, nachdem Stoffer auch anfängt, das ein bisschen zu forcieren
0:29:02–0:29:06
und zu sagen, wir müssen diesen Idioten jetzt auch rauslassen.
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Also, der muss raus in die Gesellschaft.
0:29:08–0:29:10
Aber es passiert nicht, ein paar Leute versuchen das.
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Axel verfeigert das und zieht sich aus der Gruppe zurück. Und dann ist dieser
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Abendschullehrer, der das dann irgendwie auch versucht, aber dann nicht wirklich durchzieht.
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Und die Gruppe zerfällt so ein bisschen daran an dieser Unmöglichkeit,
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sich nach außen zu öffnen und das innere Wissen nach außen zu tragen in die
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umgebende Gesellschaft, was immer das auch sein soll.
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Und Karin ist allerdings die, die sie sich stellen möchte und nimmt dann eben
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die Unterstützung von Susanne an, mit der sie zusammen zurück zu ihrer Familie fährt.
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Und dann gehen wir schon auf die Schlussszene zu.
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Und da kommt es eben dazu, dass wir in dieser Szene merken oder erfahren,
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dass Karins Kind gestorben ist.
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Und zwischendrin gibt es die eine Szene, wo sie, glaube ich,
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auch schon zu Susanne, diese Späterfiktion auch, der irgendwie sagt sowas,
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ich darf gar nicht so glücklich sein. Ist so ein Satz, den sie zwischen dem Film sagt.
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Und Susanne sagt, natürlich darfst du glücklich sein. Wir wissen in dem Moment
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noch nicht, dass sie natürlich unglaubliche ... also unglaubliches Leid erfahren hat.
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Was sie dann wahrscheinlich auch motiviert hat, so von jetzt auf gleich einfach
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wegzurennen, in dem Moment, als sie im Restaurant ist.
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Und später erfahren wir eben, dass dieses ... gestorbene Kind und das Leid und
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so, dass das natürlich schon Schuldgefühle auslösen kann, wenn's einem auf einmal
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spaßig gut geht, wenn man mit Leuten, die Idioten spielen, durch die Straßen läuft.
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Sie geht dann zurück. In dieser letzten Szene ist es so, dass die Familie da
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sitzt, und sie war zwei Wochen weg.
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Dann sagt irgendjemand, wir dachten, du seist tot oder so. Ihr Mann ist erst
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gar nicht da. Der kommt dann, die essen alle Kuchen.
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Sie war nicht bei der Beerdigung.
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War nicht bei der Beerdigung, das ist total wichtig. Und der Mann ist auch völlig gefühlskalt.
0:31:03–0:31:06
Ich mein, der ist natürlich in dem Moment auch nicht mehr mit seiner Frau zusammen.
0:31:06–0:31:07
Ihr Mann.
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Und der Vater des Kindes auch. Den hat sie dann alleine mit der Beerdigung zurückgelassen.
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Sie fängt dann eben an, diesen inneren Idioten ... Dieses Tropfen aus dem Mund,
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so der Kuchen kühlt dann raus.
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Ihr Mann schlägt sie ins Gesicht.
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Ähm ... Und ... Ja, das ist irgendwie was ... Der Mann leidet auch sehr.
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Aber trotzdem freut er sich jetzt überhaupt gar nicht, seine Frau zu sehen,
0:31:35–0:31:36
von der sie dachten, sie sei tot.
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Da war nicht viel spürbar.
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Ja, ich mein, das ist natürlich auch immer die Frage, wie dann der individuelle
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Umgang mit Trauer ist. Also, es ist ja ... Also, Schock und Trauer.
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Und der Mann dann in Aggression.
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Und die Frau einfach in ... in Eskapismus.
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Ja, genau, es sei denn, sie war wirklich jetzt einfach in der Psychiatrie,
0:32:01–0:32:03
kommt zurück, ist auf Tabletten und saugt beim Kaffee.
0:32:04–0:32:06
Also das ist, das gäbe es auch.
0:32:06–0:32:13
Ja, wenn man dann so quasi den psychiatrischen Blick im Sinne von Medikation
0:32:13–0:32:17
und Verhalten dann auch so aufsetzt.
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Für den Schluss, ja.
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Genau, und Karin und Susanne verlassen dann aber wieder diese Wohnung. Das ist der Schluss.
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Ähm ... Eine direkte Assoziation, die ich mit dem Film hatte,
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weil diese ganze, das hab ich jetzt verkürzt und dargestellt,
0:32:32–0:32:37
aber dieses Idiotenhafte, das ist auch schon ... Also, man tut sich schwer,
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das heute so anzuschauen.
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Also, das in Anführungszeichen normale, in Anführungszeichen unnormale Spielen. Ähm ...
0:32:46–0:32:48
Du hast es dir noch mal angeschaut.
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Ja, aber da geht man dann irgendwie, also irgendwie fand ich das schon nochmal
0:32:53–0:32:54
schwierig, das heute zu sehen.
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Echt interessant, ja. Von den Blickgewohnheiten, also den Sehgewohnheiten?
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Von der Repräsentationsebene, also wer spielt hier wen für wen.
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Okay, also weil wir dann auch einfach der Diskurs quasi auch um jetzt in dem
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ganzen gesellschaftlichen Umfeld dann auch sich weiterentwickelt hatten, man hat so gewisse...
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Es ist genau so festgeklebt in der Zeit wie die Qualität der Bilder auf Video
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damals und die Pullis, die die tragen.
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Das ist alles so 90er Jahre.
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Das ist irgendwie da so festgeklebt. Und ich weiß noch, dass ich das damals mutig fand.
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Wir hatten vorhin schon die Volksbühne erwähnt, da war ja auch irgendwie viel
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von dem, was auf der Bühne passiert, war ja auch hinreißend und aber manchmal
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auch so hingerissen, man wollte das aber sehen. Es hatte so eine Echtheit.
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Aber jetzt zu sehen, wie normale Behinderte nachmachen und man soll darüber
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lachen, das fällt mir schwer.
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Aber das war ja auch schon damals so. Das war ja genau dieses Fremdschämen,
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dieses Irgendwie-darf-man-das.
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Dieses ... hat ja der Film die ganze Zeit immer so wieder ...
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Hochgespült, ne, die Frage. Insofern fand ich den ...
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Jetzt wahrscheinlich noch viel schwieriger zu ertragen, weil einfach genau dieses ...
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Wie man bestimmte Sachen einordnet und so weiter, ist ja dann auch nicht mehr
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... Also, du konntest da noch Sachen sagen damals, wo man heute sagt,
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nee, geht halt nicht. So sagt man nicht.
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Also, Mann im Sinne von ... ist überhaupt nicht mehr diskussionswürdig.
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Oder andersrum, es ist sichtbar geworden, dass das so nicht geht,
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und damals war's unsichtbar.
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Ja, das hat ja so ein bisschen losgelöst, also diese Fragen, ja.
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Ja, und da ist es dann so, dass ich das damals noch irgendwie auch gut teilen
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konnte, dieses Gefühl, weil wenn die das für sich machen, ist es noch mal was
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anderes, als wenn die das dann vorspielen für die Gesellschaft.
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Ja, weil wenn man das, wenn alle wissentlich für sich ...
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Ja, klar, dann hast du natürlich einen geschützten Raum und so.
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Aber dann ist es ja Gruppentherapie oder ein Gruppenspiel.
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Aber dann ist es ja irgendwie ... Es geht ja quasi um die Konfrontation mit der Gesellschaft.
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Und damit auch die Vorteile oder die Dynamiken oder die Situation,
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die entstehen eben in dieser Konfrontation. Ja.
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Und das ist ja das, was der Film dann ausspiegelt.
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Ja. Und wo man auch immer dieses Problem bekommt, das ist ja schlimm.
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Ich schäme mich dafür, dass die das machen.
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Ja, das stimmt. Ja. Jetzt ganz kurz ein Hinweis, wenn jemand auf die GPS-Track ist.
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Es regnet immer noch so. Ich kann nicht mehr in diesem Regen.
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Ich bin hier schon ein bisschen erkält, deshalb stehen wir jetzt einfach still.
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Das ist jetzt so ein dicker Punkt wahrscheinlich im Track.
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Eine Assoziation, die ich mit dem Film jetzt hatte, noch mal,
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die ich damals nicht haben konnte, war ein Film von 1974,
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der hieß Sweet Movie von dem serbischen, damals jugoslawischen Regisseur Dujan Makavejev.
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Ich weiß nicht, ob du von dem mal gehört hast.
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Nee, habe ich nicht.
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Der ist deshalb nicht unbekannt,
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weil es gibt ein einziger Berlinale in Berlin, in der keine Preise vergeben
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wurden, weil die Jury komplett zurückgetreten ist. Und da war er mit in der Jury.
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Ähm, und ... dieser Film von 1974 war, glaub ich, eine deutsch-französisch-kanadische Koproduktion.
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Und der ist einfach irgendwie das absolute Gegenteil von Dogma. Und das absolute ...
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Aber es ist alles irgendwie so sichtbar. Ja, dieser Film, da geht's irgendwie
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auch um Sexualität. Es ist auch Sex on Screen. Es ist fürchterlich,
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es gibt so Handlungsstränge.
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Aber dieser Film ist einfach total ... Es war eine komische Szene.
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Es war eine explizite Sexszene, eine echte Sexszene auf dem Bildschirm.
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Der ist fürchterlich. Du merkst, der geht so richtig in deine Gedärme rein.
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Hast du den auch geguckt?
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Ja, den hast du vielleicht sogar auch gesehen, weil als Mute Magazine 2010 ihren
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Booklaunch hatten, Proud to be Flash, im Basso-Club, damals in der Köpenicker,
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Straße, da haben die den Film gezeigt. Da hab ich den gesehen.
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Der war ... ja. Und das ist auch der ... Wenn ich mich recht erinnere,
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ist es so, dass der gleiche Regisseur auch eben als früheren Film Der ist eigentlich
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nämlich auch Psychologe und hat dann aber einen Film gedreht bei Wilhelm Reich,
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der ja eher so im Körper, Körperarbeit, Körpertherapie, Charakterpanzer auch
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irgendwie verhaftet ist.
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Und mit dem Film ist er dann zum Film gekommen und hat dann bis,
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hat es bis in die Berlinale Jury geschafft.
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Und in dem, ja, diesen Film verlinken wir einfach. Das war so eine Assoziation.
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Der ist ganz anders. Du siehst in jeder Sekunde, das ist ein gestellter Film.
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Der Da passiert Improvisation, aber du hast nie das Moment, du bist nicht an
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einem Set, alles voller Props, alles total überdreht und bunt und so was.
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Aber er hat eben auch zum Grundthema diese inneren Idioten. Irgendwie verbinden
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die sich sehr gut, finde ich, die beiden.
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Gut, damit kommen wir jetzt in den zweiten Teil. Wir gucken mal drauf.
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Also deine Thesen, die du am Anfang vorgestellt hast?
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Die Thesen, die ich am Anfang vorgestellt hab. Eine Sache wollte ich noch vorneweg
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wissen, weil das habe ich in unterschiedlichen Halbwissen zusammengeklaubt.
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Drei Punkte, an denen dieser Film doch von diesem Dogma 95 Manifest abweicht.
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Genau, also wo er die Regeln bricht.
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Ja, genau.
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Also vielleicht auch sogar vier Punkte.
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Na, ich bin gespannt. Also ich habe drei gefunden, die habe ich unterschiedlich
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zusammengeklaubt. Der Wikipedia-Eintrag der Deutschen sagt, die Einheit des
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Ortes wird nicht eingehalten.
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Ich weiß ehrlich, ich habe es jetzt genau eins zu eins so mir gemerkt,
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als Wortlaut, weil ich nicht genau weiß ... Es geht um Ort und Zeit,
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und das muss alles irgendwie sein.
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Aber es ist natürlich, springt es hin und her. Aber auf jeden Fall,
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vielleicht gibt es Szenen, in denen ein Schnitt passiert, wo man an einem anderen
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Ort ist. Das hätte so nicht sein dürfen.
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Das Zweite ist die Tatsache, dass mit Video aufgenommen wurde.
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Was in dem Originaltext, wie man es versteht, ein Problem wäre.
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Lars von Trier im Interview, das hatte ich in der letzten Folge gesagt,
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sagt dazu nee er fand auch video wäre eigentlich nicht möglich gewesen eigentlich
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hat er sich schon selber disqualifiziert aber die haben gesagt der andere name ist mir,
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gerade kann ich nicht abrufen, aber die hätten dann irgendwie gesagt,
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nee, es geht nur darum, Academy 35, wenn es auf Distribution geht,
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das muss das finale Format sein.
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Man darf ja auch mit 16 Millimeter drehen und dann das hoch aufblasen.
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Und dann haben sie abgestimmt, und Lars von Trier hat gestimmt,
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Video ist nicht dogmakompatibel.
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Die anderen haben gesagt, doch, und dann mit Ascent Films, da meinte er, das ist kein Thema.
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Und das Letzte ist noch aus einem anderen Podcast, wo jemand meinte,
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es gibt auch für die Musik eine Harmonika, die reingeschnitten ist,
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aus dem Off, wo man nicht sieht, wie die Musik gemacht wird.
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Das ist die Schlussszene. Das ist die Schlussszene, die gibt's tatsächlich auch.
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Die hab ich mir auch noch mal angeguckt auf YouTube.
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Und dann dacht ich auch so, das ist nicht doch wahr.
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Die Musik, die ... Du hörst, es wird geschnitten, und du hörst die Musik weiter durchspielen.
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Kann ich nachvollziehen. Also aber vielleicht, ich muss noch mal überprüfen,
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aber das dachte ich auch. Und die vierte?
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Ich dachte, Lars von Trier nennt sich am Ende vom Abspann als Namen, weiß ich nicht.
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Aber das kann sein, das ist für Drehbuch oder Kamera, er darf ja nicht für Regisseur.
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Ja, okay. Okay, das könnte, hast du den Film noch irgendwo in, oder?
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Ja, wir gucken rein.
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Wir gucken noch mal rein, wir bestätigen das noch mal.
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Genau. Und das Lustige ist auch da, ich habe irgendeinen Trailer gefunden,
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wo Moby ankündigt, dass sie den streamen werden, also dass sie den auch im Programm haben.
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Und da steht dann so ein Idioten, zwei Sekunden und dann schwarz mit dem Titel
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directed by Lars von Trier.
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Das ist gleich im Trailer drin. Da darf man das scheinbar.
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Okay, aber jetzt zurück nochmal zu den, oder hinein in die Interpretation.
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Jetzt hat es ein bisschen mit dem Regen aufgehört.
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Wir können hier rum zurückgehen.
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Da kann man durchgehen?
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Da kann man durchgehen.
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Ich bin nicht so, weißt du, ich muss ein bisschen ...
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Du kannst nicht so viel laufen. Ich habe extra meine Wanderschuhe mit Gore-Tex.
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Wir müssen langsam gehen.
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Langsam.
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Wir pendeln langsam schon wieder zurück Richtung Cottbuser Tor.
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Da steht auch mein Rad.
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Also, meine erste Spielwiese für eine Interpretation wäre die Parabel zu sagen,
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diese Kommune, diese Menschen, die den inneren Idioten suchen und die diese
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ganzen Ausflüge unternehmen, im Sommer auf der Skischanze,
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Weihnachtsdeko im Sommer verkaufen, Diese einzelnen Storys, das ist einfach
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eine Parabel für das Kino in der Gesellschaft.
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Also es gibt einfach eine Gruppe, eine in sich geschlossene Filmindustrie.
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Insofern vielleicht auch eine Kritik an der Filmindustrie.
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Die so für sich selbst da ist, die auch so einen inneren Anspruch hat,
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hey, wir machen hier wirklich was.
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Aber jedes Mal, wenn es zu einer ernsthaften Berührung zwischen dieser Filmindustrie
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und der Gesellschaft kommt, dann fällt das alles immer so ein bisschen in sich zusammen.
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Niemand darf im Film bleiben, sondern der Papa holt halt seine Tochter dann irgendwann ab.
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Und auch die Karin, die am Anfang da sich in den Eskapismus begibt und diesen
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Film genießt ... Irgendwann ist es halt zu Ende, in dem Fall,
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in der Geschichte so, weil die Industrie in sich selbst irgendwie ...
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Merkt, sie kommt nicht aus sich selbst heraus, ist nur selbstreferenziell.
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Und dann fällt das Ganze in sich zusammen.
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Das wär so, find ich, so eine naheliegende ... ähm ...
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Parabel, wo man sagen könnte, was will dieser Film sagen? Dann würde dieser Film sagen,
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das Kino versucht ganz viel, ja, mit vollem Einsatz, ganz viele Menschen,
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die sich selbst öffnen, die sich selbst versuchen, dann zu finden,
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sich authentisch darstellen wollen.
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Aber im Endeffekt ist es halt nie real und es ist nie wirklich und es ist nie
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echt, weil die Menschen sind halt im Endeffekt doch Schauspieler.
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Und jedes Mal, wenn man dann diesen Moment, der so echt sich anfühlt,
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denkt, den bringe ich jetzt in die richtige Welt, dann ist die Welt eben doch anders.
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Man bleibt unter Haltung und das Politische in diesem ganzen verpufft jedes
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mal wenn man halt versucht zu sagen jetzt kann ich jetzt kann ich wie ein präsident
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agieren jetzt kann ich auch präsident sein also das geht in der form nicht das
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wäre so diese erste parabel zu diesen idioten,
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Soll ich die einfach so runterleiern?
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Nö, nö, nö, nö, nö. Ja, nee, ähm ... Also, das ... die Gruppe ...
0:44:35–0:44:40
Ist quasi der dramaturgische Raum. Und damit, äh ...
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Damit auch die Leinwand im Kino. Oder ... ich versuch, diese Kinometapher da grade aufzulösen.
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Ja, Kino ist vielleicht das falsche Wort. Also, eher Filmindustrie, Filmproduktion.
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Also, diese ganze Idee, dass man ... diese ... ähm ...
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Diese Traumfabrik, wie es ja manchmal auch heißt, in diese Gesellschaft hineinstellt.
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Und dass es vielleicht dann eben Leute wie Stoffer gibt. Stoffer ist ja quasi
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der Regisseur. Der Regisseur, der Lars von Trier nicht genannt werden darf.
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Der dann irgendwie versucht, hey, wir machen jetzt mal was so und so.
0:45:16–0:45:18
Also die versuchen auch, was Politisches zu schaffen.
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Die versuchen, das Eigentliche, wie unser Podcast heißt, so in Menschen zu finden,
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diesen inneren Idioten. Und wenn man das tut, dann kann man was bewegen.
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Das muss man auch wieder in die Gesellschaft raustragen.
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Das ist ja so eine politische Haltung, die dann in der Industrie vielleicht
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auch gegeben ist. Nicht bei allen, aber bei manchen.
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Und dass diese politischen Ambitionen aber irgendwie verpuffen,
0:45:42–0:45:45
weil es eben doch, wie du vorhin schon gesagt hast, mit dem Wort Eskapismus,
0:45:45–0:45:50
dass eben doch was bleibt, was nie echt ist. Es kann nicht echt sein.
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Und beim Theater weiß man, dass es nie echt ist, beim Film vermutet man im Impro,
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dass es irgendwie echt ist, aber es ist dann eben doch nicht echt.
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Ja, aber was ich finde, rein emotional, weiß ich nicht, so richtig aufgeht in der Metapher, ist,
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der Eskapismus schafft ja Räume, die angenehm sind.
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Während diese Welt der Idioten überhaupt keine angenehme Welt ist,
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sondern es ist einfach mit komischen, ambivalenten Gefühlen verbunden.
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Aber so auf so einer ... Also, es schwelgt.
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Stimmt, aber es ist ja dann trotzdem Karin, die am Anfang bei der Hand genommen wird.
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Und die in gewisser Weise uns als Zuschauer an die Hand nimmt und da hineinführt,
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die ja diesen Moment hat, wo sie sagt, ich war noch nie so glücklich.
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Das ist ja ein echter emotionaler Moment, den Sie da drin erleben.
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Aus der Perspektive der Person, ja. Aber wenn man das jetzt dann aus dieser
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Perspektive von Gruppe und Zuschauerraum betrachtet,
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finde ich das nicht, weil es,
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ja, also vielleicht in diesen ...
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Es geht ja immer ein Spiel mit Grenzen. Es ist ja immer so eine Frage von ...
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Wie soll man sagen, dann so, ja, nicht Wutbürger, aber so jemand,
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der aufsteht und irgendwie gegen die Gesellschaft anrennt.
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Das ist ja so immanent da drin.
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Also deswegen ist es ja nicht so einfach konsumierbar.
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Was jetzt, der Film per se oder das ...
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Nein, nein, nein, nein. Nee, aus dieser Idee von Eskapismus oder von ...
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Es ist ja so, die müssen ja alle irgendwie, also sowohl der Zuschauer wie auch
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die Gruppe selber und die Akteure müssen ja alle irgendwie Energie aufwenden, um das zu machen.
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Also, es gibt ja schon so ... Und es ist ja nicht von ...
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Es kommt ja ... Es ist ja nicht so einfach konsumierbar, ja?
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Und ich versuche gerade so diese Metapher von Stoffer als derjenige, der die Regie führt,
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die Gruppe anleitet und die Conclusio daraus ist...
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Ja, das ist, was ich sagen will, ist, dass Stoffer mit seinen Ambitionen etwas
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zu verändern, die Welt zu verändern durch das Kino. Dass der dann irgendwie
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mit den Flaschen drehen und den inneren Idioten raus... Der hat ja eine Mission.
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Und dass da irgendwie in dem Film aufgezeigt wird, dass Kino...
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Oder die Filme... Es bleibt irgendwie selbstreferenziell. Es kommt nicht so ganz aus sich heraus.
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Und es bleibt fiktiv. Und es kann diese Brücke in die Politik nicht gut schlagen.
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Okay, ja, also ich kann es so ansatzweise nachvollziehen, aber es ist mir noch
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nicht so ganz rund, dass es läuft.
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Genau, und das habe ich auch gedacht. Okay, gehen wir mal einen Schritt weiter
0:49:03–0:49:07
und zoomen mal rein und sagen, nee, vielleicht geht es nicht um die Filmindustrie
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in der Gesellschaft, sondern vielleicht ist es ja gleich nicht.
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Also ich glaube nicht mal Lars von Trier, alles was man so bei Lars von Trier
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reindeutet, Ich bin mir echt unklar, wie viel Konzeption und Intuition da ist.
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Aber tun wir doch mal so, als ob Lars von Trier da einen Film gemacht hätte,
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der als zweiter Dogma-Film, nachdem der erste die Preise abgeräumt hat,
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der zweite dann irgendwie das Kapitel schon schließt.
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Und diese Idioten sind die Dogma-Leute.
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Ja? Und rundherum ist die Filmindustrie. Und die dürfen jetzt ja mal irgendwie
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so ihr Ding machen und dann dürfen die halt so Höh, du darfst den Namen nicht
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nennen und du darfst auch nicht und wir haben jetzt diese Regeln und wir machen
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was immer wir wollen. Also es wird aber irgendwie...
0:49:59–0:50:04
Es ist in sich schön anzuschauen. Wir gucken uns quasi so ein bisschen wie bei
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Hamlet, das Theater im Theater, an.
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Wir gucken uns quasi den Dogma-Film im Dogma-Film an.
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Und drumherum, die Gesellschaft ist die Filmindustrie, die macht so ihr Ding, ja.
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Die wollen halt die großen Häuser verkaufen, die wollen bauen,
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machen, hier und da. Die haben ihre Regeln.
0:50:20–0:50:23
Und da muss man auch, da muss man bestimmt vernünftig essen,
0:50:24–0:50:25
sonst wird man einfach nicht ernst genommen.
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Aber es gibt diesen kurzen Moment, wo halt diese Dogma-Leute jetzt so ein bisschen
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Plitschplatsch so alles aufwühlen.
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Und dann zerbröselt es aber auch schon wieder hinten raus.
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Und was übrig bleibt, sind dann halt eben die Hoffnungen von Leuten wie,
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äh, Karin, die dann vielleicht steht für jemand, die sich eingelassen hat,
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aus der großen Filmindustrie, auf dieser Innovationszug aufzuspringen und dann hinten raus.
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Aber merkt ja jetzt, scheiße, jetzt ist das weg, Aber zurück kann ich auch nicht mehr.
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Da wird es dann, finde ich, ein bisschen greifbarer und irgendwie ganz lustig.
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Aber ich glaube natürlich nicht, dass es eine Intention ist,
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von Lars von Trier zu sagen, ich mach jetzt einen Dogma-Film und mach damit den Sack gleich zu.
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Weil der andere Dogma-Film räumt eh die Preise ab.
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Und ich mach dann halt den, wo man nachträglich dann im Regen in Kreuzberg endlich
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draufkommt, dass ich hihihi wusste, Dieses Dogma ist halt quasi,
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wir müssen Rudelbumsen und danach will es keiner mehr wissen.
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Du bist ja so auf der Meter-Meter-Ebene unterwegs,
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gerade.
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Ja, ja, aber das wäre eben diese Parabel-Idee.
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Ja, nö, kann nicht irgendwie so...
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Wobei natürlich die Frage von Kontinuität, von eben so Filmschaffenden und es
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ist ja doch eine Singularität in dem Film, die Filmgruppe, also die Idiotengruppe, ne.
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Aber kann ich auch, okay, ansatzweise.
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Gut, ja, also es ist schon spät. Ich ratte mal weiter, ne, weil das Dritte,
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also wir haben jetzt das Dritte und das Vierte hängt irgendwie so ein bisschen
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zusammen. Ist das jetzt so ...
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Politik ... Also, Politik, jetzt gehen wir da mal raus aus diesem selbstreferentiellen Filmthema.
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Es gibt ja diesen Adorno-Satz, der immer so oft überall zitiert,
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es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Hast du bestimmt auch schon gehört.
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Das war doch so eine Facebook-Kachel.
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Wie eine Facebook-Kachel? Ach so, okay. Nee, das ist ... Genau,
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ein Kalenderspruch von Adorno.
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Also nutze den Tag, es gibt kein richtiges Leben im Wald.
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Ja. Und das, finde ich, ist natürlich was, was sich so auftränkt,
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ne? In dem Moment, wo Stefan so anfängt zu scheitern, dass man denkt,
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ja, es gibt halt kein richtiges Leben im Wald. Und sollte dieser innere ...
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Idiot halt irgendwie wirklich die Lösung für alles sein, solange drumherum der
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nicht ankommt, das ist ja auch deren Haltung, wird sich nichts verändern.
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Also wir müssen das Richtige, was wir tun, jetzt in diese falsche Welt reinbringen
0:53:05–0:53:06
und alles richtig machen.
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Und da habe ich so gemerkt, es gibt ja so eine ganze Reihe von Filmen,
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die ein ähnliches Motiv haben, wo es eine abgeschlossen, also wo es zwei Welten gibt, die sich treffen.
0:53:16–0:53:22
Und bei diesen Berührungen dieser beiden Welten, da entsteht die Geschichte.
0:53:22–0:53:28
Die Geschichte, das ist jetzt zum Beispiel, ich weiß nicht, fällt dir eine ein?
0:53:28–0:53:31
Ich habe drei aufgeschrieben, vielleicht fällen dir auch andere ein.
0:53:32–0:53:40
Also Filme, die zum Gegenstand haben, dass in einer und derselben Welt zwei Welten.
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Stranger Things.
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Stranger Things, relativ neu.
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In der Popkultur verhaftet.
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Nein, das ist ja gar nicht schlecht. Dann gibt's noch den, wie hieß noch mal
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der Typ ... Ah Gott, ey, es ist schon spät.
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Videodrome hat der Regisseur von ...
0:54:00–0:54:00
Cronenberg.
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Cronenberg, und der hat den Film ... Ähm ...
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Naked Lunch.
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Nein, der andere, der tolle, wo es diese Level gibt, so Inception-mäßig, wo ...
0:54:14–0:54:16
Ja, das ist doch Existenz.
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Existenz, ja. Das wär zum Beispiel auch so ein Film.
0:54:19–0:54:19
Ja, ja.
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Wie heißt der?
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Matrix.
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Matrix hab ich mir auch aufgeschrieben. Von 99. Die Truman Show von 98.
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Ja, ja, ja.
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Und was ich vom Charakter her am ähnlichsten finde in der Art ist ...
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Kennst du The Village von ...
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Was?
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The Village von 2004, von M. Night Shyamalan?
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Den kenn ich gar nicht.
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Den kennst du gar nicht?
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Nee, ich red den Film nicht, aber...
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Kennst du nicht den Film? Vielleicht kennst du ihn.
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Ja, verlinken wir einfach. Da geht's darum, du siehst so ein Village,
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also wirklich so ein altes Dorf, so Quaker-mäßig in Amerika.
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Und in diesem Dorf, das ist mitten im Wald. Und in dem Wald sind halt irgendwie ...
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Irgendwelche Geschöpfe, Monster, wir wissen es gar nicht, wir sehen die gar
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nicht genau. Dann sind auf einmal so Farbmarkierungen an bestimmten Türen im Dorf und so.
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Und ... ähm ...
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Ist der gut?
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Ich finde den super.
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Soll ich den nicht mal spoilern? Nee, spoilern nicht, den will ich sehen.
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Okay.
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Ist das ein Horrorfilm?
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Doppelter Horrorfilm.
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Oh, also Meta-Horror.
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Ja, ja, Meta-Horror. Metaweise Horrorfilm. Und bei diesem Film jetzt hier,
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es ist auch so, es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Den inneren Idioten in die Gesellschaft bringen. Da hab ich gedacht,
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was ist denn dieser Idiot?
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Also, wenn Dinge Parabeln sein dürfen, hab ich geguckt, was ist eigentlich Idiot?
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Und wir haben ja eben dieses ...
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Banale Bild von Depp, so, ach, jetzt reiß dich mal zusammenmäßig.
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Es gibt dann ein klinisches Bild von Idioten, also in der Psychiatrie,
0:56:11–0:56:13
und die kriegen Medikament oder so.
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Aber in der Bedeutung gibt es auch eine uralte Herleitung, eben von vor 1.000 Jahren, wie immer.
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Da waren das Personen, die sich aus den öffentlich-politischen Angelegenheiten,
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herausgehalten haben und keine Ämter wahrgenommen haben im alten Griechenland.
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Das heißt, jemand, der keine Verantwortung übernommen hat, sich nicht mit eingebunden
0:56:33–0:56:36
hat, wurde als Idiot bezeichnet.
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Und es wurde sogar dann in einer attischen Demokratie wurde dann eine Person,
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die sich während einer Volksversammlung öffentlich dem Nichtstun widmete, wurde bestraft.
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Also es war quasi so ein Wunsch.
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Zu partizipieren, oder eben zu bestrafen, wenn du nicht partizipierst.
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Ja, interessant. Ja, nee, ich mein, dann ist ja auch so ... gesellschaftliche
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Verantwortung ist ja auch so eine große Frage in einem Film.
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Die ... sie entziehen sich der gesellschaftlichen Verantwortung,
0:57:12–0:57:14
sie führen ja noch mehr Gesellschaft vor.
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Und ... in der Definition ist es ja sehr nachvollziehbar.
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Und jetzt ist ja die Frage, hat Lars von Trier, und jetzt mache ich einen riesen Jumpcut,
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inhaltlichen Jumpcut, aber die Frage ist ja, hat Lars von Trier diese Definition
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von Idiot dem zugrunde gelegt oder das, was wir sehen?
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Also soll es dahinter irgendwie was geben?
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Und zuerst fand ich es halt so ein bisschen ...
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Weißt du, was der dänische Originaltitel ... Aber die Konnotation in Dänemark
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weiß man natürlich nicht.
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Da müssen wir jetzt irgendwie unsere Community mal bitten, uns mal Kommentare zu schreiben dazu.
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Aber was ich interessant fand, ist, dass es einen Autor gab im 19.
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Jahrhundert, einen Alexis de Tocqueville.
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Und es gibt diesen Larsen-Triffin-Dockbild. Und der war ...
0:58:19–0:58:22
Der war Politikwissenschaftler, so ein früher Politikwissenschaftler,
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der ein Buch geschrieben hat, 1856, Der Staat und die Revolution.
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Wo er sich damit auch auseinandergesetzt hat in revolutionären Kontexten,
0:58:33–0:58:36
was sind denn so die Vorgänge, die sich da abspielen.
0:58:36–0:58:43
Und der dann auch sagt, dass es oft eben darum geht, dass Bürger nicht abgeholt
0:58:43–0:58:47
werden, mitgenommen werden, nicht eingebunden werden, die Partizipation,
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die sie vielleicht sogar haben könnten, nicht wahrnehmen.
0:58:49–0:58:53
Und dadurch eine Entfremdung stattfindet, die dann letztendlich zum Bruch zwischen
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Regierenden und Regierten sozusagen führt.
0:58:58–0:59:00
Und das führt dann letztendlich zur Revolution.
0:59:00–0:59:06
Dieser Herr Tockwill hat nämlich auch etwas über die Idioten in dieser Definition geschrieben.
0:59:07–0:59:15
Und hat er gesagt, dass man damals eben als Idiotes geboren wurde und auch Idiot blieb,
0:59:15–0:59:22
wenn man nicht mit der Erziehung, der Bildung zu einem politisch bewussten Bürger heranwächst.
0:59:22–0:59:27
Also dass man der Wachstum weg vom Idioten hin eben zum partizipierenden Bürger,
0:59:27–0:59:30
der auch Verantwortung übernimmt für das Ganze.
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Das war Tockvill. Und eben wegen der, das ist mein Jumpcut, Dogville.
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Togville.
0:59:37–0:59:37
Mhm.
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Vielleicht wusste Lars von hier doch, was er da tut, und hat sich irgendwie damit beschäftigt.
0:59:43–0:59:48
Ja, aber ... da müsste man gucken, was Dogville ...
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Warum der ...
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Der Film noch mal so, ne?
0:59:51–0:59:55
Ja, Dogville ist ja dann dieser absolute Nicht-Dogma-Dogma-Film.
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Also, wo du halt nur die Linien auf dem Boden hast und diese ...
1:00:01–1:00:05
Ja, aber trotzdem so einen gewissen inszenatorischen Freiraum.
1:00:05–1:00:05
Ja.
1:00:06–1:00:09
Also Theater. Aber ich hab den tatsächlich ... Ich muss gestehen,
1:00:09–1:00:10
ich hab Dogville nicht gesehen.
1:00:12–1:00:12
Ja.
1:00:12–1:00:14
Aber das beeindruckt dich grade nicht, ne?
1:00:14–1:00:17
Nee, weil ich jetzt meinen Sprung grade nicht mehr so gut hinkrieg.
1:00:17–1:00:20
Wir sind jetzt quasi von dem Satz, es gibt kein richtiges Leben ...
1:00:20–1:00:21
Wir sind ja auch nicht im Dialog.
1:00:22–1:00:28
... sind wir jetzt rumgesprungen zurück in die alte griechische Demokratie.
1:00:29–1:00:29
Ja.
1:00:29–1:00:36
Wo der Idiot der war oder die, die nicht aktiv am Geschehen der Institution
1:00:36–1:00:38
beteiligt waren oder sich da raushalten wollten.
1:00:39–1:00:40
Und wenn mir dann noch mal diesen
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Satz von Adorno, der 1947 in der Minima Moralia aufgeschrieben wurde.
1:00:51–1:00:56
Im amerikanischen Exil hatte er eigentlich, in Anführungszeichen,
1:00:56–1:00:59
eigentlich darüber geschrieben, ähm ...
1:01:01–1:01:10
Wie schwer es ist, für Obdachlose Asyl zu finden, irgendwo unterzukommen und
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sich häuslich einzurichten.
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Und in der ursprünglichen Fassung dieses einen Satzes Bei seinem Draft für Minimum
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Moralia war dieser Satz, es lässt sich privat nicht mehr richtig leben.
1:01:26–1:01:31
Das ist so dieses, keine Ahnung, Down the rabbit hole, würde man bei Alice in Wonderland sagen.
1:01:31–1:01:35
Wenn man da mal so reingeht und das so mitmachen würde, es lässt sich privat
1:01:35–1:01:39
nicht mehr richtig leben, dann ist das ja so ein Druck, den Stoffe auch irgendwie erlebt.
1:01:40–1:01:44
Er will sich zurückziehen, die Kommune ist privat. Ja, das ist dann auch so
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ein Sponti-Spruch, das Private ist politisch so, das heißt diese Private, lasst uns alle in Ruhe.
1:01:52–1:01:56
Das geht nicht, dieses Haushaltsverkauf, denn der Druck ist da,
1:01:56–1:02:00
du kannst nicht im Privaten richtig leben und das verknüpft sich dann eben über
1:02:00–1:02:05
diesen Satz, der umgeschrieben wurde von Adorno, es gibt kein richtiges Leben im Falschen.
