EGL029 Gestalttherapie Teil 2: Phänomenologie, Emotionsfokussierte Therapie, Techniken
Auf der Reise von Schöneberg nach Kreuzberg beschäftigen wir uns mit der Gestalttherapie und beginnen mit Ergänzungen aus der letzten Episode zum Thema. Zunächst erläutern wir den Unterschied zwischen den Kontaktfunktionen Deflektion und Egotismus. Deflektion bezeichnet den Versuch, unangenehme Erfahrungen zu vermeiden oder abzulenken, während Egotismus eine selbstbezogene Haltung ist, bei der der Fokus auf den eigenen Bedürfnissen liegt und Interaktion mit anderen vernachlässigt. Wir lassen die Phänomenologie erscheinen, die Unterscheidung zwischen Husserls transzendentaler Phänomenologie und Schmitz' leibphänomenologischer Perspektive. Auch spazieren wir durch die emotionsfokussierter Psychotherapie mit ihren primären und sekundären Emotionen, die von Leslie Greenberg entwickelt wurde. Primäre Emotionen sind grundlegende und unmittelbare Reaktionen auf bestimmte Situationen oder Ereignisse, während sekundäre Emotionen als Reaktionen auf primäre Emotionen entstehen und weniger direkt mit den Bedürfnissen einer Person verbunden sind. Schließlich gelangen wir nach Kreuzberg und zum *eigentlichen* Gegenstand der Episode: den Techniken der gestalttherapeutischen Arbeit. In der Gestalttherapie liegt der Fokus jedoch weniger auf spezifischen Techniken, sondern vielmehr auf dem Prozess der Selbsterforschung, des Gewahrseins und des unmittelbaren Erlebens der Klient:innen. Techniken dienen als Mittel zur Unterstützung dieser Ziele und können je nach Therapeut und Situation variieren. Auf unserer Website ein Zitat des Gründers Fritz Perls, wie er gegen Techniken wettert.
Shownotes
- Der Stuhl-Dialog in der psychodynamischen Therapie
- Laura (bzw. Lore) Perls, geboren in Pforzheim
- Fritz Perls
- Paul Goodman
- Ralph F. Hefferline: Der unbekannte Gestalttherapeut
- The Paul Goodman Reader at the Internet Archive
- Fritz Perls: Was ist Gestalttherapie? Ein fast vergessenes Interview
- Nationaldenkmal für die Befreiungskriege von Karl Friedrich Schinkel im Viktoriapark
- Osteria No 1
- 5-Why-Methode
- Agile Softwareentwicklung
Transcript
Unsere Tour führt uns von Schöneberg über die Monumentenbrücke nach Kreuzberg. Diese Episode über die Praxis und Techniken der Gestalttherapie hat eine ähnliche Zweiteilung. So werden erst in Kreuzberg die praxisnahen Techniken vorgestellt. Die erste Hälfte der Tour durch Schöneberg verwendet Micz darauf ein paar Korrekturen zur letzten Episode über Gestalttherapie nachzureichen. Er beginnt mit einer Unterscheidung der beiden Kontaktfunktionen Deflektion und Egotismus, die in der letzten Folge nicht angemessen erklärt wurden. Obwohl diese in der Literatur manchmal als ähnlich oder sogar deckungsgleich geführt werden, besteht ein deutlicher Unterschied darin, dass Deflektion den Versuch darstellt, unangenehme Erfahrungen zu vermeiden oder abzulenken, während Egotismus eine selbstbezogene Haltung ist, die den Fokus auf die eigenen Bedürfnisse und Gefühle legt und die Interaktion mit anderen vernachlässigt. Um die zweite Korrektur verständlich zu machen, schiebt er eine sehr vereinfachte Einleitung in die Phänomenologie und die Neue Phänomenologie dazwischen. Husserls Phänomenologie ist eine transzendentale Phänomenologie, während Schmitz‘ Neue Phänomenologie eine leibphänomenologische Perspektive vertritt. Husserl konzentriert sich auf die Untersuchung der transzendentalen Strukturen des Bewusstseins und der Erfahrung, während Schmitz die Bedeutung des leiblichen Erlebens und der leiblichen Existenz betont.
Im Rahmen der Praxis sprechen wir auch über die primären und sekundären Emotionen in der emotionsfokussierten Psychotherapie (EFT), die von Leslie Greenberg entwickelt wurde und in der emotionale Erfahrungen und deren Verarbeitung in den Mittelpunkt der therapeutischen Arbeit stehen. Nicht selten lässt sich zeigen, dass Emotionen andere Emotionen überdecken. Dies ist in der Unterscheidung der primären und sekundären Emotionen festgehalten. Während primäre Emotionen grundlegende und unmittelbare emotionale Reaktionen auf bestimmte Situationen oder Ereignisse sind, sind sekundäre Emotionen eine Reaktionen auf primäre Emotionen und deshalb weniger direkt mit den tatsächlichen Bedürfnissen einer Person verbunden. Sekundäre Emotionen sind oft komplexer und nicht selten sozial erwünschter.
Techniken in der Gestalttherapie
Gestalttherapie-Techniken — wie die dialogische Arbeit mit Stühlen — sind weithin bekannt. Gleichzeitig liest man immer wieder, dass in der Gestalttherapie der Fokus weniger auf spezifischen Techniken liegt. So sagte der Mitbegründer Fritz Perls:
„Ich akzeptiere niemanden als kompetenten Gestalttherapeuten, solange er noch ›Techniken‹ benützt. Wenn er seinen eigenen Stil nicht gefunden hat, wenn er sich selbst nicht ins Spiel bringen kann und den Modus (oder die Technik), die die Situation verlangt, nicht der Eingebung des Augenblicks folgend erfindet, ist er kein Gestalttherapeut.“
Dieses vermeintliche Paradox löst sich (fast) in Wohlgefallen auf, wenn wir zwischen die Techniken und die Theorie der Gestalttherapie mittelbare Ziele schieben. Es geht nicht um Techniken, sondern vielmehr umden Prozess der Selbsterforschung, Förderung von Gewahrsein und das unmittelbare Erleben der Klient:innen. Über einzelne Techniken wird in der Gestaltliteratur viel geschrieben. Manche meinen sogar, dass die Schematherapie die Stuhlarbeit der Gestalttherapie geklaut habe!
Diese Techniken sind jedoch immer nur Mittel zum oben formulierten Zweck und nie in einem vorgegebenen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang. Auch variieren die Techniken je nach Therapeut:in und Situation. Andersherum ist die gleiche Anleitung nie die gleiche, wenn man Therapeut:innen vergleichen würde. In der Gestalttherapie steht immer die Förderung von Bewusstheit, Verantwortung und Selbstausdruck im Vordergrund. Wir reflektieren einige Techniken wie Verlangsamung (oder Beschleunigung), Intensivierung, Veränderung des Settings, Körperübungen und die Rolle der Emotionen am Beispiel der emotionsfokussierten Psychotherapie, die weiter oben erklärt wurde.
Angeleitete Atemübung
Die angeleitete Atemübung, die helfen kann sich bei einer beginnenden Panikattacke wieder mit dem Körper zu verbinden wurde von Flo freigegeben und wir haben sie hier online bereitgestellt.
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