EGL034 Schneewittchen: vom Narzissmus bis zur Selfie-Culture

"Spieglein, Spieglein an der Wand..."

Wir begeben uns mal wieder in die Welt der Märchen. Flo hat das Märchen Sneewittchen der 1. Fassung von 1812 aus dem KHM (Kinder- und Hausmärchen) der Gebrüder Grimm mitgebracht. Flo hat das Märchen vorher eingesprochen, weil im Laufen Vorlesen nicht zu seinen Kernkompetenzen gehört. Wir hören uns das an, während wir über den samstäglichen Kreativ- und Fressmarkt am Maybachufer spazieren. Unsere Route führt uns am Kanal am Weigandufer entlang zur Neuköllner Kolonie "Freiheit". Wir sprechen über die Unterschiede von der 1. und letzten Fassung von Schneewittchen (KHM 6. Auflage 1850). Micz hat da einiges vorbereitet, was aus einem psychoanalytischen Blickwinkel sehr spannend ist. Wir kommen auch auf die narzisstische Persönlichkeit der Mutter / Stiefmutter zu sprechen und steigen tiefer in eine Narzissmus-Betrachtung ein. Flo hebt die Kulturgeschichte des Spiegels hervor und die astronomischen Aspekte des Märchens Schneewittchen. Die sieben Zwerge stellen mit Schneewittchen eine kosmologische Ordnung dar, wie die Planeten mit der Erde auf der Eklipse um die Sonne wandern. Eine böse Entität stört diese Raum- und Zeiteinheit, das muss wiederhergestellt werden. Wir steigen auch kurz in die Welt der Farben in diesem Märchen ab, die Farben Weiß, Rot, Schwarz machen die komplette dramatische Erzählung aus, wobei Weiß für die Unschuld, das Reine, das Gute steht und Schwarz für das Böse und Vergängliche. Rot verbindet die Anziehung, den Aufbruch, das (sexuell) Attraktive, die Leidenschaft und das Leben, was eben diese Ordnung von Schwarz und Weiß stören kann. Letztlich kommen wir auf gesellschaftlich erwartete Rolle der Frau zu sprechen, die Schneewittchen einnehmen muss, um von den Zwergen und dem Prinzen akzeptiert zu werden. Sie muss vor allen Dingen schön sein und haushälterische Tätigkeiten übernehmen. Selbst wenn sie vom Apfel beißt und in einem todesähnlichen Zustand verharrt, ist sie so schön, dass der Prinz sie überall hin mitträgt wie eine Instakachel im Smartphone. Flo spricht noch über die Geschichte der Fotografie und Selfie-Culture. Am Ende sind sich Flo und Micz einig, dass das Märchen Schneewittchen unglaublich viele Interpretationsansätze bietet und in der Komplexität und Ambivalenz einen sehr verdienten Platz in der Popkultur gefunden hat.

Shownotes

Mitwirkende

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Florian Clauß
Erzähler
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Micz Flor