1:02:06–1:02:11
Ja, also ich meine, auf der einen Seite gibt es natürlich diesen Kommunenwunsch,
1:02:11–1:02:14
um dann so eine Identität über die Kommune aufzubauen, über die Gruppe.
1:02:15–1:02:19
Auf der anderen Seite ist es ja auch so, dass die genau in dieser Konfrontation
1:02:19–1:02:27
mit irgendwie Gesellschaft draußen dann erst ihre Identitätsbestimmung bekommen.
1:02:29–1:02:33
Also es ist die Frage, ob das tatsächlich so funktioniert im Privaten.
1:02:34–1:02:38
Also die müssen ja diese Konfrontation geben. Also den Raum des Privaten,
1:02:39–1:02:41
das ist ja für die Gruppe völlig uninteressant.
1:02:44–1:02:47
Naja, die wollen ja dieses Haus eigentlich nicht verkaufen, sondern behalten.
1:02:48–1:02:52
Und erst in dem Moment, wenn sie aus dem Privaten rausgehen in die Gesellschaft,
1:02:52–1:02:53
weil Stoffer das so will,
1:02:56–1:03:01
geht das nicht. Also im Privaten geht es, es ist erfüllend, also da ist es dann
1:03:01–1:03:05
irgendwie auch einfach ein Regelwerk und ein Möglichkeitsraum,
1:03:05–1:03:07
den sie sich selbst geschaffen haben,
1:03:08–1:03:12
um Stoffer drumherum irgendwie, der halt dann doch eine gewisse Macht hat,
1:03:12–1:03:13
weil seinem Onkel gehört das Haus.
1:03:16–1:03:23
Aber in diesem Privaten ... ... ist das alles nur ein Leben auf Zeit.
1:03:23–1:03:25
Es gibt ein Verdrängungsgefühl.
1:03:25–1:03:29
Deshalb will Stoffer den Angriff starten und raus in die Gesellschaft,
1:03:30–1:03:32
weil die Gesellschaft von außen drängt.
1:03:33–1:03:34
Die nimmt uns die eine weg.
1:03:35–1:03:38
Der Papa kommt, nimmt die weg, das Haus soll verkauft werden.
1:03:38–1:03:44
Wenn wir nicht aktiv werden, wird uns dieses Paradiesische genommen.
1:03:44–1:03:47
Ja gut, aber die könnten ja auch ganz anders aktiv werden.
1:03:48–1:03:52
Die könnten ja gesellschaftlichen Konsens suchen und irgendwie,
1:03:52–1:03:56
keine Ahnung, da irgendwie so Nachbarschaftshilfe aufbauen und so weiter.
1:03:57–1:04:02
Die gehen ja quasi in Konfrontation mit allen Nachbarn und Umfeld,
1:04:03–1:04:05
um sich dann halt irgendwie so da
1:04:05–1:04:12
wieder so diese Legitimationsrollen dazu bleiben, ne? Deswegen ... ähm ...
1:04:13–1:04:17
Also ich weiß nicht, ich kann da auch nicht so richtig durchdringen,
1:04:17–1:04:23
aber ich fand irgendwie diesen Fund vielleicht ganz gut, dieses Rabbit Hole,
1:04:23–1:04:24
wenn man da reinguckt und denkt, okay,
1:04:25–1:04:31
das Private und das Politische, der innere Idiot im geschützten privaten Raum
1:04:31–1:04:36
ist was Befreiendes und Beglückendes, aber im gesellschaftlichen Raum darf er irgendwie nicht sein.
1:04:37–1:04:42
Ist das Private das Richtige und drumherum das Falsche? Darf man das so sagen?
1:04:42–1:04:47
Oder ist Karin als Beispiel dann auch ihrer Verantwortung in der Familie nicht
1:04:47–1:04:52
nachgekommen, weil sie es einfach nicht geschafft hat und geflohen ist?
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So, das ist einfach nur jetzt so ein Frageraum.
1:04:56–1:04:56
Okay.
1:04:58–1:04:58
Ja.
1:05:02–1:05:05
Ja, und jetzt hab ich gleich noch ein bisschen Psychiatriegeschichte.
1:05:06–1:05:12
Aber ich glaube das ist jetzt das knüpft gar nicht mehr direkt an sondern das ist dann,
1:05:14–1:05:17
Ja, keine Ahnung. Vielleicht ist es eine eigene Folge dazu.
1:05:18–1:05:21
Ja, vielleicht. Also, fänd ich auch spannend, dass aus diesem ...
1:05:23–1:05:26
Psychiatrieblickwinkel wie auch dem soziologischen ... Also,
1:05:26–1:05:30
ich denk da an ... Überwachung und Strafen von Foucault.
1:05:31–1:05:35
Was dann auch in dieser ... Geschichte der Psychiatrie ...
1:05:36–1:05:37
Ja, Wahnsinn und Gesellschaft.
1:05:37–1:05:39
Wahnsinn und Gesellschaft, genau.
1:05:40–1:05:43
Aber die wär jetzt dann auch irgendwie gekommen. aber irgendwie fühlt sich erstens
1:05:43–1:05:49
der Nieselregen zu klamm an gerade, zweitens die Zeit zu fortgeschritten und
1:05:49–1:05:52
drittens aber auch die Anknüpfung jetzt nicht mehr so natürlich.
1:05:53–1:05:57
Nee, ich glaub auch, das ist wirklich so ein eigener ... eigener Kanon,
1:05:57–1:05:58
den wir dann aufmachen müssten.
1:05:59–1:05:59
Ja.
1:06:00–1:06:07
Und ... Und ich find, also in dieser Meta-Erzählung, die du geliefert hast,
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in der Meta-Betrachtung, da kommen ja noch mal so ganz andere ...
1:06:11–1:06:15
Da ist man ja so ganz nah am Medium wieder dran. Und ...
1:06:15–1:06:16
Welche Meta-Betrachtung?
1:06:18–1:06:18
Also ...
1:06:18–1:06:20
Alle erste, die Jacob's Ladder?
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Die zweiten. Die Dogma ... Du siehst ja so über verschiedene ...
1:06:24–1:06:29
Also einmal die erste Hypothese, die du aufgestellt hast, wie auch die zweite,
1:06:29–1:06:36
die dann aus dieser ... die Gruppe dann ... Es befreit sich ja erst mal von diesen ganzen ...
1:06:37–1:06:39
Soziologischen und psychiatrischen ...
1:06:40–1:06:43
Sondern es betrachtet sich erst mal auf so einer Reihenebene,
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wie sich dann Kino inszenieren kann, in welchem Kontext.
1:06:48–1:06:53
Und wie das auch dann rezipiert werden kann. Finde ich erst mal so ...
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Das kann erst mal so stehen gelassen werden bei Idioten. So einen Ansatz habe
1:06:58–1:06:59
ich noch nicht so betrachtet.
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Ich muss auch sagen, ich hätte damals ... Vielleicht können wir noch mal diesen kleinen Hieb machen.
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Können Sie mal gucken, ob deine Aufnahme läuft?
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Ja, hatte ich gerade geguckt.
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Damals, wir hatten ja eine Gruppe von Radio-Macherinnen und Machern,
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Convex-TV, in den 90ern, von 97,
1:07:28–1:07:37
bis 2000. Und wir waren vor allen Dingen im ganzen Bereich Net Radio aktiv und
1:07:37–1:07:41
hatten eine monatliche Sendung produziert.
1:07:41–1:07:46
Und ich hatte damals auch die Idioten rezipiert, einen kleinen Beitrag.
1:07:47–1:07:48
Hast du es dir noch mal angehört?
1:07:48–1:07:49
Ich hab's mir angehört, ja.
1:07:49–1:07:51
Können wir noch mal verlinken?
1:07:52–1:07:55
Willst du es verlinken? Weil du hast ja Piracy betrieben. Was?
1:07:55–1:07:57
Du hast ja Piracy betrieben.
1:07:58–1:08:02
Ich hab ... Ja, das stimmt. Ich hab tatsächlich im Kino aufgenommen.
1:08:04–1:08:09
Das durfte man damals nicht. Verehrt das? Das verehrt bestimmt. Das Delikt verehrt.
1:08:12–1:08:16
Aber das war noch mal so, ich habe versucht nicht zu spoilern,
1:08:18–1:08:23
aber das ist so unsere gemeinsame Mediengeschichte, die sich da auch so zusammenfindet.
1:08:24–1:08:34
Wir waren Mitglieder des Kollektivs ConvexTV und das verlinken wir gerne, weil da gibt es noch...
1:08:34–1:08:37
Die es gibt, haben wir aber eben auch dieses eine Foto auf eigentlich-podcast.de,
1:08:41–1:08:37
in
1:08:41–1:08:44
der About-Section, wo wir Schlingsieb interviewen.
1:08:46–1:08:50
Das ist ja, das habe ich da reingeklebt, weil wir da beide, das war ja die Konvex-TV-Zeit auch.
1:08:52–1:08:52
Ja, das stimmt.
1:08:56–1:08:52
Das,
1:08:56–1:08:58
war 97, glaube ich.
1:08:59–1:09:01
97 zur Documenta, Hybrid Workspace.
1:09:01–1:09:04
Hast du's noch mal gehört, deine Besprechung?
1:09:04–1:09:05
Ja, ja, ja.
1:09:05–1:09:06
Und wie fandst du's?
1:09:06–1:09:11
Ich fand die ... Also, die war so ... so ein bisschen ... Also,
1:09:11–1:09:14
ich fand die sehr ... ähm ...
1:09:15–1:09:17
Wie soll ich sagen, äh, wortstark.
1:09:18–1:09:23
Aber hat nicht so eine richtige Konklusion gebracht. Aber trotzdem in der Zeit sehr stark.
1:09:23–1:09:27
Also, ich hab auch viel mit dem Sound gespielt, weil es war immer so ein Lied,
1:09:27–1:09:30
das angespielt wurde. das dann halt so ausgeführt.
1:09:31–1:09:35
Aber kann man sich mal anhören. Also ist jetzt nicht so stark verjährt wie der Film.
1:09:36–1:09:40
Nee, es ist sehr kurz. Ich hatte irgendwie mehr erwartet.
1:09:40–1:09:41
Ja, ich auch.
1:09:44–1:09:47
Ja, ja, das war sehr kurz, ja.
1:09:48–1:09:52
Aber es ist eben schön, weil es genau diese Convex-TV-Grenze zwischen,
1:09:54–1:09:55
eigenem Stück und,
1:09:58–1:10:01
journalistischer Arbeit ist. Also Filmbesprechungen auf der einen Seite,
1:10:01–1:10:04
aber auf der anderen Seite, wie du schon sagst, macht man halt so ein eigenes Stück daraus.
1:10:05–1:10:10
Also man gibt auch zu, dass das Schreiben, die Wortweise, dass das alles eine
1:10:10–1:10:12
künstlerische Gestaltung der Prozesse ist und das wird auch sehr sichtbar.
1:10:20–1:10:26
Ja, jetzt sind wir wieder an dem Punkt, man hört es am Profil der Autos,
1:10:26–1:10:27
wir sind wieder am Kotti.
1:10:28–1:10:34
Diese Folge ist, glaube ich, für mich wirklich fast eine der most dedicated
1:10:34–1:10:39
Folgen, also diese Nieselregen, dieses alles ist so wirklich bedrängend,
1:10:39–1:10:43
haben jetzt heute, finde ich, wirklich Arbeit geleistet, dass wir das gemacht haben, oder?
1:10:43–1:10:45
Ja, voll. Also du vor allen Dingen
1:10:45–1:10:50
unter den Bedingungen. Aber du hast geliefert, muss man ja auch sagen.
1:10:50–1:10:52
Wir haben geliefert. Lass uns nicht abschütteln.
1:10:52–1:10:56
Ihr werdet uns nicht los. Alle 14 Tage sind wir da bei eigentlich-podcast.de.
1:10:58–1:11:02
Und wenn immer ihr irgendwie so ein Portal findet, wo ihr Podcasts bewerten
1:11:02–1:11:06
könnt und uns hört, dann gebt uns doch eine gute Bewertung.
1:11:08–1:11:15
Und ... Wir sind den Treck gelaufen. Wir hatten irgendwie mit dem Wetter zu
1:11:15–1:11:18
kämpfen, die technischen Bedingungen waren nicht optimal.
1:11:18–1:11:25
Aber wir haben die Reihe eingeläutet von großen Filmbewegungen aus den 90ern.
1:11:27–1:11:32
Dogma jetzt, glaube ich, erschöpfend behandelt.
1:11:33–1:11:37
Ich bin erschöpft. Ich bin auch erschöpft. Auf jeden Fall bin ich erschöpft.
1:11:37–1:11:43
Und werden die nächsten Folgen, oder ich zumindest, vielleicht magst du dann
1:11:43–1:11:50
auch einen Beitrag, über Hyperlink Cinema und Episodenfilm in den 90ern.
1:11:50–1:11:52
Ein revolutionäres Kino.
1:11:53–1:11:55
Da seid gespannt drauf, was da noch kommt.
1:11:56–1:11:57
Mumblecore.
1:11:58–1:12:01
Mumblecore? Mumblecore, nee. Also, Mumblecore schauen wir mal.
1:12:02–1:12:04
Mumblecore. Okay.
1:12:04–1:12:07
Also, macht's gut. Tschüss.

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"Cheers to my dad; a rapist and a murderer."

Flo startet eine neue Reihe im Eigentlich Podcast: Revolutionäre Filme und Filmbewegungen aus den 1990ern, die ihn und die Filmgeschichte maßgeblich prägten – Teil I: Dogma 95 mit "Das Fest" und "Idioten", Teil II: Hyperlink Cinema und Episodenfilm mit Pulp Fiction von Quentin Tarantino und Short Cuts von Robert Altman, 3. Teil: Asian New Wave – Filme aus Hongkong, Südkorea, Taiwan und Japan aus den 90ern. Micz stellt in seiner nächsten Episode den Dogma-Film "Idioten" von Lars von Trier vor, die wir gleich im Anschluss aufnehmen. In dieser Episode präsentieren wir zunächst das legendäre Manifest von Dogma 95, das Lars von Trier und Thomas Vinterberg am 13. März 1995 vorstellten: "The Vow of Chastity" - die zehn Keuschheitsgelübde. Das Dogma 95 Manifest fordert filmische Authentizität durch die Nutzung einfacher Techniken, Handheld-Kameras, natürlicher Beleuchtung und ohne nachträgliche Bearbeitung. Flo überrascht Micz mit der Adaption des Manifestes durch den Comiczeichner FIL mit dem Dogma Comic von Didi&Stulle, der damals in der Stadtzeitung Zitty erschien und für viel Furore sorgte. Bevor wir inhaltlich tiefer in den ersten Dogma-Film "Das Fest" von Thomas Vinterberg aus dem Jahr 1998 einsteigen, gehen auf unserer Laufstrecke rund um den Urbanhafen den Fragen nach: was ist Dogma 95, warum hat sich die Filmbewegung gegründet, was ist der Autorenfilm, woran ist Dogma gescheitert und was sind die Auswirkungen von Dogma 95. Wir entdecken in dem Zusammenhang auch mehrere Filmgenres, die wir vorher nicht kannten: Mumblecore, Mumblegore und the German Mumblecore. Manchmal wird der Ton in einigen - sehr kurzen - Passagen etwas "mumblelig", weil die zu Anfang angepriesene neue Aufnahmetechnik dann doch nicht funktionierte und wir den Ton aus einer anderen Spur mit Deep Learning Technologie recovern mussten. Bitte seht es uns nach, wir lernen auch noch dazu. Nichtdestotrotz viel Spaß beim Hören.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Florian Clauß
Erzähler
avatar
Micz Flor

Transcript

Micz Flor
0:00:00–0:00:05
Hallo, hier sind wir wieder. Eigentlich Podcast jetzt mit der Nummer 38.
0:00:07–0:00:11
Heute präsentiert Florian etwas. Ich weiß auch schon was.
0:00:11–0:00:14
Und wir werden es euch auch gleich sagen, weil wir machen nämlich heute was
0:00:14–0:00:16
Neues. Wir machen direkt zwei
0:00:16–0:00:20
Folgen hintereinander und werden dann einen Schnitt in der Mitte machen.
0:00:20–0:00:22
Flo, möchtest du uns vorstellen, worum es geht?
Florian Clauß
0:00:23–0:00:30
Ja, hallo und herzlich willkommen auch von mir. Stimmt, wir geben uns quasi
0:00:30–0:00:32
die Klinke in die Hand mit unserem Thema.
Micz Flor
0:00:33–0:00:37
Kleine Klinke Stecker mit dem Mikro 3 ,5 mm Klinke in die Hand.
Florian Clauß
0:00:37–0:00:44
Weil ich hatte dir dein Thema verraten, damit du dich auch so ein bisschen darauf vorbereiten kannst.
0:00:44–0:00:48
Eigentlich hattest du ja noch ein anderes Thema geplant, aber du konntest dich ganz gut andocken.
0:00:49–0:00:52
Das liegt auch im Thema begründet.
0:00:52–0:00:58
Wir sind gestartet am Kotti, Kottbusser Tor, und die Admiralstraße runtergegangen
0:00:58–0:01:02
und fliegen jetzt in die Kohlfurter Straße ein und wollen so ein bisschen hier
0:01:02–0:01:04
an den O -Bahnhafen rumtingeln.
0:01:05–0:01:10
Eigentlich, minus podcast .de, das ist beim Reden laufen und laufend reden.
0:01:11–0:01:16
Letztes Mal hatte Mitch festgestellt, alle machen Podcasts, aber er sieht keine.
0:01:17–0:01:22
Bis er dann gleich sehr auf die Idee gekommen ist, dass wirklich nicht alle
0:01:22–0:01:25
beim Laufen reden, so wie wir, und aufnehmen.
Micz Flor
0:01:26–0:01:30
Und vor ein paar Folgen hatten wir diesen Witz mit dem laufend reden und dem
0:01:30–0:01:33
Regen laufen und heute ist das auch wieder der Fall.
0:01:33–0:01:39
Es ist dunkel, wir sind Abend, es ist schon winterlich und es regnet und tropfelt
0:01:39–0:01:43
und ich bange etwas um die Elektronik, aber du bist da optimistisch.
Florian Clauß
0:01:43–0:01:48
Ja, ich habe guckt und das Regenradar an und das Feld ist an uns vorübergezogen.
0:01:48–0:01:51
Hoffe ich auch. Wir haben uns auch was gegönnt, Mitch.
0:01:52–0:01:53
Wir haben ein kleines technisches Upgrade.
Micz Flor
0:01:54–0:01:54
Ja.
Florian Clauß
0:01:54–0:01:57
Und der Klatscher am Anfang ist jetzt nicht mehr nötig.
Micz Flor
0:01:58–0:02:04
Naja, vielleicht. Wir haben diesmal noch eine Hybridlösung mit vier Mikros, jeder zwei als Backup.
Florian Clauß
0:02:05–0:02:09
Super Backup. Wir haben uns nämlich eine kleine Funkstrecke geholt mit zwei
0:02:09–0:02:17
Mikros und mit dem Vorteil, dass wir die Spuren nicht mehr so altertümlich synchronisieren müssen.
0:02:18–0:02:22
Ich hatte beim Schneiden jedes Mal etwas Probleme, weil mir die eine Spur davongelaufen
0:02:22–0:02:25
ist. Aber Mitch, du meinst, es ist kein Problem.
Micz Flor
0:02:25–0:02:27
Ich finde es total super, wir zahlen das aus unserem Day -Job.
0:02:28–0:02:30
Also da braucht jetzt niemand, der hier zuhört, zu sagen, ey,
0:02:31–0:02:35
das habe ich auf Onlyfans in 5 Euro pro dazu geschoben. Das haben wir alles nicht.
0:02:36–0:02:41
Wir bleiben werbe - und sponsorenfrei und haben bis jetzt auch noch keine Spenden
0:02:41–0:02:45
oder irgendwelche Mitgliedschaften, sondern nein, wir machen erst mal alles
0:02:45–0:02:50
qualitativ so hochwertig, dass der Spaß auf höchstem Niveau bleibt.
0:02:51–0:02:52
Die Inhalte sind ja sowieso immer top.
Florian Clauß
0:02:54–0:02:57
Genau, aber wir können, und das haben wir, glaube ich, auch noch nie,
0:02:57–0:03:00
aber wir können ein bisschen um eure Bewertung bugeln.
0:03:00–0:03:06
Das heißt, ihr erlasst uns bei den einschlägigen Podcastportalen wie Apple Podcast,
0:03:06–0:03:09
Spotify sind wir ja nicht, aber andere Bewertungen da.
0:03:10–0:03:17
Und gute, hoffe ich doch, das ist das Einzige, was wir uns dann an Werbung erlauben.
0:03:17–0:03:19
Okay, kommen wir zu dem Thema.
0:03:20–0:03:26
Ich habe eine längere Reihe geplant und zwar ist das so ein bisschen die Frage
0:03:26–0:03:33
von meiner Konditionierung von Filmen, die vor allen Dingen in den 90ern stattgefunden hat.
0:03:34–0:03:41
Dann habe ich mir angeschaut, was sind in den 90ern für große Filmbewegungen
0:03:41–0:03:45
entstanden und welche Filme haben mich da so geprägt.
0:03:45–0:03:51
Und ich werde jetzt die eine Bewegung, die wir heute behandeln wollen, nämlich Dogma 95.
0:03:52–0:03:55
Da haben wir uns dann auch die zwei ersten Filme rausgesucht.
0:03:55–0:03:57
Ich werde das Fest vorstellen.
0:03:58–0:04:01
Und du in der nächsten Folge Idioten von Lars von Trier.
Micz Flor
0:04:02–0:04:07
Genau. Und unser Weg für die, die die Strecke, die wir laufen,
0:04:07–0:04:10
beim Reden verfolgen, ist es so, dass wir dann auch, wenn Idioten kommen,
0:04:11–0:04:14
wahrscheinlich würden wir die Punktlandung auch direkt in der Psychiatrie,
0:04:15–0:04:19
wie Wand des Urbankrankenhauses oder Krankenhaus am Urban ankommen und dann
0:04:19–0:04:22
auch ein bisschen über Psychiatrie reden.
0:04:23–0:04:24
Folge 39.
Florian Clauß
0:04:25–0:04:31
Genau, ich will eine Reihe in Eintritt machen mit den für mich prägenden Filmen
0:04:31–0:04:37
aus den 90ern und das sind zum einen Dogma 95, das hat mich damals nämlich geflasht.
0:04:37–0:04:43
Die anderen Filme, die mich auch maßlos beeindruckt haben, sind die Episodenfilme
0:04:43–0:04:47
und du wirst jetzt heute zwei neue Genres im Kino kennenlernen, prophezeie ich schon.
0:04:48–0:04:52
Nämlich jetzt kommt das eine, das ist ein Hyperlink Cinema.
0:04:52–0:04:58
Wurde das dann irgendwann danach, 2005, von einer Kritikerin der Begriff geprägt
0:04:58–0:05:06
und das ist natürlich in den 90ern Robert Altman mit Shortcuts und Tarantino Pulp Fiction.
0:05:06–0:05:12
Das Tarantino, der Tarantino -Film gilt als Hyperlink Cinema und Hyperlink Cinema,
0:05:12–0:05:16
das leitet sich jetzt nicht von dem World Wide Web -Protokoll ab,
0:05:17–0:05:23
ist sicher damit beeinflusst, aber es geht darum, dass dann Orte und Zeit durcheinander
0:05:23–0:05:28
gewürfelt sind, aber alle Szenen irgendwo miteinander referenziert sind.
0:05:29–0:05:32
Wenn du beim klassischen Episodenfilm wirklich eine Gratlinie Episode,
0:05:32–0:05:38
die erstmal sich nicht trifft, obwohl in der Shortcuts von Altmann so ein bisschen dazwischen liegt.
0:05:39–0:05:45
Da gibt es ja auch so räumliche und leitliche Synchronisation zwischen den einzelnen Erzählsträngen.
0:05:46–0:05:47
Ich weiß nicht, ob du den noch im Kopf hast.
Micz Flor
0:05:47–0:05:49
Ja, dieses Erdbeben ist dann quasi der Punkt.
Florian Clauß
0:05:49–0:05:53
Genau, der Erdbeben, Das ist dann genau, das ist dann die, wo dann alle irgendwie
0:05:53–0:05:54
zusammenkommen an der Stelle.
0:05:56–0:06:00
Und der dritte Block, wo ich dann auch mal gucken, wie viele Filme.
0:06:00–0:06:03
Du bist immer willkommen, auch wenn du einen Film damit machen willst.
Micz Flor
0:06:03–0:06:08
Also ich meine bei Altman und Tarantino, ich glaube, die willst du beide sowieso machen.
0:06:09–0:06:12
Aber okay, machen wir weiter. Und jetzt kommt dann der dritte Block.
0:06:12–0:06:13
Es gibt also immer zwei Filme pro Block.
Florian Clauß
0:06:14–0:06:17
Ja, mal gucken, zwei, je nachdem. Schauen wir mal. Der dritte Lock,
0:06:17–0:06:21
das dritte, was mich total geprägt hat, ist, das heißt,
0:06:22–0:06:25
auch so, ich weiß nicht, ob das wirklich so eine übergeordnete Definition ist,
0:06:25–0:06:29
aber das ist Asian, New Asian Wave Cinema.
0:06:30–0:06:33
Also das heißt, es gab so eine Welle von asiatischen Filmen,
0:06:34–0:06:37
koreanisch, chinesisch, japanisch, ja.
0:06:37–0:06:43
Chunking Express von Wong Kar Wai im japanischen Raum Takeshi Kitano,
0:06:43–0:06:46
der auch da viele Filme in dem Bereich gemacht hat.
0:06:46–0:06:51
Das sind so die Reihe, die ich dir mal kurz vorstellen wollte.
Micz Flor
0:06:52–0:06:57
Und ich habe auch eine Reihe, also was ganz Neues, das waren diese Bullet Shots
0:06:57–0:07:02
von Matrix, also da werden wir auch in den 90er Jahren anfangen mit Matrix 1, das macht der Flo,
0:07:02–0:07:06
und Matrix 2 und 3 mache ich zusammen, weil ich bin der festen Überzeugung,
0:07:06–0:07:07
dass man die nicht trennen darf.
0:07:09–0:07:10
Nein, das war nur ein Witz.
Florian Clauß
0:07:10–0:07:14
Ja, ich meine, da in den 90ern hast du natürlich ganz viel andere,
0:07:15–0:07:18
die maßgeblich, die, also andere Filme, die maßgeblich die Kino -
0:07:19–0:07:25
geprägt haben. Allein die Entwicklung von den ganzen digitalen Effekten, die dann passiert sind.
0:07:25–0:07:32
Von dieser völligen Überhöhung des Special Effects -Kinos, die Action -Thriller
0:07:32–0:07:37
-Reihen und dann halt natürlich auch die ganzen Puppet -Geschichten wie im Splatter
0:07:37–0:07:38
-Film Braindead und so weiter.
0:07:39–0:07:43
Du hast da natürlich ganz viel, aber ich wollte jetzt einfach mal so mir drei
0:07:43–0:07:45
rauspicken, die mich so geprägt haben.
Micz Flor
0:07:46–0:07:49
Und ich glaube, das ist natürlich auch ein interessantes thema dieses
0:07:49–0:07:52
die technische verfügbarkeit von diesen also
0:07:52–0:07:56
film video war ja auch die transition 90er
0:07:56–0:08:00
jahre also das haben wir ja dann auch schon bei den beiden folgen jetzt also
0:08:00–0:08:06
ich glaube das fest wurde noch film gedreht und idioten wurde auf video gedreht
0:08:06–0:08:11
ja okay interessant jetzt steigen wir mal in dort mal ein noch was mitgebracht
0:08:11–0:08:15
das passt glaube ich auch Alles gut.
Florian Clauß
0:08:16–0:08:19
Und hier habe ich extra was ausgedruckt. Du kannst es aufklappen.
0:08:20–0:08:23
Ja. Das wäre dann auch auf der einen Seite. Hammer.
Micz Flor
0:08:24–0:08:29
The vow of chastity. Ja. I swear to submit to the following set of rules drawn
0:08:29–0:08:33
up and confirmed by dogma 95.
0:08:34–0:08:37
First, shooting must be done on location.
0:08:37–0:08:43
Props and sets must not be brought in. Wenn eine bestimmte Prop für die Geschichte
0:08:43–0:08:48
nötig ist, muss eine Location für die Prop gefunden werden. Soll ich die übersetzen?
0:08:48–0:08:52
Ja, wir können die ja, weiß ich nicht, also wir können ja kurz zusammenfassen.
0:08:52–0:08:55
Also erstens, man muss auf der Location shooten, also filmen.
0:08:56–0:09:01
Man darf aber auch keine Props, also Gegenstände mit ans Set bringen,
0:09:02–0:09:05
sondern man muss umgekehrt ein Set dann finden, ein Location finden,
0:09:05–0:09:08
wo das schon vor da ist. Also man baut nichts auf.
0:09:09–0:09:13
Two, the sound must never be produced apart from the images or vice versa.
0:09:14–0:09:28
Musik muss nicht genutzt werden, wenn die Szene gedreht wird.
0:09:34–0:09:34
3.
0:09:42–0:09:48
Die Kamera muss handhältig sein. Any movement or immobility attainable in the hand is permitted.
0:09:49–0:09:52
Also, the film must not take place where the camera is standing.
0:09:52–0:09:55
Shooting must take place where the film takes place.
0:09:55–0:10:01
Ganz wichtig, also die Kamera folgt sozusagen in der Story, wird mit der Hand gehalten.
0:10:02–0:10:05
Sie darf still sein, sie muss sich nicht bewegen, aber sie muss eben handheld sein.
0:10:06–0:10:09
Und zusammengefasst wird also gesagt, der Film organisiert sich nicht um die
0:10:09–0:10:12
Kamera, sondern die Kamera ist quasi da, wo der Film passiert.
0:10:13–0:10:17
Immer noch natürlich ein Aufnahmegegenstand, aber Teil sozusagen.
0:10:17–0:10:18
Sie folgt den Akteuren mehr.
0:10:19–0:10:24
4. The film must be in color. Special lighting is not acceptable.
0:10:25–0:10:29
If there is too little light for exposure, the scene must be cut or a single
0:10:29–0:10:31
lamp be attached to the camera.
0:10:32–0:10:39
Also der Film muss Farbe sein und special lighting, also man kann nicht Licht wirklich hinzufügen.
0:10:39–0:10:45
Man darf den Ort nicht beleuchten, ausleuchten. Wenn nicht genug Licht auf der
0:10:45–0:10:47
Aufnahme ist, muss man die halt einfach wegschmeißen.
0:10:47–0:10:52
Oder eine einzelne Lampe darf an der Kamera angebracht werden.
0:10:54–0:10:59
Was ich ein Kuriosum finde. So ein bisschen das Nippel -Piercing des Dogma.
0:11:02–0:11:06
5. Optical Walk and Filters are forbidden.
0:11:06–0:11:10
Also was reinkommt, so sieht es aus. Und auch das ist halt interessant,
0:11:10–0:11:13
weil natürlich das Aufnahmegerät selber hat ja immer einen Charakter.
0:11:13–0:11:15
Wir haben gerade über Film versus Video gesprochen.
0:11:16–0:11:19
Aber spezielle Filter, also weder Licht noch Filter auf der Kamera,
0:11:19–0:11:20
auf der Linse sind erlaubt.
0:11:22–0:11:29
Film muss nicht überwältigend sein. Mörder, Waffen, etc. müssen nicht passieren.
Florian Clauß
0:11:29–0:11:30
Also keine expliziten.
Micz Flor
0:11:30–0:11:33
Keine expliziten. Das wurde oft dann auch so paraphrasiert. Es darf halt jetzt
0:11:33–0:11:38
nicht quasi extra Morde, also was nicht der Story dient in dem Fall.
0:11:38–0:11:42
Also Brutalität und die Sachen, gerade Dogma -Filme, sind, weil sie minimal
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sind, manchmal auch sehr intensiv.
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Aber einfach so die inszenierte Gewalt und so, die soll nicht passieren. 7.
0:11:50–0:11:54
Temporal and geographical alienation are forbidden. That is to say,
0:11:55–0:11:57
that the film takes place here and now.
0:11:58–0:12:01
Also es muss ihm hier und jetzt passieren, man filmt einfach in der Gegenwart.
Florian Clauß
0:12:01–0:12:04
Und man muss es auch in der Jetztzeit, also das heißt die Handlung muss dann
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auch jetzt in der Zeit spielen.
0:12:06–0:12:09
Es gab keine Historienfilme, keine Science -Fiction -Filme. Genau.
Micz Flor
0:12:11–0:12:17
Genre -Filme sind nicht akzeptabel. Also Genre -Filme wie zum Beispiel Romance,
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Bromance, Action, Fantasy sind nicht erlaubt, Horror.
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Und auch das war natürlich dann später so, dass manche Leute wollten ja okay,
0:12:28–0:12:32
aber Dogma selbst ist quasi eine Art Genre geworden in der Grundhaltung des
0:12:32–0:12:33
Films, wenn auch nicht in der Umsetzung.
0:12:34–0:12:38
9. The film must be Academy 35mm.
Florian Clauß
0:12:40–0:12:46
Das ist ein Normalbild, ne? Das 35mm ist von 1929 das entworfene Format.
0:12:46–0:12:48
Das ist ein Normalbild, heißt das im Deutschen.
Micz Flor
0:12:49–0:12:50
Da werden wir auch später noch drüber reden.
Florian Clauß
0:12:51–0:12:54
Ja, das war ein breaking point. 10.
Micz Flor
0:12:54–0:12:57
The director must not be credited.
Florian Clauß
0:12:57–0:13:00
Ja, da müssen wir auch drüber reden, ne? Auf jeden Fall.
Micz Flor
0:13:00–0:13:04
Also es gibt ganz viele DirektorInnen, mehr DirektorInnen als DirektorInnen,
0:13:05–0:13:08
deren Name deshalb auch berühmt ist, weil sie Filme gemacht haben,
0:13:08–0:13:10
wo der Name nicht im Film auftaucht.
0:13:10–0:13:14
Das sei denn, sie haben zum Beispiel die Kamera auch gemacht oder das Drehbuch auch geschrieben.
0:13:14–0:13:17
Aber der Director, der Regisseur, die Regisseurin.
0:13:18–0:13:20
Accredited. So, das ist es.
Florian Clauß
0:13:21–0:13:25
Das sind diese zehn Dogma -Regeln. Ja, danke fürs Präsentieren.
0:13:25–0:13:29
Und jetzt möchte ich nochmal, so damals, das ging ja rum, so damals gab es da
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auch die City, das war ja das Stadtmagazin von Berlin oder ist immer noch.
0:13:33–0:13:38
Und dann auf der anderen Seite kam dieser legendäre Didi und Stühle Dogma -Comic.
0:13:38–0:13:40
Kennst du den? Das ist ja cool.
0:13:40–0:13:45
Den habe ich aus dem Internet in so ein ganz kleiner Pixel, also die war irgendwie
0:13:45–0:13:50
200 mal 300 Pixel groß. Und dann habe ich noch so ein Upscale heißt das.
Micz Flor
0:13:50–0:13:52
Mach mal ein Foto von mir, wie ich das halte, weil das passt.
Florian Clauß
0:13:52–0:13:53
Upscale heißt das Programm.
Micz Flor
0:13:53–0:13:56
Das muss ja im Here and Now alle unsere Fotos. Wir sind ja als Podcast auch
0:13:56–0:13:57
meistens im Here and Now.
0:13:57–0:14:01
Nicht thematisch, aber in der Aufnahme wird nicht viel geschummelt.
Florian Clauß
0:14:02–0:14:05
Genau, Didi und Stulle. Und dann kannst du auch nochmal, was Dogma 1 ist.
0:14:05–0:14:08
Ich würde nur ganz, ganz, ganz gut. Ich habe dieses Programm,
0:14:08–0:14:10
das kann ich empfehlen. Da werde ich auch verlinken.
0:14:10–0:14:14
Das ist ein Open Source -Ding auf GitHub gehostet für alle möglichen Plattformen.
0:14:14–0:14:17
Und damit kannst du ein Modell, KI trainiert, wie auch immer,
0:14:17–0:14:22
kannst du ein kleines Bild reinwerfen und der skaliert das dann auf die vier
0:14:22–0:14:24
- oder achtfache Größe hoch.
0:14:24–0:14:27
Und das ist echt erstaunlich, was da rausgekommen ist. So konnte ich es retten.
Micz Flor
0:14:28–0:14:31
Ja, das ist echt erstaunlich, weil die Qualität ist so... Natürlich,
0:14:31–0:14:34
weil der Dogma -Witz jetzt auch heißt, das muss irgendwas sein.
