EGL028 Fermentieren
In dieser Episode geht um die Haltbarmachung von Lebensmitteln durch Gärung. Welche Methoden gibt es zur Konservierung von Lebensmitteln? Mit Blick auf die Rummelsburger Bucht sprechen Micz und Flo über Kimchi, sonnengetrocknete Tomaten, den Einsatz von Alkohol zur Konservierung von Lebensmitteln wie dem Rumtopf und vor allen Dingen dem Eisschrank, der in der Bucht mit der Gründung der Norddeutschen Eiswerke sein Futter fand. Der "Bimmel-Bolle" belieferte in den 1870ern Berliner Haushalte wie auch Kneipen und Brauereien mit dem begehrten Eis. Über diesen geschichtlichen Ausflug geht es dann ins Eingemachte: der Fermentation von Lebensmitteln. Fermentieren ist ein Prozess bei dem bewusst ein sauerstoffarmes Milieu geschaffen wird, in dem sich Milchsäurebakterien vermehren und das Fermentat zu einem schmackhaften und gesundem Verwesungsprodukt umwandeln. Flo hat einen Volkshochschulkurs absolviert und erzählt Micz von seinen Erkenntnissen. Jeder kann fermentieren, die Mittel zur Produktion sind sehr einfach und alles ist fermentierbar. Es muss einem nur schmecken. Wir kommen auch auf die jüngste Bibel der Fermentation zu sprechen, dem Buch "The Noma Guide of Fermentation", das von den Machern des weltbesten Restaurants in Kopenhagen herausgebracht wurde. Wir sprechen auch über die Magie des Lebendigen, welche diffizilen Verbindungen und Milieus an Mikrobenkulturen an verschiedenen Orten entstehen können und wie einzigartig diesezu sein scheinen. Am Schluss überrascht Flo Micz mit selbstgebackenen Dinkel-Teigtaschen, gefüllt mit selbstgemachtem Sauerkraut, Creme Fraiche, getrockneten Steinpilzen und Tomaten. Wir enden schließlich mit einem Ausblick auf zukünftige Folgen unter einer neuen Kategorie des Podcast: "Kochen, Backen, Essen".
Shownotes
- Laufroute
- EGL028 | Wanderung | Komoot
- Links zur Epsiode
- Rummelsburger See – Wikipedia
- Fermentation – Wikipedia
- \r\n\tDie Berliner Volkshochschulen - Kurssuche
- Gärung – Wikipedia
- Kimchi – Wikipedia
- Obst und Gemüse lagern, einkochen und haltbar machen | MDR.DE
- Trocknen - Lexikon der Ernährung
- Konservendose – Wikipedia
- GAG126: Für immer im Eis – die Franklin Expedition - Geschichten aus der Geschichte
- Eiswerk – Wikipedia
- Eisfabrik (Berlin-Mitte) – Wikipedia
- Carl Bolle (Unternehmer) – Wikipedia
- Eisschrank – Wikipedia
- https://de.wikipedia.org/wiki/Eisfischen
- Geoportal – Daten und Dienste - Berlin.de
- Luftbild+DOP
- Luftbild Rummelsburger Bucht
- Heizkraftwerk Klingenberg – Wikipedia
- Meerrettich – Wikipedia
- Old smokehouses served as meat smokers and as storage facilities
- Lebensmittelkonservierung – Wikipedia
- Maillard-Reaktion – Wikipedia
- Milchsäurebakterien – Wikipedia
- Acetobacteraceae – Wikipedia
- Liste von Bakterien in der Lebensmittelherstellung – Wikipedia
- Käseherstellung – Wikipedia
- Käseersatz – Wikipedia
- So funktioniert Fermentieren\n- Landesschau Rheinland-Pfalz - SWR Fernsehen
- Sauerkraut selber machen: Rezept in wenigen Schritten - Utopia.de\t
- GAG368: Wie das Jod ins Salz kam - Geschichten aus der Geschichte
- Noma (Restaurant) – Wikipedia
- René Redzepi, David Zilber: Foundations of Flavor: The Noma Guide to Fermentation (Buch) - bei Buchhandlung Moritzplatz GmbH
- Fermenting at Noma: old techniques in modern cuisine... with David Zilber! - YouTube
- Sauerteig – Wikipedia
- Netflix - Abstract mit Olafur Eliasson
- Whisky – Wikipedia
- Hygiene – Wikipedia
- Pirogge – Wikipedia
- Umami – Wikipedia
- Obstwein – Wikipedia
- Rezept für Tofu und Spinat in einer schwarzen Limetten Soße — Yasmoya
Transcript
Fermentation ist, isst, zischt
Laurie Mlodzik
Fermentation ist Verwandlung, ist Zeit, ist Luft, ist Aufmerksamkeit, ist Widerstand, ist wild. Fermentation isst und lässt uns essen. Fermentation lebt und lässt uns leben. Offiziell gesehen ist jede mikrobielle oder enzymatische Transformation organischer Stoffe eine Art Fermentation. Und wenn ich die lateinische Wurzel dieses Worts betrachte, fervere, verrät es uns einiges über den Prozess, nämlich kochen, sieden, aufwallen. Die Gärung ist seit Beginn in vielen Gesellschaften überall auf der Welt dokumentiert als ein Verfahren, Lebensmittel aufzubewahren, geschmacklich zu beeinflussen oder überhaupt genießbar zu machen, dokumentiert.