Transcript

Florian Clauß
0:00:00–0:00:01
Machst du denn die Einleitung?
Micz Flor
0:00:01–0:00:07
Natürlich.
Florian Clauß
0:00:07–0:00:08
Ich bin Flo.
Micz Flor
0:00:08–0:00:12
Du bist Flo, ich bin Mitch. Du bist heute dran mit dem Thema.
0:00:13–0:00:15
Ich weiß auch schon, was es ist, das hast du mir vorher verraten.
0:00:15–0:00:16
Ich freue mich sehr drauf.
Florian Clauß
0:00:18–0:00:20
Sprichst du schon in echt ein?
Micz Flor
0:00:21–0:00:26
Ja, so bin ich. Ganz zart. Zart. Nee, so bist du normalerweise nicht.
0:00:26–0:00:30
Du musst doch erst mal die Zuhörerinnen und Zuhörer auch begrüßen.
0:00:31–0:00:34
Hallo, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
0:00:35–0:00:41
Mein Name ist Mitch und neben mir läuft Flo, der heute ein Thema vorbereitet
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hat, was ich auch schon kenne.
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Und wo ich mich auch sehr drauf freue. Bin mal gespannt. Also ich weiß,
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was es ist. Ich kann mir vorstellen, wie es läuft.
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Ich noch nicht genau womit Flo dann so um die Ecke kommt.
0:00:53–0:00:55
Das ist ja wie immer wahrscheinlich sehr gut vorbereitet.
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Wir sind jetzt auch wieder an einem schönen sonnigen Tag. Das Wetter ist ja
0:01:02–0:01:04
mal so mal so aktuell unterwegs.
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Und was ist denn unsere Tour heute?
Florian Clauß
0:01:09–0:01:15
Ja, also ich dachte wir knüpfen an an unseren Entstehungsmythos die Corona Walks.
0:01:15–0:01:24
Wir haben uns ja hier in Kreuzberg dann getroffen und sind runter Richtung Neukölln den Kanal entlang.
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Also wir werden erst den Landwehrkanal und ich weiß nicht wie der Kanal dann
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heißt. Der geht dann ab vom Landwehrkanal an diesem Dreiländereck.
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Berg Neukölln zusammentreffen und mal gucken, wie weit es uns treibt.
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Dann werden wir Richtung, ja wahrscheinlich bis zur Sonnenallee,
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parallel zur Kiefholzstraße, so ein bisschen eine Kleingartensiedlung erkunden.
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Die kenne ich noch nicht, aber wir streifen natürlich auch unsere vorherigen
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Podcastaufnahmen in Kanto. Werden wir an einem Punkt quasi mitnehmen.
Micz Flor
0:02:01–0:02:09
Deine Folge, eine der frühen folgen und ja wir haben jetzt eigentlich podcast
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episode 34 und für die die sich wundern warum wir so eine tour beschreiben wir
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sind bei eigentlich minus podcast.de,
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auch im netz auffindbar vielleicht ist jemand zum ersten mal dabei und kennt
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die geschichte noch nicht Wir haben unseren Slogan, der ist Laufen beim Reden und laufend reden.
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Wir sind einfach unterwegs und lassen unseren Gedanken freien Lauf,
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haben aber immer ein Thema.
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Einer bereitet das immer ein bisschen vor und die ganzen Tracks werden als GPS
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auch dann auf eigentlich-podcast.de online bereitgestellt.
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Also wer Lust hat, kann sich das dann quasi Sogar eigentlich umschnallen,
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mitlaufen, zuhören, so als ob wir nebenher laufen.
Florian Clauß
0:02:56–0:02:59
Ja, irgendwann machen wir mal so eine öffentliche Eigentlichtour.
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Da kriegt jeder so ein kleines Mikrofon, äh, kleines Headset mit Funkverbindung
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und dann laufen wir vorweg.
0:03:06–0:03:11
Und hinter uns die Traube an Menschen und an Zuhörerinnen und Zuhörer,
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die dann von uns quasi auf den Spaziergang ein bisschen bespielt wird. Naja, vielleicht.
Micz Flor
0:03:19–0:03:21
Zukunftsmusik.
Florian Clauß
0:03:21–0:03:26
So was möchte ich gerne machen. Jetzt kommen wir hier unter dem Haus, direkt am Kottchen.
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Und hier geht ein Durchgang. Wir gehen jetzt hier dahinten durch,
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da gibt es so diesen Spielplatz. Kennst du den, Mitch?
Micz Flor
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Ja, ja, hier die Gegend kenne ich sehr gut. Wir sind jetzt an der Bücherei.
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Dahinter ist der Spielplatz in diesem großen Gebäude.
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Und ich glaube, ich habe das schon mal gesagt, es gibt einen Dokumentarfilm,
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der lief hier auch in Berlin in
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ein paar Kinos über die Entstehung von diesem UFO-ähnlichen Wohnrondell,
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was da am Kotti gelandet ist.
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Und den könnten wir vielleicht auch mal, wir sind ja eigentlich ein Film-Hotcast,
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den könnten wir vielleicht uns mal angucken und besprechen.
Florian Clauß
0:04:05–0:04:10
Ja, eigentlich Film-Hotcast. Wir kommen jetzt auch hier gleich in der Unterführung. Ups!
Micz Flor
0:04:12–0:04:13
Das ist der Spielplatz.
Florian Clauß
0:04:15–0:04:21
Kommen wir auch an ein Imbiss vorbei, wo eine Schlüsselszene von Herr Lehmann
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gespielt hat. Das ist doch hier.
Micz Flor
0:04:23–0:04:26
Ja, das ist der genau. Aber der ist inzwischen, ich weiß nicht,
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ob er einen Besitzer gewechselt hat, aber auf jeden Fall hat er sich total umgebaut.
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Gerade neulich bin ich da vorbei und da wurde der Boden neu gemacht.
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Der heißt auch, glaube ich, wirklich inzwischen anders und ist komplett ausgetauscht.
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Aber der war noch ziemlich lange nach dem Film in genau dem Zustand.
Florian Clauß
0:04:42–0:04:48
Wir gehen jetzt die Reichenberger Straße lang und ich habe tatsächlich auch
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heute habe ich was vorbereitet.
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Ja, ich habe was vorbereitet, da können wir nochmal reinholen.
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Ich habe ein Märchen mitgebracht und ein Märchen,
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das ist glaube ich so eines der Märchen ist, was am meisten so rezipiert wurde,
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was viel Popkultur ausgelöst hat. Es ist Schneewittchen.
Micz Flor
0:05:10–0:05:13
Schneewittchen, wie ich weiß. Ja, das weißt du. Und jetzt machen wir uns das alle gemeinsam an.
Florian Clauß
0:05:14–0:05:17
Und ja, gleich, ich wollte nur noch das nochmal so einordnen,
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weil wir kennen aus anderen Folgen von eigentlich...
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Diese Kategorisierung. Natürlich ist es auch ein Märchen,
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was die Gebrüder Grimm dann in ihrem sehr berühmten Buch Kinder und Hausmärchen der Gebrüder Grimm,
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das abgekürzt KHM heißt, also Kinderhausmärchen, das hat da in diesem Kontext
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den Index, muss ich mal gucken, 53 Schnellwittchen.
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Und wir kennen noch einen anderen Index. Das ist der sogenannte Kategorien-Dings da, ne?
Micz Flor
0:05:57–0:06:00
Also welche Art von Märchen ist das?
Florian Clauß
0:06:00–0:06:02
Genau, also wie es eingeordnet wird, das ist der Arne-Thomson-Uther-Index.
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Der setzt sich halt aus den Sprachforscher, die quasi Arne-Thomson und Uther,
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jeweils drei verschiedene, die haben diesen Index aufgebaut.
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Und was der zum Ziel hatte, ist eben dann so eine europäische Vergleichbarkeit herzustellen.
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Und die Brüder Grimm haben das eben, ihre Version, so verdichtet in diesem einen Buch.
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Und das ist eigentlich so ein unglaublich populäres Buch geworden.
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Also es hat sich verbreitet.
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Die Märchen waren ja vorher so ein bisschen lose, irgendwo in den jeweiligen Erzählkulturen.
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Und ja, da kam ein Geburt der Grimm, haben das eben zusammengesammelt,
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kategorisiert, haben dann auch einen wissenschaftlichen Ansatz entwickelt und
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haben halt dieses Buch rausgebracht, was dann zur Folge hatte,
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dass diese Märchen unglaublich verbreitet wurden.
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Weil eben zur Zeit des Buchdrucks...
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Das war sehr beliebt und das heißt, die Märchen wurden da so bekannt.
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Ja, das ist nochmal so kurz zur Einordnung.
Micz Flor
0:07:03–0:07:07
Das war wahrscheinlich dann so wie das Streaming-Service, das jetzt für Filme
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machen, war dann damals eben das gedruckte Buch für Märchen.
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Man konnte die halt irgendwie kaufen, verschenken und hatte die dann quasi zu
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Hause, hat die aufgeschlagen und hat dann damals noch gelesen, was man heute guckt.
Florian Clauß
0:07:20–0:07:24
Genau, also genau, das wollte ich nochmal so in dem Kontext der Mediengeschichte
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nochmal so ein bisschen platzieren.
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Ich möchte auch noch mal der ATU-Index von dem Märchen Schneewittchen ist 709
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und es gibt diese sieben,
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also die hunderte Nummer klassifiziert das auch so ein bisschen und die 700
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bis 749 steht quasi im ATU für andere übernatürliche Geschehnisse.
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Jetzt wollte ich noch mal die Nachbarn von Schneewittchen vorlesen, was da auftaucht.
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Das ist zum Beispiel ATU 706, das Mädchen ohne Hände, dann die keusche Nonne,
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der Vater, der seine Tochter heiraten wollte. 707 ist die drei goldenen Kinder,
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das Wunderkind und 709 dann schließlich Schneewittchen.
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Und 709a ist die Schwester von neun Brüdern.
Micz Flor
0:08:20–0:08:24
Okay, das ist interessant, weil man denkt, man kennt halt die Gebrüder Grimm,
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aber ich kenne halt wirklich nur die Sachen, die dann auch in irgendwelchen
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öffentlich-rechtlichen Produktionen rauf und runter kommen.
Florian Clauß
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Ja, man hat das natürlich schon so ein bisschen aggregiert und ich möchte nicht die offizielle,
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Die letzte Ausgabe von dem KM kam 1853 raus, das war die siebte Auflage und
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ich möchte aber jetzt die Version von Schneewittchen.
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Dann nicht Schmittchen, sondern Sneewittchen. Also das wird nicht ausgesprochen.
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Snee ist die niederdeutsche Bezeichnung von Schnee in der ersten Fassung,
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also im ersten KHM-Buch von 1812, die ihr mitbringt.
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Und dafür, weil ich jetzt, da sie im Laufen vorlesen ist nicht so meine Kernkompetenz
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habe ich das wieder eingesprochen und das hören wir uns jetzt erst mal an. Ja, Mitch?
Micz Flor
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Ich freue mich drauf. Schneewittchen, Schneeweißchen.
Florian Clauß
0:09:29–0:09:37
In der ersten Auflage von 1812 von den Gebrüdern Grimm.
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Es war einmal mitten im Winter und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel.
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Da saß eine schönige Königin an einem Fenster. Das hatte einen Rahmen von schwarzem Ebenholz und nähte.
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Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der
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Nadel in den Finger und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee.
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Und weil das Rote in dem Weißen so schön aussah, so dachte sie,
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hätte ich doch ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie dieser Rahmen.
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Und bald darauf bekam sie ein kleines Töchterlein, so weiß wie der Schnee,
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so rot wie das Blut und so so schwarz wie Ebenholz, und darum ward es Sneewittchen genannt.
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Die Königin war die schönste im ganzen Land und gar stolz auf ihre Schönheit.
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Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle Morgen und fragte,
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»Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«
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Da sprach das Spieglein allzeit, »Ihr, Frau Königin, seid die schönste Frau im Land.«.
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Und da wusste sie gewiss, dass niemand schöner war auf der Welt.
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Aber wuchs heran, und als es sieben Jahre alt war, war es so schön,
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dass es selbst die Königin an Schönheit übertraf, und als diese ihren Spiegel
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fragte, »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«,
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sagte der Spiegel, »Frau Königin, ihr seid die Schönste hier,
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aber Schneewittchen ist noch tausendmal schöner als ihr.« Wie die Königin den
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Spiegel so sprechen hörte, war sie blass vor Neid, und von Stund an hasste sie das Schneewittchen.
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Und wenn sie es ansah und gedacht, dass durch seine Schuld sie nicht mehr die
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Schönste auf der Welt sei, kehrte sich das Herz herum.
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Da ließ ihr der Neid keine Ruhe, und sie rief einen Jäger und sagte zu ihm,
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Führ das Schneewittchen hinaus in den Wald, an einen weit abgelegenen Ort,
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da sticht's tot, und zum Wahrzeichen bring mir seine Lunge und seine Leber mit,
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die will ich mit Salz kochen und essen.
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Der Jäger Er nahm das Snewittchen und führte es hinaus. Wie er aber den Hirschfänger
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gezogen hatte und ihm zustechen wollte, da fing es an zu weinen und bat so sehr
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er mögt ihm sein Leben lassen, es wollte nimmermehr zurückkommen,
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sondern in den Wald fortlaufen.
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Den Jäger erbarmte es, weil es so schön war, und gedachte, die wilden Tiere
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werden es doch bald gefressen haben.
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Ich bin froh, dass ich es nicht zu töten brauche.
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Und weil gerade ein junger Frischling gelaufen kam, stach er den nieder,
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nahm Lunge und Leber heraus und brachte es als Wahrzeichen der Königin mit.
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Die kochte sie mit Salz und aß sie auf und meinte, sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen.
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Schneewittchen aber war in dem großen Wald mutterselig allein,
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sodass ihm recht Angst war und es fing an zu laufen und zu laufen über die spitzen
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Steine und durch die Dornen den ganzen Tag.
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Endlich, als die Sonne untergehen wollte, kam es zu einem kleinen Häuschen.
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Das Häuschen gehörte sieben Zwerge, die waren aber nicht zu Hause,
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sondern in das Werkwerk gegangen.
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Schneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich.
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Da stand ein Tischlein mit sieben kleinen Tellern, dabei sieben Löffelein,
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sieben Messerlein und Gäbelein, sieben Becherlein und an der Wand standen sieben
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Bettlein nebeneinander.
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Frischgedeckt. Sneewittchen war so hungrig und durstig, aß von jedem Teller
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ein wenig Gemüse und Brot, trank aus dem Gläschen einen Tropfen Wein und weil
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es so müde war, wollte es sich schlafen legen.
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Da probierte sie die sieben Bettlein nacheinander aus, keins war ihm aber recht,
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bis auf das siebte, denn das legte sich hinein und schlief ein.
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Wie es Nacht war, kamen die sieben Zwerge von ihrer Arbeit heim und steckten
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ihre sieben Lichtlein an. Da sahen sie, dass jemand in ihrem Haus gewesen war.
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Der erste sprach, wer hat auf mein Stühlchen gesessen?
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Der zweite, wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Der dritte,
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wer hat von meinem Brötchen genommen?
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Der vierte, wer hat von meinem Gemüsechen gegessen? Und der fünfte,
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wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen. Der sechste.
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Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten? Der siebende. Der hat aus meinem Dächerlein getrunken.
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Danach sah er sich herum und sagte, Wer hat in mein Bettchen getreten?
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Der zweite, Ei, in mein Bettchen hat auch jemand gelegen.
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Und so alle weiter bis zum siebten. Wie der nach seinem Bettchen sah,
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da fand er das Sneewittchen darin liegen und schlafen.
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Da kamen die Zwerge alle gelaufen und schrien vor Verwunderung und holten ihre
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sieben Lichtlein herbei und betrachteten das Sneewittchen.
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Ei, du mein Gott, ei, du mein Gott, riefen sie, was ist das schön?
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Sie hatten große Freude an ihm, weckten es aber nicht auf und ließen es in dem
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Bettlein liegen. Der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen,
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bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum.
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Als nun Sneewittchen aufwachte, fragten sie es, wer es sei und wie es in ihr Haus gekommen wäre.
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Da erzählte es ihm, wie seine Mutter es habe umbringen wollen,
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der Jäger ihm aber das Leben geschenkt, und wie es den ganzen Tag gelaufen und
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endlich zu diesem Häuslein gekommen sei.
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Da hatten die Zwerge Mitleiden und sagten, wenn du unseren Haushalt versehen
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und kochen, nähen, betten, waschen, stricken willst, auch alles ordentlich und
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reinig halten, sollst du bei uns bleiben und es soll dir nichts fehlen.
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Abends kommen wir nach Hause und da muss das Essen fertig sein.
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Am Tage aber sind wir im Bergwerk und graben Gold, da bist du für dich alleine.
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Hüt' dich vor der Königin und lass' niemanden herein.
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Die Königin aber glaubte, sie sei wieder die Allerschönste im Land,
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trat morgens vor den Spiegel und fragte, »Spieglein, Spieglein an der Wand,
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wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«,
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Da antwortete der Spiegel aber wieder, »Frau Königin, ihr seid die Schönste
0:15:19–0:15:23
hier, aber Snewittchen über den Sieben Bergen ist noch tausendmal schöner als ihr.«
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Wie die Königin das hörte, erschrak sie und sah wohl, dass sie betrogen wurde
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und der Jäger Snevitzing nicht getötet hatte.
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Weil aber niemand als die sieben Zwerglein in den sieben Bergen war,
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da wusste sie gleich, dass es sich zu diesen gerettet hatte,
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und nun sahen sie von Neulen nach, wie sie es umbringen könnte,
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denn solange der Spiegel nicht sagte, dass sie wäre die schönste Frau im ganzen
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Land, hatte sie keine Ruhe.
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Da war ihr alles nicht sicher und gewiss genug, und sie verkleidete sich selber