0:14:35–0:14:39
Genau, das Ding, weil es so gegenpasst. Es muss alles gezeichnet werden mit Fingerfarben oder so.
Florian Clauß
0:14:39–0:14:42
Die Artefakte stimmen. Das ist so ein richtiges Dogma.
Micz Flor
0:14:42–0:14:47
Also, Didi und Stulle Dogma Comic hat sechs Vows of Chastity.
0:14:48–0:14:49
Eins. Keine Vorzeichnungen.
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Da steht es ja wirklich. Nur grüne Filze verwenden. Dogma 3. Keine Hintergründe.
0:15:00–0:15:05
Dogma 4. Mit links und bei schlechter Beleuchtung zeichnen.
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Dogma 5. Nicht länger als 10 Minuten brauchen.
0:15:11–0:15:16
Dogma 6. Keine Gags. Und unten unter sehen wir drei Reihen von Bildern.
0:15:16–0:15:22
Also Zeilen, drei Bilder pro Zeile. Stulle. Du hast einen drin. Nein. Doch.
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Verschmiert. Ist das jetzt deine AI -App oder?
0:15:27–0:15:31
Sprich nicht von früher. Was ist denn mit dir los?
Florian Clauß
0:15:31–0:15:32
Nichts.
Micz Flor
0:15:32–0:15:38
Es ist nichts. Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Sehr gut.
0:15:38–0:15:40
Ne, das kann ich nicht. Großartig.
Florian Clauß
0:15:40–0:15:43
Das war legendär und ich hatte nochmal so die ganzen Locken.
Micz Flor
0:15:44–0:15:46
Aber es ist auch interessant, weil das natürlich dann schon ein auch die Tür
0:15:46–0:15:51
öffnet für die Interpretation des Dogma -Dings, weil es gibt auch ein Interview
0:15:51–0:15:54
von Lars von Trier, der dann irgendwie sagt, er hatte das irgendwo in Frankreich
0:15:54–0:15:57
oder so vorgelesen und dann hätten die Leute bei ihm auf dem Panel gesagt,
0:15:58–0:16:01
warum hasst du Film so sehr? Why do you hate film so much, sagt er da.
0:16:02–0:16:07
Also diese Interpretation dessen, was das ist, weil es hat ja,
0:16:07–0:16:10
und da wirst du jetzt gleich drüber sprechen, die Uridee war natürlich,
0:16:10–0:16:16
er zu sagen, man muss Film erstellen können ohne dieses ganze Brimborium.
Florian Clauß
0:16:17–0:16:23
Also die Frage ist, warum hat sich Dogma 95 so begründet, also warum war die
0:16:23–0:16:25
Zeit reif eben für diese Filmbewegung?
0:16:26–0:16:31
Es gab so einige Gründe. Die eine Sache war, dass sich Dogma,
0:16:31–0:16:35
also wurde maßgeblich von Lars von Trier und Winterberg gegründet.
0:16:35–0:16:37
Ich hatte dann noch ein Interview mit Winterberg gehört.
0:16:38–0:16:41
Es gab einige Regisseure, die das dann unterzeichnet haben.
0:16:42–0:16:47
Winterberg hatte zum Beispiel damals den Ingmar Bergmann gefragt.
0:16:47–0:16:51
Da mitmachen will. Und der hat gesagt, das ist Müll, da mag ich nicht mit.
0:16:52–0:16:59
Ist natürlich auch seiner Erzählstil völlig entgegengesetzt, diese Dogma -Regeln.
0:17:00–0:17:06
Und Winterberg hat dann zusammen mit Lars von Trier, du hast es schon erwähnt,
0:17:06–0:17:09
mit Paris dieses Mal fest vorgestellt.
0:17:09–0:17:15
Es ging so ein bisschen darum, den europäischen Film dann auch so ein Profilsverleihen
0:17:15–0:17:19
sich abzuheben gegenüber den industriellen Hollywood -Produktionen.
0:17:20–0:17:23
Und, und das ist nochmal so der andere Tritt in die andere Richtung,
0:17:23–0:17:27
nämlich einen Gegenpol zu setzen zur Nouvelle Vague.
0:17:27–0:17:33
Nouvelle Vague war eigentlich dann auch die letzte größere große Filmbewegung,
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also in den 50ern so theoretisch formuliert und in den 60ern dann halt praktisch gemacht.
0:17:39–0:17:44
Truffaut hat damals einen Artikel geschrieben in der Cahiers du Cinema,
0:17:44–0:17:46
in dieser renommierten Zeitung.
0:17:46–0:17:52
Da war Truffaut noch Filmkritiker und hat quasi mehr oder weniger auch das Manifest
0:17:52–0:17:56
dann von der Neuen Welle, Nouvelle Vague, entworfen.
0:17:57–0:18:02
Und da ging es vor allen Dingen darum, den Regisseur als Autor,
0:18:02–0:18:04
äh, Auteur, also deswegen heißt es Autorenkino,
0:18:05–0:18:09
einzuführen, auch wieder in Absetzung zu dem Hollywood -Kino,
0:18:09–0:18:11
wo natürlich eine ganz hohe Produktionsteilung,
0:18:12–0:18:17
wo er gesagt hat, dass in dieser Produktionsteilung die Produzenten dann für
0:18:17–0:18:22
ein Mitspracherecht haben, dass sich darüber auch eben der Film nicht richtig
0:18:22–0:18:23
Kontur entwickeln kann.
0:18:24–0:18:28
Und auf der anderen Seite gab es auch diese 50er, 40er, 50er Jahre Filme,
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auch im französischen Kino,
0:18:30–0:18:36
die dann so neuen Realismus erzählt haben und häufig Literaturvorlagen genommen
0:18:36–0:18:40
haben und dass dann die Literaten selber diese Drehbücher geschrieben haben.
0:18:40–0:18:45
Und er hat dann irgendwie so 100 Filme analysiert und hat dann auch schon darlegen
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können, dass von diesen 100 sind dann zwölf irgendwie ein bisschen herausragender.
0:18:50–0:18:53
Aber die sind meistens auch von den Regisseuren selber das Drehbuch geschrieben.
0:18:54–0:19:01
Und das war so auch eben da jetzt diesmal stimmt das wort kohärente sprache
0:19:01–0:19:09
zu entwickeln dass der regisseur eine totale kontrolle hat über das was passiert
0:19:09–0:19:14
und damit wurde auch die mise en scéne gegründet die mise en scéne ist quasi so der perfekte,
0:19:15–0:19:21
Und es gibt natürlich auch in amerikanischen Kino da entsprechende Vorbilder.
0:19:22–0:19:26
Allen voran Hitchcock, der hat dann so einen eigenen Stil. Deswegen gilt auch
0:19:26–0:19:27
Hitchcock als quasi Autorenfilmer.
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Und mise en scène bedeutet das Kontrolle über die Kamerafahrt,
0:19:33–0:19:37
über das Make -up, über die Requisiten, dass genau gestimmt wird,
0:19:37–0:19:41
wie die Ausleuchtung ist, dass das, was gesagt wird, auch klar definiert ist.
0:19:41–0:19:46
Damit, wenn das alles in einer Hand liegt, so die Theorie des Autorenfilms,
0:19:47–0:19:51
ist eben die künstlerische Freiheit so gewahrt.
0:19:52–0:19:54
Und damit hat sich die Nouvelle Vague begründet.
0:19:54–0:19:58
Nouvelle Vague hat aber natürlich auch total dekonstruiert. Also Godard,
0:19:58–0:19:59
was der für ein Kino gemacht hat.
0:20:00–0:20:05
Aber das war dann eher der Autor -Politik, also der politische Autor,
0:20:05–0:20:07
der dann auch die Freiheit hat, eben...
Micz Flor
0:20:07–0:20:12
Bei Truffaut war es ja wohl auch so, dieser Call to Action für die Auteurs,
0:20:12–0:20:16
also für die RegisseurInnen, war ja auch zu sagen, wir nehmen mehr Verantwortung.
0:20:17–0:20:21
Also macht was draus, in gewisser Weise. Macht nicht einfach,
0:20:21–0:20:25
und das ist auf alle Fälle bei beiden, denke ich, identisch zu sagen.
0:20:25–0:20:30
Es geht ja nicht darum, diesen ganzen Müll zu produzieren, Anfangszeichen.
0:20:30–0:20:32
Ich würde es jetzt nicht immer so sagen, aber halt diese Idee,
0:20:33–0:20:37
einfach Filme zu produzieren als Investment, als Money Spinner,
0:20:37–0:20:40
sondern macht was draus. Was ihr tut, ist wichtig.
0:20:43–0:20:47
Da erlebe ich aber beides interessanterweise konträr. Bei Truffaut der Aufruf
0:20:47–0:20:49
zu sagen, übernehmt die Verantwortung.
0:20:50–0:20:54
Und bei Dogma dann zu sagen, Nummer 10, ihr sollt nicht mehr genannt werden.
0:20:55–0:20:58
Ihr sollt bitte nicht den Film verhunzen und euch da reinstellen.
Florian Clauß
0:20:58–0:21:03
Genau das war auch genau der Punkt, warum Dogma sich ganz stark auch gegen diese
0:21:03–0:21:06
Autorenfilme und gegen die Nouvelle Vague gelehnt hat.
0:21:06–0:21:13
Nämlich Vorwurf war, dass durch diese Autorenschaft so ein La -Po -La entstanden
0:21:13–0:21:16
ist, also ein bourgeois Autor, der Künstler,
0:21:17–0:21:20
der in seiner Blase dann so die Kunst macht und dann eben nicht mehr,
0:21:21–0:21:29
und das war das zentrale Thema von Dogma, diese Authentizität des Filmemachens, die einzufangen.
0:21:29–0:21:35
Und der Autorenfilm war sehr künstlerisch aufgeblasen, Allein durch diese,
0:21:35–0:21:38
was ich gerade gesagt habe, mise -en -scène, diese Herrichtung,
0:21:39–0:21:46
da begründet es auch mal eben deinen Schaffensrahmen, nämlich diese ganzen Komponenten
0:21:46–0:21:50
im künstlerischen Schaffensprozess zu entkoppeln.
0:21:50–0:21:56
Also das heißt, der Kameramann hat volle Wirkungsfreiheit, der Regisseur darf
0:21:56–0:22:01
nicht genannt werden, der ist auch nicht so präsent im Filmemachenprozess wie
0:22:01–0:22:04
jetzt in diesen industriellen Produktionen.
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Und die Schauspieler haben alle Freiheiten.
0:22:07–0:22:10
Und das war so dieses Framework, ich will nicht Framework sagen,
0:22:10–0:22:14
das ist eigentlich eher so ein Regelwerk, das Doc mal so entworfen hat.
0:22:14–0:22:20
In diesem Raum natürlich dann auch Filme schaffen konnte, die völlig neu waren.
0:22:20–0:22:24
Und es geht darum, damit mit diesem Regelwerk die Geschichte.
0:22:25–0:22:31
Den Kern der Geschichte in dieser authentischen Erzählung auszuprägen.
0:22:31–0:22:34
Ja, das war so das Vorhaben, ne?
0:22:36–0:22:40
Also ich glaube, damit haben wir so ganz gut umrissen, wie sich Dogma dann auch
0:22:40–0:22:44
begründet, warum es sich begründet hat und du hast die Regeln vorgelesen,
0:22:44–0:22:46
also wir sind schon eingewiesen,
0:22:47–0:22:54
wie sich Dogma ausprägt und wir haben auch über die Geschichte des Autorenfilmes
0:22:54–0:22:57
gesprochen und meine Frage ist jetzt an dich,
0:22:58–0:23:01
woran denkst du, dass Dogma gescheitert ist?
0:23:01–0:23:05
Also gescheitert nicht im Sinne von, also gescheitert ist ein bisschen zu krass
0:23:05–0:23:11
ausgedrückt, Ich glaube eher so, warum Dogma jetzt eine relativ kurze Zeit das
0:23:11–0:23:13
Filmschaffen geprägt hat.
0:23:14–0:23:20
Die Hochzeit war so von 1997 bis 2005, war glaube ich so der letzte Dogma -Film.
0:23:21–0:23:27
Und ich glaube schon 2003 haben Lars von Trier und Winterberg ihr Dogma -Büro
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in Kopenhagen geschlossen.
0:23:31–0:23:34
Also die haben relativ früh damit Schluss gemacht, die haben auch wirklich nur
0:23:34–0:23:39
diesen einen Film abgeliefert und dann auch völlig andere Filme dann später gemacht, ne?
Micz Flor
0:23:39–0:23:43
Ja, woran ist es gescheitert? Also,
0:23:43–0:23:49
weil die älter geworden sind und die Jungen wollten natürlich was Neues machen
0:23:49–0:23:52
und nicht was Altes fortführen, haben ihr eigenes Dogma ausgerufen,
0:23:52–0:23:56
das hieß dann irgendwie anders und wir kennen es nicht, weil wir auch älter sind.
0:23:56–0:24:02
Also es gibt ja immer dann so diese neue Musik auch, wo man dann gar nicht genau
0:24:02–0:24:03
weiß, wie das jetzt wiederum heißt.
0:24:04–0:24:10
Und das ist dann aber das, was jetzt gerade genau das ist, was früher das Neue war. Ist es so?
0:24:10–0:24:13
Also die haben ja selber auch geschrieben, diese Truffauts haben ja auch geschrieben,
0:24:14–0:24:17
diese New Wave Crashes. Oder was haben sie geschrieben?
Florian Clauß
0:24:18–0:24:22
Die neue Welle wird zum Kreuz oder zum Verhängnis.
Micz Flor
0:24:22–0:24:25
Nein, nicht verhängnis, sondern die stürzt in sich zusammen.
0:24:25–0:24:29
Die Welle bricht und dann meandert sie so weg.
0:24:31–0:24:33
Vielleicht ist es da einfach auch natürlicherweise so passiert.
0:24:34–0:24:38
Ich weiß nicht, ob es wirklich einen Auslöser gab.
Florian Clauß
0:24:38–0:24:41
Ja, ich rede schon mal rein. Es hat sicher was mit den Personen zu tun.
0:24:41–0:24:48
Und der Auslöser war, dass Winterberg mit dem ersten Dogma -Film auf dem Cannes
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-Festival die Goldene Palme gewonnen hat und von Null auf 100 einer der berühmtesten
0:24:54–0:24:55
Regisseure weltweit geworden ist.
0:24:56–0:25:00
Und damit hat, völlig konträr zu der Dogma, den Regisseur nicht zu nennen.
0:25:00–0:25:03
Bewegung, damit ist es genau das passiert.
0:25:03–0:25:06
Die haben einfach so, und das war denen dann halt auch klar,
0:25:07–0:25:10
Winterberg hatte auf einmal weltweit Angebote, Filme zu machen.
0:25:10–0:25:14
Damit hat sich das ganze Dogma -Prinzip einfach so abgeschafft.
0:25:15–0:25:18
Das ist schon eigentlich ziemlich hinterher.
Micz Flor
0:25:18–0:25:21
Aber ich glaube, er hat nicht die Goldene Palme, er hat den Sonderpreis der Jury gewonnen.
Florian Clauß
0:25:21–0:25:21
Du hast recht.
0:25:24–0:25:29
Und Dogma wurde gleichzeitig durch diesen unglaublichen Erfolg zu einer eigenen Marke.
0:25:29–0:25:35
Es gab sogar so Dogma -Möbel und so ein Möbelhaus, was Dogma -Möbel verkaufte.
0:25:35–0:25:40
Aber das erzählt eigentlich oder zeigt eigentlich, dass es so dermaßen den Zeitgeist
0:25:40–0:25:48
getroffen hat, diese Dogma -Bewegung, dass eben diese Phänomene dann so losgegangen sind.
0:25:48–0:25:53
Und, und das ist eine Theorie von mir, aber ich glaube, du hast hier auch schon
0:25:53–0:25:55
so ein bisschen angeheizt,
0:25:55–0:25:59
da ist quasi schon so ein, wie sagt man das in den Dogma -Regeln,
0:25:59–0:26:04
ist so ein Point of, so ein Lifecycle -Dead implementiert.
Micz Flor
0:26:04–0:26:05
End of Life.
Florian Clauß
0:26:05–0:26:11
End of Life, genau. End of Life implementiert und zwar in der Regel, wie würdest du sagen?
Micz Flor
0:26:11–0:26:13
Der Regel mit dem Academy -Certified.
Florian Clauß
0:26:13–0:26:20
Richtig, genau. Weil zu der Zeit fing es natürlich an mit den ganzen Digitalfilmen,
0:26:20–0:26:24
also die Kameras wurden günstiger, man konnte digital filmen,
0:26:24–0:26:29
die Technik wurde besser und all das hat sich ja auch in den 90ern ausgeprägt
0:26:29–0:26:30
und ist dann hochgegangen.
0:26:31–0:26:35
Das heißt, es gab dann eine ganz lebendige Indie -Szene, Off -Szene,
0:26:35–0:26:39
die schon einfach so digital produziert haben und die wahrscheinlich viel mehr
0:26:39–0:26:42
diese Dogma -Regeln eingehalten als Dogma selber.
0:26:42–0:26:46
Das heißt, die haben sie auch komplett überholt.
0:26:46–0:26:50
Und 35 mm, ich meine, du weißt, wie teuer das ist.
0:26:50–0:26:54
Kann nur jemand drehen, der auch Zugang hat in diesen ganzen Filmbusiness.
0:26:54–0:26:59
Du musst in diesem Filmbusiness -Kontext aktiv sein, weil so mal jeden 35 mm
0:26:59–0:27:01
drehen, kannst du nicht.
Micz Flor
0:27:01–0:27:05
Ja, möchte ich was zu sagen, setze vorgreifend dann auf Idioten,
0:27:06–0:27:11
weil Lars von Trier hat auf Video gedreht Und dann wird er im Interview gefragt,
0:27:11–0:27:12
was wir dann sicher auch verlinken.
0:27:13–0:27:16
Das dürfte er doch nicht, muss doch Academy35 sein.
0:27:16–0:27:20
Dann hat er gemeint, ja, das kann ich erklären, weil er war auch der Meinung,
0:27:21–0:27:23
das ist kein Dogma -Film, weil er vier gedreht hat.
0:27:23–0:27:25
Und dann hätten aber Winterberg und es muss noch einen dritten geben,
0:27:25–0:27:27
deren Name mir jetzt entfallen ist.
0:27:28–0:27:33
Und die meinten, nein, Academy Certified muss nur die Distributionsrolle sein.
0:27:33–0:27:36
Man darf auch auf 16mm drehen, man darf Video drehen, es ist nur wichtig,
0:27:36–0:27:39
dass das Ding quasi zum Schluss, wenn es in Verleih geht, oder wenn es quasi
0:27:39–0:27:42
abgegeben wird, dass es dann Academy Certified ist.
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Und deshalb, so Lars von Trier im Münterview auch, es wurde abgestimmt, zwei gegen ein.
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Er war nicht dafür, dass man auf Video drehen darf. Die anderen beiden haben
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gesagt, nee, es geht nur darum, wo zum Schluss eben das Maß da drauf gezogen wird.
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Und deshalb ist sein Film doch...
Florian Clauß
0:27:59–0:28:03
Ja, also ich glaube, die sind relativ schnell dann in Straucheln gekommen von
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Einhaltung der Regeln und dann baut man sich da so...
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Also es ist ja auch wie so, weißt du, wenn du agil entwickelst,
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hast du auch immer tausend Regeln, um halt dieses agile Framework so ein bisschen zu umschiffen.
Micz Flor
0:28:15–0:28:19
Habe ich auch von Winterberg irgendwie in einem Interview, Winterberg ein Interview
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gehört, wo erzählt, das Ganze sei ja schon sehr kirchlich aufgeladen,
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so Wow of Chastity und so. Also es ist alles so fast Dogma, sind so religiöse Metaphern und Worte.
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Und deshalb hat er dann wohl auch irgendwann den Beichtstuhl eingeführt für Dogma.
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Die durften dann halt beichten. Die durften ihm dann beichten. Ja, krass.
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Für die kleinen Sünden, die dann irgendwie wächst.
Florian Clauß
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Vielleicht haben die das auch alles so vorher gesehen.
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Eben sich das Digitalfilm durchsetzen wird, dass das, was die jetzt quasi so
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für sich als Regelset beschließen, dass das eigentlich so eine völlige Radikalisierung des Mediums ist,
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ja, um gleichzeitig so eine Initiation zu durchlaufen, um in dieses digitale Zeitalter zu kommen.
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Und ich weiß nicht, so leicht verschmitzt kann man denen so eine gewisse Genialität
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unterstellen und vielleicht haben die das auch bewusst so gemacht.
Micz Flor
0:29:12–0:29:14
Ich meine, es ist ja auch so, wenn man ein bisschen überlegt,
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das dänische Kino ist ja irgendwie sehr präsent, also man kennt es einfach.
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Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, wie das früher war, in den 80er, 90er Jahren.
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Aber auf jeden Fall, es war ja auf alle Fälle so, dass beide,
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die so berühmt geworden sind mit Dogma 1 und Dogma 2, die haben jeweils einen
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Dogma -Film gemacht, haben andere Sachen gemacht.
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Bevor Idioten gemacht wurden von Lars Furtwiel, hat der Breaking the Waves gemacht,
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was ja auch auf Cannes lief, wo früher er damals die Palme bekommen hat.
Florian Clauß
0:29:41–0:29:43
Stimmt, der hat die Palme bekommen, ja.
Micz Flor
0:29:43–0:29:46
Und da ist es natürlich so, dass man dann Man denkt, okay, du machst 95 dieses
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Dogma -Ding, dann machst du Breaking the Waves und dann machst du Idioten.
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Das war für die natürlich ein Ding.
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Wenn man jetzt hingeht wie Didi und Stulle und sich drüber lustig macht,
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das ist total legitim, das darf man.
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Wenn man aber anders draufguckt, dann ist es vielleicht auch zu sagen,
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die haben schon so einen schönen Schirm oder eine Linse oder einen Fokus aufgebaut
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für Low -Budget -Filme und denen eine Möglichkeit gegeben, mehr Publikum zu
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ziehen und einen Verleih zu bekommen.
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Früher gar nicht möglich gewesen wäre, weil diese Filme einfach dann nie durch
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die Jury überhaupt nur gesichtet, die werden durch die Sichtung nicht durchgekommen,
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die wären nie ins Programm gekommen.
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Und da kann man dann sagen, dass dieses Dogma 95 schon was erreicht hat,
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einfach zu sagen, hey, guck mal dahin.
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Weißt du vielleicht, wie dann, wie das...
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Wie der auch in unterschiedlichen Medien funktioniert. Also das dann auch in
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der Kunst, in der Musik oder so gibt es ja immer solche, öffnen sich auf einmal,
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das kennt man ja auch aus Berlin, Techno,
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die ganze Club -Szene, auf einmal öffnet sich da so ein Window of Opportunity
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und ermöglicht ganz vielen Leuten erstmal überhaupt gesehen zu werden.
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Und vor dem Hintergrund, finde ich, hat es sicherlich was bewegt.
Florian Clauß
0:30:59–0:31:03
Ja, voll. Ich denke auch und da ist es wahrscheinlich, wie du sagst,
0:31:03–0:31:07
auch total förderlich für die Bewegung, wenn dann eben solche Platzhirsche wie
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Lars von Trier ein gewisses Bett geschaffen haben, wo sich dann auch andere reinlegen können.
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Und das ist ja auch die Frage, wie hat sich dann Dogma weiterentwickelt?
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Jetzt kommen drei neue Genres, die ich vorher auch nicht kannte,
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aber vielleicht hast du die schon mal gehört.
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Also Dogma war, wie gesagt, der letzte Dogma -Film, war glaube ich 2005,
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wurde der gedreht und dann gab es im amerikanischen Raum das Genre Mumblecore. Kennst du das?
Micz Flor
0:31:36–0:31:37
Das ist aber Musik, oder?
Florian Clauß
0:31:37–0:31:41
Nee, Mambelchor ist tatsächlich... Vielleicht ist es auch ein Griff aus der
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Musik, den die in den Film übertragen. Mambelchor kommt von Murmeln, Nuscheln.
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Und Chor ist dann halt so, auch eben mit ganz minimalen Mitteln Geschichte erzählen.
0:31:50–0:31:54
Und da war halt im amerikanischen Raum, gab es dann vor allen Dingen Low -Budget
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-Produktionen, die das dann halt gemacht haben.
Micz Flor
0:31:56–0:31:58
Darf ich einen Didi und Stulle -Witz machen?
Florian Clauß
0:31:58–0:31:59
Darfst du.
Micz Flor
0:31:59–0:32:04
Dogma 95 war gestern, jetzt ist Mumblecore. Was? Dogma 95 war gestern,
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jetzt ist Mumblecore. Was?
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Dogma 95 war gestern, jetzt ist Mumblecore.
Florian Clauß
0:32:11–0:32:16
Ja, es gab noch so ein Parallelgenre zu Mumblecore, das ist Mumblegore.
Micz Flor
0:32:17–0:32:18
Ein Horrorfilm, oder?
Florian Clauß
0:32:18–0:32:23
Und natürlich, ohne Dogma wäre sowas wie Blair Witch nicht denkbar.
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Ja, aber Blair Witch war doch vor… Ja, das war vor Mumblecore und Mumblegore,
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das kam erst in den 2000ern.
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Blair Witch war ja noch, das war ja das, die Produktion, die auch digitale Filmproduktionen,
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Techniken dann so unglaublich, also mit minimalem Einsatz, ich glaube,
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das hat nur 80 .000 gekostet, der Film.
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Und hat unglaublich viel eingespielt, das hat das so bekannt gemacht.
Micz Flor
0:32:47–0:32:49
Ist aber auch kein Dogma -Film?
Florian Clauß
0:32:49–0:32:50
Ist kein, nein.
Micz Flor
0:32:50–0:32:56
Ich überlege gerade, gegen was die verstoßen haben. Wahrscheinlich haben die
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den Ort immer gewechselt.
Florian Clauß
0:32:58–0:33:04
Das habe ich auch gelesen. Die beiden Regisseure von Blair -Mitsch,
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das waren 2, die sich auf einer Filmschule kennengelernt haben.
Micz Flor
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Die wollten unbedingt, dass der Name reinkommt.
Florian Clauß
0:33:10–0:33:11
Blair -Mitsch.
Micz Flor
0:33:12–0:33:17
Nein, die wollten die Regisseurin sagen, was, unser Name kommt nicht rein,
0:33:17–0:33:19
auf keinen Fall. Wir sind raus.
Florian Clauß
0:33:20–0:33:24
Wie die das aufgezogen haben, die haben die drei Schauspieler,
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völlig unbekannte Personen, die sind mit den Filmen bekannt geworden.
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Es war fast wie das erste Escape Game, was die dann verfilmt haben.
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Die haben auch so rein spielerisch, das ist auch so eine Dogma -Methode,
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dass du so spielerisch rangehst.
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Wir haben quasi das Team über acht Tage lang völlig alleine wirken lassen.
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Also die haben für jeden Drehort da so einen Plan geschrieben,
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was jetzt zu machen ist, wo die dann Essen finden und die mussten sich auch immer selber filmen.
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Und dann haben die aber auch das Essen rationiert, damit das noch authentischer
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kommt, dass sie ausgemergelt sind, dass sie gestresst sind.
0:34:00–0:34:03
Ja, das war halt wirklich so Step -by -Step und die mussten dann halt am nächsten
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Tag dahin gehen und haben dann dort weiter gefilmt. Aber die hatten immer so Exit.
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Also wenn es halt wirklich kritisch wussten ja auch immer, wie sie dann halt rauskommen.
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Aber es war nicht ganz gut, dass es halt funktioniert war wie so ein Escape
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-Game, wo da dieser Film rausgekommen ist.
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Und der auch eben diese Authentizität dann so widerspiegelt.
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Und das ist das, was dann diese Bewegung und diese Technologie dann auch so
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wieder ins Kino reingeholt hat. Das muss man ja auch schon so sagen.
Micz Flor
0:34:32–0:34:37
Ja, und es ist halt aber auch interessant, weil man hat ja in dem Dogma 95 -Stil
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auch immer gesagt, es heißt so was Dokumentarisches.
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Interessant ist ja, dass scheinbar das Realistische etwas ist, was man im Bild sieht.
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Das heißt, die Hollywood -Produktion, ich nehme das Hollywood stellvertretend
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für alle High -Budget -Produktionen, das ist jetzt nicht nur Hollywood,
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macht scheinbar etwas, was wir als unsichtbar wahrnehmen.
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Und das Dogma, was dann irgendwie technisch runtergeht, stellt etwas her,
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was wir auf einmal wieder wahrnehmen. Verstehst du mich?
Florian Clauß
0:35:06–0:35:07
Ja, na ja.
Micz Flor
0:35:07–0:35:11
Das ist ja irgendwie das Paradox, man denkt, keine Filter, ich mach einfach
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so, wie es ist, und dann denken die Leute, oh, das ist ja was ganz Neues.
0:35:15–0:35:19
Während das andere, was völlig überzogen ist und vielleicht in der Postproduction
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die Farben angepasst hat, das wird nicht wahrgenommen.
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Das wird als Realität akzeptiert und ist unsichtbar.
Florian Clauß
0:35:26–0:35:30
Ja, vor allen Dingen, weil es ja auch in so einer Kulturinstitution läuft,
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wo das dann eben als ... Das ist das, was man da wahrnimmt im Kino,
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ja? Dafür zahle ich meinen Popcorn und so fühle ich mich unterhalten.
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Aber dass eben Dogma es geschafft hat, durch die Geschichten und das, wie es erzählt wird,
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dann wieder eine gewisse Aufmerksamkeit zu bekommen und da eben einfach auch
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die Visualität des Films weitergetragen hat. Das ist ein Verdienst.
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Und es gibt diesen Mumble Gore, Mumble Core, es gibt auch einen German Mumble.
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Was? German Mumble Core.
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Ja, das ist ein eigenes Genre und ich habe keine Filme von dem Genre gesehen.
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Es gibt unglaublich viele, Dicke Mädchen ist einer davon.
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Es gibt halt auch so einen Filmemacher, der sich da sehr hervorgetan hat und
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das müsste man mal gucken.
Micz Flor
0:36:21–0:36:25
Wenn es vier Filmemacher innen wären, würde man sagen, das ist eine German Mumble Corps vor.
Florian Clauß
0:36:25–0:36:27
Ja, könnte man sagen.
Micz Flor
0:36:27–0:36:31
Es regnet, ich brauche gute Stimmung. Irgendwie muss ich mir selber gerade die Stimmung hochhalten.
Florian Clauß
0:36:31–0:36:35
Ja, guck mal, hier ist ein Böckersteig. Wir sind ja gute Bürger.
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Der ist nochmal so ein bisschen ein Schatz in der Filmgeschichte,
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den man sich durchscrollen kann und durchschauen kann. Fand ich sehr interessant.
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Und auf der anderen Seite, neben den Amonkarschen Blerwitsch,
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gab es auch zum Beispiel Soderbergh mit Traffic, die Macht des Kartells,
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wo er auch Dogma -Elemente verwendet hat.
Micz Flor
0:36:58–0:37:04
Ja, wobei der ja unglaublich, also der hat ja unglaublich viel so Farbnuance
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in der Post -Production und bestimmte Szenen und...
Florian Clauß
0:37:07–0:37:11
Ja, ja, der hat das genau gegenüber gestellt. Der hat diese unglaublichen Werbe,
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es ist fast wie ein Jeff -Wall -Bild teilweise gefilmt, ja.
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Auf der anderen Seite hat er halt diese völlig authentische,
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rohe Oberfläche von Digitalfilmen da mit drin und konfrontiert die dann so ganz gut zusammen.
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Fand ich damals sehr beeindruckend, muss ich sagen, den Film.
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Aber das sind so die Ausläufer von Dogma. Also Dogma hat sich dann irgendwo
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in unserer Sehgewohnheit eingeflochten mit den Filmen und es akzeptiert, wie du sagst.
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Das war erstmal so ein totaler Ruck, wie kann man das machen?
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Und ist dann wieder so in so eine Sehgewohnheit dann wieder reingekommen.
Micz Flor
0:37:44–0:37:47
Eine Sache wollte ich auch noch sagen, weil das ist dann immer auch dieses so
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ein bisschen dieser Impuls in bestimmten Entwicklungsphasen so der eigenen Berufung,
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ich sage nicht Beruf, dann zu sagen, wir erfinden jetzt was,
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was es vorher noch nie gab.
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Und zum Beispiel die Handheld -Camera hat dann Winterberg in einem späteren
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Interview noch mal gesagt, das wurde vorher eigentlich gemacht,
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das gab es vorher quasi gar nicht.
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Und ich wusste, dass das nicht stimmt, aber wusste wenig über Handheld -Camera
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-Geschichte und wollte nur mal sagen, 1908.
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War eine Handheld -Kamera bei dem Flug von einem der Gebrüder Wright mit an Bord.
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Also es wurde schon deutlich früher auch mit Handheld gedreht.
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Und ich kann mich auch noch erinnern, dass es irgendwelche ganz frühen Filme,
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wo die Kamera in so einer Kanu, also so Spreewald, so irgendein Spreewald,
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zwei Kanu, also quasi French Connection im Spreewald mit Kanu,
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wo es so Gurken hinten drin sind. Zwei verfolgen sich irgendwie.
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Und da war auch die Kamera quasi voll actionmäßig, so expressionistisch irgendwie eingesetzt.
Florian Clauß
0:38:47–0:38:49
Das ist Flussfahrt mit Huhn, der hessische Film.
Micz Flor
0:38:51–0:38:54
Aber was ich sagen wollte, das sind halt so Sachen, wenn man da so reinbohrt,
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ist natürlich hinter so was wie Dogma ist dann auch eine Haltung.
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Und diese Haltung, die hat eine bestimmte Kraft. Und ich glaube,
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das ist dann auch das, was viele Leute so nervt.
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Ihr wisst doch genau, dass ihr nichts erfunden habt, aber ihr verkauft das jetzt so gut, es nervt.
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Ich kann mir vorstellen, dass Kolleginnen aus einer ähnlichen Zeit mit irgendwie
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nicht einer Ambition dann dachten, ach scheiße, ich bin jetzt abgehängt,
0:39:18–0:39:21
bloß weil die da irgendwie zehn Punkte aufgeschrieben haben und sich trauen
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aufzustellen, das zu sagen,
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obwohl sie wissen, dass sie als nächstes dann sowieso Breaking the Waves drehen,
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was gar nichts damit zu tun hat. Weißt du, wie ich meine?
Florian Clauß
0:39:29–0:39:35
Ja, also ich kann es nachvollziehen. Gleichzeitig ist es aber auch so eine künstlerische
0:39:35–0:39:39
Attitüde, da so ein Produkt quasi so hinzustellen zu sagen, ja,
0:39:40–0:39:43
also jetzt hier, wir haben das mal erfunden. Finde ich völlig auch legitim.
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Also ich würde es jetzt jetzt nicht so kritisieren. Ich würde es einfach so...
Micz Flor
0:39:49–0:39:51
Nee, genau. Ich denke auch, man kann es am besten verstehen,
0:39:51–0:39:56
wenn man sagt, wir möchten, dass Filme gemacht werden und zwar Filme,
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die mächtig sind, die wirkmächtig sind.
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Und das kommt nicht durch ein fettes Budget, sondern macht einfach geile Filme.
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Und die Idee, und das ist wiederum paradox, die Idee, dass die Regisseurin sich
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da nicht reinschreibt, ist ja dann auch so ein bisschen dieses Vanity -Thema, also diese Eitelkeit.
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Finde ich gut und gleichzeitig ist das Dogma Manifest wieder unterschrieben von den Leuten.
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Also da das beißt sich alles immer so ein bisschen den Schwanz.
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Wie du schon gesagt hast, würde auch dann der erste nicht genannte Regisseur
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gleich einer der berühmtesten Regisseure nachkannen.
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Also das ist halt so dieses Paradox, was da so drin ist.
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Und das finde ich ist auch irgendwie so sehr,
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sehr so jugendliche Haltung, so eine aufmüpfige Haltung, so ihr dürft das alles
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nicht, wer sagt das? Ich.
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Darfst du das sagen? Ich darf das sagen, aber ihr dürft es nicht.
0:40:55–0:40:59
Also irgendwie gibt es da so einen Moment, der vielleicht einfach in der eigenen
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Entwicklungsgeschichte immer notwendig ist und später dann aber auch sich auflösen darf.
Florian Clauß
0:41:07–0:41:14
Kommen wir zum ersten Dogma -Film. Das Festfesten von Thomas Winterberg.
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Thomas Winterberg ist 1969 geboren und aufgewachsen in Friedrichsberg,
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also dieser Kommune von Kopenhagen, in so einer Hippie -Gemeinschaft.