Und kein Wunder, denn eigentlich passiert es auch schon von allein. Trauben wachsen bedeckt mit deren eigenen Hefen an, das Wurzelgemüse ist in der Erde umgeben von den Mikroben, die es danach gären lassen, und wehender Weizen, ist auch schon von jenen Bakterien und Hefen umschwirrt, die das Brot aufgehen und das Bier sprudeln lassen. Fermentation und die Mikroben, die diese Arbeit betätigen sind dauerhaft um uns, auf uns und in uns, und ohne sie kämen wir nicht sehr weit. Sie kurbeln das Verwesen von biologischem Material an, sodass die nächste Generation von Pflanzen und Tieren davon Nahrung heranziehen können, sie helfen uns beim Verdauen und Aufnehmen von Nährstoffen in unserem Verdauungstrakt, und sie bringen auch manche Freude und wilde Zeiten in unser Leben in Form einer Vielfalt an Essen und vergorenen Getränken.
Bei jedem wilden Ferment, wild, weil die Gärung ohne Zusatz von spezifischen kommerziellen Hefen oder anderen Kulturen verläuft, ist ein komplexes Netzwerk von lebenden Mikroorganismen am Werk. Die Kunst des Vergärens besteht eben darin, die uns nützlichen Organismen gegen die schädlichen auszuspielen. Der Hauptunterschied zwischen Essen, welches einfach verrottet und dem, das für eine köstliche Fermentation verwendet wird, liegt hauptsächlich in der Aufmerksamkeit und Arbeit, die wir ihm schenken. Wir schaffen für die Mikroben, die wir unterstützen wollen, ein geeignetes Umfeld, sodass sie ihre Umgebung zu ihrem und unserem Vorteil nutzen und weiter verändern können. Sie wird saurer, alkoholisch, oder für andere Mikroorganismen giftig. Solange die Nützlinge genügend Nahrung haben, vor allem Stärke- oder Zuckermoleküle, arbeiten sie munter vor sich hin und blubbern Kohlendioxidbläschen. Zwar verbrauchen sie dabei einige Nährstoffe aus dem Ausgangsprodukt, hinterlassen uns aber im Gegenzug nicht nur andere Nährstoffe wie Vitamine und Mineralien, sondern auch neue Aromen, Texturen und Geschmacksnuancen.
Es gibt eine noch teils unentdeckte Vielfalt an verschieden Mikroben, die in unterschiedlicher Umgebung am besten ihre Arbeit betätigen und uns auch ganz andere Resultate bieten. Eines dieser sehr gängigen Prozesse ist die Laktofermentation oder Milchsäuregärung. Durch die Erschaffung einer sauerstoffarmen und vor allem salzigen Umgebung, können wir das Wachstum des erwünschten Bakterienstamms, der Lactobacilli, die unter anderem für Sauerkraut zuständig sind, begünstigen. Die Salzmenge in dem Ferment kann erheblich schwanken. Je mehr Salz wir nehmen, desto langsamer läuft die Fermentation an und desto saurer wird das Endresultat. Bei einem Übermaß an Salz kann allerdings kein Mikroorganismus überleben, es kommt zu keiner Fermentation. Allerdings brauchen verschiedene Lebensmittel auch unterschiedliche Mengen, um deren Eigenschaften entgegenzukommen und den Lactobacilli eine möglichst hohe Überlebenschance zu geben. Bei festem und Wurzelgemüse wie Kohl, Rüben, Randen, Bohnen, Rettich, Blumenkohl, Kartoffeln etc. sind 2-3% Salz je Gewicht gängig. Aber bei weicherem oder wässrigem Gemüse und Obst, zum Beispiel Spargeln, Gurken, Paprika, Chilis, Tomaten werden 3-5% empfohlen. Und für einige Gemüse wie zum Beispiel Oliven, die meistens erst durch die Fermentation genießbar werden, ist sogar bis 10% Salz der Norm.
