EGL021 Das Selbst als Simulation für Künstliches Bewusstsein: Künstliche Intelligenz Teil 4
Wir rotieren um das Engelbecken in Kreuzberg, während unsere Gedanken kreisen. Im Zentrum des Gedankenwirbels steht zum vierten Mal in Serie die Künstliche Intelligenz. Drumherum weben wir einen Strudel, dessen Zubereitung -- wie es sich für einen Strudel gehört -- in Wien vor über 100 Jahren begann. Die Füllung im Zentrum ist eine Melange aus KI-Bewusstsein, der Entwicklung des Selbst und neusten neurologischen Erkenntnissen. Oder konkret formuliert: muss eine KI sich selbst simulieren, damit sie sich selbst bewusst werden kann? Micz beginnt mit dem Konzept des Selbst, das in der psychodynamischen Theorie als Hilfskonstrukt des freudianischen Instanzen-Modells seinen Ursprung hatte. Das Selbst war anfangs wenig mehr als eine regulierende Schnittstelle zwischen Es, Umwelt und somatischem Erleben. Mit der Ich-Psychologie wurde dem Selbst immer mehr Platz eingeräumt, es entstand zum ersten Mal das Konzept des Selbst als einer Abstraktion als Konstrukt. Wir bleiben lange in der Psychodynamik und klinischen Psychologie verhaftet, bis wir schließlich wieder über das Thema Identität und Bias zurück zur KI kommen. Und dann ist schon Schluss. Danke für's zuhören!
Shownotes
- Laufroute
- EGL021 | Wanderung | Komoot
- Links
- William James (1890) unterschied das erkennende Selbst vom erkannten Selbst (Stangl, 2023)
- Phänomenologie Husserls: Philosophie als „erste Wissenschaft“ (Prima philosophia)
- Neue Phänomenologie: Wiederentdeckung der unwillkürlichen Lebenserfahrung ist die Grundlage der Neuen Phänomenologie
- Gesellschaft für Neue Phänomenologie e.V.
- The neural basis of self attempts to describe and understand the biological processes that underlie humans' perception of self-understanding
- How Our Brain Preserves Our Sense of Self | Scientific American 2021
- Neuroscience of Self and Self-Regulation, Todd F. Heatherton 2011 (Inhibition is a core feature of self-regulation)
- "Bewusstsein ist eine Simulation des Gehirns" Thomas Metzinger vertritt die Theorie, dass unser Selbst nicht existiert | MIT Technology Review & heise.de
Transcript
Flo fragt Freud-Zitate ab. So weit musste es kommen. Und Micz zitiert falsch! (Das wäre ChatGPT nicht passiert!) Hier das Zitat mit Quellenangabe (hätte sich ChatGPT diese Mühe auch gemacht?) Kontext: Freud — ganz Kind seiner Zeit — nutzte fast ausschließlich die männliche Form in seinen Schriften und Vorlesungen. So spricht er vom „Herr“ im Haus, wenn er die Kränkung am menschlichen Selbstverständnis beschreibt, die die Psychoanalyse verursacht:
Die „empfindlichste Kränkung aber soll die menschliche Größensucht durch die heutige psychologische Forschung erfahren, welche dem Ich nachweisen will, daß es nicht einmal Herr ist im eigenen Hause, sondern auf kärgliche Nachrichten angewiesen bleibt von dem, was unbewußt in seinem Seelenleben vorgeht.“
Freud, S. (1916-17a): Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse. GW XI: S. 294
Und jetzt die gesamte erste Hälfte der Episode in Zitaten (der Rest der Episode ergibt sich aus den Links der Shownotes):
Der Trieb und das Leib-Seele-Problem
„Wir fassen den Trieb als den Grenzbegriff des Somatischen gegen das Seelische“
Freud, S. (1911). Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia (Dementia paranoides). In Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen III 1911 1.HälfteFreud, 1911, S. 65
„Wir […] sehen in ihm [dem Trieb] den psychischen Repräsentanten organischer Mächte und nehmen die populäre Unterscheidung von Ichtrieben und Sexualtrieb an, die uns mit der biologischen Doppelstellung des Einzelwesens, welches seine eigene Erhaltung wie die der Gattung anstrebt, übereinzustimmen scheint.“
Freud, S. (1911). Psychoanalytische Bemerkungen über einen autobiographisch beschriebenen Fall von Paranoia (Dementia paranoides). In Jahrbuch für psychoanalytische und psychopathologische Forschungen III 1911 1.HälfteFreud, 1911, S. 65
Das schwache Ich bei Freud
„Das Ich ist doch nur ein Stück vom Es, ein durch die Nähe der gefahrdrohenden Außenwelt zweckmäßig verändertes Stück.“
Freud, S. (1933). Die Zerlegung der psychischen Persönlichkeit. In Neue Folge der Vorlesungen zur Einfüh- rung in die Psychoanalyse, S. 107
Ich-Psychologie nach Hartmann (1939)
„Wichtig und neu ist nun, daß Hartmann (1939) die Annahme empfiehlt, ‚daß sowohl der Triebvorgang als auch der Ich-Mechanismus auf eine gemeinsame Wurzel aus der Zeit vor der Ich-Es-Differenzierung zurückgehen‘.“
Deutschmann, M. (1979). Die Entwicklung des Trieb- und Ich-Begriffs im Freudianismus. In G. Ammon (Hrsg.), Handbuch der Dynamischen Psychiatrie, Band 1, S. 76
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