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Und er hat sich selber in dem Interview, was ich da gehört habe,
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als sehr schüchtern bezeichnet.
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Er ist dann auf eine Filmschule gekommen, die auch recht renommiert ist.
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Da werden pro Jahr nur so sieben Leute angenommen und hat auch ziemlich viel Geld gekostet.
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Aber er spricht sehr positiv von seiner Zeit in dieser Filmschule.
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Die meisten Kniffe hat er dort gelernt und auch die er später angewendet hat, hat er da gemacht.
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Hat aber auch gesagt, es gibt genügend
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Regisseure, die das Handwerk selber gelernt haben ohne Filmschule.
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Deswegen weiß er nicht, ob er jetzt so eine Filmschule, dann so,
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ob er das dann halt so empfehlen kann.
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Das Fest war so sein erster großer Film. Er hat danach, das ist auch ganz interessant,
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in seiner Biografie hat sich komplett dagegen, also gegen Dogma -Regeln gewandt.
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About Love mit Joachim Phoenix gedreht, habe ich nicht gesehen, ist total gefloppt.
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Er meinte selber, er hat dann auf der einen Seite so einen Nier -Fiction -Film
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gebaut, was eigentlich gegen alle Dogma -Rädern zu verstoßen hat,
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bis auf, es gab kein Skript.
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Er hat mit Jean -Pen gearbeitet, Joachim Phoenix, also wirklich ein unglaubliches
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Hollywood -Budget. Das war dann der zweite Film, den er nach Festen gedreht hat.
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Den ersten Film hat er dann auch mit Lars von Trier übernommen.
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Und hat er auch oft mit Lars von Trier Drehbücher, da konnten die ihm dann auch verfilmt.
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Und der letzte Film von ihm, den hatte ich auch nicht geguckt,
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ich hab gar nichts davon geguckt, ist der Rausch mit Mads Mikkelsen. Hast du den?
Micz Flor
0:43:08–0:43:11
Nee, hab ich auch nicht gehört. Ja, ich hab davon gehört, genau.
Florian Clauß
0:43:11–0:43:15
Also, es geht quasi um eine Gruppe von Lehrern, die beschließen,
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dass die halt ständig so weit berauscht sind,
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also immer so zwischen 0 ,5 Promille dann im Blut haben und damit halt irgendwie
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so gut über den Tag kommen, bis das irgendwann so ein bisschen,
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ja nicht ich eskaliert, aber es wird dann irgendwann anders.
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Also so ganz grob geerzählt auch in der Ferne. Also hier in Mads -Milkesen hat
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Nermanns mit Hinterberg gearbeitet.
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Ja, es ist auch ein Film, wo es darum geht, dass ein Täter, oder ich weiß nicht,
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was ein Täter ist, aber es geht um eine Anklage wegen sexuellen Missbrauchs und Schüsse.
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Es ist so eine Hetzjagd statt, auf die man, der gestützt wird von Mads Mückes,
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und ich weiß es nicht, habe ich von dem Film nicht, aber ich fand es ganz gut,
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weil es auch ähnlich belagert wird, wo da jetzt ein bisschen Mathe in so ein
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Tabuthema reingeht, in ein gewerkschaftliches Talent, wie das fällt.
Micz Flor
0:44:10–0:44:15
Also da hat Winterberg auch mal einem Winterview zugesagt, dass er den Film...
0:44:17–0:44:24
Angenommen hat das Skript, weil es das Gegenteil von das Fest oder Festen war.
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Also da gab es einen Kindesmissbrauch, der die ganze Zeit so unterschwellig in der Story mitläuft.
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Und das andere ist, dass das eine Beschuldigung gibt ohne Grundlage.
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Also das absolute Gegenteil. Und er dann auch interessiert war,
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diese Perspektive zu explorieren des Kindes, des Jugendlichen, die sowas erfinden.
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Wie wahr wird das dann wahrgenommen?
Florian Clauß
0:44:54–0:44:57
Also das ist natürlich auch so, gerade im politischen, gesellschaftlichen ist
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das ein heikles Thema, weil man weiß, dass diejenigen, die vor allem maßgeblich
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Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren,
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so ein typisches Narrativ, dass die sich das ausdenken.
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Also dieser Prozenteil zwischen wirklichen Opfern und sich das Ausdenken, der ist ganz anders.
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Aber ist von 2007, glaube ich, oder 2012 die Jagd, ist, glaube ich,
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in dieser ganzen MeToo -Debatte und so was nochmal anders zu bewerten,
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würde ich mal behaupten.
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Das Fest, wir haben es schon gesagt, es geht da um ein um sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern.
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Es ist, ich erzähle das kurz, den Inhalt von das Fest, die Familie kommt zusammen.
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Die Familie ist, ja, es ist eine sehr desolate Familie, die man würde sagen
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so durch toxische Beziehungen geprägt ist.
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Es gibt das Helge, der Patriarch der Familie, wird 60, deswegen lädt er zu einem Fest,
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wo Gäste kommen und auch seine Kinder, nur noch drei, weil Linda,
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das ist die Zwillingsschwester von Christian, hat sich einige Zeit davor umgebracht, Selbstmord begangen.
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Christian ist ein erfolgreicher Koch in Paris und der Protagonist der Geschichte.
0:46:17–0:46:21
Es gibt den Sohn Michael, der so ein bisschen so ein gescheiterter Typ ist,
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recht aggressiv und brachial immer auftaucht und der auch in dem Essensbusiness ist und dort,
0:46:31–0:46:34
aber in so einer Klitsche in Kopenhagen betreibt.
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Und Helene, das ist die Schwester, die Jüngere, die noch immer studiert zum Leidwesen der Eltern.
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Helge wird, wie gesagt, 60 und seine Frau Elsie begleitet ihn dann in diesem Fest, ja.
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Und das Ganze fängt schon recht an.
0:46:54–0:46:58
Ich weiß nicht, hast du den noch mal gesehen, den Film jetzt?
Micz Flor
0:46:58–0:47:01
Ich muss gestehen, ich hab die Zeit nicht gehabt, den noch mal zu sehen.
Florian Clauß
0:47:01–0:47:05
Der Film hat so eine unglaubliche Grundspannung die ganze Zeit drin.
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Es ist sehr so, wie die Figuren miteinander umgehen, wie die da ankommen.
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Der Michael, der Bruder, schmeißt seine Frau raus, weil irgendein alter Freund
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ihm auf dem Weg zum Haus entgegenkommt.
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Und er meint, ihr müsst gehen mit Familie, die brauchen Platz,
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und geht mal raus. Und er ist halt irgendwie so, er betrügt sie auch fast vor
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den Augen, vor ihren Augen.
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Und dieses, also der Rahmen, es spielt quasi so ein Landhaus,
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also sehr großbürgerlich.
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Es gibt eine ganze Schicht von Bediensteten, die auch schon lange mit dem Haus verknüpft sind.
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Also die Bediensteten, teilweise der Chefkoch von dem Haus, ist auch ein alter
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Kinderfreund von Christian.
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Und die eine Servicekraft ist auch so verliebt in Christian.
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Also da ist auch so eine Affäre, Beziehung zwischen den beiden.
0:48:02–0:48:07
Und es fängt halt so, also es ist halt so, diese gesellschaftlichen Rituale
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von Fest, spielt das halt so durch.
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Also es gibt diese Gruppen, es gibt die Eltern, es gibt die Gäste,
0:48:13–0:48:14
es gibt die Bedienstete, es gibt die Kinder.
0:48:14–0:48:19
Also das sind so diese Gruppen, die dann so als Ausprägung dastehen.
0:48:19–0:48:24
Und es werden natürlich so Reden geschwungen und dann wird Christian aufgefordert,
0:48:24–0:48:29
eine Rede zu halten und er hat zwei Umschläge in der Hand und meinte so,
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Vater such dir einen aus und dann wählt er den grünen Umschlag oder den roten,
0:48:33–0:48:36
ich weiß nicht mehr genau und er meinte, oh die Wahrheitsrede.
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Und dann, Minute 35.
0:48:40–0:48:48
Und da beschreibt er, erzählt er haargenau, wie er von seinem Vater vergewaltigt
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wurde mit seiner Schwester zusammen,
0:48:50–0:48:55
also seine Schwester wurde auch vergewaltigt, und das schlägt ein wie eine Bombe.
0:48:55–0:49:00
Also es ist halt wirklich so, wenn wir nochmal gucken, welche Regeln von Dogma
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sich dann auch in festen Widerspiegeln.
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Es ist wirklich eine sehr untypische Erzählung.
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Es gab vorher, glaube ich, so in diesem Rahmen überhaupt, dass das Tabuthema
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so präsentiert wurde von Kindesmissbrauch, von Inzest und so weiter.
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Würde mir jetzt kein Film einfallen. Das weiß ich noch damals,
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als ich den in den Kino geguckt habe. Der war ja auch so sprachlos.
0:49:22–0:49:25
Und der hat ja genau diese ganzen gesellschaftlichen Tabuthemen,
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also Rassismus, Alkoholsucht, überhaupt Inzest und alles bringt er dann irgendwie
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rein, aber immer in so einem gesellschaftlichen Rahmen.
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Es ist halt so, die Gesellschaft, jetzt die Festgesellschaft,
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ist gleichzeitig wieder so quasi mehr oder weniger die Metapher für die ganze Gesellschaft.
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Und es ist auch immer interessant, wie die Dynamik in dieser Gesellschaft verläuft.
0:49:46–0:49:49
Das erste, was passiert, Casey, seine Mutter, lacht ihn aus.
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Er wird dann vom ... Kommt dann so ... Er wird nicht rausgeführt,
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sondern er geht dann so ein bisschen aufgelöst.
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Die ganze Dienerschaft, die haben das auch mitbekommen.
0:50:00–0:50:05
Die ganzen Bediensteten, die stehen voll hinter Christian, unterstützen ihn
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und arbeiten ihn auch zu.
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Es wird dann auch irgendwie so klar, okay, ich hab das vor. War schon abgesprochen.
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Wir klauen zum Beispiel irgendwann auch von allen Gästen die Autoschlüssel,
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damit die nicht mehr wegkommen oder die sperren einen ein, der dann halt auch
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so Christian geschlagen hat und so weiter.
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Also das heißt, die arbeiten dazu, damit eben dieses unglaubliche,
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dieses Geheimnis, Familiengeheimnis dann auch so entblößt wird und dass auch
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der Täter zur Rechenschaft gestellt werden kann.
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Und also ich will jetzt nicht haargenau diesen Film nacherzählen,
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aber es ist halt so eine Dynamik drin, dass Christian lässt sich auch nicht
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unterkriegen. Das hat er auch unglaublich stark gespielt, von dem Charakter.
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Also von dem Schauspieler, wie er den Charakter spielt. Nämlich er reißt sich
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da immer rein, geht rein, erzählt weiter, wird rausgeschmissen,
0:50:54–0:50:56
wird verprügelt von seinem Bruder.
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Also gerade Michael glaubt ihm nicht und was machst du denn da und so weiter.
0:51:00–0:51:05
Und Helene findet irgendwann den Brief von Linda, den Abschiedsbrief.
0:51:05–0:51:11
Und dieser Brief ist quasi so die objektive Instanz, die noch mal so belegt,
0:51:11–0:51:16
dass das, was Christian erzählt, tatsächlich passiert ist, weil sie da auch drin schreibt.
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Deswegen umgebracht hat. Sie kann nicht mehr mit diesem Schicksal leben.
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Und Christian steht dann auch
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irgendwann auf. Vater, du bist schuld an den Tod von meiner Schwester.
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Und dann wird er halt auch rausgetragen, am Baum gefesselt.
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Total absurd. Also es kippt dann und dann macht die Gesellschaft eine Polonaise durchs Haus.
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Die wollen dann immer wieder so doch feiern und es steht dieses unausgesprochen in einem Raum,
0:51:48–0:51:52
aber irgendwie versuchen die sich dann immer in diesen gesellschaftlichen Ritualen
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so ein bisschen langsam um wieder dieses Fest und dann wird es halt auch der
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Freund von Helene, der kommt dann später,
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wird mit dem Taxi gebracht und der Taxifahrer wird auch gespielt von Winterberg,
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so eine kleine Rolle, die er da übernommen hat in dem Film und es ist ein Schwarzer,
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also der auch dann in der Gesellschaft erstmal so komisch angeguckt wird.
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Irgendwann gibt es auch so dass die alle einstimmen in so ein rassistisches
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Lied, auch so völliger Rassismus, und er dann so, ah!
0:52:18–0:52:25
Und er ist eigentlich auch die Figur, die dann Helene sagt, du musst jetzt diesen Brief vorlesen.
0:52:25–0:52:27
Es ist klar, sie muss jetzt auch eine Rede halten.
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Und es gibt dann immer so diesen, wie nennt man das, der quasi durch den gesellschaftlichen
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Arm führt, dieser Redenhalter, und dann immer so ein Toast ausspricht usw.
0:52:38–0:52:42
Diese Figur. Und dann ist es klar, dass dann Lene dran ist mit ihrer Rede und
0:52:42–0:52:44
sie fragt auch, soll ich den Brief vorlesen?
Micz Flor
0:52:44–0:52:44
Und alle so, ja!
Florian Clauß
0:52:45–0:52:52
Und dann liest sie den Brief und mit einem Mal ist halt wirklich allen klar, dass das ist wahr.
0:52:52–0:52:58
Ja, das heißt, die Instanz, Christian wird hergestellt, der Sohn,
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Michael, also der Bruder, der flippt total aus, weil er so wütend ist auf seinen Vater.
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Der Vater steht auf, er entschuldigt sich auch nie.
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Zum Mehr wart ihr nicht wert, also völlige Diskriminierung. Aber es gibt noch
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eine Szene, die muss ich noch erzählen, bevor ich Helene den Brief vorlese.
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Nämlich, dass die Mutter, die Rolle der Mutter ist noch nicht so ganz klar.
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Die sagt dann auch, hält eine Rede und sagt, dass Christian früher als Kind immer sehr kreativ war.
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Und er hatte so diesen kleinen Freund, den es nicht gab, Snoot,
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und hat ihn dann halt so ein bisschen auch so diskreditiert dafür,
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dass seine Wahrnehmung halt komplett schief liegt und so weiter.
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Und dann steht Christian auf und sagt, Mutter, du hast uns gesehen,
0:53:40–0:53:44
du bist in den Raum gekommen, als wir vor Vater knieten und du hast uns gesehen.
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Er hat dann auch noch mal sie und sie lacht noch und es wird wieder überbügelt.
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Es gibt immer dieses Anrennen und es gibt diese unglaubliche Gewalt und Aggression,
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die dann zurückkommt, bis dann halt klar ist, der hat es wirklich gemacht und
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der wird dann auch entfernt.
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In dem Moment ist der Patriarch entthront an der Stelle.
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Und dann fängt das Fest auch so ein bisschen an.
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Die Bediensteten sind da, mit Christian, mit seiner Schwester Helene und ihrem Freund.
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Die spielen Klavier, tanzen und so weiter. Es gibt dann schon so eine Festsituation.
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Am nächsten Morgen, der Vater wurde dann auch von Michael verprügelt.
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Er ist wirklich so aussätzig. Am nächsten Morgen kommt er dann auch rein zum Frühstückstisch.
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Alle schweigen so. dann setzt sich das Kind von Michael, will sich auf den Schoß
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setzen, und sagt dann, nee, komm mal wieder her.
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Und dann meinte er auch so, Vater, du musst jetzt gehen. Und er ist dann halt
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wirklich gesellschaftlich ausgestoßen.
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Dieser gesellschaftliche Raum, diese Gesellschaft, der ist jetzt ausgestoßen
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und nicht mehr gesellschaftsfähig.
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Und seine Frau kommt auch nicht mit.
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In dem Moment ist es wirklich so eine Täterbestrafung, die dann auch so konsequent läuft.
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Und es gibt so einen kleinen ... einen Pay -off, wo er in der letzten Szene
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dann eben Christian, die eine fragt, willst du mit mir nach Paris?
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Also die Bedienstete, die so, die auch ein Liebespaar sind und sie so, ja.
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Und das hat was Versöhnliches, es hat so, es hat ein Weiterkommen,
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ja, also es ist auch einfach schön, also es ist halt nicht so ein reines,
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also man sieht auch dann bei Helge,
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dem Familienvater, sieht man auch so gewisse, ja nicht Reue,
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entschuldigt sie nicht, aber eine gewisse Menschlichkeit.
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Also es ist halt nicht so ganz, dass der dann halt so diesen Täter dann so diffamiert
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von der Kamera und von der Person, sondern es wird irgendwie immer integrativ
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mit der Gesellschaft dann gearbeitet.
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Und deswegen absolute Empfehlung dieser Film.
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Kann man auch gucken, heute noch mit natürlich so dem Stil mitten von dogma
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und also ich auch beim wiederholten gucken war ich doch sehr beeindruckt,
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ja das endlich habt ihr jetzt gar kein bild mehr für gehabt für das ende weil,
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ich überlege der war wann war der 98 war das oder 95 war dogma 97 war der dann
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im kann fest ok das ist ja nicht 98 war dann nicht mit idioten zusammen ich
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habe eigentlich nix aufgezeichnet,
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sondern wir laufen ja dann erzählen uns immer alles auf dem Kopf.
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Aber Kur, ich habe hier überraschenderweise die Filmografie von 98.
Micz Flor
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Ich überlege gerade, ob wir den zusammen gesehen haben.
Florian Clauß
0:56:42–0:56:44
Warst du denn nicht in England?
Micz Flor
0:56:45–0:56:45
Kann sein.
Florian Clauß
0:56:46–0:56:49
Ich weiß es noch, ich glaube, ich habe den im Filmtheater am Friedrichshain gesehen.
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Also da liefen ja immer so, entweder international oder Filmtheater am Friedrichshain.
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Das war ja so die Kinostadt. Ja, also das, und ich glaube, Festen ist auch der
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Film, der eigentlich fast alle Dogma, oder fast eigentlich alle,
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ich habe geguckt, ob da irgendwie eine gebrochen wurde,
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aber er hat alle Dogma -Regeln eingehalten.
0:57:12–0:57:16
Und auch in dem Interview, was ich dann gehört habe, war ganz interessant,
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wie Winterberg da rangegangen ist. Weil bei ihm natürlich eine totale Unsicherheit
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... Was heißt natürlich? Es war eine Unsicherheit, wie passiert das jetzt?
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Auch für die Schauspieler. Und er saß dann mit dem Kameramann,
0:57:31–0:57:34
der ist wohl auch relativ bekannt, der Kameramann.
Micz Flor
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Der ist mit K, ich hab den Namen jetzt auch vergessen.
Florian Clauß
0:57:36–0:57:41
Ja, der hat dann ständig sich vorbereitet.
0:57:42–0:57:46
Er wollte immer so bestimmte Sachen so inszeniert haben, das, ja.
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Und dann war das für das ganze Team eine unglaubliche Überwindung,
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eben nicht in diesen traditionellen Wegen dann zu filmen.
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Und die haben das dann auch so geschafft, indem dann Winterberg zu den Schauspielern
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gesagt hat, Ja, wir haben jetzt hier kein Licht, sondern überall ist Licht.
0:58:06–0:58:08
Dann haben die Schauspieler gesagt, okay, dann können wir spielen.
0:58:09–0:58:13
Und es gibt auch keine Markierungen. Weil ganz viel ist immer so,
0:58:13–0:58:15
die Wegstrecken oder so vor der Kamera sind markiert.
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Und meinte er, sind alle irgendwie vor Panik implodiert.
0:58:20–0:58:24
Ja, genau. Weil das für alle so ungewohnt ist.
Micz Flor
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Und das ist ja ein interessantes Paradox, ne? Weil Dogma hat diese zehn Regeln,
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und nimmt halt mit diesen zehn Regeln die Regeln weg, die vorher nicht ausgesprochen
0:58:35–0:58:37
waren, die man einfach so, die sich so eingeschliffen haben.
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Zum Beispiel, dass man eine Markierung am Boden macht, wo das Licht dann ist.
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Dann läufst du bis hier, dann stellst dich quasi auf die Markierung,
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machst du drei Schritte rückwärts, dass du nämlich beim dritten Schritt genau
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auch an den Punkt landest und so.
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Diese Sachen sind nicht als Regel festgeschrieben, aber wurden durch die festgeschriebene
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Dogma -Regeln sichtbar abgeschafft und dann gab es Freiheiten,
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die mit der gleichen Technik, und das finde ich ganz interessant,
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weil das ist dann eine Brücke auch hin zu Idioten, weil der Lars von Trier eben
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auf Video gedreht hat, gemeint, er ist aber total super.
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Also ich hab dann einfach, der hat über 100 Stunden Material gehabt und hat
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dann gemeint, er hat manche Szenen einfach gefilmt, er hat ja selber auch die Kamera geführt.
0:59:20–0:59:25
Dann einfach als so eine Sache, die zusammenschneiden, das sind ganz viele harte
0:59:25–0:59:28
Schnitte dann ja auch drin, die dann was so kondensieren, wo er meint,
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er hat dann das so zusammengeschnitten, dass halt eine lange Sequenz kurz war
0:59:32–0:59:34
und energetisch wurde, dass er das so ballen konnte,
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was dann irgendwie auch mit diesem dokumentarischen Stil so ein bisschen bricht.
0:59:39–0:59:45
Und das ist natürlich dann bei Winterbergfesten, das wurde auf Film gedreht
0:59:45–0:59:47
und da hast du diese Möglichkeit so nicht,
0:59:48–0:59:51
da musst du dann hast du dann die Technologie noch, die dafür gemacht ist,
0:59:51–0:59:55
dass du mit einer Rolle, einer Szene, dann weißt du, wie lange das sein darf.
0:59:55–0:59:59
Ich ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, aber dann hatte man mit Video,
0:59:59–1:00:01
dann konnte man das vielleicht sogar besser aufbrechen.
1:00:02–1:00:05
Und diese ganzen Regeln wie vorher, man braucht halt so und so viel Licht,
1:00:05–1:00:08
sonst ist der Film einfach nicht verwendbar.
1:00:09–1:00:13
Die auszuhebeln, führte zu einer Panik.
Florian Clauß
1:00:13–1:00:19
Ja, du baust gerade so ein paar Cliffhanger in die nächste Episode, die Idioten.
1:00:20–1:00:26
Was Winterberg auch gesagt hat, dass diese Einschränkung, also auf diese gleichzeitig
1:00:26–1:00:30
eine komplette Befreiung bei ihm ausgelöst hat, dass er nie wieder in so einem
1:00:30–1:00:33
Filmprozess so eine Freiheit dann auch,
1:00:33–1:00:40
so eine Liberation, ja es ist Befreiung, gespürt hat, wie zu diesen Dreharbeiten,
1:00:40–1:00:43
also es war für ihn unglaublich wichtiger Film,
1:00:44–1:00:47
wie das jetzt so gelaufen ist und wie er auch mit den Schauspielern und den
1:00:47–1:00:48
Kameramann gearbeitet hat.
1:00:49–1:00:52
Also das merkt man auch diesem Film an und ich glaube das ist jetzt so auch
1:00:52–1:00:55
so dieses... natürlich waren die die ersten, die das jetzt so gemacht haben.
1:00:56–1:01:01
Man hat natürlich diesen Geist des Neuen irgendwo im Geschmack und konnten den
1:01:01–1:01:04
Raum total ausloten, ausprobieren und ausspielen.
1:01:04–1:01:08
Und man merkt es auch bei diesem Film an, dass der mehr unglaubliche Spannung
1:01:08–1:01:10
und Dichte irgendwie erzeugt.
1:01:10–1:01:17
Und auch die Charaktere, da waren ja keine bekannten Schauspieler dabei,
1:01:18–1:01:24
aber wie authentisch da halt gespielt wurde und wie glaubwürdig diese Geschichte wird.
1:01:24–1:01:30
Das ist glaube ich das, also ich meine fest, der löst alles ein,
1:01:30–1:01:35
was das Dogma erst mal so aufgesetzt hat als Werk, als Regelwerk.
Micz Flor
1:01:35–1:01:40
Ja, und war dann vielleicht aber auch der Proof of Concept, weshalb Dogma,
1:01:40–1:01:45
sonst würden wir es vielleicht gar nicht kennen, sonst würden wir es unter Mumblecore feilen.
1:01:45–1:01:50
Aber weil, weil, also einerseits ist es, hat sich selbst dadurch ein bisschen
1:01:50–1:01:54
ausgehebelt, weil der berühmte Regisseur war der erste Dogma -Film,
1:01:54–1:01:55
der nicht im Film genannt und so weiter.
1:01:56–1:02:00
Und gleichzeitig wissen wir aber nur um Dogma 95, weil das...
1:02:02–1:02:06
Riesen Erfolg war. Ich weiß auch noch in Erinnerung, dass du halt wirklich so
1:02:06–1:02:09
dieses Gefühl hattest, dass du ein Theaterensemble siehst.
1:02:10–1:02:13
Du hattest nicht das Gefühl, dass du Schauspieler siehst, die miteinander Schnitt,
1:02:13–1:02:16
Gegenschnitt irgendwie vielleicht gar nicht am gleichen Set sitzen,
1:02:16–1:02:19
sondern du hattest wirklich so das Gefühl von einem eingespielten Ensemble,
1:02:19–1:02:23
die eben auch zusammen proben, die üben und das ist ja auch diese Befragung des Raumes.
1:02:23–1:02:28
Dann können die Leute auf einmal in Kontakt treten und Chemie,
1:02:28–1:02:33
die zwischen den Schauspielenden ist, die kann dann irgendwie aufgegriffen werden und reinkommen.
1:02:33–1:02:37
Das fand ich bei dem Film einfach unglaublich stark, dass es natürlich immer
1:02:37–1:02:42
wieder auch Einzelne waren, die so strahlten oder die man einfach auch der der
1:02:42–1:02:45
Vater ist ja einfach so hat große Ausstrahlung.
1:02:46–1:02:50
Das passt super, aber trotzdem hatte man immer ein Ensemble -Gefühl.
1:02:51–1:02:53
Die sind alle irgendwie zusammen in diesem Ding drin.
Florian Clauß
1:02:54–1:02:58
Genau, das ist ein gutes Stichpunkt, den du nochmal gibst, Nämlich jetzt habe
1:02:58–1:03:05
ich mir auch in der Vorbereitung aufgeschrieben, es gibt unglaublich viele Theateradaptionen von das Fest.
1:03:05–1:03:10
Und der zweite Teil, Festen 2, ist auch nur auf der Bühne erschienen.
1:03:10–1:03:13
Und das hat auch Winterberg dann inszeniert.
1:03:13–1:03:22
Aber ja genau, diese Regeln, dieses Zusammenspiel, die Bühne hat halt was total Theatermäßiges.
1:03:22–1:03:28
Während diese, also vom Schauplatz, von der Geschichte, das ist ein Bühnenstück
1:03:28–1:03:32
eigentlich, während die Idioten, kann ich mir jetzt nicht so einfach vorstellen,
1:03:32–1:03:34
das als Theaterstück aufzuführen.
Micz Flor
1:03:34–1:03:36
90er Jahre, Volksbühne.
Florian Clauß
1:03:37–1:03:39
Ja, das stimmt, da liefen ja viele Idioten rum.
Micz Flor
1:03:41–1:03:44
Nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich meinte nur einfach so.
Florian Clauß
1:03:44–1:03:51
Nein, nein, nein, aber klar, Top 2000 ist auch so ähnlich wild gewesen.
1:03:52–1:03:56
Genau, so, ja, Mitch, wir haben zusammen, glaube ich, einen ganz guten Bogen
1:03:56–1:04:01
über das Dogma, die Filmbewegung Dogma 95 gesponnen.
1:04:02–1:04:07
Ich habe das fest präsentiert und ja, das war jetzt meine Episode.
Micz Flor
1:04:08–1:04:13
Danke Flo. Wir haben jetzt einen fließenden Übergang, aber ob der Zwänge des
1:04:13–1:04:18
Formats, ist das hier und jetzt, in dem wir gerade aufnehmen, in zwei Folgen geteilt.
1:04:18–1:04:23
Deshalb machen wir hier Schluss und sehen uns in zwei Wochen wieder.
Florian Clauß
1:04:24–1:04:28
Ja, und hören uns vor allen Dingen in zwei Wochen wieder. Und das Ganze,
1:04:28–1:04:33
wo wir langgelaufen sind, könnt ihr auf eigentlich -podcast .de sehen.
1:04:33–1:04:37
Und die Fotos von den Schwänen und von die Stulle findet ihr auch dort.
1:04:39–1:04:46
Und ja, also ich hoffe, Ihr habt Spaß gehabt und dann bis in zwei Wochen.
Micz Flor
1:04:46–1:04:47
Macht's gut.
Florian Clauß
1:04:47–1:04:48
Tschüss.

Mehr

Dass hier "die Phantasie des Lesers tätig werden muß" (J. Stenzei 1966, zitiert nach Dalmas 1994 : 56)

Der Gedankenstrich ist ein heimlicher Riese mit unheimlicher Wirkmacht im Text, die unsichtbare Nuance, die alles verändert. Als Stilmittel kann er Gedanken einrahmen, Spannung erzeugen, Schweigen ausdrücken, eine Kehrtwende einleiten, Dialoge strukturieren und -- Pausen erzeugen. In der Welt der Schriftgestaltung versteckt sich der Gedankenstrich als stiller -- wir sind ja *eigentlich* ein Filmpodcast -- Regisseur und ich möchte ihm eine Episode widmen.

Shownotes

Mitwirkende

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Micz Flor
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Micz Flor
0:00:02–0:00:06
Besser, besser. Mach mal Stopp. Warum? Du hast zu viel Freifläche.
0:00:07–0:00:08
Ja, aber ich nehme das vielleicht.
0:00:11–0:00:18
Du musst klatschen. Ah ja, genau. Du musst klatschen. So?
0:00:22–0:00:25
Jetzt noch ein Bildchen. Jetzt geht's los.
0:00:28–0:00:32
Jetzt geht's los. Hast du eigentlich schon mal irgendwelche Leute gesehen,
0:00:32–0:00:34
die Podcasts aufgenommen haben?
Florian Clauß
0:00:35–0:00:37
Beim Laufen und im Laufen reden?
Micz Flor
0:00:39–0:00:42
Das ist es wahrscheinlich, du hast recht. Ich hab die ganze Zeit überlegt,
0:00:42–0:00:45
so viele Leute haben jetzt Podcasts. Jeder hat ja irgendwie Podcasts wie ihr
0:00:45–0:00:49
auch. Und ich sehe aber nie Leute, die Podcasten. Aber das ist natürlich so,
0:00:49–0:00:52
weil nur wir laufend reden und beim Laufen reden.
Florian Clauß
0:00:52–0:00:56
Ja, wir haben ein Alleinstellungsmerkmal und das möchten wir herausheben.
0:00:57–0:01:02
Nämlich, hallo und herzlich willkommen bei EIGENTLICH PODCAST,
0:01:02–0:01:08
Folge 37, wo wir im Laufen reden und laufen reden und heute,
0:01:08–0:01:12
das zeichnet genau, das zeichnet uns nämlich aus von anderen Podcasts,
0:01:12–0:01:17
die so eine gute Qualität haben in der Stimme, aber auch so ähnliche Themen wie wir.
0:01:18–0:01:25
Aber wir haben halt auch noch zu jedem unserer Folge einen Track auf der Netzseite,
0:01:25–0:01:35
den man sich auch über Komoot runterladen kann oder einer anderen App.
0:01:37–0:01:45
Und da seht ihr, wo wir langgelaufen sind. Wir kommen so ein bisschen in das Problem,
0:01:45–0:01:49
dass wir jetzt eigentlich keine Strecke mehr hier laufen können in Berlin,
0:01:49–0:01:52
wo wir nicht uns schon mal so gekreuzt sind.
Micz Flor
0:01:52–0:01:55
Es stimmt gar nicht. Wir können ja irgendwann mal nach Moabit fahren,
0:01:55–0:01:56
da haben wir noch richtig viel zu fahren.
Florian Clauß
0:01:56–0:01:57
Doch, in Moabit waren wir auch schon.
Micz Flor
0:01:57–0:01:59
Ja gut, in Moabit waren wir auch schon.
Florian Clauß
0:01:59–0:01:59
Mehrheit.
Micz Flor
0:02:01–0:02:05
Im Moabit-Area innen würden sich da wahrscheinlich auf die Füße getreten fühlen,
0:02:05–0:02:06
wenn links wäre. Das ist schon durchforstet.
Florian Clauß
0:02:08–0:02:12
Ja, aber das Kernstadtteil, da sind ja immer nur Routen, wo man uns irgendwie
0:02:12–0:02:16
so... Und hier sind wir gestartet, Leine Straße.
0:02:19–0:02:24
Auf dem Tempelhofer Feld werden wir eine Folge kreuzen oder sogar zwei.
0:02:25–0:02:32
Nämlich einmal First Cow, eine frühe Folge, von Kelly Reichardt,
0:02:32–0:02:37
der Film First Cow, das ich präsentiert habe und eine unserer erfolgreichsten
0:02:37–0:02:38
Podcast-Episoden, nämlich Encanto.
Micz Flor
0:02:44–0:02:50
Ja, das fand ich lustig. Die ersten 5 Minuten. Unser heutiges Thema.
Florian Clauß
0:02:50–0:02:52
Sind rum. Hab ich schon mal rumgeguckt.
Micz Flor
0:02:54–0:02:57
Das Ding ist ja, normalerweise gibt es da vorne immer so ein bisschen ein paar
0:02:57–0:03:01
Labern. Und dann lernt man sich die Leute kennen. Aber hier haben wir irgendwie
0:03:01–0:03:05
5 Minuten voll mit Komod, mit GPS Tracks.
Florian Clauß
0:03:05–0:03:08
Ja, aber was sollen wir denn auch privat erzählen? Wir erzählen uns ja auch
0:03:08–0:03:09
nichts mehr privat, wenn wir uns
0:03:09–0:03:12
treffen. Aber Mitch, du bist heute Themenpräsentator, Themenmitbringer.
Micz Flor
0:03:15–0:03:19
Genau, und ich habe mich jetzt einfach so ein bisschen im Windschatten eingereiht
0:03:19–0:03:23
von der letzten Folge Webfonds, weil ich bin da überhaupt kein Experte,
0:03:23–0:03:28
aber so ein Hobby-Wutbürger, was so Satzzeichen...
Florian Clauß
0:03:28–0:03:30
Wutbürger.
Micz Flor
0:03:30–0:03:33
Wutbürger, was so Satzzeichen angeht. Ah, da muss man ein Semikolon nehmen,
0:03:33–0:03:34
das ist doch viel klarer.
0:03:35–0:03:39
Und es gibt meinen Lieblingssatzzeichen, das wollte ich heute dann einfach mal
0:03:39–0:03:43
so hineinschieben und habe gedacht, es wird wahrscheinlich eine kurze Folge,
0:03:43–0:03:45
weil so viel kann man dazu gar nicht sagen.
0:03:47–0:03:49
Aber es geht um den Gedankenstrich.
Florian Clauß
0:03:49–0:03:55
Der Gedankenstrich, okay.
Micz Flor
0:03:55–0:03:58
Und ich dachte, wenn wir jetzt schon hier in Neukölln lostreten, können wir das,
0:03:58–0:04:06
aber Aber jetzt sind wir halt im Park, weil den Gedankenstrich in seiner designgestalterischen
0:04:06–0:04:10
Form, den sieht man manchmal inzwischen auf so Poster, ne?
0:04:10–0:04:14
Also es gibt auch oft, hast du wahrscheinlich sofort so ein inneres Bild,
0:04:14–0:04:16
wenn dann irgendwas vom 12. bis zum 18.
0:04:17–0:04:22
Oktober ist, dann ist die 12 links, 18 und Oktober rechts und in der Mitte ist
0:04:22–0:04:27
dann so ein langer Strich, also dieser Bindestrich, Gedankenstrich oder Bisstrich
0:04:27–0:04:30
oder es gibt ganz viele Worte dafür, da werden wir nachher noch mehr drüber reden.
0:04:30–0:04:37
Der ist gerade, finde ich, so grafikdesignmäßig auch ziemlich buchstäblich gestreckt
0:04:37–0:04:38
worden in den letzten Jahren.
0:04:39–0:04:42
Ja, der Gedankenstrich. Wie bin ich da überhaupt drauf gekommen?
0:04:43–0:04:47
Weil ich schon, also ich hatte das schon immer mal wieder wahrgenommen,
0:04:47–0:04:51
dass es in Deutschland gibt einen Gedankenstrich in Texten.
0:04:53–0:04:58
Der ist irgendwie kürzer als der im Englischen. Und im Deutschen gibt es immer
0:04:58–0:05:03
so white space, also so Freiräume, rechts und links vom Gedankenstrich zwischen den Worten.