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als alte Krämerin, färbte ihr Gesicht, dass auch kein Mensch sie erkannte,
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und ging hinaus vor das Zwergenhaus.
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Sie klopfte an die Tür und rief, »Macht auf, macht auf, ich bin eine alte Krämerin,
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die gute Ware feil hat.« Snewittchen guckte aus dem Fenster, »Was habt ihr denn?«,
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»Schnürriem, liebes Kind«, sagte die Alte und holte einen hervor,
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der noch von gelber und roter und blauer Seide geflochten war.
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»Willst du den haben?« »Aja«, sprach Snewittchen und dachte,
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die gute alte Frau kann mich wohl hineinlassen.
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»Die meint's redlich«, regelte also die Türe auf und handelte sich den Schnürriem.
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Aber wie bist du schlampig geschnürt, sagte die Alte, komm, ich will dich einmal besser schnüren.
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Schneewittchen stellte sich vor ihr, da nahm sie den Schnürriemen und schnürte
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und schnürte so fest, dass ihm der Atem verging und es für tot hinfiel.
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Danach war sie zufrieden und ging fort. Bald darauf war es Nacht,
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und da kamen die sieben Zwerge nach Haus, die erschraken recht,
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als sie ihr liebe Schneewittchen auf der Erde liegen fanden, als wäre es tot.
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Sie hoben es in die Höhe, da sahen sie, dass es so fest geschnürt war,
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schnitten den Schnürringen in zwei, da atmete es erst und dann war das wieder lebendig.
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Das ist niemand gewesen, als die Königin, sprachen sie, die hat dir das Leben
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nehmen wollen, hüte dich und lass kein Menschen herein.
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Die Königin aber fragte den Spiegel.
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Spiegel, Spiegel, an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?
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Der Spiegel antwortete, Frau Königin, ihr seid die schönste,
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aber Schneewittchen bei den sieben Zwergchen ist tausendmal schöner als ihr.
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Sie erschrak, dass ihr Blut, dass das Blut ihr all zum Herz lief,
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da sie sah, dass Schneewittchen wiederlebendig geworden war.
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Danach sahen sie den ganzen Tag und die Nacht, wie sie es doch noch fangen wollte
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und machte einen giftigen Kamm, verkleidete sich in eine andere Gestalt und ging wieder hinaus.
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Sie klopfte an die Tür, das Schnewittchen aber rief, ich darf niemanden hier
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reinlassen. Da zog sie den Kamm hervor und als das Schnewittchen den Blinken
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sah und es auch jemand ganz Fremdes war, so machte es doch auf und kaufte den Kamm ab.
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Komm, ich will dich auch damit kennen, sagte die Krämerin, aber kaum starkt
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der Kamm dem Schneewittchen in den Haaren, da fiel es nieder und war tot.
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Nun wirst du liegenbleiben, sagte die Königin, und ihr Herz war leicht geworden und sie ging heim.
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Die Zwerge aber kamen zur rechten Zeit, sahen, dass was geschehen und zogen
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den giftigen Kamm aus den Haaren und da schlug Schneewittchen die Augen auf
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und es war wieder lebendig und versprach den Zwergen, es wolle gewiss niemanden mehr hereinlassen.
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Die Königin aber stellte sich vor den Spiegel, Spieglein, Spieglein an der Wand,
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wer ist die schönste Frau im ganzen Land. Der Spiegel antwortete,
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Frau Königin, ihr seid die schönste hier aber Snewittchen bei den sieben Zwergchen
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ist tausendmal schöner als ihr.
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Wie das die Königin hörte, zitterte sie und bebte sie vor Zorn.
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So soll das Newidtchen noch sterben, wenn und wenn es mein Leben kostet.
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Dann ging sie in ihre heimlichste Stube, und niemand durfte vor sie kommen,
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und da machte sie einen giftigen, giftigen Apfel, äußerlich war er schön und
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rotbäckig, und jeder, der ihn sah, bekam Lust dazu.
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Darauf verkleidete sie sich nun als Bauersfrau, ging vor das Werkhaus und klopfte an.
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Siewittchen guckte und sagte, ich darf keinen Menschen einlassen,
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die Zwerge haben mir das beim Leibe verboten.
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Nun, wenn ihr nicht wollt, sagt die Bäuerin, kann ich euch nicht zwingen,
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meine Äpfel will ich auch schon loswerden, da einen will ich euch zur Probe schenken.
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Nein, ich darf auch nichts geschenkt nehmen, die Zwerge wollen es nicht haben.
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Ihr mögt euch wohl fürchten, da will ich den Apfel in zwei schneiden und die
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Hälfte essen, da den schönen roten Backen sollt ihr haben.
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Der Apfel war aber so künstlich gemacht, dass nur die rote Hälfte vergiftet war.
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Da saß Schneewittchen, das die Bäuerin selbst davon aß, und seine Gelüste danach ward immer größer.
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Da ließ es sich endlich die andere Hälfte durchs Fenster reichen und bis hinein.
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Kaum aber hatte sie ein bisschen den Mund, so fiel es tot zur Erde.
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Die Königin aber freute sich, ging nach Haus und fragte den Spiegel.
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»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«
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Da antwortete er, Ihr, Frau Königin, seid die schönste Frau im Land.
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Nun habe ich Ruhe, sprach sie, da ich wieder die schönste im Land bin und Sneewittchen
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wird diesmal wohltot bleiben.
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Die Zwerglein kamen abends aus den Bergwerken nach Haus, da lag das Newittchen
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auf dem Boden und war tot. Sie schnürten es auf und sahen, dass sie nichts Giftiges
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in den Haaren fänden, es half auch nichts, sie konnten es nicht wieder lebendig machen.
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Sie legten es auf eine Bahre, setzten sich alle sieben da ran,
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weinten und weinten drei Tage lang, dann wollten sie es begraben.
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Da sahen sie aber, dass es noch frisch und gar nicht wie ein Toter aussah und
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dass es auch seine schönen roten Backen noch hatte.
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Da ließen sie ein Sarg von Glas machen, legten es hinein, dass man es recht
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sehen konnte, schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf und seine
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Abstammung, und einer blieb jeden Tag zu Hause und bewachte es.
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So lag es ein Wittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und verweste nicht,
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war noch so weiß wie als Schnee, so rot als Blut, und wenn es die Äuglein hätte
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auftun können, wären sie so schwarz wie eben Holz, denn es lag, als wenn es das schlief.
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Einmal kam ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und wollte darin übernachten,
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und wie er in die Stube kam und Snewittchen in dem Glassack liegen sah,
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auf das die siebten Lichtlein so recht ihren Schein warfen, konnte er sich nicht
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satt sehen an seiner Schönheit und und las die goldene Inschrift und sah,
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dass es eine Königstochter war.
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Da bat er die Zwerglein, sie sollten ihm den Sarg mit den toten Snidwittchen
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verkaufen, die aber wollten um alles Gold nicht.
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Da bat er sie, sie mögten es ihm schenken, er könne nicht leben, ohne es zu sehen.
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Und er wolle es so hoch halten und ehren, wie sein Liebstes auf der Welt.
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Da waren die Zwerglein mitleidig und gaben ihm den Sarg. Der Prinz aber ließ
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ihn in seinem Schloss tragen und ließ ihn in die Stube setzen.
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Er selber saß den ganzen Tag dabei und konnte die Augen nicht abwenden.
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Und wenn er ausmusste und konnte Schneewittchen nicht sehen,
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war der traurig. Und er konnte auch kein Bissen essen, wenn der Sarg nicht neben ihm stand.
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Die Diener aber, die beständig den Sarg herumtragen mussten,
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waren bös darüber, und Eidam machte einmal den Sarg auf, hob Snewittchen in
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die Höhe und sagte, »Um so ein totes Mädchen willen, werden wir den ganzen Tag
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geplagt«, und gab ihm mit der Hand einen Stumpf in den Rücken.
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Da fuhr ihm der garstige Apfelkruz, den es abgebissen hatte,
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aus dem Hals, und Snewittchen war wieder lebendig.
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Da ging es zu dem Prinzen, der nicht wusste, was er für Freude tun sollte,
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als sein liebes Snewittchen lebendig war, und sie setzten sich alle zusammen
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an die Tafel und aßen in Freude.
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Auf den anderen Tag war die Hochzeit bestellt und Snewittchens gottlose Mutter war auch eingeladen.
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Wie sie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und sprach, spieglein,
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spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?
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Da antwortete er, Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber die junge Königin
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ist tausendmal schöner als ihr.
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Als sie das hörte, erschrak sie, und es war ihr so Angst, dass sie es nicht
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sagen konnte. Doch trieb sie der Neid, dass sie auf der Hochzeit der jungen
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Königin sehen wollte, und wie sie ankam, sah sie, dass es eine Wittchen war.
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Da waren eisernen Pantoffeln im Feuer glühend gemacht. Sie musste sie anziehen
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und darin tanzen, und ihre Füße wurden jämmerlich verbrannt,
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und sie durfte nicht aufhören, bis sie sich zu Tode getanzt hatte.
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Ja, das war das Märchen von 1812.
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Bevor wir jetzt einsteigen, ganz kurz, siehst du, kannst du dir aus dem Kopf,
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kannst du da die andere Fassung erinnern und den Hauptunterschied zu dieser
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ersten Fassung benennen?
Micz Flor
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Ja, das ist sogar eine der Sachen, die ich vorbereitend hatte,
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weil wir springen ja quasi um dieses Märchenthema so ein bisschen rum und ich
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habe gemerkt, dass ich diesmal anders darin vorgehe als das letzte Mal.
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Wir hatten ja in meiner letzten Folge, sollte es ja eigentlich schon um Rotkäppchen gehen.
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Das haben wir dann aber gesplittet. Die letzte Folge war eben diese Traum-Mythen-Thematik
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von Erich Fromm mit einer Unterscheidung von der Art und Weise,
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wie zum Beispiel Traumdeutung bei Freud, bei Jung oder bei Fromm,
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was dann eher so ein bisschen schon in die Richtung von Neopsychoanalyse-Gestalttherapie
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geht, sich unterscheidet.
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Und das Lustige ist jetzt, das haben wir dann quasi Rotkäppchen in der nächsten Folge.
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Und ich fühle mich jetzt aber schon ein bisschen weiter in diesem Märchenthema.
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Da habe ich zum Beispiel mal drauf geguckt, was waren denn so die Veränderungen
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alleine in den Fassungen von den Gebrüdern Grimm.
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Genau zu machen, könnte ich das kurz vorlesen.
Florian Clauß
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Ja, gerne. Du hast ja auch was vorbereitet mit.
Micz Flor
0:25:22–0:25:26
Ja, ich wusste ja, was es ist, dann hab ich gedacht, probier ich mal was anderes.
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Ich hab zwei Sachen vorbereitet. Ich hab dann auch eben als Weiterführung von
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dem, was das nächste Mal kommt, nämlich Freud, Jung und Fromm,
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hab ich dann Bettelheim diesmal als psychodynamischen ...
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Natürlich Analytiker eben, der dann auch eine Deutung hat. Das wollte ich dann
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später auch noch hier reinbringen.
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Also ich berufe mich jetzt auf die Frau Katrin Allersang-Gestrebter,
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die eine ihrer PhD 2009 in Wien Arbeit abgelegt hat.
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Und da hat sie eben einen Abschnitt gerade zum Thema dieses Märchens und was
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da so sich verändert hat.
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Und sie schreibt da, 1908 bis 1957 gab es wohl mindestens sechs Versionen von dem Ganzen. Ja.
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Wenn ich mich recht erinnere, das habe ich jetzt nicht aufgeschrieben,
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war es sogar ein jüngerer Bruder von den beiden, die der Autoren von diesem
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Kinder- und Hausmärchenbuch sind, der die erste Fassung aufgeschrieben hat,
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die dann umgeschrieben wurde.
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Und Wilhelm Grimm hat diese Urform dann seinen Idealvorstellungen so angepasst.
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Er hat da zum Beispiel, wenn man so durch diese Veränderung geht,
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ein bisschen auch geschaut, Das Schneewittchen,
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die dann Schneewittchen hieß, aber die wohl in der ganz frühen Version Schneeweißchen
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sogar noch hieß, die hat immer mehr in diesen Formen dann so eine typisch bürgerliche
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Tugend für Frauenverhalten angenommen.
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Die war dann eben sehr keusch, fast asexuell.
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Als sie bei den Zwergen war, muss bei den Zwergen ja auch diese bürgerlichen
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Sachen irgendwie lernen.
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Damit sie bei den Zwergenwirt bleiben darf, muss sie halt im Prinzip naiv sein,
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unschuldig, schön, lieb, fromm, arbeitsam, christlich, muss den Haushalt führen, all diese Sachen.
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Das war generell das Motiv für dieses junge Mädchen, Schneewittchen,
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wie es dann zum Schluss hieß.
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Und das sind eben so diese beliebtesten Klischees weiblicher Helden aus dieser Zeit,
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die dann Und das finde ich wichtig, nicht unterschiedliche Fassungen aus unterschiedlichen
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Ländern, sondern wirklich innerhalb der Revisionen von Grimm, von den Geburten Grimm.
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Schneewittchen selbst hat sich ein bisschen verändert. Die war wohl am Anfang
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eine junge Frau und wurde dann aber wieder ein Kind, oder wurde Kind genannt in späteren Versionen.
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Aber es gab vor allen Dingen eine Fassung, wahrscheinlich die allererste,
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die muss noch vor deiner gewesen sein wo schneewittchen ursprünglich gelbe haare
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hatte und gar keine schwarzen haare das war wohl oder eben ebenholz schwarz wie der fenster rahmen,
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Dann ist es so, dass der Vater jetzt in deiner Version ja auch schon nicht mehr
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existent ist. Da nimmt man dann an, dass der Jäger irgendwie die Rolle des Vaters
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ist. Es gibt auch eine analytische Deutung, die sagt, der Spiegel ist der Vater.
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Der guckt sich die Frauen an und beurteilt so.
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Und also heute in der gängigen Version ist der Vater eigentlich mehr oder weniger abwesend.
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Aber in früheren Versionen ist es wohl so, dass der sogar noch damit beauftragt
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war, auch den Sarg zu finden. So zumindest hier die Doktorandin.
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Und die Rolle der Mutter hat sich auch verändert. Es war anfangs eben eine Mutter
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bei deiner Version auch noch.
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Wurde dann später aber ersetzt. Und zwar 1819 wurde, starb die Mutter und die
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Stiefmutter, also die neue Frau, war dann die Böse sozusagen.
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Das ist, könnte man vielleicht sogar gleich mal so sagen, ein bisschen,
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da wird das ein bisschen harmonischer gemacht. Also, dass die Mutter wirklich
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sogar kannibalistisch gegenüber ihrer eigenen Tochter vorgeht,
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ist vielleicht einmal ein bisschen hart.
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Und wenn es die Stiefmutter ist, vielleicht verkaufen sich dann mehr Bücher.
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Und deshalb ändert sich natürlich dann auch ein bisschen die Thematik,
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weil es geht ja nicht mehr um Mutter-Tochter-Konflikt, sondern dann kommt der
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Spiegel und die Schönheit mehr in den Vordergrund.
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Grund. Sobald es dann die Stiefmutter ist, geht es natürlich um eine Familiendynamik,
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aber so diese klassische Generationskonflikt ist da nicht mehr drin,
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sondern eben dieses Schöne.
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Der Sarg, der ursprüngliche Glassarg, den du auch noch drin hast,
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der diente wohl auch um die Verwesung auszuhalten.
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Später war es dann wohl auch so, dass das Schneewittchen einfach auch ohne Sarg
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schön blieb. Die war so schön, die war einfach nicht mehr verwesbar.
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Und die Rettung hat sich wohl auch geändert.
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Es gab, da bin ich mir jetzt aber nicht sicher, ich glaube, das waren wirklich
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andere Varianten des Schneewittchen, Schneeweißchen, Schneewittchen-Märchens,
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wo Ärzte versuchen, sie wieder zu beleben.
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Es gibt aber auch wohl eine Fassung,
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wo die die Zwerge selber mit einem Hämmerchen versuchen, Schneewittchen wieder
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zu beleben und das fand ich dann ganz schön,
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deshalb möchte ich da die Doktorandin zitieren, die dann schreibt,
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dass es so ist, dann kann die Endversion nicht ohne den handelsüblichen Prinzen auskommen,
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der in nekrophiler Manier das scheintote Mädchen mit sich nehmen will,