Es geht um gesammelte Erfahrungen, manche durch Jahrtausende und es geht um Aufmerksamkeit. Wir lernen diese Mikroben kennen, deren Eigenarten und Vorlieben, die unsere Vorfahren schon kannten und können so zusammen Neues erschaffen. Dafür braucht es eine Offenheit, mit den Sinnen zu erfahren; deine Haut und das Kohlblatt als lebendige Oberfläche zu sehen, die eigenen Geschmackspräferenzen mit Nase, Zunge und Zähnen zu erforschen, und das Achten auf ein Glas voll Leben. Dieses Glas wird duften und blubbern und zischen, manchmal mehr und manchmal weniger, in warmen und dunkleren Räumen vielleicht mal mehr, bei gewissen Zutaten vielleicht mal weniger, alles hat einen Einfluss, und die Offenheit, auch mit Unerwartetem umzugehen, Zu warten, und auch zu scheitern, wird belohnt. Schließlich arbeiten wir hier mit Lebewesen auf anderen Lebens- und Zeitskalen zusammen und so viel wie wir voneinander lernen und profitieren können, bleiben wir einander auch fremd. Umso magischer sind dann die Momente, wo wir es schaffen, zusammen zu kommen und etwas Neues, Lebendiges, Wildes, Fermentiertes zusammen zu erschaffen.
Text aus einem Reader. Dieser Reader wurde für den Workshop alles-ist-ver-gär-bar gedruckt, der am 6. Oktober 2022 in Brewsters Till Ten Bar im Kunstverein Freiburg stattfand. Geleitet von Laurie Mlodzik mit Unterstützung vom Kunstverein Freiburg, dessen Kunsterlischen Beirat und der Praktikantin Kathrin Mohn.
Sauerkraut
Zutaten:
- 1000 g Weißkohl oder Rotkohl
- Salz (10-15g)
- getrocknete Gewürze (Kümmel, Wacholder-/Lorbeeren oder andere Kräuter) – optional
Zusätzlich:
- 1 Schüssel
- 1 Einmachglas oder eine Kraut-(Tsukemono-) Presse
- 1 Mandoline / Küchenhobel oder Messer und Schneidebrett
Zubereitung:
Den Kohl gut waschen. Die äußeren Blätter beiseite legen und ganz lassen, sie werden später zum beschweren verwendet. Den restlichen Kohl fein hobeln und mit dem Salz mind. 5 Minuten lang gut und stark kneten. Man kann auch einen Holzstampfer verwenden. Es muss so viel Wasser austreten, dass man später das Kraut im Einmachglas damit bedecken kann. Das geknetete Kraut dann in ein großes, sehr gut gesäubertes Einmachglas geben. Dabei immer nach und nach eine Handvoll einfüllen und fest andrücken bzw. mit dem Holzstampfer hinein stampfen, so dass keine Luft zwischendrin bleibt. Am Ende das Ganze ausgetretene Wasser zugießen und mit den äußeren ganzen Kohlblättern bedecken.
Dann mit einer Konstruktion so beschweren, dass der Kohl von seinem eigenen Saft bedeckt wird. Falls es nicht ausreichen sollte, ein klein wenig Salzlake (2%-ig) nachgießen. Das Gefäß mit einem Handtuch abdecken. Hat man eine Tsukemono Presse oder ein Einmachglas-System mit durchlässigem Gummideckel, braucht man nichts weiter abdecken.
Den Kohl nun so bei Raumtemperatur +/- 1 Woche stehen lassen. Luftbläschen und ein säuerlicher Geruch sind ein Indikator für die Fermentation. Ich teste meinen Sauerkraut ab ca. 5 Tagen täglich. Wenn das Kraut (je nach Geschmack) einen angenehmen und noch nicht zu intensiven Säuregrad erreicht hat, in Gläser füllen, bzw. den Gummideckel mit dem Lagerdeckel austauschne und im Kühlschrank lagern oder im kalten Keller. Dort ist es bis zu einem Jahr haltbar und verändert sich weiter durch den Reifungsprozess.
Dinkeltaschen gefüllt mit Sauerkraut, Creme Fraiche, getrocktene Tomaten und Pilzen
Zutaten:
- 6 Dinkelblätterteig Quadrate
- 1 Creme Fraiche
- 4-5 in Öl eingelegte getrocknete Tomaten
- 7 getrocknete Steinpilze
- selbstgemachtes Sauerkraut
Zubereitung:
Pilze in gekochtem Wasser 10min einweichen, kleinschneiden. Tomaten kleinschneiden und alles zusammen mit Sauerkraut und Creme Fraiche vermischen. Blätterteig-Quadrate auf Backbleich auslegen, Mischung verteilen und zu Taschen falten. Ränder mit Daumen zusammendrücken ggf. befeuchten. Dreiecke mit etwas Öl und/oder Pflanzenmilch bestreichen, bei 200° Ober / Unterhitze backen, nach 12min wenden, nochmals bestreichen und weiter backen, bis der gewünschte Bräunungsgrad erreicht ist.
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