0:05:03–0:05:09
Im Englischen hatte ich das Gefühl, der ist länger, aber ohne Zwischenräume
0:05:09–0:05:11
zwischen Buchstaben und Gedankenstrich.
0:05:14–0:05:17
Und das ist was, was mich irgendwie so beschäftigt. Dann habe ich gedacht,
0:05:17–0:05:19
dann habe ich mal irgendwann gehört M'N''.
0:05:20–0:05:25
Im Englischen, also M das ist quasi der längere, N das ist der kürzere.
Florian Clauß
0:05:26–0:05:27
M und N, ne?
Micz Flor
0:05:27–0:05:31
Ja, M, also wie Mitch und N wie Klaus.
Florian Clauß
0:05:32–0:05:38
Wie Klaus? Ne, wie Nordpol, sagt man doch in der Klassischen.
Micz Flor
0:05:38–0:05:41
Ja, ich wollte einen Witz machen, aber es ist mir ganz vom Tisch gefallen.
Florian Clauß
0:05:42–0:05:44
Und weißt du auch, warum das eine M und N heißt?
Micz Flor
0:05:45–0:05:46
Weil der eine länger ist und der andere...
Florian Clauß
0:05:46–0:05:49
Ja, aber woher sich das ableitet? Kommen wir gleich nochmal zu.
Micz Flor
0:05:50–0:05:53
Du meinst jetzt von, ja, komm, wir bestimmen das, also ich freue mich,
0:05:53–0:05:55
wenn du reinchippst, weil ich habe nur genug für 15 Minuten.
0:05:58–0:06:02
Wenn man so einfach an der Tastatur groß geworden ist, ich weiß gar nicht,
0:06:02–0:06:06
wie das, also als ich noch mit Füller geschrieben habe, da war das irgendwie
0:06:06–0:06:07
kein Thema, der Gedankenstrich.
0:06:08–0:06:11
Aber wenn man mit Tastatur groß wird, dann hat man einfach in der Regel natürlich
0:06:11–0:06:13
diesen einen kleinen Strich auf Hüfthöhe,
0:06:13–0:06:18
der dann als Minus fungiert, als Gedankenstrich, als Trendsträger als alles
0:06:18–0:06:23
mögliche und als ich mich dann ein bisschen mit...
0:06:23–0:06:26
Kennst du Pandoc, die Software Pandoc?
Florian Clauß
0:06:26–0:06:29
Ja, so eine Python-Bibliothek, oder?
Micz Flor
0:06:29–0:06:31
Ne, Pandoc, das gibt es ja auch, glaube ich, bestimmt.
Florian Clauß
0:06:31–0:06:31
Ja, genau.
Micz Flor
0:06:32–0:06:36
Original ist in Haskell geschrieben, aber das ist Pandoc, also das ist,
0:06:36–0:06:41
glaube ich, auch wirklich so ein One-Developer-Projekt, was ich liebe. Ich liebe Pandoc.
0:06:41–0:06:47
Das ist im Prinzip ein Konvertierungsprogramm von einem Format in ein anderes.
0:06:49–0:06:52
Das funktioniert sehr gut, zum Beispiel, wenn man einen Markdown schreibt mit
0:06:52–0:06:57
Fußnoten mit hochgestellt und hast du nicht gesehen und das dann als PDF konvertiert,
0:06:57–0:07:00
dann kriegt man sehr schnell aus hingerotzen Texten einfach sehr schön gestaltete PDF-Dokumente.
0:07:02–0:07:04
Und da habe ich zum ersten Mal
0:07:04–0:07:10
gesehen, dass wenn man im Markdown einen Bindestrich oder Gedankenstrich,
0:07:10–0:07:14
dann wird es ein Gedankenstrich, wenn man zwei Minus nebeneinander macht von
0:07:14–0:07:18
der Tastatur, dann kommt das so richtig hübsch als PDF hinten raus.
0:07:19–0:07:23
Und seitdem mache ich bestimmt doppelt so viele Gedankenstriche in meinen Texten,
0:07:23–0:07:26
weil es einfach so schön aussieht, wenn es dann hinten so ein PDF rauspurzelt.
0:07:29–0:07:35
Das war so mein erster Zugriff auf diesen Unterschied und dann habe ich,
0:07:35–0:07:39
das machen wir vielleicht ganz zum Schluss mal, habe ich auch noch so eine Tabelle
0:07:39–0:07:42
jetzt in der Recherche gefunden, natürlich von Wikipedia, was es da so alles gibt.
0:07:45–0:07:47
Und da, das meintest du wahrscheinlich, dieses geführt, halbgeführt,
0:07:47–0:07:50
viertelgeführt und diese alte Sprache aus Bleisatz.
0:07:54–0:07:58
Das ist ja auch so ein Thema. Da werden wir nochmal drauf sprechen.
0:07:58–0:08:01
Und dann halt in dieser Tabelle hinten, fand ich es halt auch irre zu sehen,
0:08:01–0:08:04
jetzt gibt es ja wirklich Unicode, um alles abzubilden.
0:08:05–0:08:10
Aber es ist immer noch so, dass nicht alle alten Spationierungen,
0:08:10–0:08:15
also einfach Abstände oder Strichformate wirklich in Unicode abgebildet sind.
0:08:15–0:08:18
Und beim Recherchieren, ich weiß nicht, ob dir das auch ausgefallen ist,
0:08:18–0:08:22
hatte ich so ein Geschichten aus der Geschichte Feeling. Hast du das gesehen?
Florian Clauß
0:08:23–0:08:25
Das wollte ich eigentlich schon wegschieben.
Micz Flor
0:08:25–0:08:29
Das wollte ich eigentlich vorne wegschieben. Das ist der sogenannte Gedankenstrichkrieg.
0:08:31–0:08:39
Der Gedankenstrichkrieg, da geht es darum, dass nach 89, Zerfall UDSSR in der Tschechoslowakei,
0:08:44–0:08:49
damals war für diese Tschechoslowakei war CSSR, also Tschechische Slowakische
0:08:49–0:08:51
Sozialistische Republik,
0:08:51–0:08:59
dass es da irgendwie Bestrebungen gab, das ein bisschen zu trennen,
0:08:59–0:09:02
beziehungsweise zu verbinden.
Florian Clauß
0:09:02–0:09:04
Was denn zu verbinden und zu trennen?
Micz Flor
0:09:04–0:09:08
Der Name der Tschechoslowakei, weil da Tschechoslowakei ist quasi alles zusammen.
Florian Clauß
0:09:08–0:09:13
Also wie Jugoslawien damals, quasi Vielvölkerstaat, Tschechoslowakei ist Tschechien
0:09:13–0:09:18
und Slowakei, um das jetzt quasi so in einem Wort zu vereinen, aber okay.
Micz Flor
0:09:18–0:09:23
Ja, und es sollte eben aber eben immer noch als Föderation da sein,
0:09:23–0:09:28
allerdings als eigene Teile, eben nicht mehr zusammengewurstet sprachlich.
0:09:32–0:09:38
Und nach 89 war es so, dass zuerst damals der Präsident Václav Havel dafür war,
0:09:38–0:09:44
dass man einfach das sozialistisch rausschmeißt und den Rest irgendwie bestehen lässt,
0:09:44–0:09:47
aber es gab dann auf einmal Stimmen, man solle doch irgendwie deutlich machen,
0:09:47–0:09:54
dass es hier sich um Tschechoslowakei mit einem Strich in der Mitte.
0:09:54–0:09:58
Und das ist jetzt natürlich in der Tat kein Gedankenstrich, das heißt trotzdem
0:09:58–0:10:00
im deutschen Gedankenstrichkrieg. Ich weiß nicht genau.
Florian Clauß
0:10:00–0:10:06
Ja, aber weil das wahrscheinlich genau dieses Format von dem gefürtelten Abstand einhält.
0:10:10–0:10:11
Also quasi den...
Micz Flor
0:10:11–0:10:12
Das halbgeführt ist der...
Florian Clauß
0:10:12–0:10:17
Ich glaube, wir müssen gleich nochmal zur Typografie was machen,
0:10:17–0:10:22
um das mal besser einordnen zu können, weil das wichtig ist zum Verständnis,
0:10:22–0:10:23
warum gefürtelt, halbgeführt...
Micz Flor
0:10:24–0:10:27
Das können wir direkt vielleicht danach machen, aber wenn wir es jetzt hier reinschieben...
Florian Clauß
0:10:27–0:10:32
Genau, also wir machen jetzt eine Fußnote und sagen zwei Seiten weiter.
Micz Flor
0:10:34–0:10:38
Es ging darum, diese Föderation aus Tschechien und Slowakei darzustellen.
0:10:39–0:10:44
Und dann war es die Frage, würde man das als Czesko-Slowensko mit Bindestrich,
0:10:44–0:10:48
beziehungsweise Gedankenstrich oder mit dem Wort und, darstellen.
0:10:50–0:10:52
Und da gab es dann unterschiedliche Stimmungen dazu.
Florian Clauß
0:10:52–0:10:56
Darf ich nochmal ganz kurz einhaken an der Stelle? Also der Gedankenstrich,
0:10:56–0:11:00
so wie man das dann auch irgendwie bei der Wikipedia als Definition findet,
0:11:00–0:11:05
Das ist ja zum einen eine zeitliche Ausdehnung von bis,
0:11:05–0:11:11
also es ist dann grammatikalisch erlaubt, dann von Öffnungszeiten mit Gedankenstrich
0:11:11–0:11:17
zu kennzeichnen, also 14 bis 18 Uhr wird mit einem Gedankenstrich,
0:11:17–0:11:19
es darf kein von davor gepoktet werden.
Micz Flor
0:11:19–0:11:22
Warum fragst du das jetzt, weil das ist jetzt, das ist jetzt zu geil,
0:11:22–0:11:24
dann komme ich ja ganz aus meinem Thema gerade raus.
Florian Clauß
0:11:24–0:11:28
Ne, jetzt, ich möchte es nochmal in den Kontext stellen, ich war noch nicht fertig.
0:11:28–0:11:34
Und es ist vor allen Dingen der Gedankenstrich dafür da, eine räumliche Ausdehnung zu bezeichnen.
0:11:35–0:11:40
Und da kommen wir, glaube ich, wieder in dieses zusammengesetzte Wort Tschechien-Slowakei.
0:11:41–0:11:46
Wenn dann Gedankenstich, dann hat es eine Konnotation von einer räumlichen Verbindung.
Micz Flor
0:11:47–0:11:52
Ja, wobei es ging dann in der politischen Diskussion ging es dann eher darum,
0:11:52–0:11:55
dass die Slowakei fand das ganz gut, sondern spricht da von einem Bindestricht.
0:11:55–0:11:59
Spojovnik. Ich kann es nicht gut aussprechen.
0:12:00–0:12:04
Das wurde allerdings von der tschechischen Seite zurückgewiesen,
0:12:04–0:12:08
weil die sagten, es handele sich eben um einen Gedankenstrich,
0:12:08–0:12:11
der aber auch als Trennstrich interpretiert werden kann.
0:12:14–0:12:16
Pomtschka, Pomtschka, keine Ahnung.
Florian Clauß
0:12:16–0:12:17
Aber er hat die gleiche Länge.
Micz Flor
0:12:18–0:12:21
Ist nicht zu unterscheiden. Das ist beim Gedankenstrich auch noch das Thema später.
0:12:21–0:12:26
Also der wird manchmal, als der wird der gleiche Strich,
0:12:26–0:12:30
wie er eben gesetzt wäre, als halbgeführt oder im Englischen ist es als geführt
0:12:30–0:12:36
Strich, dass der dann eben im grammatikalischen Kontext oder auch im stilistischen
0:12:36–0:12:37
Kontext eine eigene Bedeutung bekommt.
0:12:37–0:12:42
Und hier war es so, der Strich war identisch, aber die einen argumentierten,
0:12:42–0:12:46
ist ein Bindestricht, zeigt die Zusammengehörigkeit und trotzdem kann Slowenska
0:12:46–0:12:48
irgendwie ein bisschen Alleinstellungsmerkmal haben,
0:12:48–0:12:52
weil, das kam dann noch dazu, man sollte es auch ein großes S kriegen,
0:12:52–0:12:59
was aber, glaube ich, grammatikalisch damals auch oder immer noch falsch wäre,
0:12:59–0:13:03
aber die hatten dann irgendwie gesagt, okay, wir machen Bindestricht,
0:13:03–0:13:05
gehören zusammen, Slowenska kriegt ein großes S.
0:13:05–0:13:08
Die tschechische Seite hat argumentiert, nee, das ist ja ein Trennstrich.
0:13:09–0:13:10
Das ist ja irgendwie gar nicht, was wir wollen.
0:13:11–0:13:16
Und darüber hat man sich dann eben gestritten. Die tschechischen Abgeordneten
0:13:16–0:13:19
sahen darin sogar eine, in Anführungszeichen, Beleidigung der Nation.
0:13:19–0:13:23
Also haben das als trennenden Impuls wahrgenommen.
0:13:24–0:13:26
Ich glaube, was ich da so interessant daran finde, ist halt,
0:13:26–0:13:30
dass das natürlich nach 89 für ganz viele Länder eben auch Thema war.
0:13:30–0:13:32
Was gehört zusammen, was ist irgendwie getrennt?
0:13:33–0:13:36
Und es gab da, aber ich kann mich noch erinnern, war damals irgendwie auch in
0:13:36–0:13:41
der Zeitung, weil gleichzeitig auf der westlichen Seite Europas wurde alles
0:13:41–0:13:45
unter diesem Europaschirm quasi zusammengelegt und der östliche Teil Europas
0:13:45–0:13:46
zerfiel halt irgendwie nach 89.
0:13:49–0:13:55
Und ich finde es interessant, halt in diesem Beispiel, wie über die Schreibweise genau diese,
0:13:55–0:14:01
ja wie soll ich sagen, auch diese Unklarheit, also dieser kleine Schritt,
0:14:01–0:14:05
diese beiden Wörter zu trennen, großes S einzuführen, finde ich schon irgendwie
0:14:05–0:14:08
spannend, dass sich das da so einfach auf dieser Wortebene abbildet.
0:14:09–0:14:12
Ist von mir so ein bisschen spekuliert, aber ich gehe davon aus,
0:14:12–0:14:17
dass die Slowakei schon eher durch die Betonung des großen S auch wollte,
0:14:17–0:14:22
dass sie ein bisschen sich da rauszieht, obwohl sie halt argumentiert,
0:14:22–0:14:24
es sei ein Bindestrich, um diesen Schritt überhaupt machen zu können.
0:14:24–0:14:29
Also es war so ein bisschen gegenläufig und das würde auch so ein bisschen daran
0:14:29–0:14:34
anschließen, dass es damals so war, dass die Slowakei zwar unterstrichen hat,
0:14:34–0:14:37
es sollen jetzt beide föderalen Teile miteinander verbunden dargestellt werden,
0:14:38–0:14:44
Aber in Tschechien war es so, dass dieser Strich eher als Weg zur Trennung wahrgenommen wurde.
0:14:44–0:14:51
Weil das war nämlich historisch schon so, dass dieser Strich schon 1938, 1939 eingeführt wurde.
0:14:52–0:14:56
Und dann hat unter Hitler, unter seinem Schutz sozusagen,
0:14:56–0:15:01
hat die Slowakei sich abgespaltet, hat den slowakischen Staat gegründet und
0:15:01–0:15:06
der Rest, in Anführungszeichen, wurde dann eben als Protektorat Böhmen und Meeren
0:15:06–0:15:08
angeschlossen in das Deutsche Reich.
0:15:08–0:15:14
Und das war ein historischer Vorgänger sozusagen, wo der tschechische Teil gesagt
0:15:14–0:15:16
hat, nee, nee, wir fangen gar nicht erst an mit dem Bündnisstrich,
0:15:16–0:15:18
das müssen wir irgendwie anders lösen.
0:15:19–0:15:22
In dem Streit kam man auch nicht schnell irgendwie an einen Punkt, wo man das lösen konnte.
0:15:23–0:15:26
Deshalb gab es 1990 ein Verfassungsgesetz, was den neuen Namen,
0:15:26–0:15:33
in dem Tschechoslowakei noch zusammengefasst blieb, aber als Föderation dargestellt wurde.
0:15:33–0:15:38
Der wurde beschlossen und Teil dieses Beschlusses war auch, dass umgehend ein
0:15:38–0:15:48
neues Gesetz den Namen mit Bindestrich, aber kleinem s für Slowakei umsetzen sollte.
0:15:49–0:15:52
Und dann ging der Streit aber weiter an dem Punkt. Das war dann quasi keine
0:15:52–0:15:57
Lösung, weil sich dann mit dem kleinen S wiederum neue Stimmen meldeten.
0:15:59–0:16:04
Grammatikalisch ist das kleine S richtig, aber die Slowakei wollte ein großes S.
0:16:05–0:16:10
Einfach, um jetzt nicht als Anhängsel oder Adjektiv in Bezug auf Tschechien
0:16:10–0:16:14
dazustehen, sondern um wirklich als Slowakei auf Augenhöhe dastehen zu können.
0:16:15–0:16:21
Es kam dann also letztendlich nie zu diesem Binde- oder Trennstrich-Namen mit großem S,
0:16:21–0:16:27
sondern es wurde dann gleich auch noch 1990 ein Gesetz erlassen,
0:16:27–0:16:34
wonach der neue Namen mit dem Wort UND die beiden Länder verbindet und völlig ohne.
0:16:37–0:16:41
Das Verwirrende daran war, dass jetzt alle Buchstaben, sowohl tschechisch als
0:16:41–0:16:45
auch slovenskisch, als auch föderale, als auch Republik, hatten Großbuchstaben,
0:16:45–0:16:47
was grammatikalisch auch wieder falsch ist.
0:16:48–0:16:52
Historisch gesehen ist dieser Name immer noch intakt, wenn man über diese Zeit
0:16:52–0:16:54
spricht. 1990 wurde es erlassen.
0:16:54–0:16:57
Aber es wird immer noch eben rechtschreibungmäßig darauf hingewiesen,
0:16:57–0:17:02
dass es nach all dem Hin- und Herschieben irgendwie dann doch dazu kam,
0:17:02–0:17:07
dass man den Strich rausgelassen hat und trotzdem quasi grammatikalisch falsch umgesetzt hat.
0:17:10–0:17:14
Kleine Trivia-Note noch. Das Ding klingt von außen vielleicht eher wirklich
0:17:14–0:17:19
wie so ein Papiertiger-Krieg, also eine kleinkarierte Parlamentssache.
0:17:20–0:17:24
Aber es war sogar, dass Leute in Hungerstreik getreten sind in diesem Thema.
0:17:24–0:17:27
Ich weiß jetzt nicht mehr auf welcher Seite, aber es war für manches einmal
0:17:27–0:17:30
wirklich eine Leib- und Seele-Angelegenheit.
Florian Clauß
0:17:31–0:17:34
Aber waren das auch Parlamentsangehörige, die dann Hunger hatten?
Micz Flor
0:17:34–0:17:36
Das weiß ich nicht, das weiß ich nicht.
Florian Clauß
0:17:36–0:17:39
Oder vor den Parlamenten. Also es war eine sehr emotionale Diskussion.
Micz Flor
0:17:41–0:17:44
Es war auf jeden Fall, ja klar, ich meine, es war nach 89, glaube ich,
0:17:44–0:17:45
für viele sehr emotional.
0:17:47–0:17:51
Und das ist jetzt so die historische Anekdote zum Gedankenstrich,
0:17:51–0:17:53
der Gedankenstrichkrieg von 89, 90.
0:17:55–0:17:58
Und jetzt gehen wir mal wieder ein bisschen zurück, du hast es ja vorhin schon mal kurz angesprochen.
0:18:00–0:18:05
Es geht darum, zu sagen, was macht eigentlich den Bindestrich zum Bindestrich?
0:18:05–0:18:08
Und das finde ich halt eben auch so interessant, weil es gibt auf der einen
0:18:08–0:18:15
Seite typografisch, historisch gesehen vom Schriftsetzen, gibt es halt unterschiedliche
0:18:15–0:18:18
Strichlängen, die gesetzt werden können.
Florian Clauß
0:18:18–0:18:24
Genau, typografisch. Also ich muss ja sagen, dass ich ja jetzt irgendwie so
0:18:24–0:18:27
ein bisschen die Lunde gerochen habe nach unserer letzten Folge,
0:18:27–0:18:32
Wo Tobes dann über Werkfonds gesprochen hat und wo...
0:18:34–0:18:39
Ich bin dann auch mal so ein bisschen in diese ganze Typografie-Geschichte eingestiegen
0:18:39–0:18:42
bin und das Ding ist ja, also da habe ich...
Micz Flor
0:18:42–0:18:44
Du meinst mit Lunte gerochen, du meinst du bist auf den Geschmack gekommen?
Florian Clauß
0:18:45–0:18:49
Lunte gerochen, Geschmack gekommen, was auch immer für ein Sprichwort hier,
0:18:49–0:18:52
aber es ist glaube ich ein...
Micz Flor
0:18:53–0:18:56
Mit Lunte gerochen hätte mich gewundert, wenn du nach der Web-Fonds-Folge gedacht
0:18:56–0:19:00
hättest, hmm, ich rieche die Lunte, der Mitch macht bestimmt was zum Gedankenstrich.
0:19:02–0:19:06
Aber okay, sag mal, du hast den Deckel aufgemacht und hast dich in die bleiernde
0:19:06–0:19:08
Zeit des Buchsatzes begeben.
Florian Clauß
0:19:10–0:19:16
Ja, naja, also wirklich das Faszinierende und auch das ganze Regelwerk,
0:19:16–0:19:20
was da alles rausgekommen ist, wie die technischen Produktionen sind,
0:19:20–0:19:24
was da für Modeerscheinungen gekommen sind, wie Schrift überhaupt sich entwickelt
0:19:24–0:19:26
hat, das ist ja wirklich ein...
0:19:27–0:19:31
Also das ist ja wirklich der heilige Gral des Designs, habe ich ja auch schon mal gesagt.
0:19:34–0:19:38
Da habe ich jetzt so ein bisschen mehr Respekt, weißt du. Man kann nicht mal
0:19:38–0:19:43
so eben so, ha, so hat sich jetzt die gebrochene Schrift entwickelt.
0:19:43–0:19:47
Ich glaube, da gibt es ganz, ganz, ganz viele Leute, die sich unglaublich gut damit auskennen.
0:19:48–0:19:51
Deswegen streifen wir das so ein bisschen und sind vielleicht auch in der einen
0:19:51–0:19:52
oder anderen Sache unsauber.
Micz Flor
0:19:54–0:19:57
Ja, also die Begeisterung ist da, aber das ist ja manchmal so,
0:19:57–0:20:02
man gibt ja diesen Ausdruck gefährliches Halbwissen und ich finde aber Halbwissen
0:20:02–0:20:04
kann auch euphorisches Halbwissen sein.
0:20:04–0:20:09
Zum Beispiel bei Kindern sieht man euphorisches Halbwissen. Das erste Mal irgendwie
0:20:09–0:20:14
im Skateboard mehr als drei Meter drauf gestanden und dann ist einfach mal richtig Party angesagt.
0:20:16–0:20:23
Mir geht es generell so, wenn ich zu viel weiß, dann werde ich eher so ein bisschen geblockt so.
0:20:23–0:20:26
Aber jetzt nach der Webfond-Folge habe ich halt hier schon das Gefühl,
0:20:26–0:20:27
ich muss auch so ein bisschen...
Florian Clauß
0:20:27–0:20:29
Ich muss... Genau, also...
Micz Flor
0:20:29–0:20:34
Nicht, dass Tobes Nachtreck nicht noch beschmiert wird wegen unserer Follow-up.
Florian Clauß
0:20:36–0:20:41
Diese Folge hat nichts mit der vorherigen Folge zu tun. Bitte gehen Sie weiter.
0:20:47–0:20:53
Und dann auf der anderen Seite bei dem Thema Gedankenstrich ist ja die Grammatik
0:20:53–0:20:58
da nochmal mit drin. Also die Grammatik, unter welchen Konstellationen wann
0:20:58–0:21:02
ein Gedankenstrich angewendet werden kann, ist auch ziemlich klar definiert.
0:21:04–0:21:09
Und auf der dritten Seite, und deswegen ist es wirklich so das Kreuzfeuer von
0:21:09–0:21:12
verschiedenen Wissenschaften,
0:21:12–0:21:20
Kulturwissenschaften, ist da natürlich die Literaturwissenschaft und die Lyrik.
0:21:20–0:21:23
Die Lyrik, von der ich sowieso überhaupt keine Ahnung habe.
0:21:27–0:21:31
Da wird ja der Gedankenstrich auch häufig als Stilmittel verwendet.
0:21:34–0:21:37
Und dazu kann ich gar nichts sagen. Nur,
0:21:37–0:21:46
dass einige im Bereich von Dadaismus oder ja einfach die auch sehr mit Struktur,
0:21:46–0:21:50
Textstruktur arbeiten und natürlich auch den Gedankenstrich als Zeichen entdeckt
0:21:50–0:21:56
haben und das natürlich ausgereizt ausgespielt und in diesem Zusammenhang habe
0:21:56–0:21:58
ich auch offiziell recherchiert,
0:21:58–0:22:02
das fand ich ganz interessant, nämlich der berühmteste Gedankenstrich der Literaturgeschichte.
Micz Flor
0:22:06–0:22:11
Begegnet? Ich glaube, wir haben vielleicht in der Recherche das gleiche Text gelesen.
Florian Clauß
0:22:12–0:22:13
Die Maki von O.
0:22:17–0:22:22
Das ist eine Novelle von Heinrich von Kleist. Gut, ich müsste jetzt natürlich
0:22:22–0:22:24
sagen, ich habe Literatur und ich habe Theaterwissenschaft studiert,
0:22:24–0:22:26
also ich darf darüber reden.
0:22:27–0:22:29
Heinrich von Kleist ist wirklich ein großartiger Dramaturg.
Micz Flor
0:22:31–0:22:35
Ich habe Psychologie studiert. Ich bestätige, dass er ein Vollbesitzer Geistigen
0:22:35–0:22:37
Fähigkeiten ist und darüber reden darf.
Florian Clauß
0:22:38–0:22:40
Gut, ich habe es vielleicht 30 Jahre lang nicht gemacht.
Micz Flor
0:22:40–0:22:42
Sag mal, weißt du, hier ist zu viel Wind?
Florian Clauß
0:22:42–0:22:44
Ne, wir haben ja so einen Windschutz.
Micz Flor
0:22:44–0:22:44
Okay.
Florian Clauß
0:22:45–0:22:46
Du musst schneiden.
0:22:51–0:22:58
Und Heinrich von Kleist zeichnet es auch aus, dass er sehr kurze Szenen geschrieben
0:22:58–0:23:02
hat und sehr verknappt auch dann in bestimmte Szenen eingedeutet hat.
0:23:03–0:23:08
Er hat den Gedankenstrich Also so wird es interpretiert,
0:23:08–0:23:12
dass der Gedankenstrich, es geht darum,
0:23:12–0:23:18
dass ein Major die Marquis vor dem Einfall der russischen Soldaten gerettet hat,
0:23:18–0:23:21
sie sollte vergewaltigt werden von denen,
0:23:21–0:23:27
das ist die Szene, er hat sie gerettet und der Gedankenstrich, wo er dann beschreibt,
0:23:27–0:23:30
dass er sie gerettet hat, hier, und dann kommt der Gedankenstrich,
0:23:30–0:23:36
und das ist so eine Textauslassung, wo dann erst im Verlauf der Handlung herauskommt,
0:23:36–0:23:42
dass der Major Vater von dem Kind der Marquise wird.
0:23:43–0:23:46
Und dass er selber die Vergewaltigung gemacht hat. Und das hat ...
0:23:47–0:23:52
Also, das ist halt ein ziemlich genialer Zug, weil auf der einen Seite wird's
0:23:52–0:23:56
nicht aufgelöst, auf der anderen Seite zeigt er einfach diese Brutalität des
0:23:56–0:24:00
Systems und der Unterdrückung und hat das dann nur in der Andeutung so ...
0:24:02–0:24:04
Geschrieben, ja. Und man weiß nicht, ob es auch so gemeint ist,
0:24:04–0:24:10
aber es ist auf jeden Fall ein dramaturgischer Kniff, der über den Gedankenstrich,
0:24:10–0:24:11
der hier eingeführt wird.
Micz Flor
0:24:12–0:24:15
Dann haben wir vielleicht doch nicht das Gleiche gelesen, weil die Stelle,
0:24:15–0:24:19
auf die bin ich auch gestoßen, aber da wurde es so dargestellt,
0:24:19–0:24:24
als ob sie sich dann ihm freiwillig hingibt, nach all dem Guten, was er ihr tat.
Florian Clauß
0:24:27–0:24:33
Ich habe die Gender-Studies darüber gelesen, dass die Vergewaltigung da ist.
Micz Flor
0:24:33–0:24:36
Ja, aber ich glaube, dass ist ja genau diese Ambivalenz, die entsteht,
0:24:36–0:24:43
wenn man ein Stückchen Sinn verschluckt oder unter diesem Strich begräbt oder
0:24:43–0:24:45
Auslassungsstrich, dass man es weglässt.
Florian Clauß
0:24:45–0:24:50
Genau. Also ich finde auch, wenn man sich persönlich fragt, bevor wir jetzt
0:24:50–0:24:53
wirklich wieder in die technische Geschichte von Gedankenstrichen Eintrau,
0:24:53–0:24:57
würde ich nochmal sagen, wann setzt man einen Gedankenstrich?
0:24:57–0:25:01
Ich meine, wann hast du das letzte Mal einen Gedankenstrich in deinen Texten verwendet?
Micz Flor
0:25:01–0:25:03
Ich mache das inzwischen relativ oft.
0:25:08–0:25:12
Und inzwischen ist es auch so, dass es so ein Bauchgefühl ist,
0:25:12–0:25:15
wo ich denke, hier passt es. Weil ich finde, der Gedankenstrich ist so ein bisschen
0:25:15–0:25:17
wie durch offene Türen laufen.
0:25:17–0:25:21
Es gibt, um halt diese Interpunktionssache da mal anzufassen,
0:25:21–0:25:27
es gibt ähnliche Möglichkeiten mit zum Beispiel eingeschobenen Sätzen umzugehen.
0:25:29–0:25:36
Wenn man die mit Kommata abtrennt, wenn man die in Klammern fasst, zum Beispiel.
0:25:36–0:25:39
Oder wenn man die mit einem Gedankenstrich freistellt.
Florian Clauß
0:25:43–0:25:48
Aber weißt du jetzt noch ein ganz konkretes Beispiel von Text,
0:25:48–0:25:51
wo du gesagt hast, hier setze ich bewusst einen Gedankenstrich?
Micz Flor
0:25:52–0:25:55
Ich habe kein Beispiel im Kopf, aber ich mache es wirklich inzwischen relativ
0:25:55–0:25:58
oft. was wirklich daran liegt, wie ich am Anfang sagte, dass man bei Pandog
0:25:58–0:26:01
mit zwei Minusgänzen hingekriegt hat. Das war total Spaß.
Florian Clauß
0:26:01–0:26:06
Ja, und da kommen wir nochmal auf die vierte Seite zu sprechen, nämlich die Ästhetik.
0:26:07–0:26:10
Also ich meine Typographie auf der einen Seite als Technik, auf der anderen
0:26:10–0:26:15
Seite als Ästhetik, das ist ja wirklich so die, wann setzt man,
0:26:15–0:26:16
also der Text muss schön aussehen.
0:26:17–0:26:20
Also nicht nur der Text liest sich gut, sondern der Text muss schön aussehen.
Micz Flor
0:26:21–0:26:25
Das ist aber, finde ich, beides miteinander verkoppelt. Stell dir mal vor,
0:26:25–0:26:30
ich habe mal hier jetzt einen Text zum Beispiel, den lese ich dir mal vor.
0:26:30–0:26:32
Ich habe so ein paar Sachen noch geschrieben.
0:26:34–0:26:39
Der Satz geht wie folgt. Der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur
0:26:39–0:26:41
gedreht, hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
0:26:42–0:26:46
Das ist jetzt, man merkt, das ist nicht meine geniale Erfindung,
0:26:46–0:26:50
aber ich habe jetzt bestehende Beispiele irgendwie weitergeführt,
0:26:50–0:26:56
habe mir was ausgedacht, was zumindest nicht als Erklär dich nicht, erklär dich nicht.
Florian Clauß
0:26:56–0:26:56
Nee, warte mal.
Micz Flor
0:26:56–0:26:59
Der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht,
0:26:59–0:27:03
hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ich hab das hier mit Gedankenstrich geschrieben.
0:27:06–0:27:10
Also, da wird dieser Satz, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht,
0:27:10–0:27:16
der könnte auch mit Kommata oder mit Klammern abgetrennt sein,
0:27:16–0:27:18
aber es liest sich total anders, ne?
0:27:18–0:27:21
Also, es ist so, der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht,
0:27:21–0:27:25
mehr gesprochene Sprache, wenn ein Gedankenstrich drin ist.
0:27:25–0:27:29
Wenn eine Klammer drin ist, dann ist es eher so ein bisschen akademisches Schreiben
0:27:29–0:27:34
oder so technisches Schreiben oder eher so besserwisserisches Schreiben sogar.
0:27:36–0:27:39
Und mit Komma abgetrennt ist keine Ahnung, ist eher so...
0:27:42–0:27:43
Das ist doppelt so ein bisschen.
Florian Clauß
0:27:43–0:27:48
Ja gut, mit Klammern ist eher ungewöhnlich.
0:27:49–0:27:52
Das finde ich jetzt nicht so akademisch oder besserwisserisch.
0:27:53–0:27:57
Das finde ich eher so handwerklich ungeschickt, mit Klammern zu arbeiten.
Micz Flor
0:27:57–0:28:01
Aber das könnte auch gehen. Ich könnte zum Beispiel, wenn man wirklich was einfügt,
0:28:01–0:28:04
wo der Erzähler noch mal richtig als Erzähler auch da kommen sollte.
0:28:04–0:28:09
Man könnte, ich erfinde jetzt, man sagt so, sie nahmen den Bus, Klammer auf.
0:28:09–0:28:11
Er wusste, dass der in die falsche Richtung geht, Klammer zu,
0:28:11–0:28:15
und fuhren glücklich bis zur letzten Haltestelle. Das habe ich mir ganz frei
0:28:15–0:28:18
ausgedacht. Aber da hast du, Klammer auf, Klammer zu, da würdest du wirklich
0:28:18–0:28:22
dann so was, dass der Erzähler dir nochmal mit Augenzwinkern irgendwie was sagt.
Florian Clauß
0:28:22–0:28:27
Die wussten schon, was sie tun. Okay, aber das, was er wurde von einem renommierten,
0:28:27–0:28:30
das könnte jetzt auch eine Fußnote sein, wo dann, Klammern häufig,
0:28:30–0:28:35
die Funktion von Fußnoten übernehmen, wo eigentlich noch mehr Information über
0:28:35–0:28:41
diese Texte, die aber nicht zum Text dann halt quasi weiter inhaltlich beiträgt,
0:28:41–0:28:44
sondern noch als Zusatzinformation genommen werden kann.
0:28:44–0:28:49
Das ist für mich dann auch der eine. Und das könnte man halt in Fußnoten packen. Ja.
0:28:49–0:28:52
Aber stimmt, was du sagst, ist auf jeden Fall ein Szenario.
Micz Flor
0:28:52–0:28:54
So ein Einschub da drin. Es ist kein eigener Satz. Es ist irgendwie,
0:28:54–0:28:58
aber ja, man könnte es als Fußnote nennen, dann müsste man es als eigener Satz nochmal formulieren.
0:29:00–0:29:04
Aber es ist, wenn man es jetzt wirklich eher so als Radiostimme im Kopf haben
0:29:04–0:29:09
möchte, dass der Gedankenstrich da einfach einen mehr so an der Oberfläche des
0:29:09–0:29:11
Textes an der Zeit irgendwie dran lässt.
0:29:11–0:29:15
Das Komma ist so ein bisschen holprig und die Klammer finde ich ist wirklich so,
0:29:16–0:29:18
als ob das auf eine andere Ebene springt.
Florian Clauß
0:29:18–0:29:20
Das stimmt, ja. Ja, das kann ich nachvollziehen.
Micz Flor
0:29:20–0:29:25
Ich kann ja mal ganz kurz, ich hab so ein paar Sachen, wir sind jetzt beim Stilmittel,
0:29:25–0:29:27
also literarischen Texten.
0:29:27–0:29:31
Wie kann das, und da habe ich so ein paar Beispiele jetzt eben generiert.
0:29:31–0:29:34
Also es gibt zum Beispiel die Hervorhebung und Betonung.