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wobei diesem nach einem durch Stolpern hervorgerufenen Rutsch des Sarges der
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Apfelbutzen und damit die Ursache des Zustands wieder aus dem Hals fährt.
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Der hat also dann neben dem Kannibalistischen, hat sie dann eben auch nochmal
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gesagt, so Durch diesen Eko-Fahrer.
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Prinz einfach unbedingt diesen Leichnam mitnehmen möchte.
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Das Ende der Königin hat sich wohl auch verändert. In der einfachsten Fassung
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fällt sie vor Schrecktod um.
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Und die, die du auch vorgelesen hast, die auch in dem Europa-Märchen,
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das war so meine Kindheit, die Schallplatten,
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wo beide Seiten dann Märchen drauf waren, da ist es auch so,
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dass sie dann, das hat mich immer sehr gegruselt, tanzte sie dann mit den glühenden
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Schuhen, bis sie tot umfiel.
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Das war jetzt bei deiner Fassung auch.
Florian Clauß
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Ja.
Micz Flor
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Dann gibt es noch eine kleine Änderung in den ursprünglich handschriftlichen Aufzeichnungen.
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Was bei dir auch noch mit drin ist, ist, dass bei den Zwergen sie von jedem
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Tellerchen ein bisschen was isst.
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In späteren Versionen ist sie bei den Sachen so, dass sie dann nicht von allen was isst.
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Dann sucht sie genau aus, was für sie passt und was nicht.
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Das gilt auch für das Bett. Da geht sie nicht in alle Betten,
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sondern sucht scheinbar nur das eine, wo sie dann sagt, okay, das nehme ich.
Florian Clauß
0:32:28–0:32:35
Genau, also die Zwerge, wo sie nicht überall nascht und ins Bett steigt und so weiter.
Micz Flor
0:32:36–0:32:39
Das Allerletzte, was dann wirklich andere Versionen des Märchens sind,
0:32:39–0:32:40
fand ich aber noch ganz interessant.
0:32:40–0:32:44
Die Zwerge sind in anderen europäischen Versionen der Erzählung auch mal Diebe,
0:32:44–0:32:50
Räuber, Riesen oder Elfen. In Finnland wohl eine Mordbande, die sie als Schwester
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adoptieren, was es auch im Dänischen und Schwedischen gibt.
0:32:54–0:33:00
Und die Zwerge gibt es wohl in einer Schweizer Fassung, richtig als rätische
0:33:00–0:33:06
Erzählung, Wo sie dann demokratisch abstimmen, ob sie Schneewittchen aufnehmen oder nicht.
0:33:06–0:33:09
Und dann aber auch Forderungen stellen.
0:33:10–0:33:15
Und sie drohen dem Mädchen dann nach dem Besuch der Krämerin zum ersten Mal,
0:33:15–0:33:20
dass wenn sie jetzt nicht gehorcht, dass sie beim nächsten Mal in der Pfanne gebraten wird.
0:33:20–0:33:25
Das waren jetzt so die Sachen, die ich da aus dieser Doktorarbeit rausgefuselt habe.
Florian Clauß
0:33:29–0:33:31
Und warum habe ich das gemacht?
Micz Flor
0:33:31–0:33:37
Weil ich glaube ich, nachdem wir zuerst mit deinen Märchen so angefangen haben,
0:33:37–0:33:40
einfach mal so aus dem Bauch zu deuten, dann hatten wir diese,
0:33:43–0:33:48
in meinem letzten Spaziergang diese Rotkäppchendeutung, die jetzt allerdings
0:33:48–0:33:50
erst in zwei Wochen dann wirklich im Podcast auftaucht.
0:33:54–0:34:01
Und in all diesen Deutungsansätzen geht es ja immer so ein bisschen eben so
0:34:01–0:34:02
dieser Wunsch ins Mythische,
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ins ganz Frühe, ins Archetypische, wie Jungs sagen würde, so zurückzugehen,
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wie durch so ein Tor des Märchens.
0:34:10–0:34:12
Und da habe ich dann irgendwie gedacht, okay, das will ich aber mal wissen,
0:34:12–0:34:17
Weil ich wusste, auch von deiner Erzählung schon, dass die Gebrüder Grimm ihre
0:34:17–0:34:19
Sachen auch immer wieder rausgebracht haben.
0:34:19–0:34:25
Und das war ja früher auch bei Buchversion wirklich so,
0:34:25–0:34:28
dass dann oft, wenn das Ganze wieder gedruckt wurde, es halt umgeschrieben,
0:34:28–0:34:35
das war selbst bei The Origin of Species, war das wohl so, dass es da mit jedem
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neuen Auflage eigentlich eine völlig neue Buchversion gehabt mit neuem.
0:34:38–0:34:41
Also es war anders als heute, wo die Dinge so eingefroren werden.
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Was wir auch in diesem Index hören, den du hast.
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Da hat es mich einfach mal interessiert zu gucken, was haben die denn da so umgeschrieben?
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Und was würde das denn tun für unseren Wunsch, durch dieses Märchen wie durch
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ein Fenster zu blicken auf das urgeschichtliche, sagenhafte,
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mythische Menschliche?
Florian Clauß
0:34:58–0:34:59
Ja.
Micz Flor
0:34:59–0:35:04
Das fand ich eigentlich ganz interessant, dass es halt dann auch da schon Tendenzen
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gab, alles ein bisschen bürgerlicher und abgeschwächter aufzuschreiben.
0:35:08–0:35:12
Wie es dann halt wirklich in die Zeit passt, leicht wirklich auch Bücher verkaufen wollte.
Florian Clauß
0:35:12–0:35:17
Genau, und weil es auch eben im Titel Kinder und Hausmärchen trägt.
0:35:19–0:35:23
Ja, danke nochmal für diese Herausarbeitung der Unterschiede.
0:35:23–0:35:28
Es ist jetzt doch etwas etwas akademischer geworden, als ich jetzt so vermutet
0:35:28–0:35:31
habe. Aber zwei, du weißt, im Prinzip, es sind viele Kleinigkeiten,
0:35:31–0:35:32
die sich geändert haben.
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Aber zwei Punkte, die ich auch noch mal herausheben wollte. Das eine ist eben,
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dass die leibliche Mutter Schneewittchen tötet.
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Das ist, glaube ich, so ein ganz massiver Unterschied. Und das andere ist,
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wie sich dieses Apfelstückchen in dem Hals von Schneewittchen löst.
0:36:00–0:36:06
In der letzten Fassung ist es so, dass einer der Diener stolpert und den Sarg
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tragend und dann eben das Schneewittchen aus dem Sarg geworfen wird und dabei
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sich das Stückchen löst.
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Diese Fassung ist so, dass die Diener so ein bisschen geplagt werden von dem
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Prinzen, der die ganze Zeit Schneewittchen dahin getragen haben möchte, wo er ist.
0:36:25–0:36:29
Und einer von den Dienern macht halt diesen Scherz, Schneewittchen,
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da wollen wir dich rumtragen und haut ihr dann so auf den Rücken und dabei löst
0:36:34–0:36:34
sich das Abbestückchen.
0:36:35–0:36:40
Eine ganz andere Motivation, aber das finde ich nochmal so, ich finde diese
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erste Fassung fast besser als die letzte. So würde ich jetzt mal, was ich da kenne, ja.
0:36:46–0:36:52
Zur ersten Fassung, dass die Mutter, also dass es die leibliche Mutter ist und
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nicht die böse Stiefmutter,
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weil es gibt dann auch eine, auch von Jungen eine Deutung,
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Archetyps der Stiefmutter, die dann so aufgeladen wird, die kommt dann auch
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erst später rein, mit der Implementierung, Installierung der bürgerlichen Familie,
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wo sich das auch anders auflöst und die Stiefmutter.
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Als dass das Böse, das Schwarze dann so bedeckt wird,
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ist das ihre leibliche Mutter und da habe ich nochmal ein bisschen geguckt,
0:37:22–0:37:29
was gibt es denn da tatsächlich für Mythen, wo die leibliche Mutter ihre Kinder
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tötet und ein bekannter,
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eine bekannte griechische Die Tragödie ist Medea, die zusammen mit Jason, Jason, Kinder hat.
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Sie muss ihre Familie verlassen. Sie wird dann auch von Jason betrogen.
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Und aus Rache, Eifersucht und Verzweiflung tötet sie ihre Kinder.
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Also die Motivation, das krasseste Mittel, was irgendwie eine Mutter anwenden
0:38:01–0:38:05
kann, ist, ihre eigenen Kinder zu töten in dieser griechischen Tragödie.
0:38:05–0:38:09
Es ist aber irgendwie psychologisch nachvollziehbar, dass sie an so diesen Verzweiflungspunkt
0:38:09–0:38:14
kommt, wo sie ihre Kinder tötet. Es gibt eine Filmadaption mit ihr aus den 90ern,
0:38:14–0:38:18
ich weiß nicht genau von wem, die das ganz eindringlich auch schildert.
0:38:21–0:38:24
Diese Verzweiflungstat als letzte Tat, eigentlich auch gegen sich selbst gerichtet,
0:38:24–0:38:28
dann eben zu diesem Schritt zu kommen. Diese ganze Motivation finden wir überhaupt
0:38:28–0:38:30
nicht bei Schneewittchen in dieser Variante.
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Schneewittchen wird geboren, dann gibt es keine Mutter-Kind-Liebebeziehung,
0:38:36–0:38:38
wird überhaupt nicht ausgewalzt.
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Insofern finde ich das gar nicht mal so, wie soll ich sagen,
0:38:44–0:38:49
so rein erzähltechnisch einen großen Affront,
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eine Schwiegermutter einzuführen, weil diese psychologische Bindung von Tochter
0:38:55–0:39:02
und Mutter spielt keine Rolle in der Entwicklung des Märchen.
Micz Flor
0:39:03–0:39:08
Das stimmt, aber ich denke die Bewertung des Verhaltens, Also das hast du ja
0:39:08–0:39:11
vorhin schon gesagt bei Medea und das ist ja auch bei uns.
0:39:12–0:39:18
Der Kaukasische Kreidekreis ist ja auch so ein Motiv, wo zwei Frauen behaupten,
0:39:18–0:39:20
das kleine Kind, das Baby gehört ihnen.
0:39:20–0:39:26
Und dann sagt der weise, ja, Richter nicht, aber der, der die Entscheidung finden
0:39:26–0:39:29
soll, sagt halt, okay, dann schneiden wir das einfach in der Mitte durch.
0:39:29–0:39:32
Hat jeder die Hälfte, dann ist es gerecht. Dann sagt die eine,
0:39:32–0:39:36
nein, dann soll sie das Kind haben. Dann gibt er der Mutter das Kind,
0:39:36–0:39:40
die die ist, die das Kind natürlich nicht zerteilen möchte.
0:39:42–0:39:46
Da steckt ja dann so ein bisschen drin, eben beim Medea oder Kaukasischen Kreidekreis,
0:39:46–0:39:53
dass diese Mutter natürlich alles tun wird, um ihr Kind zu schützen und zu pflegen
0:39:53–0:39:55
und zu halten und zu nähern.
0:39:55–0:39:59
Und wenn die an einen Punkt kommt, wie beim Medea, wo sie die Kinder umbringt,
0:39:59–0:40:02
dann muss da wirklich schon alles kaputt sein innerlich, seelisch.
0:40:03–0:40:10
Und wenn beim Kaukasischen Kreidekreis dem Kind Schaden angedroht wird,
0:40:10–0:40:12
dann ist es auch die Mutter, die sagt, nein, um Himmels Willen,
0:40:12–0:40:17
dann bin ich hier raus. Auf jeden Fall soll das Kind in dem Fall sogar ganz bleiben.
0:40:19–0:40:26
Und das ist dann schon ein Unterschied. Also nicht in der Entwicklung der Charaktere für das,
0:40:26–0:40:35
was sie sind, sondern für die emotionale Annahme, die man für diese Rolle dann
0:40:35–0:40:37
irgendwie hat. Da finde ich, macht schon großen Unterschied.
Florian Clauß
0:40:37–0:40:46
Das stimmt. Ein Punkt, der mir jetzt auch auffällt, ist eben diese nicht erzählte
0:40:46–0:40:50
Mutter-Kind-Liebe macht das andere Motiv sehr, sehr viel stärker,
0:40:50–0:40:50
nämlich die Eigenliebe.
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Die Eigenliebe der Mutter durch den Spiegel. Das ist so ein bisschen,
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und da möchte ich jetzt aber auch tiefer einsteigen.
0:40:57–0:41:05
Ich glaube, wir können jetzt nicht in dieser Folge dann so in eine psychologischen
0:41:05–0:41:09
Interpretationsansätze gehen in dieses Märchen.
0:41:09–0:41:12
Deswegen würde ich auch jetzt vorschlagen, dass wir uns nur so die Sachen rauspicken,
0:41:12–0:41:16
die uns da irgendwo auch beschäftigen oder wo wir es zu sagen möchten,
0:41:16–0:41:22
aber eben nicht irgendwie da eine Vollständigkeit von diesen Märchen als Interpretation zu liefern.
0:41:22–0:41:25
Und eine Sache ist natürlich, die mich da total interessiert,
0:41:25–0:41:28
ist die Mediengeschichte, die jemand erzählt wird.
Micz Flor
0:41:28–0:41:29
Die Mediengeschichte?
Florian Clauß
0:41:29–0:41:32
Die Mediengeschichte wird erzählt, ja. Dann
0:41:32–0:41:38
gibt es noch eine kosmologische oder eine astronomische Komponente des Märchens
0:41:38–0:41:49
in den Figuren der Zwerge und deswegen habe ich dir das auch vorher so ein bisschen
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auch erzählt oder dich gefragt,
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ob du dich mit vorbereiten möchtest, nämlich dieses Motiv von Narzis,
0:41:57–0:42:02
Narzissmus, in Form des Spiegels, in Form der Mutter. Ähm...
0:42:07–0:42:11
Und es gibt dann diese mystischen, magischen Zahlen, die uns wieder begegnen,
0:42:11–0:42:16
wo wir auch das letzte Mal bei Eisenhans gesagt haben, die gibt es aber.
0:42:17–0:42:21
Das ist die 3 und die 7. Die kommen ja in ganz unterschiedlichen Varianten vor.
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Und vielleicht nur das am Anfang, die Zutaten einer guten Geschichte,
0:42:26–0:42:31
das finde ich auch so ganz gut. Das habe ich, glaube ich, auf Wikipedia gelesen zu Schneewittchen.
0:42:32–0:42:38
Es sind die Wittchen, nämlich wir haben schwarz, wir haben weiß und wir haben rot.
0:42:39–0:42:45
Und was ist schwarz? Schwarz ist dann das Böse und die Dunkelheit wird repräsentiert.
0:42:47–0:42:52
Weiß ist dann auf der anderen Seite die Unschuld und die Reinheit, das es verkörpert.
0:42:53–0:42:58
Und rot ist das Leben, die Leidenschaft und aber auch die Gefahr, die symbolisiert wird.
0:42:59–0:43:04
Und eigentlich hast du da so diese drei Grundkomponenten, um irgendwie eine
0:43:04–0:43:05
gute Geschichte daraus zu stricken.
0:43:05–0:43:09
Also, wenn du dir anguckst, so Geschichten, es gibt was Böses,
0:43:09–0:43:15
es gibt was Reines, es gibt dazwischen das Leben, und diese drei Zutaten vermengen
0:43:15–0:43:18
sich, und es gibt dann eine Geschichte, die hinten rausfällt,
0:43:18–0:43:19
die wir erzählen können.
Micz Flor
0:43:19–0:43:23
Ganz kurz, eine Frage, weil bei Eisenhans war es ja so, dass es diese drei Ritter
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in unterschiedlichen Farben gab.
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Ich weiß nicht mehr, was die Farben waren, aber da war ich zumindest so ein
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bisschen ratlos und dachte, na gut, das ist vielleicht einfach irgendwas aus
0:43:35–0:43:39
der Zeit der Entstehung des Märchens, was dann eine politische Bedeutung hatte oder so.
0:43:40–0:43:44
Aber waren das auch die Farben weißer Ritter, schwarzer Ritter, roter Ritter?
Florian Clauß
0:43:45–0:43:52
Ich bin mir nicht sicher, ob es ein weißer Ritter war. Das waren der Rapper,
0:43:52–0:43:56
der Schimmel, also das waren die Farben der Pferde.
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Also schwarz, weiß und aber rot.
Micz Flor
0:44:00–0:44:01
Dann der Fuchs.
Florian Clauß
0:44:01–0:44:06
Fuchs, genau. Ja, doch, das waren, glaube ich, genau. Das waren die, ja, die kommen wieder.
Micz Flor
0:44:07–0:44:10
Da haben wir wieder ein Code geknackt. Wir haben ihn geknackt und wissen nicht
0:44:10–0:44:14
genau, warum. Aber wir nehmen, alles hat damit zu tun, dass alles da ist.
0:44:14–0:44:17
Da ist das Böse, das Unschuldige und das leidenschaftlich Blutig.
Florian Clauß
0:44:21–0:44:27
Und dann zu der Zahl sieben, also in dem Zusammenhang die sieben Zwerge,
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es gibt dann die sieben Berge, also hinter den sieben Bergen,
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wo die sieben Zwerge, das ist ja quasi eine Raumzeitbeschreibung.
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Also es ist hinter den Bergen, sieben Berge, sieben Gebirge,
0:44:42–0:44:47
weil ja auch so das hessische Siebengebirge ist damit auch so vielleicht gemeint,
0:44:47–0:44:51
also das ist ja nicht so klar, du hast ja schon gesagt, Es kommt aus verschiedenen
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Teilen von Europa, die dann zusammengezogen werden.
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Aber es war so ein bisschen Siebengebirge, könnte man meinen,
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dann Siebenzwerge und so weiter.
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Aber die Zahl Sieben hat in dem Zeitalter, also so in der ersten Hälfte des 19.
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Jahrhunderts, dann natürlich eine kosmologische Entsprechung.
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Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet?
Micz Flor
0:45:14–0:45:15
Die sieben.
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Vielleicht hat man damals sieben der Planeten gefunden gehabt?
Florian Clauß
0:45:23–0:45:25
Richtig, genau. Es beschreibt die Ekliptik.
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Die Ekliptik, und zwar werden die Gestirne oder die Himmelskörper,
0:45:34–0:45:36
Mond und Sonne mit einberechnet.
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Aber wir haben Mars, Venus, Jupiter, Saturn und Merkur.
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Und diese sieben Planeten stehen auch immer für die einzelnen Wochentage.
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Das ist ja auch so.
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Tage und so in der in dem Interpretations also ganz viel Märchen haben auch
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immer wieder so eine astronomische Bedeutung.
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Da werden bestimmte Konstellationen werden beschrieben, die auch so ein Allgemeinwissen
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waren, die immer wieder vorkommen in der Konstellation.
Micz Flor
0:46:18–0:46:21
Was du gesagt hast natürlich auch interessant vor dem Hintergrund,
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dass wenn man diese Jungsche Idee von Da öffnet sich was in so eine Art von
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fast schon metamenschlichem, archetypischem Gesamt.
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Nicht nur Wissen, sondern Sein.
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Wenn das Sieben wirklich mit diesen Gestirnen zu tun hat und wenn natürlich
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dann noch manche gar nicht entdeckt waren, dass es weder die technischen Mittel
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gab, noch das Verständnis, wo gucken wir denn jetzt noch hin.
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Dann könnte man ja sagen, okay, das Mädchensnewittchen, das Märchensnewittchen
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muss irgendwie zumindest umgeschrieben worden sein.
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Alles, was die Zahl 7 hat im Märchen, muss irgendwie in der Form entstanden
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sein, nachdem man mit unserem Erdentrabanten noch sechs weitere Himmelskörper
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in unserem Sonnensystem entdeckt hat.
Florian Clauß
0:47:09–0:47:12
Ja, vielleicht. Ja, also vielleicht ist das dann so.
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Es ist auf jeden Fall, ich glaube, es ist auch ein ganz altes Wissen.
0:47:17–0:47:21
Also ich glaube, das Wissen geht auch so mit der Selbsthaftigkeit und mit dem
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Getreideanbau und so weiter einher.
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Dass du dann natürlich viel mehr auf den Himmel achten musst,
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um zu gucken, die Jahreszeiten, um bestimmte Abfolgen auch identifizieren zu können.
0:47:38–0:47:43
Und diese Ekliptik, die Ekliptik ist ja das, was sich so in einem scheinbar statischen Universum,
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Von wegen, die Sterne ändern sich ja jetzt nur nach Position der Erde,
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aber in dem statischen Universum ist die Ekliptik,
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also die Ekliptik ist quasi die Achse im Himmel,
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wo die Sonne langläuft und mit der Sonne, weil sich ja das ganze planetare System
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ja in einer Scheibe bewegt, mit wenig Abweichung auch die ganzen Planeten mit langlaufen.
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Das heißt, wenn wir jetzt in der Himmelsnacht einen Planeten wie Venus,
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was auch gerade wieder hell leuchtet, beobachten, dann wissen wir,
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da läuft auch die Sonne und der Mond lang.
0:48:22–0:48:25
Und das ist so eine gewisse, es gibt so eine Zeittaktung.
Micz Flor
0:48:25–0:48:27
Ist unser Mond auch in dieser Ebene?
Florian Clauß
0:48:27–0:48:31
Ja, der ist auch in der Ebene, aber wie gesagt mit etwas Abweichung,
0:48:31–0:48:35
aber weil natürlich eine gebundene Rotation um die Erde, der dann auch in dieser Ebene läuft.
Micz Flor
0:48:36–0:48:43
Aber bei Uranus ist es doch so, dass die Monde nicht in der gleichen Ebene kreisen, oder?
Florian Clauß
0:48:43–0:48:46
Ja, weil Uranus, glaube ich, auch gegen seine eigene Achse rollt.
0:48:46–0:48:50
Also da gibt es wahrscheinlich irgendwie so... Also der dreht sich nicht um
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sich selbst, sondern der rollt quasi auf seiner Bahn. Und da muss irgendein
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Ereignis stattgefunden haben, das ihn total durcheinandergeworfen hat.
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Deswegen weicht der so ein bisschen ab in der... Aber wie gesagt,
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das ist jetzt kein Maßstab Getreues.
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Also es gibt Varianten eben durch gewisse Abweichungen in den Ellipsen der einzelnen Planetenbahnen.
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Damit wird eben eine Zeittaktung beschrieben. Und das Repetitive,
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was die Zwerge dann auch so durchmachen, wer hat von meinem Tellerchen gegessen?
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Das ist ja quasi die Abfolge der Wochentage. Deswegen wird das auch so ein bisschen
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nervig, weil jeder Zwerg irgendwie was sagt.
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Aber es geht, glaube ich, ganz klar darum, um so ein Ordnungssystem herzustellen,
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was jetzt einmal eine Universumskonstante ist.
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Und in dieser Interpretation von der kosmologischen Ansicht ist dann Schneewittchen die Erde.
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Und dann haben wir wieder so diese Grundkonstellationen von Universum irgendwo