0:29:35–0:29:40
Der Gedankenstrich, der wird dann einfach verwendet, um da nochmal was zu betonen.
0:29:40–0:29:44
Du merkst dann, das kannst du mit einem Komma oder mit Klammern nicht machen.
0:29:44–0:29:48
Der Satz, den ich habe, ist so, sie war die einzige Person, wirklich die einzige,
0:29:48–0:29:52
die an meiner Seite stand, als alle anderen gegangen waren.
0:29:53–0:29:57
Meine, da fehlt ein R, habe ich falsch gemacht. Sie war die einzige Person,
0:29:57–0:30:01
Strich, wirklich die einzige, Strich, die an meiner Seite stand.
0:30:01–0:30:03
Das könnte man auch mit einem Komma machen.
0:30:03–0:30:07
Es muss nämlich sowieso hinter diesem Gedankenstrich, sehr hässlich da im Kammer,
0:30:07–0:30:12
eingesetzt werden, Weil in der Rechtschreibung ist das so ein Gedankenstrich.
0:30:13–0:30:15
Hat eigentlich rechts und links im Deutschen immer auch ...
0:30:17–0:30:21
Whitespace, also ein Freizeichen. Allerdings nicht, wenn ...
Florian Clauß
0:30:21–0:30:22
Komma, ein Nebensatz.
Micz Flor
0:30:22–0:30:27
Wenn anderes Interpunktionszeichen, Fragezeichen, Ausdruckszeichen, Komma oder so was da ist.
0:30:27–0:30:30
Das heißt, es sieht zwar hässlich aus, trotzdem ist es nachvollziehbar,
0:30:30–0:30:34
dass das mit nur Komma keine gute Betonung ist. Sie war die einzige Person,
0:30:34–0:30:42
Komma, die an meiner Seite stand. technisch. Das wäre also Hervorhebung und Betonung.
0:30:42–0:30:46
Man kann aber auch Spannung damit aufbauen im Literarischen.
0:30:47–0:30:52
Er blickte über die Klippe hinunter in die tiefen, schwarzen Fluten des Ozeans
0:30:52–0:30:55
und dann verschwand er einfach.
0:30:55–0:31:02
Das ist diese kleine Pause hinter Ozeans. Er blickte hinunter in die schwarzen Fluten des Ozeans.
0:31:04–0:31:07
Und dann verschwand er einfach. Das UND bindet die beiden Sätze zusammen,
0:31:07–0:31:10
aber wenn du dann beim Lesefluss einen Gedankenstrich vor dem UND hast,
0:31:10–0:31:15
dann bleibt das fast wie bei dem Kleist-Beispiel auch ein bisschen offen.
0:31:15–0:31:17
Ist jetzt zurückgetreten, ist ja gesprungen, was da passiert.
Florian Clauß
0:31:17–0:31:21
Also ist es vor allen Dingen ein narratives Element? Würdest du das so sehen?
0:31:21–0:31:28
Oder kann es auch in akademischen Texten dann einfach zur Betonung benutzt werden
0:31:28–0:31:29
von wichtigen Absätzen?
Micz Flor
0:31:31–0:31:36
Naja, dieses mit dem renommierten Regisseur, das könnte auch eine andere Information sein.
0:31:37–0:31:41
Ich finde, der Bindestrich der Gedankenstrichschuldigen, der lässt das irgendwie offen.
0:31:41–0:31:44
Da kann man irgendwie, finde ich, besser... Das meine ich, das ist wie eine
0:31:44–0:31:49
offene Tür. Man liest einfach weiter. Es ist, als ob man es im Radio hört und
0:31:49–0:31:53
nicht, als ob man es sich im Text erarbeiten muss. Ich finde es eher ein Audiobook als Zeitung.
Florian Clauß
0:31:54–0:32:01
Ja, ich habe mal von einem Texter gehört, der gesagt hat, in jedem guten Text gehört ein Semikolon.
0:32:04–0:32:08
Das könnte sich ja ausweiten auf alle möglichen Sonderzeichen,
0:32:08–0:32:10
aber in jedem guten Text gehört ein Gedankenstrich.
Micz Flor
0:32:11–0:32:15
Das Lustige ist, ich habe sogar, glaube ich, neulich mal Semikolon benutzt,
0:32:15–0:32:19
aber dann wirklich so innerlich kichernd, weil das war eine Aufzählung von Sätzen.
0:32:19–0:32:23
Das war ein Smiley.
0:32:23–0:32:26
Das war eine Aufzählung von einzelnen Sätzen und die wollte ich wie eine Liste
0:32:26–0:32:30
hintereinander schreiben und dann hatte ein Satz grammatikalisch nochmal ein
0:32:30–0:32:34
Komma mittendrin. Das heißt, das Komma als Trennung war nicht mehr gut genug.
0:32:34–0:32:35
Dann bin ich so quasi accelerate.
0:32:36–0:32:39
Und dann habe ich einen oben drauf gesetzt und habe ich mit Semi-Kolon meine
0:32:39–0:32:41
Liste getrennt und konnte dann das Komma einsetzen.
0:32:45–0:32:46
Lesbar, spürbar, klar.
Florian Clauß
0:32:46–0:32:52
Aber was ich damit sagen will, und ich glaube, da kommen wir auf so einen Eigentlich-Punkt,
0:32:52–0:32:58
dass tatsächlich so Satzzeichen über die grammatikalische Funktion hinaus auf
0:32:58–0:33:00
einmal so eine narrative Funktion bekommen.
0:33:01–0:33:06
Das sind halt so seltene Zeichen, wie Semikolon oder Gedankenstrich.
0:33:08–0:33:12
Wenn man die einnetzt, dann gibt es halt nochmal so einen für den Adressaten,
0:33:12–0:33:23
derjenige, der das liest, einen Inhalten oder einen Punkt,
0:33:23–0:33:28
wo man einen gewissen Abstand bekommt im Text.
Micz Flor
0:33:29–0:33:34
Ja, ich glaube, das erste Mal, ich weiß nicht, vielleicht geht es dir ähnlich
0:33:34–0:33:37
wie mir, aber das erste Mal, das Semikolon war so eine ganz frühe Verwirrung.
0:33:37–0:33:40
Das war schon in der Grundschule, das war für mich ein total verwirrter Semikolon.
0:33:40–0:33:44
Das war mir zu anstrengend, zu viel Arbeit, keine Ahnung, muss man so viel denken.
0:33:44–0:33:45
Aber es gab so ein zweites Satzzeichen.
Florian Clauß
0:33:48–0:33:50
Also spätestens als du angefangen hast zu programmieren.
Micz Flor
0:33:50–0:33:54
Dann braucht es ja jeden Fall. Aber es gab so ein zweites damals,
0:33:54–0:33:57
ich glaube sogar, das war sogar noch Grundschule, wo ich das zum ersten Mal
0:33:57–0:34:01
wahrgenommen habe, was mich total fasziniert hat.
0:34:01–0:34:05
Das war so zauberhaft und da ist dann wirklich eben aus der Interpunktion heraus
0:34:05–0:34:08
was Poetisches entstanden. Einfach beim Hingucken.
0:34:09–0:34:15
Was ich da meine? Ja. Möchtest du es mit mir und den anderen,
0:34:15–0:34:17
die sieht das ja nur ein Teil?
Florian Clauß
0:34:17–0:34:18
Nein, Semikolon.
Micz Flor
0:34:20–0:34:25
Ich löse es jetzt auf, nur du kannst es sicherlich erraten, teilst es aber nicht,
0:34:25–0:34:28
gibst es mir nicht zurück, deshalb nehme ich es mir einfach.
0:34:28–0:34:30
Und zwar ist es also die drei Punkte Ellipsis.
0:34:31–0:34:34
Also wenn man so einen Text, das ist ja ein bisschen ähnlich beim Gedankenstrich,
0:34:34–0:34:37
kann man ja auch Dinge auslassen, hast du ja gerade bei Kleist schon das Beispiel
0:34:37–0:34:39
genannt, Aber es ist ja diese...
0:34:41–0:34:42
Und dann war alles klar.
Florian Clauß
0:34:42–0:34:44
Punkt, Punkt, Punkt.
Micz Flor
0:34:44–0:34:47
Das war so der Moment, das weiß ich noch, da war ich noch relativ jung,
0:34:47–0:34:48
war noch irgendwie noch nicht so...
Florian Clauß
0:34:48–0:34:50
Hast du Fünf Freunde gelesen?
Micz Flor
0:34:50–0:34:53
So in der Art, ja. Da ist es vielleicht auch sogar drin. Aber da habe ich zum
0:34:53–0:34:55
ersten Mal, das hat so Huhuhu gemacht.
Florian Clauß
0:34:55–0:34:57
So Punkt, Punkt, Punkt.
Micz Flor
0:34:58–0:35:01
Ja, und dann ist es, ah, kann alles mögliche.
Florian Clauß
0:35:03–0:35:06
Ja stimmt, das sind die frühen Detektivgeschichten für so Kinder.
0:35:06–0:35:08
Sie kommt echt oft Punkt, Punkt, Punkt vor.
0:35:10–0:35:14
So, dann gehen wir jetzt durch das Brutgebiet von der... Gucken wir nochmal.
0:35:14–0:35:15
Das ist nämlich hier alles abgedrängt.
Micz Flor
0:35:15–0:35:19
Winddrachen. Das sind schon ein paar junge Winddrachen im Himmel.
0:35:20–0:35:22
Frisch geschlüpft. Ja, siehst du, der Witz war gut.
0:35:25–0:35:28
Vorbeigehendes Publikum bricht schallend zusammen. Punkt, Punkt, Punkt.
Florian Clauß
0:35:28–0:35:30
Gedankenstrich. Hier brütet die Feldlerche.
0:35:34–0:35:38
Aber jetzt ist gemäht, das heißt, die Feldlärche wird nicht mehr brüten,
0:35:38–0:35:42
die ist durch. Die neue Generation ist gesichert und wir machen weiter.
Micz Flor
0:35:42–0:35:43
Wir machen weiter.
0:35:48–0:35:51
Das Einschüben und Nachsetzen war das mit dem Regisseur, was ich vorhin schon sagte.
0:35:51–0:35:54
Es gibt aber auch, das kennst du auch ganz oft, so Dialoge, wird manchmal sogar
0:35:54–0:36:00
auf Werbung, wenn halt irgendwie mit kurzem Dialog ein Produkt begleitet wird,
0:36:00–0:36:02
irgendwas mit Plop oder sowas.
0:36:02–0:36:07
Dann wird auch der Gedankenstrich zum Beispiel, hast du das Buch gelesen?
0:36:08–0:36:12
Strich, nein, ich hatte keine Zeit. Also dann ist klar in dem Moment,
0:36:12–0:36:14
durch den Binnenstrich, es ist Frage-Antwort.
0:36:15–0:36:17
Es sind zwei Leute, die miteinander reden.
0:36:18–0:36:20
Dann gibt es unvollständige Gedanken.
0:36:25–0:36:30
Da ist mir nichts anderes eingefallen, als was ein bisschen aufgebracht klingt.
0:36:30–0:36:33
Wenn du das nicht sofort zurückgibst, dann Strich.
Florian Clauß
0:36:35–0:36:37
Aber dann würde ich eher sagen Punkt, Punkt, Punkt.
0:36:39–0:36:41
Du hast mir den Flo ins Ohr gesetzt.
Micz Flor
0:36:41–0:36:42
Du bist der Flo.
Florian Clauß
0:36:43–0:36:44
Aber ohne H.
Micz Flor
0:36:45–0:36:51
Dann gibt es auch ganz kurz gefasst die Ankündigung von etwas oder etwas Unerwartetes,
0:36:51–0:36:52
was dann so zusammengepackt wird.
0:36:53–0:36:59
Da habe ich geschrieben, die Schuhe passen wie angegossen und waren so billig.
0:37:00–0:37:03
Auch dieses und waren so billig ist natürlich,
0:37:03–0:37:05
braucht man keinen Bindestrich, aber,
0:37:05–0:37:09
äh, Gedankenstrich, aber mit dem Gedankenstrich wird es nochmal betont,
0:37:09–0:37:12
ja, es ist was Unerwartetes, ja,
0:37:12–0:37:15
dass der, man ist irgendwie noch in dem Bild, die Schuhe passen,
0:37:15–0:37:18
aha, aha, aha, man sieht dann das Video von dir, wie du deine Schuhe einläufst
0:37:18–0:37:24
beim Wandern, und waren so billig, ist dann, passt dazu und gleichzeitig durch
0:37:24–0:37:27
diesen Gedankenstrich wird das Unerwartete nochmal betont.
0:37:27–0:37:32
Man kann auf eine ähnliche Art auch so einen Wechseleffekt, also wenn sich was
0:37:32–0:37:37
um 180 Grad dreht oder kann man mit einem Gedankenstrich irgendwie einleiten.
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Der Satz, der mir dazu eingefallen ist, von zwei Dingen, die zwar zusammenhängen
0:37:41–0:37:48
und trotzdem völlig unterschiedliche Stimmung andeuten, ist mein Satz hier.
0:37:49–0:37:50
Da sind ja die Schlüsselstrich.
0:37:51–0:37:56
Jetzt aber schnell, wir sind schon spät dran. Also das gehört in einen Satz,
0:37:56–0:37:59
aber man merkt, das sind zwei Dinge, die gehören zusammen.
0:37:59–0:38:02
Gleichzeitig sind die getrennt und der Gedankenstrich ermöglicht dir diesen
0:38:02–0:38:05
Tempowechsel, wie du es schönes Wort dafür auch darzustellen.
0:38:07–0:38:12
Und dann, wenn es dann ein bisschen poetischer wird, dann kann das...
0:38:14–0:38:18
Kann das einfach wirklich auch als Stilmittel genutzt werden, um Pausen einzuziehen.
0:38:19–0:38:25
Zum Beispiel, die Musik spielte leise ein zartes Wiegenlied, das die Seele berührt.
0:38:25–0:38:31
Zum Beispiel, er lachte frech.
0:38:32–0:38:35
Die Sonne ging unter. Das wäre jetzt wiederum unerwartet, das zusammenzubringen.
Florian Clauß
0:38:41–0:38:45
Ja, ich möchte mal zur Laufstrecke sagen, dass ich dieses Tempelruferfeld jedes
0:38:45–0:38:50
mal wenn ich drüber bin drüber laufe bin ich so verzaubert weil ich das so toll finde.
0:38:51–0:38:58
Aber auf dieser Schnittstelle zwischen Großstadt und Land hat es ja nochmal
0:38:58–0:39:00
so eine ganz bedeutende Funktion als Kaltfeld.
0:39:01–0:39:04
Also in der Stadt nochmal so eine große Fläche zu haben, dass du halt so ein
0:39:04–0:39:08
Kaltfeld aufbauen kannst, dass sich die Stadt nicht so aufheizt.
0:39:08–0:39:16
Und dann von der Freizeit, Architektur ist halt so toll, dass die Leute so Sport machen können.
0:39:16–0:39:21
Also ich fahre ja auch öfters mal mit dem Rad hier drumrum, aber ich laufe nicht
0:39:21–0:39:25
oft durch das Tempelhofer Feld. Ich fahre immer die äußere Runde und ich finde
0:39:25–0:39:26
das irgendwie so großartig.
0:39:28–0:39:30
Das ist wirklich ein Reichtum hier.
Micz Flor
0:39:30–0:39:33
Ich finde es auch super. Ich finde es auch total absurd, dass immer wieder die
0:39:33–0:39:36
Diskussion losgeht, das irgendwie anzukratzen, von den Rändern heranzubauen.
Florian Clauß
0:39:36–0:39:41
Ja, von den Rändern heran, aber du kannst, also ich habe das auch mal mit so
0:39:41–0:39:45
einem Freund besprochen, der dann in der Stadtplanung ist, du kriegst halt diese
0:39:45–0:39:50
Startbahn und Landebahn nicht raus, weil da zwölf Meter oder sechs Meter Beton
0:39:50–0:39:51
einfach in der Erde drin ist.
0:39:51–0:39:55
Und jeder, der hier diesen Zuschlag für das Gebiet bekommt, kann sich einfach
0:39:55–0:40:01
nicht leisten, das hier zu renovieren, weil du musst erst mal zwölf Meter oder
0:40:01–0:40:05
sechs Meter Beton aus Erde raus pulen. Das ist, das kann man,
0:40:05–0:40:06
das ist halt wie so ein Bunker.
0:40:06–0:40:09
Weißt du, wie halt irgendwie so in Wien dann immer noch diese Bunker stehen
0:40:09–0:40:14
geblieben sind und bei uns dann nur gesprengt worden konnten im Windschatten
0:40:14–0:40:17
vom Krieg, wo sich keiner mehr beschwert hat.
0:40:18–0:40:20
Aber du kriegst es halt einfach nicht renoviert.
Micz Flor
0:40:21–0:40:27
Ich finde es aber auch anders. New York hat halt Central Park und das ist halt einfach gesetzt.
0:40:28–0:40:32
Das gehört einfach so dazu und ich finde es schade, dass in Berlin da überhaupt
0:40:32–0:40:35
eine Diskussion läuft. Ich bin mir sicher, dass niemand in New York sagt,
0:40:35–0:40:38
wir könnten noch mal Häuser in Central Park bauen.
Florian Clauß
0:40:38–0:40:42
Ja gut, aber du musst ja die angrenzende Fläche zum Central Park,
0:40:42–0:40:46
es geht ja immer nur um die angrenzende Fläche, die noch irgendwie einbezogen wird.
0:40:47–0:40:53
Also jetzt nicht das Gebiet selber, das Kerngebiet, sondern darum geht es in der Diskussion.
Micz Flor
0:40:53–0:40:57
Am Tempelhofer Feld? Ja. Aber dann verstehe ich die Sache nicht.
0:40:57–0:41:01
Das Tempelhofer Feld hat jetzt gerade einen Zaun drumherum und da hört es auf.
Florian Clauß
0:41:02–0:41:07
Aber es geht quasi um, ja, wahrscheinlich um so 100, 200 Meter,
0:41:07–0:41:08
die halt hier in dieses Feld reinragen.
Micz Flor
0:41:09–0:41:14
Ja, die Randbebauung eben, dass man den Rand irgendwie weggibt und es verkleinert.
Florian Clauß
0:41:14–0:41:16
Weißt du, was das da für ein Turm ist, da hinten?
0:41:19–0:41:21
Der sieht auch noch so neu aus.
Micz Flor
0:41:22–0:41:26
Ja, das sieht neu aus und irgendwie von Proportionen so komisch.
0:41:26–0:41:28
Ja, weil der so verloren ist. Ja, als ob das...
0:41:29–0:41:31
Ja, aber auch die Fensterhöhe ist...
Florian Clauß
0:41:31–0:41:36
Okay, so viel zur Laufstelle. Wir sind schon gerade ein bisschen lost auf der Welt.
0:41:39–0:41:44
Aber du wolltest nochmal zur Geschichte der Typografie und des Bleisatzes,
0:41:44–0:41:49
des Buchdrucks, wo sich dann natürlich der Gedankenstrich als Maßeinheit ableitet.
0:41:53–0:41:55
Und dann kommen wir zu den gefürtelten
0:41:55–0:41:59
und halbgefürtelten und gefürtelt gefürtelten, viergefürtelten.
Micz Flor
0:42:01–0:42:05
Also, wenn man sich ganz kurz fasst, erst mal von der Bedeutung des Gedankenstrichs
0:42:05–0:42:08
her, dann spricht man vom Langstrich oder den Geführtstrich.
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Der Langstrich ist der deutsche Gedankenstrich, das ist halb so lang wie der
0:42:17–0:42:21
Geführtstrich, heißt deshalb auch halbgeführt von der Länge her.
0:42:21–0:42:24
Geführt ist ein altes Wort, können wir vorweggreifen für Quadrat quasi,
0:42:24–0:42:31
und hat damit zu tun, dass die Buchstabengrößen, Spationierung zwischen den
0:42:31–0:42:37
Buchstaben und so weiter, das wurde alles in Geführt unterteilt, oder was?
Florian Clauß
0:42:37–0:42:40
Darf ich da nochmal eingreifen, weil das, glaube ich, wichtig ist?
0:42:40–0:42:41
Also, wir verlinken das,
0:42:41–0:42:46
aber wenn man sich dann halt quasi so den einzelnen Buchstaben als Bleisatz vorstellt,
0:42:46–0:42:50
dann gibt es so verschiedene Areale in diesem Bleisatz,
0:42:50–0:42:57
die heute auch tatsächlich noch in der ganzen Typografie-Setzung auf dem Desktop-Publishing
0:42:57–0:43:01
immer noch irgendwie präsent sind als Begriffe, nämlich das,
0:43:01–0:43:04
was dann eben die Dikte ist.
0:43:04–0:43:08
Also das heißt, das ist im Prinzip die Höhe von,
0:43:08–0:43:13
also die Breite von den Buchstaben, wenn man sich, mit einer gewissen,
0:43:13–0:43:18
mit einem gewissen Raum drumherum und es gibt dann das, was dann halt dieses
0:43:18–0:43:23
geviertel oder geviertel ausmacht, ist dann die kegelhöhe oder die kegelstärke.
0:43:25–0:43:30
Das heißt, das ist alles, was der buchstabe ausmacht, mit dem zeug drum rum.
0:43:32–0:43:38
Und wenn man das, quasi diese länge, einheit zum quadrat nimmt, dann hat man ein.
0:43:41–0:43:49
Und das ist jetzt so die Einheit, nach der quasi sich der Abstand der Buchstaben
0:43:49–0:43:53
zueinander richtet, wie auch die Zeilenhöhe.
0:43:53–0:43:55
Also es hat eher eine Bedeutung für die Zeilenhöhe.
0:43:56–0:44:04
Und das Gefürtel ist dann im Prinzip eine Einheit, ein ziemlich langer Abstand
0:44:04–0:44:05
von einem Buchstaben zum nächsten.
0:44:07–0:44:11
Und das ist dieser Raum, den als Maßeinheit,
0:44:11–0:44:14
aber das ist auch sehr übertragen gesprochen, weil das kann man nicht so eins
0:44:14–0:44:19
zu eins quasi dann ableiten, für die Länge eines Gedankenstriches,
0:44:19–0:44:22
für den Satzlänge oder für die...
Micz Flor
0:44:22–0:44:27
Genau, und das ist, wenn man dann weiterliest, das halbgeführt würde ja bedeuten,
0:44:27–0:44:33
ich habe die Hälfte eines Geführts für diesen Schriftsatz, aber das ist dann eben auch nicht so.
0:44:33–0:44:36
Also das, was du vorhin gesagt hast, auf einer inhaltlichen Ebene,
0:44:36–0:44:41
dass das Satzzeichen mehr macht als nur Punkt, Komma, Strich,
0:44:41–0:44:46
sondern dass es auch inhaltlich eine Auswirkung hat.
0:44:46–0:44:50
So ist es dann im Endeffekt auch, dass der Bindestrich, Entschuldigung,
0:44:50–0:44:55
der Gedankenstrich, das halbgeführte Strich, nicht bei dem Font wirklich immer diese Länge hat.
0:44:55–0:44:59
Da können wir nochmal verlinken, da habe ich auch auf einer Webseite Beispiele
0:44:59–0:45:01
gefunden unterschiedliche Schriftsätze,
0:45:01–0:45:07
wo du siehst, dass im Endeffekt ist das dann auch nur ein Name und ein Name,
0:45:07–0:45:12
der sich ableitet über eine Bemessung, aber diese Bemessung ist dann nicht mehr verbindlich.
Florian Clauß
0:45:16–0:45:21
Ja, ich glaube auch, weil einfach sich, also das kann man nicht eins zu eins
0:45:21–0:45:26
so auflösen, aber man kann die Tendenz, und dann gibt es das Halbgeführte,
0:45:26–0:45:28
und das ist halt dieses EM, EN.
0:45:29–0:45:34
Das EM ist quasi das Geführte als Einheit und das EN, wo wir am Anfang der Episode
0:45:34–0:45:38
waren, E wie Nordpol, dann das Halbgeführte.
0:45:40–0:45:44
Damit leiten sich bestimmte Maßeinheiten in der Fondsetzung daraus ab.
Micz Flor
0:45:44–0:45:49
Und wenn man in diese Striche, also die Striche kann man sich ja gut vorstellen,
0:45:49–0:45:52
also halbgeführt ist halb so lang wie ein Geführt.
0:45:53–0:45:57
Es gibt aber auch einfach die Abstände zwischen Buchstaben,
0:45:57–0:46:02
die werden natürlich auch in diesen Maßen bemessen und das findet man sogar
0:46:02–0:46:08
heute noch in HTML, in HTML, wo normalerweise macht man Leerzeichen und im Browser
0:46:08–0:46:10
wird das alles dann automatisch gesetzt, wenn man es gerne hätte.
0:46:11–0:46:15
Aber, und wir hatten früher auch mal so eine Software, wo man Sachen setzen konnte,
0:46:15–0:46:20
die dann in HTML im Bildschirm editiert wurden und gleichzeitig auch so als
0:46:20–0:46:23
PDF rausgerechnet Da war es so, dass ein paar Verlage auch wirklich wollten,
0:46:23–0:46:26
dass man bestimmte Abstände da direkt reinnehmen kann.
0:46:26–0:46:33
Und das gibt es im HTML, zum Beispiel, was du gerade sagtest, das geführt.
0:46:34–0:46:38
M, im Englischen heißt es auch M-Dash, das ist eben dieser Strich,
0:46:38–0:46:40
das ist der Geführt-Strich.
0:46:40–0:46:50
Und als Leerzeichen mit einer Geführt-Länge ist in HTML dieses und-Zeichen em,
0:46:50–0:46:53
sp für spacing, Semikolon.
0:46:54–0:46:58
Und das Halbgeführt ist dann und-Zeichen en, sp, Semikolon.
0:47:00–0:47:03
Es gibt sogar in HTML auch das Drittelgeführt und das Viertelgeführt.
0:47:05–0:47:13
Das ist dann EMSP13 ist das Drittel, also M, Spacing, gedrittelt und EMSP14,
0:47:13–0:47:15
Semikolon, ist ein Viertelgeführt.
0:47:17–0:47:20
Das fand ich ganz interessant, das war mir jetzt vor der Recherche auch nicht klar.
0:47:20–0:47:26
Das ist in HTML, in XHTML ist es abgebildet, in Unicode ist es auch abgebildet.
0:47:28–0:47:31
In HTML gibt es sogar ein Fünftelgeführt, das heißt aber Thinspacing, dünner Abstand.
0:47:36–0:47:43
Sechstelgeführt und Achtelgeführt gibt es auch noch. Sechstelgeführt ist in XHTML und Unicode.
0:47:44–0:47:48
Das Achtelgeführt ist allerdings nur in LaTeX. Also das ist quasi nicht mal
0:47:48–0:47:51
in Unicode abgebildet, was mich auch verwundert hat, weil ich dachte,
0:47:51–0:47:55
Unicode soll irgendwie alles erfassen, was irgendwie mit Schriften zu tun hat.
0:47:55–0:47:59
Und ich dachte, dass dann alles, was jetzt in LaTeX auch an Schriften schon
0:47:59–0:48:03
abgebildet werden kann, auf alle Fälle auch in Unicode-Verwendung findet.
0:48:05–0:48:12
Und dann gibt es natürlich den &m-Semikolon und &n-Semikolon auch als HTML-Zeichen.
0:48:13–0:48:17
Da gibt es für die Striche nur den geführten Strich und den halbgeführten Strich.
0:48:19–0:48:22
Das Minuszeichen ist weder noch. Das ist nochmal wieder was anderes.
Florian Clauß
0:48:24–0:48:28
Der Bindestrich kommt dann auch dazu, der ist auch normal. Also das wird dann
0:48:28–0:48:31
halt irgendwie zusammengelegt aus ergonomischen Gründen,
0:48:31–0:48:36
dass du halt früher bei deiner Schreibmaschine deinen Bindestrich und Minus
0:48:36–0:48:42
dann zusammengeführt hast und der ist aber wirklich auch dann nochmal ein eigener
0:48:42–0:48:46
Unique Space dann in diesem ganzen UTF-Raum.
Micz Flor
0:48:46–0:48:49
Ja, also genauso wie die White Spaces
0:48:49–0:48:53
gibt es halt für den Strich auch den doppelgeführten das ist der lange,
0:48:53–0:48:56
der ist richtig lang, den geführt Strich,
0:48:56–0:49:01
das ist der doppelte Bindestrich, sozusagen, der ist auf alle Fälle genutzt
0:49:01–0:49:06
im Englischen für die, wie wir den Bindestrich nutzen, wird da der geführt Strich,
0:49:06–0:49:09
also der doppelt so lange genutzt, dreiviertel, zweidrittel, halb, viertel.
0:49:14–0:49:20
Und der viertelgeführte Strich heißt auch Divis und der wird oft als Bindestrich benutzt.
Florian Clauß
0:49:20–0:49:22
Ja genau, Divis ist so ein Default-Strich.
Micz Flor
0:49:23–0:49:30
Ja, aber es gibt genau dann eben Bindestrich- und Minuszeichen auch nochmal bei XHTML und Unicode.
0:49:31–0:49:37
Das gibt es bei Latex nicht, dieses Bindestrich-. Ich fand es ganz interessant zu schauen,
0:49:37–0:49:45
dass es einerseits diese archaischen Bleigießer-Maße gibt, die auch irgendwie
0:49:45–0:49:47
immer noch Verwendung finden.
0:49:47–0:49:52
Das sind Sachen, die wirklich einfach mit den Proportionen zu tun haben,
0:49:52–0:49:55
sind relative Begriffe und trotzdem ist es im modernen Design so,
0:49:55–0:49:59
dass die nicht wirklich eingehalten werden. Da sind sie dann einfach auch nur
0:49:59–0:50:00
noch Worte oder Benennungen.
Florian Clauß
0:50:02–0:50:08
Aber die sind abgeleitet ganz klar aus diesem Handwerk des Bleigießens.
Micz Flor
0:50:08–0:50:11
Und ich finde es einfach verrückt, dass es dann eben nicht, ich hätte wirklich
0:50:11–0:50:15
gedacht, dass es in Unicode alles auch einen Platz findet, aber da gibt es scheinbar
0:50:15–0:50:20
Leerstellen, wo Unicode bestimmte Sachen nicht erfasst hat, in Strichlängen auch.
Florian Clauß
0:50:20–0:50:22
Ja, wahrscheinlich, weil es dann halt auch keine Relevanz mehr hat.
0:50:22–0:50:25
Also das Consortium sagt dann halt irgendwie so, ja gut, warum würden wir jetzt
0:50:25–0:50:30
irgendwelche Druckergeschichten dann mitschleppen, die dann halt irgendwie keine Relevanz mehr haben.
Micz Flor
0:50:30–0:50:34
Ist das so? Weil gleichzeitig wird ja ein Unicode platzgelassen für Klingonisch
0:50:34–0:50:35
und mögliche Alien-Sprachen.
Florian Clauß
0:50:35–0:50:35
Ja gut.
Micz Flor
0:50:37–0:50:39
Und irgendwelche arreträischen Zeichen werden mit aufgenommen.
Florian Clauß
0:50:39–0:50:44
Also das müsste man jetzt mal einen Spezialisten fragen. Ich glaube, das kann man jetzt...
Micz Flor
0:50:44–0:50:46
Das ist unser euphorisches Halbwissen.
Florian Clauß
0:50:46–0:50:51
Euphorisch, genau. Euphorisch. Mich würde nochmal interessieren,
0:50:51–0:50:58
ob der Gedankenstrich jetzt in dem ganzen Latin-Sprachraum,
0:50:58–0:51:05
also mitteleuropäisch und so weiter, ob der noch irgendwo anders eine Bedeutung
0:51:05–0:51:07
hat. Im Englischen kommt der vor, aber nicht so oft.
Micz Flor
0:51:07–0:51:08
Ja, doch sehr oft.
Florian Clauß
0:51:08–0:51:10
Ja? Also wird er auch so eingesetzt?
Micz Flor
0:51:10–0:51:13
Ich war immer neidisch, ja genau, und jetzt habe ich halt irgendwie ein bisschen
0:51:13–0:51:18
die Selbstsicherheit, dasselbe auch zu machen. Aber im Englischen fand ich den sehr, sehr oft.
Florian Clauß
0:51:18–0:51:26
Auch dann halt in der Narration und so weiter, als genau in der gleichen Konnotation.
Micz Flor
0:51:27–0:51:34
Ja, bloß ist es eben der Geführtstrich und hat keine Spazierierung zwischen Buchstabe und Strich.
0:51:35–0:51:38
Und bei uns ist es der Halbgeführtstrich und wir haben aber eine Spazierierung.
Florian Clauß
0:51:38–0:51:43
Okay, verstehe. Der wird einfach noch länger gezogen.
Micz Flor
0:51:43–0:51:49
Ja, der ist genau. Und schließt direkt daran. Was ich auch...
0:51:49–0:51:51
Es ist interessant, man fühlt sich nicht gut an.
0:51:52–0:51:55
Man hat ja sowieso einen emotionalen Bezug zu bestimmten Fonts,
0:51:55–0:51:57
also Schriftarten, die man gut findet oder nicht.
0:51:58–0:52:01
Und als zweites ist es dann aber so, egal welche Schriftart,
0:52:01–0:52:06
immer wenn ich englisch diesen ultralangen Gedankenstrich sehe,
0:52:06–0:52:10
der dann auch so rechts und links so anklebt, der ist mir ein bisschen unangenehm.
0:52:10–0:52:16
Also beim Lesen möchte ich mich immer ein bisschen entschuldigen bei den naheliegenden
0:52:16–0:52:19
Buchstaben, dass der sich da so breit macht.
Florian Clauß
0:52:20–0:52:21
Genau, so man-spreading-letter. Genau.
Micz Flor
0:52:26–0:52:28
Ja, ich habe zum Abschluss noch, ich verlinke das, ich glaube,
0:52:28–0:52:32
weil ich müsste das jetzt auch irgendwie vorlesen, da wäre ich jetzt zu hippelig,
0:52:32–0:52:33
um das irgendwie frei zu formulieren.
0:52:33–0:52:37
Aber ich habe einen schönen Artikel gefunden, wo auch nochmal so ein bisschen
0:52:37–0:52:41
in der Einleitung über diesen Gedankenstrich, dass es wirklich auch ein besonderes
0:52:41–0:52:43
Schriftzeichen ist, was auch schon im 18.
0:52:44–0:52:45
Jahrhundert besprochen wurde
0:52:45–0:52:51
von Braun und Adelung zum Beispiel und die Zitate von anderen Kritikern,
0:52:51–0:52:56
die dann sagten, dass dieser Gedankenschritt in einer,
0:52:56–0:53:01
Zitat, unüberschaubaren Mannigfaltigkeit irgendwie benutzt wird,
0:53:01–0:53:10
um das, Zitat, Sprachlose da irgendwie hinzufügen sollte und es wird dann sogar
0:53:10–0:53:13
noch kritisch geäußert,
0:53:13–0:53:17
dass man da ja irgendwie versuchen würde, Zitat, Fantasie des Lesers,
0:53:17–0:53:22
dass da die Fantasie des Lesers tätig werden muss, ja, und das finde ich ganz gut.
0:53:22–0:53:26
Also es hat dann schon fast so interaktive Elemente, die da reingehen.
0:53:29–0:53:33
Und ich weiß nicht, der Artikel ist in Deutsch.
0:53:33–0:53:37
Ich habe mal recherchiert, ich glaube es ist eine Frau, Martin Damas,
0:53:37–0:53:39
ich weiß nicht, wie man es ausspricht, oder Amas, ich kenne es,
0:53:39–0:53:43
das tut mir leid, wir werden es verlinken und dann muss ich es nicht sagen.
0:53:46–0:53:53
Was die macht, ist, dass die über 50, also in ihrem Sinne wahrgenommen,
0:53:53–0:53:59
unterschiedlich wahrgenommen, Nutzung des des Gedankenstrichs in der deutschen
0:53:59–0:54:01
Sprache anhand von Textbeispielen aufführt.
0:54:03–0:54:08
Und das fand ich irgendwie so ganz gut, damit es dann schon so sehr kleinteilig.
0:54:08–0:54:13
Da sind wir so richtig bei so einem Schmetterlingszuchtverein oder Taubenzuchtverein.
Florian Clauß
0:54:15–0:54:16
Oh, ein ganz seltener Gedankenstrich.
Micz Flor
0:54:17–0:54:22
Oder eben Orchideen oder Tulpen oder so. Und das fand ich aber trotzdem spannend
0:54:22–0:54:28
zu lesen, weil, wie gesagt, euphorisches Halbwissen.
0:54:29–0:54:32
Ich bekenne mich, vielleicht muss man auch ein T-Shirt rausbringen.
0:54:33–0:54:34
Ich mag den Gedankenstrich.
0:54:36–0:54:42
Ich bin ein Freund des Gedankenstrichs und ja und ich hoffe,
0:54:42–0:54:45
dass das zumindest in dieser Folge auch so ein bisschen durchkommt,
0:54:45–0:54:47
wenn ich insgesamt natürlich das Gefühl habe,
0:54:47–0:54:50
es gibt a nicht so viel darüber zu sagen, die technischen Sachen kenne ich mich
0:54:50–0:54:58
nicht wirklich drin aus, aber trotzdem der Gedankenstrich, der Gedankenstrich
0:54:58–0:54:59
ist wie der Spatz am Alexanderplatz.
0:55:02–0:55:07
Da könnte man zwischen Spatz und am Alexanderplatz sogar einen einbauen.
Florian Clauß
0:55:09–0:55:14
Ja, sehr schön. Also, ja, die emotionale Verbindung ist auf jeden Fall klar geworden.
0:55:14–0:55:17
Die technische ist vielleicht dann nicht ganz so klar geworden.
0:55:18–0:55:21
Wir haben uns Mühe gegeben, stets bemüht.
0:55:22–0:55:25
Und ja, dann würde ich sagen, in diesem Sinne,
0:55:25–0:55:32
das Tempelhofer Feld haben wir jetzt schon thematisiert, aber nach wie vor wandern
0:55:32–0:55:37
wir auf dem Feld und gehen gleich wieder zurück auf den Ausgang in Richtung Leinestraße.
0:55:44–0:55:48
Ja, Mitch, vielen Dank für deine Episode, für deine Geschichte,
0:55:48–0:55:49
für deine Anstöße, Gedankenstrich.
0:55:55–0:55:58
Und das war eigentlich Podcast Episode 37.
0:56:01–0:56:04
Ich hoffe, ihr seid dabei geblieben
0:56:04–0:56:09
und ich versuche gerade mit einem Gedankenstrich zu enden und überlege,
0:56:09–0:56:15
ob nicht auch in unserem Intro-Outro-Musik, diesem Beat, da nicht auch irgendwo
0:56:15–0:56:19
ein Gedankenstrich Das könnte dieses letzte sein.

Mehr

Von den ersten Schriftdrücken auf Papier bis zu variable Fonts im Internet

Diese Episode wird wieder von einem Gast präsentiert: Marc Tobias Kunisch. Tobs und Flo haben zusammen schon früh Podcast-Erfahrungen gemacht: von 2007 - 2009 haben sie den Mindgarden-Podcast aufgenommen, der damals Themen rund um Internettechnologien und Netzkultur präsentierte. Tobs arbeitet seit 2010 bei Google und mit Unterbrechung im Google Fonts Team. Dort hat er die Position des Design Leads übernommen. Als Thema für unseren Eigentlich Podcast hat sich dann auch "Webfonts" angeboten. Wir treffen uns im Gleisdreieck-Park und steigen erstmal tiefer in die Geschichte des Buchdrucks und Typographie ab. Mit der Entwicklung von technologischen Bedingungen haben sich Schriftarten und Druckverfahren verändert. Ein großer Schritt in Richtung digitaler Typographie waren Erfindungen wie das Fotosatzverfahren und das Postscript-Format. Als dann auch noch das Internet dazukam und hochauflösende Bildschirme waren die Bedingungen reif, um Schrift in diesem Medium neu denken zu können. Schrift ist heutzutage Software, die sich flexibel den Leser- und Lesebedingungen anpassen kann. Tobs stellt dazu das Google Projekt variable Fonts vor und auch die Errungenschaften im Lizenzbereich, die mit Google Fonts eingeführt wurden.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Tobias Kunisch
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Tobias Kunisch
0:00:00–0:00:09
Please mind the garden. Mein Garten? Nee. Mindgarten? Nein. Mindgarten? Jawohl. Mit die.
Florian Clauß
0:00:12–0:00:16
Hallo und herzlich willkommen. Ihr habt euch sicher gewundert,
0:00:16–0:00:19
was ist denn das für ein Jingle?
0:00:21–0:00:24
Tatsächlich sind wir hier diesmal
0:00:24–0:00:29
nicht mit Mitch, sondern wir haben einen neuen Gast. Tobs, hallo Tobs!
Tobias Kunisch
0:00:30–0:00:30
Hallo Flo!
Florian Clauß
0:00:31–0:00:37
Bei eigentlich podcast.de, wo wir laufend reden und im Leden reden laufen,
0:00:37–0:00:46
aber muss ich sagen, dieser Jingle, das ist unser gemeinsamer Podcast-Jingle gewesen, Tobs, damals.
0:00:46–0:00:49
Damals.
Tobias Kunisch
0:00:49–0:00:50
Damals 2000 und?
Florian Clauß
0:00:51–0:00:59
Ich glaube, wir haben zwischen 2007 und 2009 unsere Podcastfolgen aufgenommen.
0:00:59–0:01:06
Also wir waren really early bird. Vorräuter. Sozusagen. Also ich glaube wir
0:01:06–0:01:10
haben es bis auf 20 Episoden beim Mindgarden geschafft.
0:01:12–0:01:16
Und ja, hallo Tobes, willkommen. Ich freue mich, dass du dabei bist.
0:01:16–0:01:21
Ich habe dich so lange bearbeitet, bis du ja gesagt hast, damit wir zusammen
0:01:21–0:01:24
einen Podcast aufnehmen können nach all dieser Zeit.
Tobias Kunisch
0:01:25–0:01:30
Ich fühle mich sehr geehrt, endlich, endlich nach vielen Witten und Betteln
0:01:30–0:01:34
im eigentlich, eigentlich mal hier mitmachen zu dürfen. Ja. Aber warte mal,
0:01:34–0:01:38
du meintest gerade, wir reden beim Laufen und wir laufen beim Reden,
0:01:38–0:01:40
heißt das, ich muss jetzt hier die ganze Zeit neben dir her laufen.
Florian Clauß
0:01:40–0:01:45
Du musst vor allen Dingen neben mir herreden, damit ich das laufend aufnehmen kann.
0:01:48–0:01:51
Also ich weiß nicht, ob du dich noch an unsere Themen erinnerst von damals.
0:01:52–0:01:54
Wir waren sehr aktiv, wir waren sehr netzaktiv.
0:01:57–0:02:01
Vielleicht das noch mal so zur Einordnung, wir haben uns bei...
0:02:02–0:02:07
Unseren damaligen Arbeitgeber kennengelernt und haben dann auch festgestellt,
0:02:07–0:02:10
wir haben ähnliche Interessen und irgendwie hat es dann dann so entwickelt,
0:02:10–0:02:14
dass dann Tobes gesagt hat, Flo, wir müssen einen Podcast machen.
0:02:15–0:02:20
Und ich so, ok, wie geht das? Ja, hier, du hast ein USB-Mikro, mach mal.
0:02:21–0:02:25
Und dann haben wir zusammen die ersten Folgen zusammen in Berlin aufgenommen
0:02:25–0:02:29
und irgendwann hat es sich weitergetrieben nach London und dann war es der Tobes
0:02:29–0:02:35
aus Schwartitsch Und ich war Flo aus Berlin und wir haben dann remote über Skype aufgenommen.
0:02:36–0:02:38
Ungefähr mit der gleichen Technologie wie jetzt hier.
0:02:39–0:02:46
Themen waren vor allen Dingen im Bereich von Netzkultur, Netzapplikationen,
0:02:46–0:02:51
Internet und alles was drumherum an Kultur und so weiter. Ich glaube,
0:02:51–0:02:54
IT Crowd war auch so ein...
Tobias Kunisch
0:02:56–0:02:58
Stimmt, IT Crowd haben wir damals geguckt, das war zu der Zeit.
0:02:58–0:03:03
Du hast mir auch gerade einen Ausschnitt zugeschickt, gestern glaube ich,
0:03:03–0:03:07
wo wir uns über Twitter unterhalten haben. Ja, Twitter.
0:03:07–0:03:10
Als wir erzählt haben, dass wir uns bei Twitter angemeldet haben.
Florian Clauß
0:03:10–0:03:15
Das war 2008, Episode 10. Wir haben uns bei Twitter angemeldet. Und was hast du gesagt?
Tobias Kunisch
0:03:15–0:03:17
Toast.
Florian Clauß
0:03:17–0:03:21
Ich habe keine Zeit für Twitter, habe ich gesagt. Ja, es funktioniert irgendwie nicht.
Tobias Kunisch
0:03:22–0:03:24
Ja, hat ja auch nicht funktioniert. Ist ja weg jetzt.
Florian Clauß
0:03:24–0:03:29
Heißt auch nicht mehr Twitter. Eben. Ja, sehr schön.
0:03:29–0:03:34
Vielleicht noch mal so ein bisschen zu dir, ich habe schon angedeutet,
0:03:34–0:03:37
irgendwann hatten wir nicht mehr einen gemeinsamen Arbeitgeber, du bist weitergezogen.
0:03:38–0:03:41
Was machst du jetzt? Was hast du damals gemacht? Wie hat es sich da so verschlagen?
Tobias Kunisch
0:03:43–0:03:50
Ja, also ich bin 2008 nach London gezogen und habe dafür in Verlag gearbeitet.
0:03:52–0:03:56
Eigentlich nur umgezogen, weil wir mal was anderes sehen wollten.
0:03:56–0:04:02
Und damals war das Vereinigte Königsreich noch Teil von Europa,
0:04:02–0:04:04
von der Europäischen Union. Da konnte man einfach umziehen.
0:04:06–0:04:11
Und 2010 in London habe ich dann bei Google angefangen, als Webmaster damals.
Florian Clauß
0:04:11–0:04:12
Wow!
Tobias Kunisch
0:04:13–0:04:17
Ja, das war damals schon ein altmodischer Big Riff, aber es war sehr cool,
0:04:17–0:04:27
hat sehr viel Spaß gemacht und 2011 sind wir dann nach New York umgezogen und
0:04:27–0:04:31
2015 dann an die Westküste in die San Francisco Bay Area.
Florian Clauß
0:04:32–0:04:35
Und du warst dann die ganze Zeit immer bei Google angestellt?
Tobias Kunisch
0:04:36–0:04:42
Ja, ich habe damals, als ich angefangen habe, hatte ich das große Glück,
0:04:42–0:04:47
einer von den Gründern von Google Fonds zu sein.
0:04:48–0:04:52
Das hieß damals noch die Google Web Fonts API, Beta natürlich.
0:04:57–0:05:03
Und das habe ich dann so ein Jahr gemacht, habe dann das Team verlassen,
0:05:03–0:05:11
habe an anderen Projekten gearbeitet und 2020 bin ich dann wieder Teil des Teams
0:05:11–0:05:15
geworden und bin jetzt der Design Lead für Google Fonts.
Florian Clauß
0:05:18–0:05:20
Okay, das ist schon eine Leiter.
0:05:22–0:05:26
Nicht schlecht. Also, ich meine, wer kennt es nicht? Google Fonts,
0:05:26–0:05:27
der im Internetbereich arbeitet.
0:05:29–0:05:34
Ich glaube, jeder hat schon mal Google Fonts benutzt. Und Google Fonts bietet
0:05:34–0:05:41
ja auch ganz viele Schriften, die man auf einfache Art und Weise einbinden kann.
0:05:42–0:05:45
Auf der einen Seite dann eben über
0:05:45–0:05:49
Links, dann über eine Webseite oder Webapplikation oder wie auch immer.
0:05:49–0:05:54
Auf der anderen Seite auch ein Portal, um die Fonts direkt runterzuladen und
0:05:54–0:05:59
als Systemfonts oder als Schriftsätze desktop-mäßig dann auch zu benutzen.
0:06:00–0:06:03
Google Fonts so ganz von außen getragen.
0:06:04–0:06:06
Ich weiß, du guckst komisch.
Tobias Kunisch
0:06:07–0:06:08
Nö, ich fand das ein sehr guter Zusammenhang.
Florian Clauß
0:06:08–0:06:15
Nee, gut. Ich hatte dich gefragt, Tobes, ich möchte mit dir einen Podcast aufnehmen.
0:06:15–0:06:19
Hast du ein Thema? Und du hast Webfonds vorgeschlagen,
0:06:19–0:06:25
was ich natürlich sehr passend finde, weil ich glaube, auch unsere Wörter und
0:06:25–0:06:31
Hörerinnen schafft, wir haben bisher nicht so viele Netzthemen gehabt in unseren Podcasts.
Tobias Kunisch
0:06:32–0:06:35
Ja, ihr werdet immer sehr philosophisch beim eigentlichen Podcast.
Florian Clauß
0:06:37–0:06:43
Philosophisch, wir laufen ja und reden dabei und sind nicht am Arbeitsplatz,
0:06:43–0:06:47
deswegen schweifen wir ab und gucken Filme und so.
0:06:47–0:06:54
Nein, aber ich finde, vons ans Thema oder Schriften besser gesagt,
0:06:54–0:07:01
das ist natürlich der heilige Gral unter den, wie soll man sagen,
0:07:01–0:07:01
kulturellen Praktiken.
0:07:04–0:07:08
Ich habe mir einen Wikipedia-Artikel über Typografie mal so durchgelesen,
0:07:08–0:07:11
aber da habe ich gemerkt, oh mein Gott.
Tobias Kunisch
0:07:11–0:07:12
Was stand da drin?
Florian Clauß
0:07:12–0:07:19
Da kommst du halt von eins ins andere. Also das ist wirklich ein total spannendes Thema für mich.
0:07:21–0:07:29
Und jetzt für mich auch so die Frage, also wenn wir Webfonds sagen,
0:07:29–0:07:32
ja, ist ja einmal Erstmal die Voraussetzung, dass die...
0:07:35–0:07:39
Also die Schriften irgendwie auf dem Bildschirm kamen. Da sind ja schon mal
0:07:39–0:07:46
ungefähr unglaublich viele Kulturtechniken hinter, bis die überhaupt auf dem
0:07:46–0:07:48
Bildschirm dargestellt werden konnten.
0:07:48–0:07:54
Und was dann für Schritte dazu geführt haben, dass ich auf meinem Computermonitor
0:07:54–0:07:59
Schriften sehen kann, da sind ja Revolutionen davor gelaufen.
0:07:59–0:08:03
Und dann ist es noch ein Schritt weiter, dass ich dann auch im Web,
0:08:03–0:08:08
da haben wir das Internet noch dahinter, dass ich da auch Schriften darstellen kann.
0:08:08–0:08:12
Da musste auch erstmal wieder ein bisschen Zeit ins Land gehen und ein bisschen
0:08:12–0:08:18
Innovation passieren, bis ich tatsächlich Schriften auf meiner Webseite angezeigt bekomme.
0:08:19–0:08:25
Und wir hatten das im Vorgespräch kurz erwähnt, also das ist gar nicht so lange her,
0:08:25–0:08:34
dass ich tatsächlich im Internet Jede Schrift dann auch wählen kann oder als
0:08:34–0:08:37
Designer setzen kann, die ich gerne möchte.
0:08:38–0:08:45
Wann war denn so der Punkt, dass Webfonds dann tatsächlich so verfügbar waren für alle?
Tobias Kunisch
0:08:46–0:08:55
Ja, also das war so ungefähr 2010, als HTML5 und CSS3 eingeführt worden sind.
0:08:56–0:08:59
Worden sind und das muss man vielleicht noch ein bisschen erklären, was das ist.
0:08:59–0:09:05
HTML5, ja. Also wenn jemand eine Webseite programmiert,
0:09:05–0:09:09
dann wird dafür eine Auszeichnungssprache benutzt, so nennt sich das,
0:09:09–0:09:14
die quasi beschreibt, was ist eine Überschrift, was ist normaler Text,
0:09:14–0:09:18
was ist eine Box, die eine Farbe haben soll und dafür wird HTML benutzt.
0:09:19–0:09:21
Das ist so ungefähr wie Latech.
0:09:25–0:09:29
An Universitäten wurde das viel benutzt, um Schriften, um Texte zu setzen.
0:09:30–0:09:35
Und CSS3, CSS, Cascading Style Sheets, ist eine andere Auszeichnungssprache,
0:09:35–0:09:40
mit der man sagen kann, wo Sachen sein sollen und wie sie aussehen sollen.
0:09:41–0:09:45
Und mit diesen Cascading Style Sheets kann man eben sagen, welche Schrift benutzt werden soll.
0:09:47–0:09:52
Und als das Internet angefangen hat, konnten Webseiten eben nur die Schriften
0:09:52–0:09:58
benutzen, die auf dem Gesät, auf dem Computer, auf der Maschine von dem Nutzer installiert waren.
0:09:58–0:10:03
Das heißt, wenn du eine Website gemacht hast und gesagt hast,
0:10:03–0:10:07
ich will, dass die in Helvetica angezeigt wird und der Nutzer,
0:10:07–0:10:13
der die Webseite aufruft an ihrem Computer, wenn die Helvetica nicht installiert
0:10:13–0:10:17
hat in ihrem System, dann gibt es auch kein Helvetica.
0:10:17–0:10:21
Dann wird die Schrift in irgendeiner anderen Schrift angezeigt, die der Computer kennt.
0:10:22–0:10:27
Und WebFonts, was man WebFonts nennt, ist eben diese neue Technologie,
0:10:27–0:10:30
die mit diesen neuen Internetstandards eingeführt worden sind,
0:10:30–0:10:38
dass man Schriftdateien genauso wie Bilder für eine Website auf den Server legt von der Website,
0:10:38–0:10:43
damit der Browser von dem Nutzer, Browser ist das Internetanzeigeprogramm,
0:10:43–0:10:49
der kann die dann runterladen vom Server und Und dann kennt er die Schrift und
0:10:49–0:10:54
dann kann er den Text in der Schrift anzeigen, wie der Designer vorgesehen hat.
0:10:55–0:11:02
Und das ist eben 2010 gerade so ein bisschen eingeführt worden und die ganze
0:11:02–0:11:07
Webdesign-Community Die war sehr begeistert, weil das ein Riesen-Schritt war.
0:11:10–0:11:15
Es gibt eine bestimmte Anzahl von Schriften, die man anzeigen kann zu ich als
0:11:15–0:11:20
Webdesigner oder Webentwickler kann jetzt bestimmen, welche Schrift benutzt
0:11:20–0:11:21
werden soll in meinem Design.
Florian Clauß
0:11:23–0:11:27
Für uns heute selbstverständlich. Es ist ja häufig so, also 2010,
0:11:27–0:11:32
da gab es das iPhone schon. Diese Selbstverständlichkeiten heben sich dann auch
0:11:32–0:11:34
auf und bestimmte Sachen waren schon immer da.
0:11:35–0:11:37
Aber so Webfonds sind auch so eine Sache, wo ich dann dachte,
0:11:37–0:11:40
ja die gibt es doch schon immer, die gab es doch schon immer.
0:11:40–0:11:44
Aber es ist tatsächlich gar nicht so lange her. Und es gab auch damals,
0:11:44–0:11:50
also bevor es Webfonds gab, wie du sagst, dann konnte man halt quasi die Font-Family
0:11:50–0:11:56
angeben mit Helvetica, Verdana und dann war immer noch irgendwie so ein Zusatz Sans Serif.
0:11:56–0:11:59
Ja. Was ist denn eigentlich Sans Serif?
Tobias Kunisch
0:11:59–0:12:04
Naja, also das, was du da bezeichnest, wird der Font-Stack genannt,
0:12:04–0:12:05
das wird immer noch gemacht.
0:12:06–0:12:10
Das sagt dem Browser, welche Schrift man haben will und wenn es die nicht gibt,
0:12:10–0:12:12
was die nächste Schrift sein soll.
0:12:12–0:12:17
Und dann so ganz am Schluss, was für eine Schriftart benutzt werden soll,
0:12:17–0:12:19
wenn es keine von den Schriften gab. Und dann kann der Computer sagen,
0:12:19–0:12:23
ich habe hier eine, das ist eine Sans Serif-Schrift, dann benutze ich die.
0:12:24–0:12:27
War deine Frage jetzt, was eine Sans Serif-Schrift ist?
Florian Clauß
0:12:27–0:12:33
Ne, das war genau erst mal dieses, im Prinzip, was da für eine gewisse Priorisierung hinterliegt.
0:12:34–0:12:37
Aber auch dann jetzt weiter, was ist das denn eigentlich für eine Schriftgruppe?
0:12:39–0:12:40
Sans Serif.
Tobias Kunisch
0:12:40–0:12:44
Naja, also das bezieht sich auf die Serifen von der Schrift.
0:12:46–0:12:50
Das haben alle schon mal gesehen. Wir laufen hier gerade über einen Parkplatz
0:12:50–0:12:51
und werden von Autos überholt.
Florian Clauß
0:12:51–0:12:56
Sorry. Vielleicht ganz kurz hier ein kleiner Einschub zur Laufstrecke.
0:12:56–0:13:01
Wir sind hier schon ein paar Mal langgelaufen mit eigentlich Podcast in anderen Besetzungen.
0:13:05–0:13:10
Wir sind hier im Gleisdreieckpark, verlassen den Gleisdreieckpark und gehen jetzt Richtung...
0:13:12–0:13:18
Wir halten uns ein bisschen fern von der Straße. Wir können hier in den Park wieder reingehen.
0:13:18–0:13:22
Oder wir gehen jetzt noch ein bisschen so in diese Richtung, Richtung Südkreuz,
0:13:22–0:13:27
dann kommt halt so ein langer Weg, der direkt parallel zu den Schienen führt,
0:13:27–0:13:33
wo wir ab und zu nur ein paar Geräusche von einem Zug vorbeikommen.
0:13:34–0:13:36
Aber das ist auch ein sehr schöner Weg.
0:13:37–0:13:38
Okay, also...
Tobias Kunisch
0:13:39–0:13:40
Naja, also verschiedene Schriftklassifizierungen.
Florian Clauß
0:13:42–0:13:43
Genau, Schriftklassifizierung.
Tobias Kunisch
0:13:43–0:13:46
Du hattest gefragt, was eine Sans-Serif-Schrift ist.
Florian Clauß
0:13:46–0:13:46
Genau.
Tobias Kunisch
0:13:46–0:13:48
Dafür muss man erklären, was Serifen sind.
Florian Clauß
0:13:48–0:13:49
Ja, sehr gut.
Tobias Kunisch
0:13:51–0:13:55
Serifen sind, das haben alle schon mal gesehen, das haben bestimmt alle,
0:13:55–0:13:58
die so in unserem Alter sind, haben bestimmt mal eine Hausarbeit geschrieben,
0:13:58–0:14:04
wo Times New Roman für euch geschrieben war, ist Schriftart in 12 Punkt für Microsoft Word.
0:14:06–0:14:10
Die kleinen Enten, die kleinen Füße, die da hervorstehen, wenn man so ein A
0:14:10–0:14:14
sieht zum Beispiel, da sind ja die zwei Diagonalen und unten sind dann zwei
0:14:14–0:14:16
so Füße dran, das sind die Serifen.
0:14:17–0:14:21
Und traditionell im lateinischen Alphabet, Gutenberg hat die nicht genutzt,
0:14:21–0:14:26
weil die haben eine Frakturschrift benutzt damals, aber ganz klassisch ist das
0:14:26–0:14:27
Schriften, die sie Serifen haben.
0:14:28–0:14:32
Es war erst später im Laufe der Zeit, dass die Serifen verloren haben und die
0:14:32–0:14:36
nennt man, Das ist dann das, was man jetzt sans-serif nennt.
0:14:36–0:14:39
Sans ist das französische Wort für ohne, also ohne Serifenschaften.
Florian Clauß
0:14:40–0:14:44
Also eigentlich war eher der Standard mit Serifen, deswegen ohne Serifen?
0:14:44–0:14:48
Oder kennst du da so ein bisschen was für die Geschichte der...
Tobias Kunisch
0:14:48–0:14:51
Ja, also das kann ich machen, gerne.
0:14:53–0:15:00
Das lateinische Alphabet, also das, was wir benutzen für Deutsch und Englisch
0:15:00–0:15:03
und die ganzen westeuropäischen Sprachen,
0:15:03–0:15:12
ist entstanden aus dem Griechischen über das Phönizische und so weiter,
0:15:12–0:15:14
hat sich das langsam so nach Europa ausgebreitet.
0:15:15–0:15:21
Da gibt es so eine schöne Grafik,
0:15:21–0:15:28
die man relativ einfach finden kann im Internet, wie aus dem Aleph im Phönizischen,
0:15:28–0:15:33
was so ein Ochsenkopf war, wie sich das langsam abstrahiert worden ist und wie
0:15:33–0:15:37
es so langsam gedreht ist und dann langsam zu einem lateinischen A geworden ist.
0:15:37–0:15:43
Und die Römer haben das übernommen und es gab einen römischen Herrscher,
0:15:43–0:15:48
der hieß Trajan, der hat sich eine Riesensäule bauen lassen,
0:15:48–0:15:52
die Trajanische Säule,
0:15:52–0:15:58
und da ist eine Inschrift drauf mit lateinischen Buchstaben und das wird so
0:15:58–0:16:03
landläufig anerkannt als so die Geburtsstätte des lateinischen Alphabets,
0:16:03–0:16:06
die gibt es immer noch, die Säule.
0:16:06–0:16:10
Wenn man in Rom ist, kann man da hingehen und sich die Inschrift anschauen.
0:16:13–0:16:15
Die Römer haben dann das lateinische Alphabet benutzt.
0:16:16–0:16:22
In anderen Teilen Europas haben sich dann andere Schriftstile entwickelt.
0:16:23–0:16:27
Also wenn man so an alte, europäische,
0:16:27–0:16:36
abgeschriebene, christliche Texte vorstellt, die damals von Mönchen in Klöstern
0:16:36–0:16:40
kopiert worden sind, die haben halt diese Bruchschrift, diese Strukturschrift,
0:16:40–0:16:42
was man altdeutsche Schriften nennt, benutzt.
Florian Clauß
0:16:42–0:16:42
Weißt du, warum?
Tobias Kunisch
0:16:43–0:16:50
Naja, weil die Schleipgeräte hatten, mit einer breiten Spitze vorne,
0:16:50–0:16:52
die sie in Tinte getaucht haben.
Florian Clauß
0:16:52–0:16:57
Also es war eine technische Bedingung, dass die das so gemacht haben,
0:16:57–0:17:00
weil das ist, glaube ich, auch nochmal dieser Punkt, den können wir später nochmal
0:17:00–0:17:06
aufgreifen, inwieweit dann bestimmte technische Bedingungen zu Stilen geführt haben. Ja.
0:17:07–0:17:10
Das ist, glaube ich, ziemlich spannend, auch gerade, wenn dann...
0:17:10–0:17:13
Sie haben ja gesagt off-record. Wieso?
Tobias Kunisch
0:17:13–0:17:15
Achso, ich dachte, das ist gerade eine Regieanweisung.
Florian Clauß
0:17:17–0:17:19
Nein, das schneide ich jetzt raus.
0:17:21–0:17:25
Jetzt wird es eine Regieanweisung, na toll. Ich dachte, ich könnte dir gerade einen Gedanken...
Tobias Kunisch
0:17:26–0:17:29
Achso, dann teil deinen Gedanken, nur weil du auf deine Uhr geguckt hast.
Florian Clauß
0:17:29–0:17:31
Ne, weil ich wieder einmal vergessen habe, den Track aufzuzeichnen.
0:17:32–0:17:35
Wenn das Mitch wüsste. Welchen Track aufzuzeichnen?
0:17:36–0:17:41
Wir veröffentlichen doch immer zu so einem Podcast einen Track.
0:17:42–0:17:43
Aber ich kann den auch nachpinnen.
0:17:45–0:17:46
Gar kein Problem.
Tobias Kunisch
0:17:46–0:17:50
Also ich werde diese Werbepause nutzen, um den Hörern von hinter der Kulisse
0:17:50–0:17:51
zu berichten, vom eigentlich Podcast.
Florian Clauß
0:17:52–0:17:55
Wir machen hier gerade Pause, weil Flo seine...
0:17:58–0:18:01
Spazieren draußen! Kategorie gefunden! ...auf.
Tobias Kunisch
0:18:01–0:18:05
Seiner Apple Watch Spazieren draußen einstellen musste, damit er dann mit euch,
0:18:05–0:18:08
liebe Hörer, unseren Spaziergang teilt.
0:18:09–0:18:17
Dann könnt ihr unseren pikturisten Spaziergang über den Hellweg-Parkplatz selbst nachvollziehen.
Florian Clauß
0:18:17–0:18:21
Ja, Hellweg hier Richtung, wir bewegen uns parallel zu den Schienen,
0:18:21–0:18:23
habe ich schon gesagt, Richtung Südkreuz.
0:18:23–0:18:26
Und alle Informationen zu unserem Podcast findet ihr auf eigentlich-podcast.de.
0:18:29–0:18:34
Shownotes und Links und Texte, die wir jetzt noch zu der Episode verlinken und
0:18:34–0:18:35
veröffentlichen werden.
Tobias Kunisch
0:18:38–0:18:41
Ich habe von Flo gerade eine Regieanweisung bekommen,
0:18:41–0:18:50
mit dem Gedanken, dass wir doch mehr über die technischen Bedingungen,
0:18:50–0:18:53
die zu der Verbreitung bestimmter Schifte haben.
Florian Clauß
0:18:53–0:18:56
Wir kommen darauf zurück, habe ich gesagt. Ich finde das total spannend,
0:18:56–0:19:01
weil jetzt nämlich genau diese Entstehung des Alphabets, die du gerade… War
0:19:01–0:19:05
das eine Säule in Rom? Ja. Und es war geritzt auf der Säule?
Tobias Kunisch
0:19:05–0:19:11
Ne, das war so reingemeißelt. Deswegen ist er so, wenn man sich so römische Gebäude vorstellt.
Florian Clauß
0:19:12–0:19:16
Ich glaube, wir können hier links gehen. Da kommen wir auf diesen Fußweg.
Tobias Kunisch
0:19:16–0:19:17
Ja, das ist auch ein guter Spielplatz.
Florian Clauß
0:19:17–0:19:19
Ja, du kennst das hier.
Tobias Kunisch
0:19:21–0:19:27
Das war da so reingemeißelt in Stein. Das war ja so, bevor die Ägypter viel
0:19:27–0:19:30
mit Pergament gearbeitet haben und so, ist da viel Schrift in Stein gemacht worden.
0:19:31–0:19:36
Und das ist auch ein Entstehungsgrund für dieses Riefen, weil es einfacher war,
0:19:36–0:19:41
dann den Keil abzusetzen oder dann die Enden von den Strichen zu machen.
Florian Clauß
0:19:41–0:19:45
Und jetzt kommen wir wieder genau auf diesen Punkt zu sprechen und das wäre
0:19:45–0:19:50
nämlich genau die Frage auch, inwieweit Stile, Schriftstile tatsächlich Mode
0:19:50–0:19:53
waren oder auch eher technische Bedingungen?
Tobias Kunisch
0:19:53–0:20:01
Ja, also es war ja, um wieder zurück zu unseren Mönchen in den Klöstern im Mittelalter
0:20:01–0:20:02
in Europa zurückzukommen.
0:20:04–0:20:10
Die haben eben diese Frakturschrift oder Bruchschrift eingeführt,
0:20:10–0:20:14
weil die eben diese Tintenkeile hat, mit einer breiten Spitze.
0:20:15–0:20:20
Das heißt, wenn du dieses Schreibgerät über die Seite führst,
0:20:20–0:20:24
dann gibt es, wenn du in die eine Richtung schreibst, gibt es einen dicken Schrift,
0:20:24–0:20:27
und wenn du in die andere Richtung schreibst, gibt es einen dünnen Strich.
0:20:27–0:20:31
Das kennen wir ja immer noch, wenn man so einen Kalligrafie-Stift hat oder so.
0:20:35–0:20:39
Und das ist vor allem in Deutschland dann noch ganz lang verbreitet gewesen.
0:20:39–0:20:47
Als Gutenberg damals die Bibel gedruckt hat zum ersten Mal, hat er eine Schrift
0:20:47–0:20:48
benutzt, die heißt Textura.
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Die war der Schrift der Mönche nachempfunden.
0:20:53–0:20:58
Und erst später haben dann alle Länder auf Serifenschriften umgestellt und dann
0:20:58–0:21:00
später auf eine große Schriftenvielfalt.
Florian Clauß
0:21:03–0:21:06
Also erstmal das Alphabet. Ich glaube, das ist so, ich weiß nicht,
0:21:06–0:21:08
ob wir diese Kiste auch noch aufmachen wollen.
0:21:08–0:21:19
Nämlich, dass das Alphabet ja im Prinzip Silben beschreibt, die beim Aussprechen Bedeutung ergeben.
0:21:21–0:21:25
Während wir, wenn wir im asiatischen Raum unterwegs sind, ist es ja so,
0:21:25–0:21:30
dass wir anhand der Zeichen Bedeutung haben und erst durch die Kombination der
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Zeichen dann die Aussprache klar wird, also genau andersrum.
0:21:34–0:21:39
Deswegen hat er die asiatischen Schriften haben ja unglaublich viel mehr Zeichen,
0:21:39–0:21:45
weil eben diese Abstraktion, wie es jetzt im lateinischen Alphabet implementiert
0:21:45–0:21:51
ist, so nicht vorhanden ist, sondern die gehen ja eher von den Zeichen aus in Reihenfolge.
0:21:53–0:21:56
Und grätsch ruhig rein, wenn ich jetzt hier irgendwie kuschle.
Tobias Kunisch
0:21:56–0:21:59
Nee, nee, ich wollte nur noch ein bisschen mehr Dimensionen da hinzufügen.
0:22:00–0:22:04
Weil es gibt ja nicht nur chinesisch und japanisch und koreanisch,
0:22:04–0:22:07
wobei koreanisch noch eine ganz interessante Sonderstellung hat.
0:22:07–0:22:13
Aber es gibt ja auch arabisch und viele andere Schriftarten,
0:22:13–0:22:20
die Syllabics, nennt man die auf Englisch, Syllabiasien, also die quasi auf Silben basieren.
0:22:21–0:22:25
Das heißt, die Silbe hat ein Schriftzeichen, nicht ein Phonem, wie im Lateinischen.
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Ja, aber ja, es gibt, also das ist sehr wichtig, sich immer vor Augen zu halten,
0:22:32–0:22:39
dass Gutenberg war nicht der Erste, der Druck erfunden hat.
0:22:39–0:22:46
Das gab es in Korea schon eine Weile vorher, aber er hatte eben im Europäischen Raum große Bedeutung.
0:22:47–0:22:49
Und es war auch nochmal ein bisschen andere Technik, die einfacher war.
Florian Clauß
0:22:49–0:22:53
Genau, also wie auch Kolumbus nicht die neue Welt entdeckt hat.
0:22:53–0:22:57
Da waren drei Fehler in diesem Satz. Es gibt keine neue Welt,
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die man entdecken kann. Und es gibt auch nicht Kolumbus, der zuerst war.
Tobias Kunisch
0:23:00–0:23:03
Die Leute, die da waren, mussten leider Kolumbus entdecken, dass er ankam.
Florian Clauß
0:23:03–0:23:09
Genau. Ja, also ich glaube auch, das, was ich auch in der Geschichte,
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also wir springen so ein bisschen in Themen, aber ich glaube,
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vielleicht gelingt es uns, nochmal diese einzelnen Sprünge dann zusammenzufinden.
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Das, was ich auch gehört habe, ist, dass früher die ersten Drucke tatsächlich
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aus dem asiatischen Bereich gekommen sind, wo dann komplette Seiten geritzt wurden in Holz.
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Und ich habe das Wort jetzt nicht parat,
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aber wo dann Seiten gedruckt wurden und vor allen Dingen, was dann halt auch
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im asiatischen Bereich bei Drücken ganz verbunden war, ist, dass auch Zeichnungen dabei waren.
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Also nicht nur Schriften, sondern auch Zeichnungen, dass das wesentlich verbundener
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war mit Zeichnung. Und so eine ganze Seite.
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Und ich glaube, das ist dann nochmal so ein bisschen, was wir bei der Kulturtechnik
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mit dem Druck von Gutenberg dann nochmal einholen können.
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Bei so einer Seite hast du natürlich alle Gestaltungsfreiheiten.
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Du kannst ja dann irgendwie Linien über die ganze Seite ziehen,
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du kannst ja irgendwie Verbindungen ziehen, du kannst Zeichnungen und so weiter.
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Und in dem Moment, wenn eben, und das war glaube ich schon der Schritt,
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den man mit Gutenberg verbindet.
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Dass einzelne Buchstaben gesetzt werden für eine Seite.
Tobias Kunisch
0:24:27–0:24:32
Ja, wobei es auch in Korea jemanden gab, der schon einzelne Schriftzeichen aus
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Keramik gemacht hat und damit dann Seiten gesetzt hat.