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in dieser Geschichte abgebildet.
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In dieser Beziehung von Schneewittchen zu den sieben Zwergen.
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Also diese Konstellation, dieser Rhythmus, dieses Zusammenwirken ist so festgeschrieben,
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dass jetzt nichts von außen diese Ordnung stören darf.
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Also ein bisschen wie bei Oppenheimer, was wir auch gesagt haben.
0:50:18–0:50:25
Diese Krishna Geschichte, also diese indische, war das Krishna? Wie heißt es nochmal?
Micz Flor
0:50:25–0:50:26
Shiva war das, glaube ich.
Florian Clauß
0:50:26–0:50:32
Shiva, genau. Shiva, die Zerstörerin und die Gebärerin, also die dann auch dafür
0:50:32–0:50:38
zuständig ist, eben diesen Kosmos in der Struktur auch beherrschen zu können,
0:50:38–0:50:41
also zu zerstören und aber auch zu erschaffen.
0:50:41–0:50:44
Das ist ja so dieses ... Und da ist diese ...
0:50:45–0:50:51
Diese, die Mutter als diejenigen, die sie diese göttliche Ordnung irgendwo auch
0:50:51–0:50:55
zerstören kann, diese Verbindung, dieses ...
0:50:56–0:51:00
Spielt da diese Rolle, ne? Sie kommt dann immer wieder rein und versucht,
0:51:00–0:51:03
Schneewittchen, also die Erde, aus der Bahn zu werfen.
Micz Flor
0:51:03–0:51:04
Ah, okay.
Florian Clauß
0:51:04–0:51:08
Und dann kommen halt die ganzen anderen und bauen sie wieder auf, so düt-düt-düt-düt.
0:51:10–0:51:17
Also jetzt mal so ganz frei assoziiert, aber das steckt da auch mit drin,
0:51:17–0:51:19
möchte man interpretieren.
Micz Flor
0:51:21–0:51:23
Naja, ist spannend, weil das ja wirklich dann um die...
0:51:23–0:51:27
Also was ich nämlich gerade noch gedacht habe, ist mit dem,
0:51:27–0:51:30
was ich aus dieser Doktorarbeit genommen habe,
0:51:30–0:51:36
die Rolle von Schneewittchen, die dann immer bürgerlicher wurde,
0:51:36–0:51:42
quasi keusch und brav und so, dass das in die Geschichte hineingeschrieben wurde.
0:51:43–0:51:46
Und als er das mit den Wochentagen erzählt, das dachte ich, ach,
0:51:46–0:51:50
sehr interessant. Und das Märchen selbst hat dann auch noch einen didaktischen
0:51:50–0:51:52
Wert, dass die Kinder die Wochentage lernen.
0:51:53–0:51:59
Auf zwei Ebenen. Im Märchen drin lernt man durch Beobachtungslernen,
0:51:59–0:52:00
wie man sich zu verhalten hat.
0:52:01–0:52:04
Und wenn man das Märchen immer wieder hört, irgendwann verbindet man mit dem
0:52:04–0:52:07
Gäbelchen, mit dem Tellerchen, so für die einzelnen Wochentage.
Florian Clauß
0:52:07–0:52:10
Richtig. Ja, ja, nee, doch, durchaus. Diese Komponente ist da auch mit drin.
0:52:10–0:52:14
Würde ich jetzt nicht abstreiten. ein bisschen so ein...
0:52:15–0:52:19
Der mich da irgendwie so ein bisschen angefixt hat. Die andere Geschichte,
0:52:19–0:52:20
was ich schon gesagt habe, ist die Mediengeschichte.
0:52:22–0:52:26
Mediengeschichte haben wir da mit konnotiert, nämlich der Spiegel.
0:52:28–0:52:34
Der Spiegel an der Wand. Und da möchte ich auch nochmal ein bisschen ausholen
0:52:34–0:52:41
und wieder auf eine Folge von Geschichten aus der Geschichte referenzieren oder nennen.
0:52:42–0:52:45
Ja, das ist nämlich die Folge über die Geschichte des Spiegels,
0:52:45–0:52:50
also eine Kulturgeschichte, die sehr spannend ist.
0:52:51–0:52:54
Ganz kurz zusammengefasst, also Spiegel waren in der Geschichte,
0:52:54–0:53:01
wenn man jetzt auch vor der Zeitenwende schaut, dann eher immer so eine königliche Geschichte, d.h.
0:53:04–0:53:06
Die Herrscher, also auch die Pharaonen jetzt im alten Ägypten,
0:53:06–0:53:11
hatten dann auch die entsprechenden Mittel, um sich dann als spiegelndes Material
0:53:11–0:53:13
zu beschaffen und sich dann auch anzugucken.
0:53:13–0:53:18
Also dieser Spiegel als Relikt taucht immer wieder in der Geschichte auf,
0:53:18–0:53:19
in irgendwelchen Bildern.
0:53:21–0:53:22
Bis dann tatsächlich so eine.
0:53:31–0:53:33
Größerflächige Spiegelproduktion dann tatsächlich passieren konnte,
0:53:33–0:53:36
musste auch erstmal entsprechend die Industrie und so weiter aufgebaut werden.
0:53:37–0:53:39
Und das war dann so im Mittelalter, hat sich das so formiert.
0:53:40–0:53:45
Also das Wissen, wie man Spiegelflächen gewinnen kann, wie Glas gewonnen wird
0:53:45–0:53:49
und so weiter, das war vor allen Dingen in Wedelig dann verbreitet.
0:53:50–0:53:55
Und ja, zu Zeit des... Also früher gab es halt immer so kleinere Spiegel.
0:53:55–0:54:00
Und dann irgendwann kamen halt diese großen Spiegel auf, wo man sich dann in
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der kompletten Gestalt sehen konnte.
0:54:02–0:54:06
Und das war natürlich für den Abel, für die Astrokratie und für die Königs-
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und Kaiserfamilien war das natürlich sehr reizvoll, weil man sich dann halt
0:54:11–0:54:14
quasi so als Hofstaat spiegeln konnte in der Ganzkörpergestalt.
0:54:15–0:54:21
Und das war mit Ludwig XIV., der dann in Versailles zum Beispiel auch so den
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größten Spiegelsaal errichtet hat.
0:54:23–0:54:30
Das war so eine Modeerscheinung, die dann in allen möglichen Höfen kopiert wurde.
0:54:31–0:54:35
Und weil die Spiegel sehr teuer waren, gab es dann auch eben so eine Spionage,
0:54:35–0:54:38
das erzählt Geschichten aus der Geschichte, wie dann eben diese Produktion dieser
0:54:38–0:54:43
Spiegel verläuft, weil die mussten alles quasi aus Italien einkaufen und irgendwann
0:54:43–0:54:45
haben die Franzosen ihre eigene Spiegelproduktion aufgebaut.
0:54:46–0:54:49
So, aber das ist natürlich, was du sagst, dieses...
0:54:50–0:54:54
Bild der Gesellschaft, die sich dann in den Spiegel wiederfindet,
0:54:54–0:54:57
die sich auch irgendwie manifestiert durch den Spiegel.
0:54:57–0:55:01
Der Spiegel ermöglicht auf der einen Seite eine Selbstreflektion,
0:55:01–0:55:05
sich selber zu schauen, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit,
0:55:05–0:55:10
und da haben wir diesen Mythos des Nazis, diese Eigenliebe zu entwickeln.
0:55:11–0:55:16
Also das heißt, es hat dann auch immer eine autoerotische Komponente,
0:55:16–0:55:18
in einer psychologischen Erklärung.
0:55:20–0:55:23
Vielleicht kannst du da noch mal einsteigen und da weitermachen.
Micz Flor
0:55:24–0:55:25
Ja, also der ...
0:55:28–0:55:33
Dieses Wort Narziss, das ist ein Narziss, das ist jetzt so ein bisschen ...
0:55:34–0:55:37
Sehr weit verbreitet, ne? Das ist jetzt quasi, da steht meistens dafür,
0:55:37–0:55:42
so die Narzissen, die sind nicht wirklich beziehungsfähig,
0:55:42–0:55:45
nicht wirklich liebesfähig, die sind zwar charmant und smart,
0:55:45–0:55:49
aber die sind irgendwie auch kalt, also das sind so Sachen,
0:55:49–0:55:52
die ähnlich wie Traumatisierungen, mein Gott,
0:55:52–0:55:56
ich bin traumatisiert von meinem Twitter-Account oder sowas,
0:55:56–0:55:59
oder von dem, was da gerade mit Twitter passiert, das sind alles so Sachen,
0:55:59–0:56:07
die eben aus einer psychiatrischen, ich möchte nicht sagen medizinischen,
0:56:07–0:56:09
aber es sind halt so Worte, die jetzt auch dann,
0:56:09–0:56:14
weithin genutzt werden, in einer Form, die nicht unbedingt dem entspricht,
0:56:14–0:56:18
was da auf einer klinischen Ebene zugesagt wird.
0:56:20–0:56:26
Das Urbild, wie du schon gesagt hast, Narcissus ist eben ein ein Jüngling,
0:56:26–0:56:32
der das Spiegelbild im Wasser entdeckt und sich dann so da hineinverliebt ist von sich selbst.
Florian Clauß
0:56:32–0:56:35
Also es ist sehr populär wissenschaftlich geprägt. Also ich glaube,
0:56:35–0:56:42
das, was dann tatsächlich in diesem klinischen Kontext verwendet wird,
0:56:42–0:56:43
ist nochmal eine andere Bedeutung.
0:56:43–0:56:50
Jeder meint irgendwie, dieses Wort Narzisst so verwenden zu können in der Bedeutung,
0:56:50–0:56:53
ja. Aber das ist, glaube ich, auch eben sehr populär wissenschaftlich.
Micz Flor
0:56:53–0:57:01
Ja, also man könnte vielleicht auch so, man würde vielleicht von drei Typen sprechen.
0:57:01–0:57:04
Das eine ist dann eben dieser exaltierte Narzisst,
0:57:04–0:57:07
der auch gemeinhin eben in Beziehung
0:57:07–0:57:11
als der gesehen wird der halt ja der
0:57:11–0:57:18
dann irgendwie hinter der Fassade doch gefühlskalt ist der entweder hochnäsig
0:57:18–0:57:22
ist oder einfach nur wirklich arrogant der sich selbst sehr hoch einschätzt
0:57:22–0:57:26
und der andere sehr niedermachen kann der trotzdem charismatisch und erfolgreich
0:57:26–0:57:31
ist das zweite wäre dann das Gegenteil was dann so ich wollte sagen Volksmut,
0:57:31–0:57:34
weil wir bei Märchen sind, aber was so allgemein gar nicht so richtig gesehen
0:57:34–0:57:36
wird, Das ist eher als Depression.
0:57:39–0:57:45
Besprochen, wenn man so in der Populärliteratur rumguckt, das ist die Gegenseite
0:57:45–0:57:49
der gleichen narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder Persönlichkeitsorganisation.
0:57:50–0:57:54
Dass nämlich diese Überhöhung auch sehr schnell mal ins Gegenteil umschlagen
0:57:54–0:57:57
kann. Wenn man dann narzisstisch gekränkt wird, wie man sagt,
0:57:57–0:58:01
dann kann es auch ... Getränkt. Getränkt, ja.
0:58:02–0:58:07
Dann ist man schnell auch an einem Punkt, wo man wirklich dann wie so ein Soufflé
0:58:07–0:58:09
in sich zusammenfällt und sagt, ach, das ist doch alles scheiße,
0:58:09–0:58:13
ist doch gar nichts wert, ich kann nichts. Also wo man das Gegenteil irgendwie macht.
0:58:14–0:58:18
Und es gibt ja in der psychodynamischen, therapeutischen Arbeit auch dieses
0:58:18–0:58:19
Konzept der Gegenübertragung.
0:58:20–0:58:24
Also dass du im Kontakt mit Menschen, die Hilfe suchen, die zu dir kommen,
0:58:24–0:58:29
dass du auch natürlich selber diesen Kontakt erlebst und diesen Kontakt natürlich
0:58:29–0:58:31
auch mitlebst. Natürlich auf eine andere Art.
0:58:33–0:58:36
Aber was dann gerade bei narzisstischen Störungen oft auch kommt,
0:58:36–0:58:41
ist, dass man diagnostisch nutzen kann, dass wenn man als Therapeut oder Therapeutin merkt,
0:58:41–0:58:45
ich habe das Gefühl, ich muss hier richtig was leisten,
0:58:45–0:58:49
dann ist das vielleicht sogar diagnostisch wertvoll, nochmal nachzugucken,
0:58:49–0:58:56
kann es sich da um eine narzisstische Persönlichkeitsstörung handeln oder Persönlichkeitsstruktur
0:58:56–0:58:58
handeln, weil das passiert dann oft.
0:58:58–0:59:01
Also wenn da jemand dir gegenüber sitzt, der immer nur das Beste hat,
0:59:01–0:59:04
besten Personal Trainer, das beste Auto und jetzt auch so froh ist,
0:59:04–0:59:08
dass er den besten Therapeuten gefunden hat, das setzt einen schon unter Druck.
0:59:09–0:59:12
Und die Leute lassen dann angeblich einen auch genauso schnell fallen,
0:59:12–0:59:14
stoßen einen vom Sockel, ja, entwerten.
0:59:16–0:59:20
Und das ist aber auch was, was man in der Gegenübertragung auch schon selber erleben kann,
0:59:20–0:59:23
dass man dieser Person gegenüber vor allem das Gefühl hat,
0:59:23–0:59:26
komisch, ich hatte vorhin zwei Sitzungen, ich habe nachher noch zwei Sitzungen,
0:59:26–0:59:29
da weiß ich, dass es anders ist, aber jetzt gerade habe Gefühl,
0:59:29–0:59:33
mir fällt nichts ein, mein Mund ist trocken, ich kann nix, was mache ich hier
0:59:33–0:59:35
eigentlich, jetzt fliegt alles auf, ich bin doch nur...
0:59:36–0:59:40
Das sind dann auch in der Gegenübertragung Dinge, die vielleicht...
0:59:42–0:59:49
Auch in der Aufrichterhaltung dieser auratischen Person, die einem gegenüber
0:59:49–0:59:53
sitzt, unbewusst oder vorbewusst sind.
0:59:55–0:59:59
Also die Person kommt natürlich auch nur in eine Behandlung,
0:59:59–1:00:02
wenn sie, wenn andere Leute Probleme haben.
1:00:02–1:00:07
Wenn die Frau irgendwie oder der Mann oder der Chef oder die Chefin oder die Kinder,
1:00:07–1:00:14
also irgendwas stellt diese narzisstische Persönlichkeitsorganisation auf die
1:00:14–1:00:17
Probe und dann entstehen Probleme, die aber natürlich erst im Selbstschutz nach
1:00:17–1:00:21
außen projiziert werden, weil man selber ist ja so großartig.
1:00:24–1:00:31
In der Psychodynamik ist so, dass der Begriff des Narziss eigentlich über so
1:00:31–1:00:37
pathologische Sexualverhalten im späten 19.
1:00:38–1:00:43
Jahrhundert in die Psychiatrie reinkam. Da gab es einen deutschen Arzt,
1:00:43–1:00:45
der diesen Begriff aus dem Englischen übernommen hat.
1:00:45–1:00:50
Da hieß es Narcissus-like, also so ähnlich wie Narcissus. Der hat einfach Narzisst
1:00:50–1:00:55
dann gesagt im Deutschen. Und da ging es um, du hast es ja schon angesprochen,
1:00:55–1:00:57
Autoerotik, da ging es um Masturbation.
1:00:58–1:01:04
Und das war klinisch auffallend, das war pathologisch, das war ungesund und.
1:01:09–1:01:12
Zysmus hatte darüber eine Öffnung in die Psychodynamik.
1:01:14–1:01:18
Denn als Freud dann kam und sich natürlich auch mit Sexualentwicklung sehr beschäftigt hat,
1:01:18–1:01:23
weil er hat ja viel eben über diese Triebe und das Verdrängen von Trieben,
1:01:23–1:01:30
das war ja so diese Art, wie er versucht hat, den Leib komplett zu beschreiben,
1:01:30–1:01:33
sowohl auf geistiger als auch auf körperlicher Ebene.
1:01:33–1:01:38
Und da war es so, dass in dieser ersten Entwicklungsphase, nämlich der oralen Phase,
1:01:38–1:01:42
das Kind direkt nach der Geburt einfach sehr, sehr libidinös,
1:01:42–1:01:50
also sehr ungehemmt, sehr autoerotisch auch ist und einfach alles lutscht,
1:01:50–1:01:52
sich selbst lutscht, anfasst.
1:01:52–1:01:58
Also da ist halt diese Idee von Autoerotik völlig gesund.
1:01:59–1:02:01
Freud spricht deshalb von einem primären Narzissmus.
1:02:02–1:02:06
Der hat dann eben gesagt, nee, das Autoerotische ist nicht pathologisch,
1:02:06–1:02:13
sondern es ist ein früher notwendiger Abschnitt, durch den man quasi,
1:02:13–1:02:15
in Anführungszeichen, durch muss.
1:02:15–1:02:20
Und später gibt es dann sekulären Narzissmus, das sind dann erwachsene Menschen,
1:02:20–1:02:24
die aus welchem Grund auch immer, so richtige Gründe benennt er dafür nicht,
1:02:24–1:02:35
sind diese Narzissen nicht in der Lage, ihre Libido auf- oder quasi von sich abzuziehen.
1:02:36–1:02:39
Ihre Libido, diese Selbstliebe, was du auch gesagt hast als Stichwort,
1:02:39–1:02:42
das klebt alles an denen dran.
1:02:43–1:02:48
Während die Psychoanalyse in der frühen Form, Freud selbst gesagt hat,
1:02:48–1:02:51
wir können mit diesen Narzissten, können wir gar nicht arbeiten,
1:02:51–1:02:53
weil die sind so bei sich selber,
1:02:53–1:02:59
die schaffen das gar nicht, dieses Gegenüber-System zu öffnen oder geschweige denn,
1:02:59–1:03:03
die anderen eigene Libido da drauf zu legen,
1:03:03–1:03:10
da drauf zu werfen, da dran zu kleben und deshalb können wir in der Psychoanalyse
1:03:10–1:03:15
auch in der Zusammenarbeit keine Übertragungsneurose herstellen.
1:03:15–1:03:19
Und diese Übertragungsneurose war quasi die Grundlage der frühen psychoanalytischen Arbeit,
1:03:19–1:03:22
das war die Hypothese, dass in der
1:03:22–1:03:26
Übertragungsneurose diese ganzen Beziehungsthematiken wieder auftauchen,
1:03:26–1:03:30
die zu intrapsychischen, bei Freuden auch intrapsychischen Problemen führten
1:03:30–1:03:34
und die lösen sich dann auf, wenn man eine korrigierende emotionale Erfahrung
1:03:34–1:03:36
in der übertragenen Narrose machen kann.
1:03:37–1:03:40
Narzissten konnten sich diesem Gegenüber nicht öffnen und deshalb hat...
1:03:43–1:03:46
Gesagt, dass die Leute einfach für die Psychoanalyse nicht erreichbar sind.
Florian Clauß
1:03:47–1:03:53
Im Prinzip dann auch eine Art von jetzt nicht jetzt eine krankhafte Bezeichnung
1:03:53–1:03:58
auch, aber vor allen Dingen auch, um eine Arbeitsgrundlage zu bekommen,
1:03:58–1:04:01
ja, so eine gewisse Kategorisierung von Patienten.
Micz Flor
1:04:01–1:04:05
Ja, das war eine Trennung. Wir sprechen ja heute auch noch von Borderline.
1:04:06–1:04:10
Es gibt jetzt in diesem, das hat sich ja schon neulich angedeutet,
1:04:10–1:04:15
da habe ich eine Gestalttherapie 2,
1:04:15–1:04:21
der ICD-10 als Kategorien-System, in dem eben Pathologien drin sind und da gibt
1:04:21–1:04:24
es auch Persönlichkeitsstörungen und das wurde jetzt bei dem ICD-11,
1:04:24–1:04:29
der offiziell seit letztem Jahr 2022 schon gilt, aber den noch nicht wirklich
1:04:29–1:04:36
Anwendung findet, da wurden eigentlich diese Persönlichkeitsstörungen als solche
1:04:36–1:04:39
abgeschafft, bis auf Borderline.
1:04:39–1:04:43
Dann hat man beibehalten, weil das wirklich so sehr, sehr, sehr stark beforscht
1:04:43–1:04:47
wurde und weil es da auch viel Evidenzstudien für bestimmte Behandlungsansätze
1:04:47–1:04:54
gibt, die dann eben auch weiterhin verfügbar sein sollten für Patienten mit genau dieser Störung.
1:04:54–1:04:57
Und diese Störung, das habe ich ja auch schon bei Encanto gesagt,
1:04:57–1:05:01
ist halt eben diese Einteilung neurotisch auf der einen Seite,
1:05:01–1:05:06
das kann man psychoanalytisch behandeln, psychotisch auf der ganz anderen Seite,
1:05:06–1:05:09
das sind diese drei Töchter gewesen in Encanto, auf der ersten Ebene.
1:05:10–1:05:14
Und in der Mitte Borderline, das sind Menschen,
1:05:14–1:05:18
die noch einen Realitätsbezug haben,
1:05:18–1:05:23
die Impulskontrollstörungen haben, die sich symptomatisch dadurch auszeichnen,
1:05:23–1:05:27
dass sie intensive Beziehungen führen, dass diese Beziehungen aber oft nicht
1:05:27–1:05:33
sehr lange dauern oder immer wieder auch von großen Krisen geprägt sind.
1:05:33–1:05:39
Und dieses Borderline ist quasi der Schritt ins Psychotische, dieser Durchgang.
1:05:40–1:05:46
Und für die Königin oder die Stiefmutter jetzt bei Schneewittchen,
1:05:46–1:05:48
Schneewittchen oder Schneeweißchen.
Florian Clauß
1:05:52–1:05:55
Schneeweißchen, ja, Schneeweißchen ist auch eine Form.
Micz Flor
1:05:56–1:06:01
Da wäre natürlich dann die Königin über den Spiegel,
1:06:01–1:06:05
in so einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur,
1:06:05–1:06:13
der Persönlichkeitsstörung, dass die selbst ihre eigene Tochter eher auffressen würde,
1:06:13–1:06:22
als zulassen kann, dass sie diese Beziehung irgendwie erlebt, sich dem öffnet oder so.
1:06:22–1:06:24
Das ist schlecht ausgedrückt. Aber die ist quasi am Spiegel.
1:06:25–1:06:28
Das ist das Bild dafür, dass sie bei sich selber bleibt.
Florian Clauß
1:06:28–1:06:32
Das heißt, du würdest ihr auch da tatsächlich so eine narzisstische Störung attestieren?
Micz Flor
1:06:34–1:06:40
Ja, das ist dann wieder eine Interpretationsfrage. Okay. Weil der Spiegel wird dann ...
1:06:41–1:06:44
Psychodynamisch gibt's zwei Deutungen für den Spiegel. Was du jetzt sagst,
1:06:44–1:06:48
ist halt so, in diesem klassischen Bild von Narcissus ist die mit ihrem eigenen
1:06:48–1:06:49
Spiegelbild beschäftigt.
1:06:50–1:06:53
Und wenn man dann noch anguckt, was kriegt die denn auf die Rolle,
1:06:53–1:07:01
dann legt die alles daran, ihre Tochter umzubringen, weil die Tochter ihre Grandiosität,
1:07:01–1:07:04
ihre Schönheit in Frage stellt, oder sie übertrumpfen könnte.
1:07:05–1:07:09
Und das löst in der Mutter einfach etwas aus, wo es ihr lieber ist,
1:07:09–1:07:15
die Tochter umbringen zu lassen und aufzufressen, als dass sie mit dieser Veränderung
1:07:15–1:07:18
und auch dem eigenen Werdegang, dem eigenen Leben umgeht.
1:07:18–1:07:22
Es ist also eine ganz, ganz große, ganz tiefgehende Krise, die bei ihr wirklich
1:07:22–1:07:25
Unmenschliches auslösen kann.
1:07:25–1:07:29
Das ist dann ein bisschen eben auch das, was man auch so gemeinhin in den sozialen
1:07:29–1:07:32
Medien als Narzissist irgendwie beschreibt.
1:07:32–1:07:37
Menschen, die halt von jetzt auf gleich irgendwie unberechenbar reagieren und
1:07:37–1:07:40
bei der geringsten Kritik Kritik dann irgendwie gleich zu tun.
1:07:40–1:07:47
Und um sich schlagen mit Wörtern oder auch echt. Also das wäre diese ganz konkrete Deutung.
1:07:48–1:07:52
Weil man den Spiegel wirklich wie bei Narzissus sieht, als diese Wasseroberfläche.
1:07:54–1:07:58
Es gibt halt diese beiden anderen. Das eine, hab ich ja schon gesagt, ist der Vater.
1:07:59–1:08:04
Ähm ... Ich glaub, der hieß Daf, das ist auch so eine psychoanalytische Deutung.
1:08:04–1:08:08
Die ziemlich extrem ist, der Spiegel ist der Vater.
1:08:08–1:08:12
Und da musste ich dann so ein bisschen schmunzeln, als du vorhin vorgelesen
1:08:12–1:08:17
hast, eines der Märchen der gleichen Kategorie ist auch das Märchen vom Vater.
1:08:17–1:08:21
Ich fand es halt so ein bisschen absurd,
1:08:21–1:08:24
dass es ein Märchen jetzt auf einer symbolischen Ebene sein kann,
1:08:24–1:08:28
dass der Spiegel der Vater ist und der Vater dann seiner Frau sagt,
1:08:28–1:08:33
also jetzt finde ich deine Tochter, also wirklich gerade irgendwie sieht die attraktiver aus als du.
1:08:33–1:08:36
Aus als du. Das ist eine ganz komische Familie, die da auch entsteht.
1:08:38–1:08:42
Aber es bleibt plausibel. Also irgendwie kann man da mit der Deutung was anfangen.
1:08:42–1:08:46
Und die andere Deutung, das ist eben die von Bettelheim, der sagt,
1:08:46–1:08:50
der Spiegel, das ist die Tochter. Also das Märchen wird quasi erzählt von der Tochter.
1:08:50–1:08:55
Und gerade als Beweis führt auch an, dass der Spiegel, glaube ich,
1:08:55–1:08:59
beim zweiten Mal irgendwie so was sagt, ja, die ist tausendmal schöner als du.
1:09:00–1:09:04
Und das ist dann irgendwie wie so ein pubertierendes Mädchentalk,
1:09:04–1:09:08
so meint er. Das ist dann quasi nochmal ein Hinweis, dass dieser Spiegel eigentlich
1:09:08–1:09:10
die Tochter ist, die Stimme der Tochter.
Florian Clauß
1:09:10–1:09:18
Und kann man jetzt, wenn Freud dann sagt, dass in einer gewissen Phase normal
1:09:18–1:09:21
ist, dass das so ein Ich-Bezug da ist, ja?
1:09:22–1:09:26
Kann man sagen, dass die Mutter in dieser Phase dass er irgendwie hängen geblieben ist.
Micz Flor
1:09:29–1:09:33
Also, wenn du eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hast,
1:09:33–1:09:35
da geht man eigentlich ...
1:09:38–1:09:43
Im Psychodynamischen immer davon aus, dass es sich um eine frühkindliche und
1:09:43–1:09:44
eine Bindungsstörung handelt.
1:09:44–1:09:49
Das heißt, du hast eine primäre Bezugsperson, meistens die Mutter,
1:09:49–1:09:54
die kalt, abweisend, aggressiv oder so ...
1:09:55–1:09:57
Vielleicht unberechenbar auch irgendwie war.
1:09:58–1:10:09
Und als Schutzfunktion hat das Kind dann entweder diese Überhöhung schon mitentwickelt
1:10:09–1:10:13
als Schutz oder eben aber auch eine depressive Akzeptanz der Situation.
1:10:14–1:10:17
Aber man geht dann davon aus, dass die Königin, um das zu übertragen,
1:10:17–1:10:23
dass die selber als sehr frühes Kind, also diese orale Phase,
1:10:23–1:10:26
in der das passieren würde, ist so von 0 bis erstes Lebensjahr.
1:10:26–1:10:33
Dass das die Zeit ist, in der sie auf der Bindungsebene zu ihrem primären Bezugsperson,
1:10:33–1:10:39
Personen, einfach keine angemessene Spiegelung,
1:10:39–1:10:49
Annahme, keine Emotionalität erlebt hat, sondern im Prinzip in einer kalten,
1:10:49–1:10:53
abgegrenzten, gespaltenen vielleicht sogar Beziehung war.
Florian Clauß
1:10:53–1:11:02
Ja. Aber dieses äh diese Erfahrung scheint sie ja dann nicht auch Schneewittchen erleben zu lassen,
1:11:02–1:11:10
weil Schneewittchen scheint ja erst mal so als ein normales Kind dann auch zu zu wirkt ja dann so.
Micz Flor
1:11:10–1:11:14
Ja, das ist dann eben auch wieder diese Frage von diesem Umschreiben,
1:11:14–1:11:18
das hat ihr vorhin gesagt, das hat die Mutter in deiner Version,
1:11:18–1:11:23
dann wird's die Stiefmutter und ich Ich frage mich dann, warum wurde aus der
1:11:23–1:11:24
Mutter die Stiefmutter?
1:11:24–1:11:28
Wurde die Stiefmutter da raus, weil dann zum Beispiel diese Mutter-Tochter-Beziehung
1:11:28–1:11:31
ein bisschen entschärft wird, die Dramatik?
1:11:32–1:11:36
Oder vielleicht sogar wirklich, weil das Kannibalistische dann auch so ein bisschen
1:11:36–1:11:39
entschärft wird? Vielleicht war es einfach zu krass, wenn die Mutter ihr Kind ist?
1:11:40–1:11:44
Vielleicht war es besser, wenn die Stiefmutter das Kind ist?
1:11:44–1:11:48
Irgendwie konnte man das vielleicht eher zulassen, ne? Das konnte man eher weitererzählen.
1:11:50–1:11:58
Aber diese Weitergabe, ich habe in der Vorbereitung auch noch mal so ein bisschen versucht,
1:11:58–1:12:02
deshalb hier die Europa-Märchen-Sache, ich habe es mir nicht noch mal angehört,
1:12:02–1:12:05
aber ich habe noch mal versucht, wie war das denn damals, was habe ich denn
1:12:05–1:12:06
da so erlebt, wenn ich das gehört habe.
1:12:07–1:12:12
Weil natürlich alle Interpretationen, ob jetzt kosmologisch oder psychodynamisch,
1:12:12–1:12:14
leben auch von der Plausibilität.
1:12:15–1:12:19
Und die Plausibilität ist ja dann immer auch zeitgeistig eingepackt,
1:12:19–1:12:22
kulturell eingepackt, passt das bei uns oder nicht?
1:12:23–1:12:30
Und da war das so, ich habe das wirklich vor meiner sexuellen Aufklärung,
1:12:30–1:12:33
vielleicht sogar vor der Grundschule, der ersten Grundschule,
1:12:33–1:12:38
da habe ich das gehört, da habe ich mich mit den Märchen so auf der Schallplatte beschäftigt.
1:12:38–1:12:42
Und ich weiß noch, dass die Tatsache, dass Schneewittchen bei den sieben Zwergen
1:12:42–1:12:45
ist, irgendwas daran war mir so ein bisschen mulmig.
1:12:45–1:12:49
Also das war wirklich, ich würde jetzt nicht sagen, es war sexuell aufgeladen,
1:12:49–1:12:54
aber es geht irgendwie in die Richtung. Ich hatte so das Gefühl, das ist aber komisch.
1:12:58–1:13:01
Also deshalb finde ich, das fand ich so ganz interessant, weil wenn man jetzt
1:13:01–1:13:03
zu viel reindeutet, dann verliert man das vielleicht auch wieder,
1:13:03–1:13:08
dass man dann wirklich nur auf so eine Ratio-Ebene geht und das deutet und dann
1:13:08–1:13:09
immer Anknüpfungspunkte findet.
1:13:11–1:13:15
Und ich schon, ich weiß nicht, kannst du dich daran erinnern?
1:13:16–1:13:17
Aus der Kindheit noch oder ...
Florian Clauß
1:13:18–1:13:25
Nee, nicht wirklich. aber irgendwie ja so die Zwerge waren ja schon so eine
1:13:25–1:13:31
gewisse Identifikationseinheit für Kind und dann die Vorstellung,
1:13:31–1:13:36
dass ein wunderschönes Mädchen kommt und in dem Haushalt mitwirkt,
1:13:36–1:13:37
das hat ja schon was Anziehendes.
Micz Flor
1:13:39–1:13:44
Ja, also irgendwas war damit, das heißt dieses Gefüge tut was,
1:13:44–1:13:47
was wirklich über die Wochentage hinausgeht.
1:13:50–1:13:55
Und in der psychodynamischen Spettelheims-Analyse geht es halt dann,
1:13:55–1:13:58
oder Deutung, Entschuldigung, geht es dann darum, dass,
1:13:58–1:14:00
wie du auch schon gesagt hast,
1:14:00–1:14:03
natürlich das Schneewittchen gleichzeitig unschuldig ist, ist weiß,
1:14:03–1:14:09
ist aber auch gleichzeitig an der Schwelle eben zur jungen Frau,
1:14:09–1:14:15
das ist das Rote, das ist die blutung das ist dann irgendwie wie bei rotkäppchen
1:14:15–1:14:16
auch also das ist dann diese,
1:14:21–1:14:22
einsetzende Regelblutung.
Florian Clauß
1:14:22–1:14:24
Ja, und auch vor allen Dingen die Sexualität, die sie entwickelt,
1:14:24–1:14:25
und diese Lebhaftigkeit.
1:14:27–1:14:31
Sie ist ja auch so, oh ja, dann komm mal rein. Ja. Oh, kein Problem.
1:14:33–1:14:36
Schneewittchen, denk doch mal ein bisschen weiter, ja?
Micz Flor
1:14:36–1:14:39
Ja, und das ist nämlich aber auch, wenn man sich mal überlegt,
1:14:39–1:14:43
ist dann auch wieder bei Bettelheim der Beweis für diese Hypothese,
1:14:43–1:14:47
was bringt die denn mit, diese Krämerin?
1:14:47–1:14:52
Die bringt Schnürriemen, einen Kamm, also alles Dinge, um sich schön zu machen.
1:14:54–1:14:59
Da wird doppelt das Verführerische angesprochen. Einerseits lässt sie sich von
1:14:59–1:15:03
der Kämmerin verführen mit Dingen, die sie als junge Frau darstellen können.
1:15:03–1:15:08
Und gleichzeitig ist diese Darstellung selber auch so, dass sie den Wunsch hat,
1:15:08–1:15:12
verführerisch zu werden, also sich schön zu machen. Sie würde vielleicht nicht
1:15:12–1:15:17
verführerisch als Wort verwenden, aber man merkt schon, dass sie so an der Schwelle steht.
1:15:18–1:15:20
Und die Zwerge sind in gewisser Weise an dem Punkt abgehängt.
1:15:22–1:15:27
Also das sagt Bettelheim auch, die sind quasi auf einer kindlichen Ebene stecken geblieben,
1:15:27–1:15:31
die noch vor diesem ödipalen Dreieck ist, weil Bettelheim auch sagt,
1:15:31–1:15:39
die Grundproblematik in diesem Märchen ist halt der ödipale Konflikt.
1:15:39–1:15:41
Also Tochter, Mutter, Tochter, Vater.
1:15:42–1:15:46
So, jetzt sind wir eine kurze Pause, sind wir hier angekommen an dieser Kleingartenanlage.
1:15:48–1:15:51
Die heißt Freiheit, aber die Tür ist abgeschlossen.
Florian Clauß
1:15:51–1:15:57
Abgeschlossen. Ja, ich dachte, hier kämen wir durch, aber hier scheint alles...
1:15:59–1:16:03
Abgeschlossen zu sein. Also wir müssen irgendwie anders uns durchkämpfen, Mitch.
Micz Flor
1:16:03–1:16:05
Wir sind gar nicht mehr am Kanal, oder?
Florian Clauß
1:16:05–1:16:07
Wir sind schon lange nicht mehr am Kanal.
Micz Flor
1:16:08–1:16:09
Das ist mir gar nie aufgefallen.
Florian Clauß
1:16:10–1:16:17
Das ist so ein kleiner verlassener Arm, der zwischen eben, ja der noch zu Neukölln
1:16:17–1:16:23
gehört hier, würde ich mal sagen, aber parallel quasi zur Kiefholzstraße läuft.
1:16:24–1:16:27
Das ist immer diese Silhouette an den Hochhäusern, Hochhäusern,
1:16:27–1:16:28
die man dann von Weitem sieht.
Micz Flor
1:16:28–1:16:33
Ja, das ist interessant. Hier kommt wirklich ganz viel Berlin zusammen.
1:16:33–1:16:41
Also diese Nachkriegs-West-Bauten, Hochhäuser, um die Leute unterzubringen,
1:16:41–1:16:43
weil der Raum ein bisschen begrenzt war innerhalb der Mauer.
1:16:43–1:16:47
Und die Kleingartenanlage, die gerade sagt, es ist genug Platz für alle da.
Florian Clauß
1:16:47–1:16:50
Ja, und vor allen Dingen, die konnte sich ja quasi, Kleingartenanlagen hatten
1:16:50–1:16:54
wir auch an der Grenze. Also am Potsdamer Platz, das war ja auch voll von Kleingartenanlagen.
1:16:55–1:16:58
Die mussten jetzt alle weichen. Hier ist noch so ein Mauerstreifen,
1:16:58–1:17:02
wo die sich dann noch so halten konnten über die ganzen 30, 40 Jahre.
1:17:02–1:17:07
Also das, ja, zur Stadtentwicklung ist das ja ein ganz interessantes Gebiet.
1:17:12–1:17:13
Okay, lassen Sie mal zurückkehren zu Schneewittchen.
1:17:17–1:17:18
So, deine letzte Anmerkung.
Micz Flor
1:17:19–1:17:22
Was in dieser psychodynamischen Deutung auch noch vorkommt,
1:17:22–1:17:27
ist, dass diese Apfel,
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also diese Riemen und der Kamm zuerst,
1:17:31–1:17:34
Riemen und Kamm,
1:17:34–1:17:42
da können die Zwerge sie noch zurückholen, aber wenn sie in den roten Apfel beißt,
1:17:42–1:17:45
Nicht in irgendeinem Apfel, sondern in die rote Seite des Apfels,
1:17:45–1:17:51
also dieser Biss, der ist in dem Fall tödlich.
1:17:52–1:17:56
Erinnert mich dann auch wieder an Oppenheimer, so mit der Spritze im Apfel.
Florian Clauß
1:17:56–1:17:58
Ja, die eine Seite des Apfels.
Micz Flor
1:18:00–1:18:04
Oder Turing, der sich ja selber so umgebracht hat auch.
Florian Clauß
1:18:05–1:18:06
Hat er sich mit einem Apfel umgebracht?
Micz Flor
1:18:06–1:18:09
Ich glaube, der hat einen Apfel vergiftet, einen vergifteten Apfel gegessen.
Florian Clauß
1:18:09–1:18:10
Okay. Krass.
Micz Flor
1:18:16–1:18:19
Da beißt sie dann also den Apfel. Das ist jetzt nichts mehr,
1:18:19–1:18:22
was sie so äußerlich sich hübsch macht, sondern sie beißt zu.
1:18:23–1:18:28
Und in dem Moment können die Zwerge nichts mehr ausrichten.
Florian Clauß
1:18:29–1:18:37
Ja, weil es halt quasi kein äußerliches Mangel ist, sondern der ist ja dann internalisiert.
1:18:41–1:18:48
Und das heißt, da wird sie ja quasi zu einem Porträt, das ist auch so.
1:18:50–1:18:54
Ich wollte jetzt nochmal den Strang aufgreifen, nämlich,
1:18:54–1:19:01
was du gesagt hast mit das Schneewittchen durch diese Praktiken bei den Zwergen,
1:19:01–1:19:09
dann sich als junge Frau, also quasi als ein erwartetes Gesellschaftsbild instanziert,
1:19:09–1:19:12
um die Rolle der Frau da zu spielen.
1:19:12–1:19:16
Das ist ja so, du musst nähen, du musst waschen, du musst kochen,
1:19:16–1:19:19
du musst hübsch sein, bitte mach das und dann kannst du hier bleiben.
1:19:19–1:19:22
Das ist ja so ein ganz männlicher Blick.
1:19:23–1:19:31
Also die Frau als Accessoire, die dann geduldet wird, solange sie ihre Rolle dann ausfüllt, ja.
1:19:31–1:19:35
Das ist ja so, ne, das was dann auch und sie friert ja dann,
1:19:35–1:19:39
sie führt ja ihre Rolle weiter aus in dem Moment, wenn sie diesen Apfel schluckt
1:19:39–1:19:45
und nicht stirbt, nicht vergeht, sondern sie wird ja dann quasi in ihrer Schönheit wird sie dann fixiert.
1:19:45–1:19:48
Das ist quasi so, also wenn du jetzt in der Mediengeschichte,
1:19:48–1:19:50
das wollte ich dann auch nochmal einbringen,
1:19:50–1:19:55
der Spiegel ist so, so als quasi als das bürgerliche Relikt,
1:19:55–1:19:59
dass es auch im bürgerlichen Haushalt eingesetzt werden konnte,
1:19:59–1:20:04
fing dann an, weil dann die Produktion so günstig war, dass jeder sich einen
1:20:04–1:20:09
Spiegel leisten konnte, dass damit auch die bürgerliche Familie so fixiert wurde.
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Man konnte sich selber sehen, es war nicht mehr nur die Pfütze,
1:20:15–1:20:23
sondern es war tatsächlich ein Accessoire, mit dem die Selbstreflexion dann gemacht werden konnte.
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Und damit halt auch durch so ein gesellschaftliches Bild. Das heißt,
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auf der einen Seite wird auch in der Kulturgeschichte des Spiegels gesagt,
1:20:30–1:20:34
dass es zu einer Emanzipation von Frauen kommt, weil sie sich so sehen konnten,
1:20:34–1:20:36
wie sie sich sehen wollen.
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Gleichzeitig aber auch der männliche Blick in diesem Spiegel mit drin hängt,
1:20:40–1:20:43
nämlich genau dieses Rollenbild von der
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Frau, wie sie erwartet wird in der Gesellschaft, dass die das erfüllen.
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Und dieser Blick im Spiegel, der eine scheinbar objektive Instanz ist,
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Weil dieses magische Relikt, was dann die Königin einsetzt, um zu wissen,
1:20:56–1:21:00
ob sie die schönste ist, ist ja so, ja, der Spiegel weiß halt auch,
1:21:00–1:21:02
dass es auch noch eine Wittchen lebt.
1:21:02–1:21:07
Also dieses Magische in dem Spiegel, der aber so eine objektivierbare,
1:21:07–1:21:11
eine objektive Instanz ist und die dann nicht lügt.
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Das heißt, hier haben wir so den Spiegel als eine Art von Globalisierungseinheit.
1:21:22–1:21:26
Das heißt, der Spiegel weiß Bescheid über alle Bilder in der Welt.
1:21:26–1:21:32
Und kann das dann wieder so rausprojizieren und als Information dann der Königin geben.
1:21:33–1:21:37
Und daraufhin wird ja quasi ihre Motivation, die Tochter umzubringen, ausgelöst.
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Und jetzt will ich jetzt meinen Schritt in Richtung,
1:21:45–1:21:49
was hat das heute noch für eine Bedeutung,
1:21:49–1:21:53
ist, dass natürlich irgendwo diese ganze Selfie-Culture,
1:21:53–1:21:57
diese ganzen Filter und alles Mögliche,
1:21:57–1:22:03
was man in diesen sozialen Medien als Techniken findet, um sich selber zu präsentieren,
1:22:03–1:22:09
um sich selber dann auch schöner zu machen, um so ein äußerliches Bild der Schönheit dann darzustellen.
1:22:09–1:22:15
Das ist ja so diese Selfie-Culture, das was dann die Fotografie schließt ja dann irgendwann an.
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Die ersten Fotos wurden 1827 oder so gemacht und bis dann halt technische Verfahren
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entwickelt wurden, die jetzt nicht irgendwie, wo man sich nicht drei Stunden
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lang hinsetzen müsste, um belichtet zu werden.
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Also es ging dann irgendwann so 1850, 1860 waren dann so die Fotografien,
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haben dann auch irgendwann die Porträtmalerei abgelöst. Das heißt...
1:22:36–1:22:40
Die Möglichkeit, irgendwelche Bilder, gesellschaftliche Bilder zu fixieren und
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so eine Schönheit auch zu fixieren.
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Also Festzeit, was vorher nur im Porträtmalerei, aber dieses immer näher dran
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an der Echtheit zu sein, in dem dann eben so ein Spiegelbild quasi eingefroren
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wird. Und das haben wir in diesem gläsernen Sarg.
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Der gläserne Sarg, der nix anderes ist als so eine Instakachel, ja?
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Der Prinz verliebt sich ja auch nur in ein Spiegelbild. Du hast ja das,
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was die Königin sich selber in dem Spiegel sieht, sich da selber verliebt drin.
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Das ist ja nichts anderes als beim Prinzen. Der kennt ja gar nicht Schneewittchen.
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Er sieht nur ihre Schönheit und verliebt sich in diese Schönheit.
1:23:20–1:23:25
Und das ist ja auch genau so eine, wie soll man sagen, das ist ja auch eine
1:23:25–1:23:28
völlige Irreführung von Liebe oder von Erkenntnis.
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Weil es halt nur eine eingefrorene Kachel ist und die schleppt er überall mithin.
1:23:34–1:23:38
Ja, also das ist ja auch so ein bisschen so ein narzisstischer Gedanke von einem
1:23:38–1:23:41
Prinzen. Er lässt die überall mithin schleppen und dann finde ich wieder diese
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Motivation von dem Kameradiener, der dann halt sagt, ich habe keinen Bock mehr,
1:23:46–1:23:47
die Frau überall hinzuschleppen.
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Und dann mit der dann halt so rummantiert, dass es dann eben der Absech löst
1:23:52–1:23:53
und das zum Leben erweckt wird. Und dann...
Micz Flor
1:23:53–1:23:54
Das ist admin.
Florian Clauß
1:23:54–1:23:59
Das ist genau so, ja. Und dann fängt das halt wieder so von vorne an.
1:23:59–1:24:05
Und dann wird geheiratet und die böse Einheit wird dann aus der Welt entfernt,
1:24:05–1:24:09
tanzend, in glühenden... Und ich glaube, wenn du fragst, was ist mir gehäng
1:24:09–1:24:12
geblieben als Kind, dann ist mir dieses Bild schon sehr eingebrannt.
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Das mit glühenden Pantoffeln zu Tode tanzen.
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Das ist dann auch wieder so eine Bösartigkeit, die dann auch in so einer Rache
1:24:22–1:24:25
auch wieder so brachial ist,
1:24:25–1:24:30
wie halt die Leber zu essen von, ne, die Leber war ja woanders,
1:24:30–1:24:33
die Lunge. Und die Leber, oder?
Micz Flor
1:24:33–1:24:34
Leber und Lunge des Geschlechts.
Florian Clauß
1:24:34–1:24:39
Ja, ja, ja, ja, gut. Das ist dann wieder Prometheus, der da quasi mit anklang.
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Also muss man mal gucken, für was steht eigentlich die Leber, ne?
1:24:43–1:24:48
Die Leber wird wahrscheinlich auch in dieser, in dieser Säftelehre dann irgendwo
1:24:48–1:24:51
eine Einheit haben, die dann auch irgendwie, müsste man mal gucken,
1:24:51–1:24:56
warum bei Prometheus die Leber und warum hier die Leber Und was die Lunge bedeutet.
1:24:56–1:24:59
Also ich glaube, man kann unglaublich viele verschiedene...
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Folien anlegen, das Märchen finde ich nach wie vor faszinierend,
1:25:06–1:25:16
hat in der Komplexität und der Ambivalenz wieder so einen Platz in der Popkultur,
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dass das auch einfach gerechtfertigt ist.
1:25:22–1:25:27
Du merkst, ich suche so langsam den Ausgang aus unserer Episode.
1:25:28–1:25:32
Ich versuche, abschließende Worte zu finden, was mir nicht gelungen ist.
Micz Flor
1:25:32–1:25:39
Bettelheim hat ja noch was anderes gesagt. Dieses Freezing, nachdem sie einen
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Apfel gebissen hat, ist ja für ihn einfach wirklich der Tod.
1:25:42–1:25:45
In dem Moment ist es quasi vollzogen.
1:25:46–1:25:50
Der Geschlechtsakt ist vollzogen, auch wenn es die Mutter war, die das zugeführt hat.
1:25:50–1:25:54
Und das Kind stirbt. Und es erwacht danach dann eben die Frau.
1:25:54–1:25:55
Also wie so eine Schmetterlingsmetamorphose.
Florian Clauß
1:25:57–1:26:04
Ja gut, dann auch der Sarg quasi als Einheit für die Bildung des Imagos.
Micz Flor
1:26:05–1:26:10
Und dann kommt auf der anderen Seite kommt dann eben die Frau raus. Das war bei ihm das.
1:26:12–1:26:16
Und ja, aber ist das ein besserer Ausgang? Ich dachte, vielleicht kann ich dir helfen.
Florian Clauß
1:26:16–1:26:21
Ne, ja, auch. Aber ich würde sagen, wir sind da auch ziemlich durch.
1:26:22–1:26:30
Ich habe mir noch mal Man notiert das Spiegel als magische Einheit auch in der Tastatur.
1:26:31–1:26:36
In der ganzen Kulturgeschichte immer wieder vorkommt, dass man Spiegel verhängt,
1:26:36–1:26:40
sobald jemand gestorben ist, weil man die Angst hatte, dass dann die Seele des
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Verstorbenen gefangen wird.
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Der Spiegel, ähnlich wie die Fotografie, und deswegen ist diese Medienrezeption
1:26:49–1:26:51
von Fotografie und Spiegel sehr parallel.
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Die Fotografie, wo man auch die Angst hatte, es kann Seelen einfrieren, verdammt.
1:26:59–1:27:02
Und da gibt es ja auch genügend Filme, die dann auch so damit spielen, ja.
1:27:03–1:27:08
Und der Spiegel, wo auch der Basilisk zum Beispiel, wenn er,
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sobald er in sein eigenes Spiegelbild guckt, wird der dann, kann er bekämpft
1:27:12–1:27:14
werden, wird er eingefroren.
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Ja, also der Spiegel taucht in verschiedenen Sagen und Märchen immer wieder
1:27:20–1:27:24
als so eine magische Größe auf, die...
Micz Flor
1:27:25–1:27:31
Klar, der Vampir, der sich eben nicht selber sehen kann Selbst bei Harry Potter
1:27:31–1:27:35
gibt es ja diesen Spiegel, wo Harry dann seine Eltern sieht oder sowas,
1:27:35–1:27:37
weil man sieht, was man sich wünscht.
1:27:38–1:27:40
Das ist ja auch eine Weiterführung. Also das bleibt bestehen.
1:27:43–1:27:47
Das ist dann auch wieder das narzisstische Thema, was man allgemein so ein bisschen
1:27:47–1:27:50
als schlecht, hochnäsig, arrogant hinstellt.
1:27:50–1:27:55
Aber in Wahrheit ist es natürlich so, dass jeder auch einen konstruktiven Narzissmus in sich hat.
1:27:55–1:27:59
Sich hat. Das ist in der Regel sogar allein durch die Scham,
1:27:59–1:28:03
die man so hat, schon mit angelegt, dass wir uns schön machen.
1:28:03–1:28:05
Deswegen ist es auch, dass wir nach was aussehen wollen.
1:28:06–1:28:10
Und bei Menschen, die diese Scham verloren haben und die auch keinen konstruktiven
1:28:10–1:28:11
Narzissmus mehr an sich,
1:28:11–1:28:16
also sich selber nicht mehr kleiden oder sich einfach nicht mehr kümmern um
1:28:16–1:28:20
Hygiene und so, das ist dann eher auch schon was, was man im ersten Kontakt
1:28:20–1:28:24
gleich sieht und bewertet und was dann auch und dann eher auf die Straße.
1:28:24–1:28:29
Also wenn man Narzissmus gar nicht mitbringt in so einer konstruktiven Form,
1:28:29–1:28:32
dann ist es auf alle Fälle auch schwieriger, mit Menschen in Kontakt zu treten.
1:28:32–1:28:33
Also es ist nicht alles negativ.
Florian Clauß
1:28:35–1:28:38
Ja, also nochmal zurück zu Harry Potter-Spiegel.
1:28:39–1:28:43
Ein Spiegel, der auch die Idee besteht, dass alle Reflektionen,
1:28:43–1:28:46
die in dem Spiegel dann so jemals aufgetaucht sind,
1:28:46–1:28:50
dass die dann auch irgendwo von dem Spiegel dann gemerkt werden,
1:28:50–1:28:58
dass er diese Bilder speichert oder bei Harry Potter halt quasi so Welten zeigt,
1:28:58–1:29:03
die jetzt noch nicht eingetreten sind, also dann so als so ein Propheteierungstool,
1:29:03–1:29:11
ja, also so eine Wahrsagerei wird häufig auch dann Spiegel eingesetzt als ein Relikt.
1:29:12–1:29:18
Also man Man sieht, der Spiegel ist da sehr vielfältig in der Sagenkultur.
Micz Flor
1:29:22–1:29:29
Jetzt gehen wir dann für die nächste Folge, gehen wir dann eben weiter in deine Märchenkategorien.
1:29:29–1:29:32
Da gehen wir dann von Schneewittchen zu Rotkäppchen.
1:29:34–1:29:37
Und gleichzeitig haben Sachen, die wir jetzt schon angeführt haben,
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die finden dann erst einen theoretischen Hintergrund.
1:29:40–1:29:43
Werden da vielleicht erst erklärt. Und trotzdem habe ich für mich das Gefühl,
1:29:43–1:29:46
dass ich in dieser Folge jetzt schon ein bisschen weiter bin als bei Rotkäppchen,
1:29:46–1:29:51
was das Märchenthema angeht, indem ich mich ein bisschen mehr noch Erich Fromm
1:29:51–1:29:56
anschließe, der beim Märchendeutung auch sagt, es geht immer darum,
1:29:56–1:30:00
was diese Bedeutung für die Person hat, also wenn wir Traumdeutung machen.
1:30:01–1:30:05
Es geht nicht um generelle Archetypen, es geht nicht nur um verdrängte Sexualität,
1:30:05–1:30:08
sondern es geht darum, dass die Dinge auch zukunftsgerichtet sein können,
1:30:08–1:30:11
dass da Bilder entstehen können, die einem auch helfen können,
1:30:11–1:30:13
da auch konstruktive Anteile drin sein können.
1:30:13–1:30:16
Und bei Märchen, und das hast du ja auch schon mal gesagt, warum wird dieses
1:30:16–1:30:20
Märchen immer noch vervielfältigt, umgeschrieben, neu aufgelegt?
1:30:21–1:30:26
Das ist dann auch so ein bisschen ein Zeichen einfach, dass Märchen wie Träume
1:30:26–1:30:29
für die Gesellschaft funktionieren und scheinbar in der Gesellschaft das einfach
1:30:29–1:30:30
noch eine Anbindung findet.
1:30:30–1:30:35
Und das fand ich jetzt noch mal ganz spannend. Auch die Sachen,
1:30:35–1:30:39
die du gehört hast, hatte ich noch nie gehört, die du mitgebracht hast,
1:30:39–1:30:40
Kosmologie und so, fand ich die Teilchen.
Florian Clauß
1:30:40–1:30:44
Ja, ja, da gibt es halt wirklich viele Erklärungsansätze. Guck mal,
1:30:44–1:30:48
hier können wir in den Bus steigen, oder?
Micz Flor
1:30:48–1:30:50
41er. 41er, wo fährt der lang?
Florian Clauß
1:30:52–1:30:54
Sonnenallee, da haben wir Platz. Ja, dann nehmen wir den doch.
1:30:55–1:31:00
Also Mitch, das war meine Episode, wo du einen ganz maßgeblichen Teil von getragen hast.
Micz Flor
1:31:01–1:31:03
Vielen Dank für die Vorbereitung. Ich hab eine Sache vergessen,
1:31:03–1:31:07
die mach ich, bevor wir schlussendlich rein. Diese drei Formen des Narzissmus.
1:31:07–1:31:10
Das eine ist das, was man gemeinhin so als ...
1:31:14–1:31:18
Als blasierte, arrogante, vielleicht auch aggressive ... Person wahrnimmt.
1:31:18–1:31:20
Das Zweite ist die Kehrseite dessen, das Depressive.
1:31:21–1:31:25
Die Person hat keine Depression, sondern ihr Selbstwertgefühl ist implodiert,
1:31:25–1:31:30
in sich zusammengefallen, eher eine Folge von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung
1:31:30–1:31:34
ist, aber sich auf der Symptomebene im ersten Anschein als Depression äußert,
1:31:34–1:31:39
was aber trotzdem einfach anders behandelt werden müsste, wenn man genauer hinschaut.
1:31:39–1:31:44
Und das Dritte, was jetzt ein bisschen eben auch das Thema für die Stiefmutter gewesen wäre,
1:31:44–1:31:50
ist der maligne Narzisst oder Narzisstin, das ist die Persönlichkeitsstörung,
1:31:50–1:31:55
in der dann zusätzlich eben auch noch Dinge dazukommen, die dazukommen,
1:31:55–1:31:57
die dazu führen, dass diese Person einfach...
1:31:59–1:32:03
Profil, was man früher Psychopath genannt hat. Also dieses Serialkiller-Ding
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so mit reinbringen, dass die dann eben smart anwesend sind, aber eben ohne moralische Bremsen.
1:32:13–1:32:17
Die dann wirklich eben auch ihre Tochter töten, bloß weil die schöner ist als sie.
Florian Clauß
1:32:17–1:32:21
Okay, das war jetzt eigentlich Podcast Episode 34.
1:32:22–1:32:26
Wir sind hier auch durch so einen periferen Teil von Neukölln gelaufen.
1:32:26–1:32:29
Ich fand es ganz spannend, auch wenn wir dann nicht durch die Kleine Garten
1:32:29–1:32:34
Zwiebeln gekommen sind, um dann hinten Richtung Köpenick weiter zu laufen.
1:32:36–1:32:40
Aber ihr könnt die Tracks sehen auf eigentlich-podcast.de, die wir gelaufen
1:32:40–1:32:43
sind. Da kriegt ihr auch mehr Informationen, Shownotes und so weiter.
1:32:43–1:32:48
Ja, wir sagen Tschüss, bis zum nächsten Mal. Ich hoffe, ihr konntet ein bisschen was mitnehmen.
1:32:49–1:32:53
Wir setzen auf jeden Fall in der nächsten Episode die Märchenreihe fort und
1:32:53–1:32:56
werden sicher auch das hin und wieder aufgreifen.
Micz Flor
1:32:58–1:33:02
Dem kann ich nichts mehr hinzufügen, nur noch ein herzliches Tschüss. Tschüss!