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Gutenberg hat es überhaupt nicht erfunden. Gutenberg war nur der erste,
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der eine Weinpresse umgebaut hat und die Buchstaben aus Metall gegossen hat.
Florian Clauß
0:24:47–0:24:53
Gutenberg war ein guter Kaufmann, ein guter Vermarkter, die die direkte Konkurrenz
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mit der Bibel gesucht haben.
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Und das war ja so, dass die Bibel natürlich in den Klöstern abgeschrieben wurde
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von den Mönchen mit ihren Gänsevätern oder was auch immer, wo dann halt diese Fraktur mit drin war.
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Und dass er nur konkurrieren konnte mit seinem Druck, so, dass er auch ähnlich
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gut in Erscheinung war, wie eben die handgeschriebenen Bibeln.
0:25:20–0:25:24
Deswegen musste er wahrscheinlich dann auf solche Drucksätze zurückgehen und
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hätte auch andere Schriften verwenden können.
Tobias Kunisch
0:25:27–0:25:30
Ich glaube, das war einfach kulturell die Schrift, die die Leute gut lesen konnten.
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Also Lesbarkeit ist ja auch immer bedingt durch, was ist man gewöhnt zu lesen.
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Das ist ja sehr interessant. Es gibt da viel Research, die passiert,
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was Text mehr lesbar macht und was Text weniger lesbar macht.
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Und was man gewöhnt ist zu lesen, ist ein großer Faktor dabei,
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hat sich mittlerweile herausgestellt. Also ich glaube, dass das einfach mehr
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kultureller Einfluss war, dass er damals die Textur benutzt hat.
Florian Clauß
0:26:01–0:26:06
Die Textur. Und ist das eine gebrochene Schrift? Heißt das, ist das gebrochen?
Tobias Kunisch
0:26:11–0:26:14
Es gibt viele Frakturschriften, was der lateinische, glaube ich,
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das Äquivalenz-Zubruch schreibt.
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Da gibt es viele verschiedene Unterkategorien. Ich kann mir da auch gar nicht so aus.
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Ich will da jetzt gar nichts Falsches erzählen, aber ja,
0:26:25–0:26:30
das war eine Frakturschrift und das ist eben diese, wie man sich so altdeutsche
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Schrift vorstellt heute oder wenn man in Pubs sieht in London,
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wenn da diese alte Old English Schrift ist, wo diese Breiten,
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die so ganz breit ist, ziemlich fett
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und diese Graden, die sich auszeichnen durch diese Geradenstriche.
Florian Clauß
0:26:46–0:26:53
Ja, jetzt ist ja quasi durch den Buchdruck so eine gewisse, ich sag mal, Portionierung.
0:26:54–0:26:59
Also das heißt, der einzelne Buchstabe wird eben zu einer Druckvorlage.
0:27:02–0:27:10
Und das heißt, jetzt kommt diese Kunst der Zusammensetzung von Buchstaben.
0:27:11–0:27:16
Und jeder Buchstabe, man kennt das ja, wenn der jetzt gleich groß wäre,
0:27:16–0:27:22
dann hast du natürlich das Problem, dass dann irgendwie Lücken entstehen.
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Je nachdem, die Buchstaben kann ich ja dann unterschiedlich verwenden auf einer
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Druckvorlage und ich habe dann überall meine Kästchen mit den einzelnen Buchstaben
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drin. Ich setze sie zusammen und ähm.
0:27:40–0:27:45
Jetzt ist natürlich die Frage, wenn die alle gleich breit sind,
0:27:45–0:27:46
dann ist es ja auch nicht mehr so richtig lesbar.
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Da muss man ja auch irgendwie darauf reagieren, auf diese Lesbarkeiten,
0:27:53–0:27:55
auf welchen Buchstaben ich wo nehme.
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Weißt du da zufällig, wie sich das dann so auch in Druck entwickelt hat?
0:28:01–0:28:07
Was die da für unterschiedliche Partionierungen und so weiter?
Tobias Kunisch
0:28:07–0:28:12
Also das geht so ein bisschen zu dem Thema Anatomie von Schriften.
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Also im Prinzip haben die die Buchstaben einfach nicht alle gleich groß gemacht.
0:28:16–0:28:21
Also man muss sich das so vorstellen, dass so eine Schrift damals zu,
0:28:21–0:28:27
also nach Gutenberg ist ja dann viel von der Druckindustrie nach Venedig gezogen.
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Also Venedig war dann für eine Weile so die Hochburg für Druck und Schriften,
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die entwickelt und designt worden sind.
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Wenn man sich das so vorstellt, dass jemand quasi eine Schrift entworfen hat,
0:28:42–0:28:53
designt hat, aufgezeichnet hat, dann haben die quasi Vorlagen gemacht aus Metall,
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die quasi die Schriften, die einzelnen Buchstaben einzeln hergestellt Und daraus
0:29:02–0:29:04
haben die dann mit dieser Vorlage,
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aus Metall, aus Blei, ganz viele Duplikate gemacht.
0:29:08–0:29:12
Und die wurden dann zusammengesetzt zu Wörtern. Also man hat dann quasi,
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deswegen nennt man es auf Englisch movable type, man konnte die Buchstaben hin
0:29:17–0:29:20
und her bewegen und eben so zusammensetzen, dass die richtigen Wörter und die
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richtigen Sätze ergeben haben.
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Und ein I, zum Beispiel, ein kleines I oder ein großes I, ist natürlich viel schmaler als ein M.
0:29:31–0:29:33
Ein großes M kann man sich ja vorstellen, das hat dieser...
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Ich muss nicht beschreiben, wie ein M aussieht. Jeder weiß, wie ein M aussieht.
Florian Clauß
0:29:39–0:29:41
Das ist sehr breit. Hoch, runter, hoch, runter.
Tobias Kunisch
0:29:43–0:29:48
Letter of the day. Naja, also das Problem, was du vorhin beschrieben hast,
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ist gar nicht aufgetaucht, weil die die Buchstaben unterschiedlich breit gemacht haben.
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Nur war es eben, also es war schon nicht ganz so einfach, weil so ein Buchstabe
0:29:57–0:30:00
ist ja ein Buchstabe. Also so ein Stück Blei ist ein Stück Blei.
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Man konnte die eben nur einmal herstellen, so wie man sie wollte.
0:30:03–0:30:08
Und dann konnte man die nebeneinander legen. Wenn man nach dem Punkt ein Leerzeichen
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brauchte, dann gab es halt ein Stück Blei, was man dazwischen machen konnte.
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Die Zeilenhöhe ist dadurch bestimmt worden, dass man dann auch so Keile dazwischen
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gemacht hat, zwischen die Zeilen, aus Blei, aus Lead. Deswegen heißt die Zeilenhöhe
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auch Leading auf Englisch.
Florian Clauß
0:30:22–0:30:24
Weil?
Tobias Kunisch
0:30:24–0:30:28
Warte mal. Weil man die Bleistücke, weil man die Pieces of Lead dazwischen gemacht hat.
Florian Clauß
0:30:28–0:30:32
Echt? Und das hast du immer noch im CSS drin, oder?
Tobias Kunisch
0:30:32–0:30:32
Ja, genau.
Florian Clauß
0:30:34–0:30:34
Krass, ja.
Tobias Kunisch
0:30:36–0:30:41
Und es gab aber, also weil du auf diese danach spezifisch gefragt hast,
0:30:41–0:30:48
es gibt ja Schriften, die heißen Monospace-Schriften, was zum Beispiel zum Coden
0:30:48–0:30:54
benutzt wird, wo dann das I dann tatsächlich genauso breit ist wie das M.
0:30:56–0:30:59
Und in der Anatomie von so einer digitalen Schrift, die du heute auf dem Computer
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siehst, ist immer noch dasselbe Prinzip am Werk quasi, dass jeder Buchstabe
0:31:04–0:31:08
eine unsichtbare Box außenrum hat, in der er so lebt.
0:31:09–0:31:16
Das heißt, es gibt, wenn du dir ein kleines G vorstellst, mit dem Schwung nach
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unten, dafür muss natürlich Platz sein.
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Und da kann nicht nur in dem kleinen G der Platz sein für den Schwung nach unten,
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sondern alle anderen Buchstaben müssen sich ja aufschleien mit dem G.
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Das heißt, alle anderen Buchstaben müssen genauso viel Platz in dieser unsichtbaren
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Box haben, dass das kleine G nach unten gehen kann, ohne dass das G auf der
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Zeile verrutscht nach oben, nach oben lutscht.
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Und deswegen haben alle Schriften ein bisschen unterschiedliche Höhe.
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Also man kann, wenn man eine Schrift in 14 Punkt setzt zum Beispiel,
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sehen manche Schriftarten viel größer aus als andere, weil diese Box anders ausgenutzt wird quasi.
Florian Clauß
0:31:58–0:32:04
Ja, spannend. Also da sind wir quasi auf diese Entität des Einzelnen,
0:32:04–0:32:11
also dieser Box hat die nochmal einen Namen, diese Box, das Buchstaben, wo die sich dann bewegt.
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Das ist ja auch dann wieder so diese Verankerung in dem Buchdruck.
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Das heißt, der Druck als eben movable types,
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das sind glaube ich genau diese beiden technischen Bedingungen,
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um eben so ein Druckerzeugnis machen.
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Irgendwann war das so verbreitet, dass es so ganze Gewerke gab,
0:32:38–0:32:43
die dann halt auch da entsprechend gearbeitet haben. Es gibt den Drucker,
0:32:43–0:32:48
es gibt den Papierhersteller, es gibt den, keine Ahnung, der die Bleisätze herstellt.
0:32:49–0:32:55
Und damit hat sich ja eine ganze Gilde oder ein ganzes Gewerke aufgebaut über sehr viele Jahre.
Tobias Kunisch
0:32:55–0:32:58
Ja, absolut. Und das hat sich dann aber über die Zeit weiterentwickelt.
0:33:00–0:33:05
Also ganz lang haben die das Prinzip genutzt von den einzelnen Buchstaben,
0:33:05–0:33:08
die so aneinandergeleitet sind, irgendwann in den...
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Puh, ich will jetzt nichts Falsches erzählen. Am Anfang des 20.
0:33:15–0:33:22
Jahrhunderts vielleicht ungefähr gab es zwei Firmen, die versucht haben,
0:33:22–0:33:24
das einfacher zu machen und industrieller zu machen.
0:33:25–0:33:30
Es gab zum einen eine Firma, die hieß Linotype und eine andere Firma, die hieß Monotype.
Florian Clauß
0:33:32–0:33:35
Kennen wir noch die Namen, Linotype und Monotype?
Tobias Kunisch
0:33:35–0:33:38
Ja, da können wir gleich drauf kommen, warum wir die noch kennen.
0:33:39–0:33:41
Aber was die gemacht haben ist,
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die haben so, Leinetype ist von einem deutschen Einwanderer in Amerika gegründet worden und dieser,
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ich habe seinen Namen vergessen, dieser Erfinder hat eine Maschine erfunden,
0:33:54–0:34:03
die quasi, das war so ein Riesenapparat aus Metall und Maschinerie und allem möglichen.
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Und da war vorne eine Tastatur dran.
0:34:07–0:34:14
Und wenn man da getippt hat, dann ist hinten heißes Blei gegossen worden und
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ist dann quasi in die Zeile gefallen und gab dann a line of type.
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Und deswegen hieß die dann Leine-Type.
Florian Clauß
0:34:24–0:34:28
Also das heißt, die Maschine hat quasi die Druckvorlagen instantan hergestellt.
0:34:28–0:34:34
Genau. Und was war der Vorteil?
Tobias Kunisch
0:34:34–0:34:41
Der Vorteil war, und es gibt Fotos von der New York Times damals in New York,
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die hatten so riesen Etagen mit Schriftsetzern, die an Linotype-Maschinen gearbeitet
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haben, die quasi den mit der Schreibmaschine getippten Artikel bekommen haben,
0:34:52–0:34:54
die ihn dann eingetippt haben.
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Und dann ist die Druckvorlage rausgekommen. Und die Druckvorlage aus der Leinolzeitmaschine
0:35:02–0:35:05
ging dann in die Druckerei.
0:35:05–0:35:10
Und wenn die gedruckt worden ist, dann ist das Metall wieder eingeschmolzen
0:35:10–0:35:11
worden und dann ging es wieder von vorne.
Florian Clauß
0:35:11–0:35:14
Also im Prinzip ist man dann wieder so einen Schritt zurück.
0:35:14–0:35:19
Also man hatte dann halt dieses ganze Buchdruckverfahren mit den einzelnen Buchstaben und so weiter.
0:35:19–0:35:24
Aber eigentlich ist es ja wie so eine geschnitzte Seite aus dem alten China,
0:35:24–0:35:28
wo man halt alles gemacht hat. aber nur halt auf den Industrieprozess angepasst.
Tobias Kunisch
0:35:30–0:35:31
Ja, stimmt. Im Prinzip schon.
Florian Clauß
0:35:32–0:35:33
Ah, das ist ja abgefahren.
Tobias Kunisch
0:35:34–0:35:41
Und dann gab es noch eine Konkurrenzfirma, die so eine ähnliche Maschine hatte, die hieß Monotype.
0:35:42–0:35:48
Ich glaube, die haben dann ein Wort jeweils gemacht, statt eine Zeile,
0:35:48–0:35:49
die da reingefallen ist.
Florian Clauß
0:35:50–0:35:56
Man merkt, dass die Druckerzeugnisse damals im 19.
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Und 20. Jahrhundert das Medium waren. Da die Beschleunigung von Kultur- und
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Industrietechniken extrem war, da gibt es diese Auswüchse, wie du beschreibst.
0:36:10–0:36:12
Das ist total spannend.
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Und die Hochprofessionalisierung da in dem
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Bereich hat mit der Industrie-Industrialisierung dann so ab den 1820er,
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1830er dann so angefangen und ist dann halt aus diesem Klassizismus so ein bisschen rausgewachsen,
0:36:28–0:36:34
wo dann halt noch eher so, also ich meine auch da ist die ganze Romankultur
0:36:34–0:36:39
und so weiter, Buchtuch, ist die Romankultur, dieses Romantik und so weiter.
0:36:40–0:36:45
Also das heißt, mit der Industrialisierung, ich meine, dann kannst du natürlich
0:36:45–0:36:47
Arbeiterbewegung auch da nochmal reinpacken als Thema.
0:36:47–0:36:52
Also die Drucker waren eine ganz entscheidende Größe in allen Gewerkschaften
0:36:52–0:36:58
und Arbeiterbewegungen, die auch dann natürlich durch diese Verbreitung von Informationen...
0:37:00–0:37:01
Können wir machen, ja.
0:37:02–0:37:05
Durch die Verbreitung von Information oder die Informationsverbreitungsmaschinen.
0:37:05–0:37:12
Nee, Informationstechnologie. Ach, IT. Jetzt habe ich es.
0:37:14–0:37:18
Genau, what is IT? Da sind wir wieder bei IT-Crowd.
0:37:18–0:37:28
Aber dass die natürlich da eine gewisse Macht haben und da auch die Schnelligkeit,
0:37:28–0:37:34
das Timing gezählt hat Und dass dann solche Technologien erstmal überhaupt so
0:37:34–0:37:37
in Frage gekommen sind, weil die konkurrierend auf dem Markt waren.
Tobias Kunisch
0:37:37–0:37:43
Genau. Naja, aber die Entwicklung ging dann ja auch weiter. Also diese Maschinen
0:37:43–0:37:51
waren unglaublich groß und laut und da war Öl drin und ab und zu hat da heißes Blei rausgespritzt.
0:37:51–0:37:54
Und da musste man aufpassen, dass man sich nicht verletzt hat. und so.
0:37:54–0:37:59
Und die war natürlich auch sehr, also wenn man sich da vertippt hat,
0:37:59–0:38:03
das war auch ein Problem, weil da musste man entweder das Blei wieder raus friemeln
0:38:03–0:38:07
oder man musste halt die ganze Seite, die man schon geschrieben hatte, wieder...
Florian Clauß
0:38:07–0:38:08
Das ist kein UNDO, ne?
Tobias Kunisch
0:38:08–0:38:10
Genau, und kein Tippex.
0:38:14–0:38:19
Und später kam dann der Phototype-Setting. Also da gab es dann so eine kurze Phase,
0:38:19–0:38:22
wo man dann Fotografie benutzt hat,
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um quasi, da hat man dann,
0:38:25–0:38:29
ich kenne mich mit Photo-Type-Setting nur sehr wenig aus,
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deswegen erzähle ich jetzt wahrscheinlich nur falsche Sachen,
0:38:31–0:38:38
aber man hat dann eben Fotografie-Prozesse benutzt, um die Buchstaben aneinander
0:38:38–0:38:41
zu setzen und es dann quasi abzufotografieren und es dann als Grundvorlage zu
0:38:41–0:38:43
benutzen, was dann eben...
0:38:47–0:38:50
Viele Techniken ermöglicht hat, die man heute aus dem Grafikdesign kennt,
0:38:50–0:38:55
wo dann experimentiert worden ist oder wo Sachen mehrfach belichtet worden sind oder so.
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Das war dann so in den 60ern, glaube ich.
Florian Clauß
0:38:58–0:39:02
Ja, ich glaube, das war jetzt genau diese Zeit, der 60er, 70er,
0:39:02–0:39:07
wo in der Hippie-Bewegung und in diesem ganzen unglaublich viel Kreativität,
0:39:07–0:39:10
auch im Font-Design, dann passiert das.
0:39:10–0:39:17
Man erinnert irgendwie auch in der Popkultur, wie dann Schrift auf einmal zu
0:39:17–0:39:25
so einem stilprägenden und typografischen Element wird, ist mit dieser Technik verbunden.
0:39:25–0:39:30
Und da bist du halt auch nicht mehr auf eine einzelne, also das ist ja fast
0:39:30–0:39:34
dieses einzelne, das kleine Blei, was dann in Deutschland repräsentiert.
0:39:35–0:39:40
Da bist du wieder frei. Da bist du wieder freier und kannst dann halt wieder
0:39:40–0:39:47
über verschiedenen Zeilen und so weiter kannst du dann halt auch Buchstaben oder,
0:39:47–0:39:56
wie nennt man das, diese Striche, die dann halt aus einzelnen Buchstaben dann
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rausführen, kannst du dann halt übergreifen machen.
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Das Arabische, das habe ich auch mal gehört, das Arabische ist ja auch sehr
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ausufernd von einen einzelnen Zeichen, dass die halt auch entsprechend länger
0:40:09–0:40:12
gebraucht haben, um sich dann in diese Buchstabenentitäten einzupassen.
0:40:15–0:40:17
Das ist halt so natürlich dann
0:40:17–0:40:22
wieder so ein gewisser Vorgabe aus diesem lateinisch-westlichen Diskurs.
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Das Arabische hatte dann nicht gleich diese Drucktechnologien,
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hat ein bisschen länger gebraucht. Aber genau.
Tobias Kunisch
0:40:31–0:40:35
Ja, also da hat Kolonialismus auch viel mit zu tun,
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weil diese ganze Verbreitung der Drucktechnologie ist halt von Europäern in
0:40:42–0:40:46
andere Regionen der Welt getragen worden.
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Und die haben dann quasi gesagt, also weißt du, es gibt ja dieses Ding mit chinesische
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Schreibmaschinen, die wären irgendwie 2000 Tasten groß und so.
0:40:58–0:41:01
Aber das ist ja dieser Ansatz von, wir haben hier ein Ding, das funktioniert
0:41:01–0:41:06
von uns, das funktioniert für uns, für das lateinische Alphabet und euer Alphabet
0:41:06–0:41:09
ist doof, weil es funktioniert nicht mit unserer Maschine, was wir für ein anderes
0:41:09–0:41:10
Alphabet gemacht haben.
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Wobei es irgendwie vielleicht andere Technologien gibt, die vielleicht besser
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geeignet wären, um in der Schrift dann zu schreiben.
Florian Clauß
0:41:17–0:41:23
Wie ist das denn, jetzt gehen wir wieder zurück in diese digitale Welt,
0:41:23–0:41:24
in die Welt der Computer,
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ersten computer die dann auch einen entsprechend beschränkten bitsatz hatten, wo die 128 bit,
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Also 2 hoch 7 Zeichen dann erst eingestellt werden konnten.
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Dann gab es irgendwann das Latin 1, wo 2 hoch 8 Zeichen, also 256 Zeichen,
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dargestellt werden konnten.
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Deswegen hat sich ja dann auch die ersten E-Mails, die man so geschrieben hat, es gab keine Umlaut.
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Und dann irgendwann kam ja dann irgendwann diese Unicode-Bewegung.
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Das heißt, den Zeichensatz, also erstmal natürlich auch hier wieder die technischen
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Bedingungen, die sich erstmal hergestellt haben, mehr Speicher,
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dass ich dann entsprechend mehr Platz habe, um Informationen abzulegen.
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Und bei den Schriften, gerade bei den chinesischen und so weiter,
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da war ja so eine, ich glaube, das war so Mitte 90er, wo die dann halt angefangen
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haben, diese chinesischen Zeichen oder die asiatischen Zeichensätze auch zu
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spezifizieren in diesem Unicode-Zeichensatz.
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Ich frage jetzt nochmal, das ist genau das, was du gerade gesagt hast mit,
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wir haben hier eine Schreibmaschine und passt euch mal an.
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Das ist ja auch da in diesem Unicode-Entstehungsgeschichte ist ja auch so ein
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bisschen so. Wir haben jetzt eine Schreibmaschine, passt euch mal an.
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Oder auch mit der Tastatur.
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Wie werden dann so asiatische Schriften oder Zeichen dann dargestellt und wie
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sind die von der Haptik dann halt auch überhaupt bedienbar?
Tobias Kunisch
0:43:04–0:43:09
Also ich glaube es ist es wert ein bisschen mehr über das Unicode- Consortium
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zu sprechen, weil das sitzt da quasi so in der Mitte davon.
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Es gibt dieses Consortium, das heißt eben Unicode, das ist ein Industriekonsortium,
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das hat irgendwie mehrere Mitglieder aus der Industrie und freiwillige Helfer.
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Und was die machen ist, die,
0:43:30–0:43:35
haben eine große Tabelle von allen Schriftzeichen aus allen Schriftarten der Welt.
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Das heißt, es ist eine Riesentabelle, da sind alle Schriftarten vertreten.
0:43:42–0:43:47
Fängt mit dem Lateinischen an, was von den Amerikanern gestartet worden ist,
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aber hat dann eben auch, ein großer Teil davon ist Chinesisch.
0:43:51–0:43:54
Das Chinesische hat irgendwie 65.000 Schriftzeichen, glaube ich.
0:43:55–0:43:56
Das heißt, es ist ein großer Teil.
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Mittlerweile ist Emoji auch sunn, das ist der aktivste Teil,
0:44:00–0:44:03
weil Emoji werden immer neu hinzugefügt jedes Jahr.
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Wir sind gerade bei Emoji 15, glaube ich. 15.1 sind wir gerade dabei abzudaten.
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Auf jeden Fall gibt es diese Tabelle und jedes Zeichen, was in der Tabelle sunn
0:44:20–0:44:25
ist, was es in irgendeiner Schriftart gibt, sind nicht alle Schriftarten.
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Manche Schriften haben sie nicht drin. Es werden jedes Jahr Schriften hinzugefügt.
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Aber das Ziel ist es quasi, alle lebendigen Schriften abzubilden.
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Und jedes Zeichen hat auf jeden Fall einen Unicode-Punkt.
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Leute, die sich mit Computern beschäftigen, haben das bestimmt schon mal gesehen.
0:44:48–0:44:50
Das ist so U+, und dann eine Zeichenfolge.
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Das heißt, wenn ich einen Computer benutze oder ein Telefon und eine Tastatur
0:44:57–0:45:01
benutze, dann habe ich meine Tastatur auf eine bestimmte Sprache eingestellt.
0:45:02–0:45:07
Die Tastatur weiß dann, dass sie mir bestimmte Schriftzeichen zeigt und wenn
0:45:07–0:45:15
ich die antippe, dann sendet die Tastatur nur diesen Unicode-Punkt an den Computer.
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Und der Computer weiß dann, ich muss dieses Zeichen abbilden.
0:45:21–0:45:27
Und der Computer oder das Gerät, an dem du arbeitest, guckt dann,
0:45:27–0:45:33
was habe ich für eine Schrift, die dieses Zeichen hat und malt dann quasi das
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Zeichen von der Schrift auf deinem Bildschirm.
Florian Clauß
0:45:36–0:45:41
Und hat das dann in dieser Zeichen-Tabelle eingespeichert oder das wird dann
0:45:41–0:45:45
je nach Gerät, Endgerät oder sowas, wird das dann umgesetzt?
Tobias Kunisch
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Und jetzt sind wir wieder am Anfang von unserer Geschichte. Weil,
0:45:50–0:45:54
als wir vorher über Webfonds geredet haben und darüber gesprochen haben,
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dass man nur die Schriften benutzen konnte, die die Leute auf ihrer Maschine
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hatten für eine Webseite, weil die Schrift sonst nicht dargestellt werden konnte,
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das ist genau das, was da passiert.
0:46:04–0:46:10
Wenn ich auf meiner Webseite einen Text habe, dann ist es quasi auch für die
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Maschine auch nur eine Anleihung von Unicode-Punkten.
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Und der Computer, an dem du sitzt, sagt erstmal,
0:46:18–0:46:21
wenn keine Schriftart angegeben ist, dann sagt der Computer,
0:46:21–0:46:24
meine Standardeinstellungsschrift ist die und die,
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San Francisco auf einem Macintosh heutzutage,
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Roboto auf einem Android-Telefon und guckt danach dieser Unicode-Punkt von San
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Francisco, wenn ich an meinem Macbook sitze, sieht so aus und dann male ich das.
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Wenn und damals, als es mit den Webfonds angefangen hat, bevor wir diese Webfonds hatten,
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gab es einen Set Schriften, die Microsoft entwickelt hatte, die sind die Websafe-Fonts.
0:46:58–0:47:03
Die waren auf allen Windows-Maschinen und auf allen Macintoshs vorinstalliert.
0:47:04–0:47:07
Und Linux hatte auch einen Anteil davon oder äquivalente Schriften.
Florian Clauß
0:47:07–0:47:08
Websafe?
Tobias Kunisch
0:47:08–0:47:14
Ja, weil die waren quasi safe to use on a website. Und die Namen haben viele
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Leute bestimmt schon mal gehört.
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Arial, Georgia, Vardana, Comic Sans und noch ein paar andere,
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Tahoma. Und man konnte eben für sein Webdesign nur diese Schriften angeben,
0:47:28–0:47:35
weil wenn man eine andere Schrift eingegeben hat, dann kannten die Computer
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die nicht und haben dann halt gesagt, ich zeige es trotzdem auf Arial oder Times New Roman.
0:47:41–0:47:44
Haben eben der Website die Möglichkeit gegeben,
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von dem Server eine andere Schrift zu holen, die einen Match,
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also den Äquivalent für diesen Unicode-Punkt hatte, wo der Designer dann sagen
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konnte, ich will aber die Schrift und dann sah der Buchstabe anders aus.
Florian Clauß
0:47:56–0:48:01
Ja, ich bin eingestiegen mit Cyberstudio. Kennst du noch das Programm?
0:48:01–0:48:03
Nee. So wär's wie Dreamweaver, aber für Macintosh.
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Cyberstudio wurde dann auch irgendwann von Adobe übernommen übernommen und dann,
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also das waren so quasi so diese Generatoren, mit denen du Webseiten basteln konntest.
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Und die hatten auch eine Implementierung für Fonts. Und das war relativ früh,
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aber das war dann immer so peripher.
0:48:22–0:48:28
Das war dann immer nur die Geräte, die, wenn du das Gerät genommen hast,
0:48:28–0:48:31
dann wurde es dargestellt, dann konntest du es sehen.
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Meistens dann halt Max dann so
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verstanden wurde, aber für die ganzen Windows-Maschinen war das nicht so.
0:48:38–0:48:41
Das waren noch die Zeiten der periferen Designs.
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Dann hat man irgendwann Table Data und Table Tabellen genommen,
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um irgendwelche Sachen darzustellen, die dann halt so außergewöhnlich waren.
0:48:51–0:48:54
Oder man hat auch ganz viel mit Bildern gearbeitet.
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Das war ja auch üblich.
Tobias Kunisch
0:48:58–0:48:59
Oh, Image Maps.
Florian Clauß
0:48:59–0:49:05
Image Maps. Und hier kommen wir nochmal so ein bisschen, Bevor die Webfons dann
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populär wurden, gab es das Desktop-Publishing.
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Das war ja auch die große Revolution bzw.
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Auch der Killer von diesem traditionellen Buchdruckverfahren.
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Und das hat sich so ein bisschen abgebildet in dem Bereich von Litografie usw.
0:49:27–0:49:32
Das ist dann halt durch Fotografie dann quasi so Vorlagen für Druckvorlagen erstellt worden.
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Und Desktop Publishing war dann eben die Möglichkeit und dann kommt,
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ich weiß nicht, ich habe es auch nur gelesen, aber dann gab es halt dieses Post Script.
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Und es gibt dann nochmal so eine andere Dimension, die den ganzen Bereich revolutioniert
0:49:52–0:49:53
hat, nämlich die Skalierbarkeit.
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Und dafür hat der Adobe ein Verfahren entwickelt.
0:50:01–0:50:06
Du jetzt, wenn du so eine Bleivorlage dir anguckst, die ist natürlich nur so
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groß, wie halt das Bleistück ist.
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Also die ist ja nicht skalierbar. Während, wenn du jetzt in diesem digitalen Bereich,
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dann, also ich meine klar, dann hast du eins zu eins den Druck und du druckst
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es, aber wenn du jetzt quasi eine Zeitung druckst und das gleiche auch auf ein
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Plakat drucken musst, dann musst du halt entsprechend eine größere Vorlage verwenden.
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Und mit PostScript wurde ja dann, oder mit den ganzen Verfahren,
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wurde ja dann die Vektorschriften eingeführt.
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Also, dass du nicht mehr auf so einer direkten, auf so einer direkten eins-zu-eins-Litografie-Ebene
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bist, sondern dass du quasi den Buchstaben über Kurven beschreibst.
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Also eine mathematische Vorlage von deinen Buchstaben hast.
0:50:49–0:50:54
Und das ist ja so ein Verfahren, was sich dann mit dem Desktop Publishing so quasi verbreitet hat.
Tobias Kunisch
0:50:55–0:51:02
Ja, also viele Leute heutzutage wissen gar gar nicht, dass PostScript das war,
0:51:02–0:51:03
was Adobe groß gemacht hat.
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Also Adobe ist deswegen so eine große Firma, weil die damals PostScript so einen Durchbruch hatten.
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Und es gab ja damals, also damals als Desktop Publishing mit Schriftsätzen,
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mit Computern angefangen hat, gab es da unterschiedliche Standards von Computern,
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von Schriftarten und wie die Zucker, die interpretiert haben.
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Man konnte nicht, also nicht wie heute, heute kann man so ziemlich jeden Zucker
0:51:31–0:51:35
an jeden Computer anschließen und von einem Computer eine Textdatei zu einem
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anderen Computer schicken und da dann ausdrucken.
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Das war damals nicht der Fall. Da gab es Zucker, die mit bestimmten Computern
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funktioniert haben, mit bestimmten gesamten Funktionen.
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Und Adobe hat sich da mit PostScript durchgesetzt und mit den Stiftformaten,
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die PostScript benutzt hat.
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Das war eine Riesensache damals. Das war so ein bisschen so ein Krieg der Formate
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zwischen Microsoft und Adobe und Apple damals.
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Das hat dann auch mehrere Jahre gedauert, bis die sich da so zusammengerauft
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haben und sich da dann so Frieden geschlossen haben und sich alle auf PostScript geeinigt.
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Und dasselbe, oder so ein bisschen ähnlich, findet ja auch an,
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also man druckt ja die meisten Schriften, die man am Computer macht,
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heutzutage nicht mehr. Man schaut die sich entweder am Computer an oder am Telefon.
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Und das heißt, die Buchstaben, die die Schriften machen, werden nicht mehr einmal
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gedruckt und abgebildet oder auf einen physischen Gegenstand gemacht,
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sondern die werden auf auf Bildschirme gemalt.
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Und die Bildschirme haben unterschiedliche Pixellichten.
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Also die Pixel machen ja die einzelnen farbigen Punkte, die das Bild auf dem Bildschirm machen.
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Es ist ja nur, es ist ja nur in letzter Zeit, dass unsere Bildschirme so gut
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geworden sind, dass wir so...
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Das war ja für die längste Zeit, wenn man sich überlegt, ich habe damals,
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als ich klein war, an einem C64 viel Zeit verbracht.
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Oder an einem Atari, man kennt ja diese 8-Bit-Schriften, die einfach nur so ein paar Pixeln waren.
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Das war damals ein Problem, wie man die Buchstaben dann skaliert auf unterschiedliche Größen.
Florian Clauß
0:53:23–0:53:24
Genau, ja.
Tobias Kunisch
0:53:25–0:53:28
Weil man kann ja nicht einfach, man kann die Pixeln nicht einfach größer machen.
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Man hat dann ja mehr Pixeln und dann kann man ein kleines A zum Beispiel anders
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malen, mit mehreren Punkten, als das der Fall ist, wenn man es ganz klein sieht.
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Das heißt, man konnte die nicht einfach hochskalieren, wie mit den Vektoren,
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die du gerade für einen Suck beschrieben hast, sondern man musste dann die Schrift
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für unterschiedliche Größen designen.
Florian Clauß
0:53:49–0:53:55
Ja, in so Matrixen übertragen. Das war dann, genau, das war wirklich so,
0:53:55–0:53:58
wie skalier ich eine Schrift? Ich kann das ja nicht irgendwie wie so einen Kreis
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hochziehen, sondern ich muss die ja irgendwie dann übersetzen.
Tobias Kunisch
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Genau, aber weil es viel zu viel Arbeit gewesen wäre,
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ein extra Design für jede einzelne Schiffsgröße zu machen,
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Es gab verschiedene Arten,
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wie verschiedene Operationssysteme die Buchstaben hoch- und runterskaliert haben
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und auf das Pixel-Raster, was die Bildschirme hatten, übersetzt haben.
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Das heißt, wenn man sich schon länger mit Computern beschäftigt,
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dann kennt man das, wenn man eine Schrift hatte, die einen Screenshot gemacht
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hat und die so groß gesumt hat, Deswegen gab es ja schwarze Pixel und graue
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Pixel und ganz leicht graue Pixel.
Florian Clauß
0:54:42–0:54:43
Das war dieses Alizing.
Tobias Kunisch
0:54:43–0:54:51
Genau, Anti-Alizing. Anti-Alizing, genau. Und es hat ganz lang gebraucht bis
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kürzlich, dass man Schriften einfach so größer und kleiner machen konnte.
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Die Schriften werden immer noch oft in verschiedenen Größen designt und hergestellt.
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Und jetzt kommen wir zum letzten Evolutionspunkt unserer Reise durch die Geschichtstechnologien.
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Bis 2016. Also ich sollte so anfangen. Das Schriftformat, das man,
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das heutzutage benutzt wird, heißt OpenType.
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Also quasi alles, was wir gerade eben besprochen haben und die ganzen Technologien
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und PostScript und all das, die ganzen Schriftformate, sind am Schluss in einem
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Format zusammengeflossen.
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Das heißt OpenType, auf das haben sich alle großen Firmen und Konsortien geeinigt
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und 2016 gab es eine Erweiterung zum OpenType Standard, der heißt VariableType.
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Und wir bei Google Fonts sind große Fans von Variable Fonts und ich bin auch der Meinung, dass es,
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nach Buchdruck, Leinotype-Maschinen, Fotosatz und digitalem Text der nächste Evolutionspunkt ist.
Florian Clauß
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Echt? So fett?
Tobias Kunisch
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Weil, was an diesem neuen Standard neu ist, oder anders ist,
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ist, dass in OpenType, bevor es diese Erweiterung gab,
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hat man quasi immer noch für jede stilistische Variation von der Schrift,
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also für kursiv oder italic oder fett oder dünn oder weit oder eng oder die
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unterschiedlichen Größen, hat man eine eigene Datei benötigt.
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Das heißt, wenn du dir so eine Schrift runterlädst und auf deinem Macintosh
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in ein Fontbuch schiebst, ist ja ein Ordner mit Dateien für all diese Variationen.
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Und wenn du in Word oder in Google Docs irgendwas markierst und dann fett machst,
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dann wechselt die Schrift quasi zu einer anderen Schriftdatei,
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damit die dargestellt wird.
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Und es gibt eben nur die Variation, für die es eine Datei gibt.
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Was Variable Fontets machen, die nehmen all diese Eckpunkte von dem Design von
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der Schrift und machen die in eine Datei rein und erlauben es dem Computer zu interpo