Das Märchen Schneewittchen trägt bei Grimm den Index KHM 53. Nach dem Aarne-Thompson-Uther-Index (ATU) ordnet sich Sneewittchen mit der Nummer ATU 709 in die Gruppe „Andere übernatürliche Geschehnisse ATU 700–749“ ein, gleich neben den Sagen „Der Vater, der seine Tochter heiraten wollte“ und „Die Schwester von neun Brüdern“. Der ATU schafft mit der Sammlung von europäischen Sagen und Märchen noch mal eine bessere Vergleichbarkeit über die einzelnen Ländergrenzen hinaus.

In diesem Gespräch geht es um das Märchen Schneewittchen und verschiedene Interpretationen und Veränderungen im Laufe der Zeit. Wir erfahren, dass die Gebrüder Grimm eine niederdeutsche Version des Märchens veröffentlicht haben, in der eine Königin eifersüchtig auf die Schönheit von Schneewittchen ist und einen Jäger beauftragt, sie zu töten. Schneewittchen entkommt jedoch und findet Zuflucht bei den sieben Zwergen. Die Königin unternimmt mehrere Versuche, Schneewittchen zu töten, aber jedes Mal wird sie gerettet. Schließlich vergiftet die Königin Schneewittchen mit einem Apfel und sie fällt in einen todesähnlichen Schlaf, aus dem sie nur durch einen Kuss eines Prinzen erwacht.

Es gibt interessante Unterschiede in den verschiedenen Versionen des Märchens, zum Beispiel die verschiedenen Rollen der Zwerge. In einigen Versionen sind sie Diebe, Räuber, Riesen oder Elfen. Es ist auffällig, dass die Rolle der Stiefmutter erst später ins Märchen eingeführt wurde und dass in älteren Versionen die leibliche Mutter Schneewittchen misshandelt.

Die Rolle der Frau in Schneewittchen spiegelt das traditionelle Gesellschaftsbild wider, in dem Frauen erwartet wird, sich um den Haushalt zu kümmern, schön zu sein und eine bestimmte Rolle auszufüllen. Schneewittchen erfüllt diese Erwartungen während ihres Aufenthalts bei den Zwergen. Sie wird gewissermaßen als ein Accessoire betrachtet, das geduldet wird, solange es seine vorgegebene Rolle erfüllt. Dies erinnert an die Vorstellung der Frau als dienendes Wesen und verdeutlicht den männlichen Blick auf Frauen in der Gesellschaft.

Der magische Spiegel im Märchen hat eine tiefere Bedeutung, die in der modernen Welt relevant ist. Der Spiegel wird zum einen mit der Selbstreflexion und der Entwicklung von Eigenliebe in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang werden die verschiedenen Ausprägungen des Narzissmus besprochen. Zum anderen kann er als eine Art Vorläufer der modernen Medien und der Selfie-Kultur angesehen werden. Der Spiegel scheint eine objektive Instanz zu sein, die die Wahrheit sagt. Er symbolisiert die Art und Weise, wie moderne Medien Informationen über das äußere Erscheinungsbild liefern und damit die Selbstwahrnehmung beeinflussen. Dies wird durch die Motivation der Königin, ihre Tochter umzubringen, um ihre eigene Schönheit zu bewahren, verdeutlicht. Dies erinnert an die heutige Praxis des Filterns und Retuschierens von Selfies in sozialen Medien, um ein idealisiertes äußeres Bild darzustellen.

Die Entwicklung der Fotografie und das Porträtieren sind weitere Aspekte, die in Schneewittchen reflektiert werden. Die Einführung der Fotografie um 1850 revolutionierte die Porträtmalerei und demokratisierte die Möglichkeit, gesellschaftliche Bilder zu fixieren. Dies erinnert an den gläsernen Sarg, der Schneewittchen im Märchen einfriert. In der heutigen Zeit kann der gläserne Sarg als eine Art Instagram-Fotografie angesehen werden.

Die Liebesgeschichte zwischen Schneewittchen und dem Prinzen wirft die Frage nach der wahren Natur der Liebe und Erkenntnis auf. Der Prinz verliebt sich nur in ein Spiegelbild, genauso wie die Königin, die sich selbst im Spiegel betrachtet. Beide verhaften einer äußeren Schönheit. Erst durch körperlichen Kontakt wird Schneewittchen wieder zum Leben erweckt, und sie akzeptiert bereitwillig die gesellschaftliche Rolle, die von ihr erwartet wird.

Hier der orginale Text des Märchens Sneewittchen aus dem Jahre 1812:

Sneewittchen (Schneeweißchen).

Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel, da saß eine schöne Königin an einem Fenster, das hatte einen Rahmen von schwarzem Ebenholz, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe in dem Weißen so schön aussah, so dachte sie: hätt ich doch ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarz wie dieser Rahmen. Und bald darauf bekam sie ein Töchterlein, so weiß wie der Schnee, so roth wie das Blut, und so schwarz wie Ebenholz, und darum ward es das Sneewittchen genannt.

Die Königin war die schönste im ganzen Land, und gar stolz auf ihre Schönheit. Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle Morgen und fragte:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?“

da sprach das Spieglein allzeit:

„Ihr, Frau Königin, seyd die schönste Frau im Land.“

Und da wußte sie gewiß, daß niemand schöner auf der Welt war. Sneewittchen aber wuchs heran, und als es sieben Jahr alt war, war es so schön, daß es selbst die Königin an Schönheit übertraf, und als diese ihren Spiegel fragte:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?“

sagte der Spiegel:

„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber Snewittchen ist noch tausendmal schöner als Ihr!“

Wie die Königin den Spiegel so sprechen hörte, ward sie blaß vor Neid, und von Stund an haßte sie das Sneewittchen, und wenn sie es ansah, und gedacht, daß durch seine Schuld sie nicht mehr die schönste auf der Welt sey, kehrte sich ihr das Herz herum. Da ließ ihr der Neid keine Ruhe, und sie rief einen Jäger und sagte zu ihm: „führ das Sneewittchen hinaus in den Wald an einen weiten abgelegenen Ort, da stichs todt, und zum Wahrzeichen bring mir seine Lunge und seine Leber mit, die will ich mit Salz kochen und essen.“ Der Jäger nahm das Sneewittchen und führte es hinaus, wie er aber den Hirschfänger gezogen hatte und eben zustechen wollte, da fing es an zu weinen, und bat so sehr, er mögt ihm sein Leben lassen, es wollt nimmermehr zurückkommen, sondern in dem Wald fortlaufen. Den Jäger erbarmte es, weil es so schön war und gedachte: die wilden Thiere werden es doch bald gefressen haben, ich bin froh, daß ich es nicht zu tödten brauche, und weil gerade ein junger Frischling gelaufen kam, stach er den nieder, nahm Lunge und Leber heraus und bracht sie als Wahrzeichen der Königin mit, die kochte sie mit Salz und aß sie auf, und meinte sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen.

Sneewittchen aber war in dem großen Wald mutterseelig allein, so daß ihm recht Angst ward und fing an zu laufen und zu laufen über die spitzen Steine, und durch die Dornen den ganzen Tag: endlich, als die Sonne untergehen wollte, kam es zu einem kleinen Häuschen. Das Häuschen gehörte sieben Zwergen, die waren aber nicht zu Haus, sondern in das Bergwerk gegangen. Sneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich: da stand ein Tischlein mit sieben kleinen Tellern, dabei sieben Löfflein, sieben Messerlein und Gäblein, sieben Becherlein, und an der Wand standen sieben Bettlein neben einander frisch gedeckt. Sneewittchen war hungrig und durstig, aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemüs und Brod, trank aus jedem Gläschen einen Tropfen Wein, und weil es so müd war, wollte es sich schlafen legen. Da probirte es die sieben Bettlein nach einander, keins war ihm aber recht, bis auf das siebente, in das legte es sich und schlief ein.

Wie es Nacht war, kamen die sieben Zwerge von ihrer Arbeit heim, und steckten ihre sieben Lichtlein an, da sahen sie, daß jemand in ihrem Haus gewesen war. Der erste sprach: „wer hat auf meinem Stühlchen gesessen?“ Der zweite: „wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“ Der dritte: „wer hat von meinem Brödchen genommen?“ Der vierte: „wer hat von meinem Gemüschen gegessen?“ Der fünfte: „wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen?“ Der sechste: „wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?“ Der siebente: „wer hat aus meinem Becherlein getrunken?“ Darnach sah der erste sich um und sagte: „wer hat in mein Bettchen getreten?“ Der zweite: „ei, in meinem hat auch jemand gelegen?“ und so alle weiter bis zum siebenten, wie der nach seinem Bettchen sah, da fand er das Sneewittchen darin liegen und schlafen. Da kamen die Zwerge alle gelaufen, und schrieen vor Verwunderung, und holten ihre sieben Lichtlein herbei, und betrachteten das Sneewittchen, „ei du mein Gott! ei du mein Gott! riefen sie, was ist das schön!“ Sie hatten große Freude an ihm, weckten es auch nicht auf, und ließen es in dem Bettlein liegen; der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen, bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum. Als nun Sneewittchen aufwachte, fragten sie es, wer es sey und wie es in ihr Haus gekommen wäre, da erzählte es ihnen, wie seine Mutter es habe wollen umbringen, der Jäger ihm aber das Leben geschenkt, und wie es den ganzen Tag gelaufen, und endlich zu ihrem Häuslein gekommen sey. Da hatten die Zwerge Mitleiden und sagten: „wenn du unsern Haushalt versehen, und kochen, nähen, betten, waschen und stricken willst, auch alles ordentlich und reinlich halten, sollst du bei uns bleiben und soll dir an nichts fehlen; Abends kommen wir nach Haus, da muß das Essen fertig seyn, am Tage aber sind wir im Bergwerk und graben Gold, da bist du allein; hüt dich nur vor der Königin und laß niemand herein.“

Die Königin aber glaubte, sie sey wieder die allerschönste im Land, trat Morgens vor den Spiegel und fragte:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?“

da antwortete der Spiegel aber wieder:

„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier:
aber Sneewittchen, über den sieben Bergen ist
noch tausendmal schöner als Ihr!“

wie die Königin das hörte erschrack sie und sah wohl, daß sie betrogen worden und der Jäger Sneewittchen nicht getödtet hatte. Weil aber niemand, als die sieben Zwerglein in den sieben Bergen war, da wußte sie gleich, daß es sich zu diesen gerettet hatte, und nun sann sie von neuem nach, wie sie es umbringen könnte, denn so lang der Spiegel nicht sagte, sie wär die schönste Frau im ganzen Land, hatte sie keine Ruh. Da war ihr alles nicht sicher und gewiß genug, und sie verkleidete sich selber in eine alte Krämerin, färbte ihr Gesicht, daß sie auch kein Mensch erkannte, und ging hinaus vor das Zwergenhaus. Sie klopfte an die Thür und rief: „macht auf, macht auf, ich bin die alte Krämerin, die gute Waare feil hat.“ Sneewittchen guckte aus dem Fenster: „was habt ihr denn?“ – „Schnürriemen, liebes Kind,“ sagte die Alte, und holte einen hervor, der war von gelber, rother und blauer Seide geflochten: „willst du den haben?“ – Ei ja, sprach Sneewittchen, und dachte die gute alte Frau kann ich wohl hereinlassen, die meints redlich; riegelte also die Thüre auf und handelte sich den Schnürriemen. „Aber wie bist du so schlampisch geschnürt, sagte die Alte, komm ich will dich einmal besser schnüren.“ Sneewittchen stellte sich vor sie, da nahm sie den Schnürriemen und schnürte und schnürte es so fest, daß ihm der Athem verging, und es für todt hinfiel. Darnach war sie zufrieden und ging fort.

Bald darauf ward es Nacht, da kamen die sieben Zwerge nach Haus, die erschracken recht, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen fanden, als wär es todt. Sie hoben es in die Höhe, da sahen sie, daß es so fest geschnürt war, schnitten den Schnürriemen entzwei, da athmete es erst, und dann ward es wieder lebendig. „Das ist niemand gewesen, als die Königin, sprachen sie, die hat dir das Leben nehmen wollen, hüte dich und laß keinen Menschen mehr herein.“

Die Königin aber fragte ihren Spiegel:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?“

der Spiegel antwortete:

„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber Sneewittchen bei den sieben Zwergelchen
ist tausendmal schöner als Ihr.“

Sie erschrack, daß das Blut ihr all zum Herzen lief, da sie sah, daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. Darnach sann sie den ganzen Tag und die Nacht, wie sie es doch noch fangen wollte, und machte einen giftigen Kamm, verkleidete sich in eine ganz andere Gestalt, und ging wieder hinaus. Sie klopfte an die Thür, Sneewittchen aber rief: „ich darf niemand hereinlassen;“ da zog sie den Kamm hervor, und als Sneewittchen den blinken sah und es auch jemand ganz fremdes war, so machte es doch auf, und kaufte ihr den Kamm ab. „Komm ich will dich auch kämmen,“ sagte die Krämerin, kaum aber stack der Kamm dem Sneewittchen in den Haaren, da fiel es nieder und war todt. „Nun wirst du liegen bleiben,“ sagte die Königin, und ihr Herz war ihr leicht geworden, und sie ging heim. Die Zwerge aber kamen zu rechter Zeit, sahen was geschehen, und zogen den giftigen Kamm aus den Haaren, da schlug Sneewittchen die Augen auf, und war wieder lebendig, und versprach den Zwergen, es wollte gewiß niemand mehr einlassen.

Die Königin aber stellte sich vor ihren Spiegel:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land!“

der Spiegel antwortete:

„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber Sneewittchen, bei den sieben Zwergelchen
ist tausendmal schöner als Ihr!“

Wie das die Königin wieder hörte, zitterte und bebte sie vor Zorn: „so soll das Sneewittchen noch sterben, und wenn es mein Leben kostet!“ Dann ging sie in ihre heimlichste Stube, und niemand durfte vor sie kommen, und da machte sie einen giftigen, giftigen Apfel, äußerlich war er schön und rothbäckig, und jeder der ihn sah, bekam Lust dazu. Darauf verkleidete sie sich als Bauersfrau, ging vor das Zwerghaus und klopfte an. Sneewittchen guckte und sagte: „ich darf keinen Menschen einlassen, die Zwerge haben mirs bei Leibe verboten.“ „Nun, wenn Ihr nicht wollt, sagte die Bäuerin, kann ich euch nicht zwingen, meine Aepfel will ich schon los werden, da, einen will ich euch zur Probe schenken.“ – „Nein, ich darf auch nichts geschenkt nehmen, die Zwerge wollens nicht haben.“ – „Ihr mögt Euch wohl fürchten, da will ich den Apfel entzwei schneiden und die Hälfte essen, da den schönen rothen Backen sollt Ihr haben;“ der Apfel war aber so künstlich gemacht, daß nur die rothe Hälfte vergiftet war. Da sah Sneewittchen, daß die Bäuerin selber davon aß, und sein Gelüsten darnach ward immer größer, da ließ es sich endlich die andere Hälfte durchs Fenster reichen, und biß hinein, kaum aber hatte es einen Bissen im Mund, so fiel[1] es todt zur Erde.

Die Königin aber freute sich, ging nach Haus und fragte den Spiegel:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land?“

da antworte er:

„Ihr, Frau Königin, seyd die schönste Frau im Land!“

„Nun hab ich Ruhe“ sprach sie, „da ich wieder die schönste im Lande bin, und Sneewittchen wird diesmal wohl todt bleiben.“

Die Zwerglein kamen Abends aus den Bergwerken nach Haus, da lag das liebe Sneewittchen auf dem Boden und war todt. Sie schnürten es auf, und sahen, ob sie nichts giftiges in seinen Haaren fänden, es half aber alles nichts, sie konnten es nicht wieder lebendig machen. Sie legten es auf eine Bahre, setzten sich alle sieben daran, weinten und weinten drei Tage lang, dann wollten sie es begraben, da sahen sie aber daß es noch frisch und gar nicht wie ein Todter aussah, und daß es auch seine schönen rothen Backen noch hatte. Da ließen sie einen Sarg von Glas machen, legten es hinein, daß man es recht sehen konnte, schrieben auch mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf und seine Abstammung, und einer blieb jeden Tag zu Haus und bewachte es.

So lag Sneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und verweste nicht, war noch so weiß als Schnee, und so roth als Blut, und wenns die Aeuglein hätte können aufthun, wären sie so schwarz gewesen wie Ebenholz, denn es lag da, als wenn es schlief. Einmal kam ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und wollte darin übernachten, und wie er in die Stube kam und Sneewittchen in dem Glassarg liegen sah, auf das die sieben Lichtlein so recht ihren Schein warfen, konnt er sich nicht satt an seiner Schönheit sehen, und las die goldene Inschrift und sah, daß es eine Königstochter war. Da bat er die Zwerglein, sie sollten ihm den Sarg mit dem todten Sneewittchen verkaufen, die wollten aber um alles Gold nicht; da bat er sie, sie mögten es ihm schenken, er könne nicht leben ohne es zu sehen, und er wolle es so hoch halten und ehren, wie sein Liebstes auf der Welt. Da waren die Zwerglein mitleidig und gaben ihm den Sarg, der Prinz aber ließ ihn in sein Schloß tragen, und ließ ihn in seine Stube setzen, er selber saß den ganzen Tag dabei, und konnte die Augen nicht abwenden; und wenn er aus mußte gehen und konnte Sneewittchen nicht sehen, ward er traurig, und er konnte auch keinen Bissen essen, wenn der Sarg nicht neben ihm stand. Die Diener aber, die beständig den Sarg herumtragen mußten, waren bös darüber, und einer machte einmal den Sarg auf, hob Sneewittchen in die Höh und sagte: „um so eines todten Mädchens willen, werden wir den ganzen Tag geplagt,“ und gab ihm mit der Hand einen Stumpf in den Rücken. Da fuhr ihm der garstige Apfelgrütz, den es abgebissen hatte, aus dem Hals, und da war Sneewittchen wieder lebendig. Da ging es hin zu dem Prinzen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden thun sollte, als sein liebes Sneewittchen lebendig war, und sie setzten sich zusammen an die Tafel und aßen in Freuden.

Auf den andern Tag ward die Hochzeit bestellt, und Sneewittchens gottlose Mutter, auch eingeladen. Wie sie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und sprach:

„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land!“

da antwortete er:

„Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier,
aber die junge Königin ist tausendmal schöner als Ihr!“

Als sie das hörte, erschrack sie, und es war ihr so Angst, so Angst, daß sie es nicht sagen konnte. Doch trieb sie der Neid, daß sie auf der Hochzeit die junge Königin sehen wollte, und wie sie ankam, sah sie, daß es Sneewittchen war; da waren eiserne Pantoffeln im Feuer glühend gemacht, die mußte sie anziehen und darin tanzen, und ihre Füße wurden jämmerlich verbrannt, und sie durfte nicht aufhören bis sie sich zu todt getanzt hatte.

https://de.wikisource.org/wiki/Sneewittchen_(Schneewei%C3%9Fchen)_(1812)

1 Kommentar zu „EGL034 Schneewittchen: vom Narzissmus bis zur Selfie-Culture

  1. Mir ist ein Flüchtigkeitsfehler unterlaufen. In meinen elektronischen Notizen bekam „Mag. phil. Katrin Alas“ den komplizierten Nachnamen „Alasangestrebter“. Ihr könnt bei Minute 23:53 hören, wie ich mir die Zunge verknote. Wenn man‘s weiß, springt einen das Wort „angestrebter“ an. Im Lampenfieber des Podcastings nicht. Oder heißt es Mikrofieber bei Audioaufnahmen? So oder so: es bringt mich sehr zum Lachen, wie ich versuche den Namen korrekt, wertschätzend und fast ehrfürchtig auszusprechen — und dann das 🙂 Ich bitte bei Frau Alas um Entschuldigung.

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