EGL058 The Zone of Interest Teil 1: Der Holocaust und die Täter

„Die Menschen, die in Treblinka, Belzec oder Sobibor ankamen, wurden innerhalb von zwei oder drei Stunden getötet und ihre Leichen verbrannt. Der Beweis sind nicht die Leichen, der Beweis ist die Abwesenheit von Leichen.“ Claude Lanzmann

In diesem ersten Teil zu "The Zone of Interest" sprechen wir erstmal nicht über den 2023 erschienen Film von Jonathan Glazer. Wir wollen einige Themen als Vorbereitung vertiefen, um den Film im zweiten Teil besser einordnen zu können. Wir steigen mit dem Themenstrang Holocaust ein, wobei Flo einen persönlichen Zugang wählt: wann waren wir erstmals mit diesem dunklen Kapitel der Geschichte konfrontiert? Wann haben wir zum ersten Mal eine Ahnung von der Monstrosität des Holocaust bekommen? Während wir uns über unsere persönlichen und familiären Geschichten austauschen, laufen wir durch das Denkmal für die ermordeten Juden und kommen an der Hannah-Arendt-Straße auf die Banalität des Bösen zu sprechen. Wie konnte so etwas Schreckliches passieren? Flo erzählt Szenen aus dem Film "Shoah" von Claude Lanzman, der 1985 erschien. Der Film ist ein einzigartiges Zeitdokument, in dem Augenzeugen des Holocaust ihre Geschichten und Erfahrungen berichten. Lanzman hat dabei konsequent auf historisches Material verzichtet und stellt in seinen Interviews mit Opfern und auch Tätern immer wieder scharfe Nachfragen, um ein präzises Bild von den Massenmorden in den Konzentrationslagern zu bekommen. Der Film fasst über 11 Jahre Arbeit auf 9 Stunden zusammen und entwickelt so eine Collage an persönlichen Geschichten, die eine Ahnung über die Ausmaße der Shoah vermitteln kann. Im zweiten Themenstrang vertiefen wir uns weiter in historische Filmwerke über den Holocaust, über Filme direkt nach dem Krieg wie "Die Mörder sind unter uns", über Produktionen aus den 60ern und 70ern bis zu "Schindlers Liste" von 1993. Dabei gehen wir der Frage nach, wie sich das Täterbild verändert hat und besprechen die Inszenierungen des Undarstellbaren. Für die 2000er stellen wir fest, dass uns Filme über die Täter wie "Der Untergang" nicht so interessieren, dafür aber Produktionen wie "Das Leben ist schön" und "Inglourious Basterds" stark emotionalisieren. Flo möchte noch einen weiteren Bogen aufspannen, um für "The Zone of Interest" die Figur Rudolf Höß besser verstehen zu können. Der Dokumentarfilm "The Act of Killing" von 2011 porträtiert eine Gruppe von Tätern in Indonesien, die an dem Massaker an kommunistischen und chinesischen Einwohner 1965-1966 nach einem Militärputsch beteiligt waren. Der Film zeigt die Täter von damals wie sie heute in einem inszenierten Reenactment die Rollen von Opfern und Tätern nachspielen ohne dabei eine Spur von Reue zu entwickeln. Micz vertieft dieses Thema mit der Frage, ob es aus psychologischer Sicht eine Tätertraumatisierung gibt. Auch hier zeigt sich ein Bedeutungswandel von der Einstellung, dass Täter nicht traumatisiert werden können hin zu neueren Annahmen, dass ein traumatisierendes Ereignis bei den Beteiligten eine Persönlichkeitsveränderung bis -störung auslösen kann. Mit diesem dichten Themenstrauß beenden wir die 1. Folge auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof am Grab von Bertold Brecht. Mit dieser Folge haben wir unsere thematischen Vorbereitungen abgeschlossen, um mit der nächsten Folge in den Film "The Zone of Interest" von Jonathan Glazer einsteigen zu können. Wir machen gleich weiter mit der Aufnahme, aber fürs erste sollte das erstmal reichen

Shownotes

Mitwirkende

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Florian Clauß
Erzähler
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Micz Flor

Transcript

Micz Flor
0:00:05–0:00:20
Hallo und willkommen zur Folge 58 von Eigentlich Podcast.
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Die Folge hat Flo wieder vorbereitet, deshalb sage ich die ersten Worte.
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Und wir machen auch heute wieder, das will ich gerne vorneweg sagen,
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quasi eine Double Feature, was wir in einem Schwung aufnehmen.
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Flo hat ganz viel vorbereitet ich bin etwas zittrig ob des themas und weiß nicht
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wie du es einleiten möchtest du es los geht auf jeden fall hast du auch eine
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strecke ausgesucht die das thema mit einleitet wenn nicht sogar begleitet.
Florian Clauß
0:00:52–0:00:59
Ja hallo auch von mir wir sind eigentlich-podcast auf eigentlich-podcast.de
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Da könnt ihr sehen, wo wir langgelaufen sind.
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Wir haben uns am Potsdamer Platz getroffen und ich bin auch ein bisschen nervös wegen des Themas.
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Wir wollen das Denkmal der ermordeten Juden besuchen und diese beiden Podcast-Folgen,
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die ich jetzt vorbereitet habe,
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werden sich um den Holocaust, um die Shoah und dann im zweiten Teil um Zone of Interest.
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Drehen. Das war auch so der Ausgangspunkt, Zone of Interest,
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das ist der Film von Jonathan Glaser, der letztes Jahr erschienen ist, 2023,
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und der mich sehr bewegt hat, am Anfang nicht,
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aber dann beim drüber nachdenken immer mehr, und der mich dann auch so weit
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bewegt hat, dass ich immer tiefer in dieses dieses, wie konnte das passieren, abgestiegen bin.
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Also, wie ist der Holocaust, wie war das möglich, dieses unglaubliche Verbrechen
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an die Menschheit, wie ist das passiert?
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Und da ist viel drüber geschrieben, gesagt und so weiter.
0:02:15–0:02:19
Deswegen bin ich da, glaube ich, auch zwischen lauter losen Enden,
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die ich hier auch für mich selber im Kopf aufgeworfen habe und werde mich da
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so ein bisschen dran langhangeln.
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Und weiß ich nicht, also ich werde auch da so eher so persönliche Zugänge wählen,
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wo mich Sachen bewegt haben.
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Was mich besonders bewegt hat, ist eben, wie sich tatsächlich der Holocaust
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dann auch so passieren konnte, habe ich ja schon gesagt,
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aber wie der sich dann auch wirklich so industrialisiert hat.
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Das ist das, was man immer so an diesem ganzen Rand, also an dem Schulwissen,
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was man mitbekommen hat, ja auch dann lernt, die Industrialisierung,
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das Holocaust und die Konzentrationslager, vor allen Dingen Birkenau und Auschwitz,
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wo dann eben der ganze Massenmord so passiert ist.
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Ja, ich habe so verschiedene Einstiege in das Thema und wahrscheinlich werden
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das jetzt keine Einstiege, sondern ich werde das auch so immer wieder aufwerfen in der Folge jetzt.
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Ein Einstieg war auch, dass wenn man so ein bisschen rückblickend drauf guckt auf das Ereignis.
Micz Flor
0:03:35–0:03:38
Wie könnte man sonst drauf gucken?
Florian Clauß
0:03:39–0:03:45
Ja, rückblickend im Sinne von wie, wann bin ich jetzt als Person?
Micz Flor
0:03:45–0:03:46
In der eigenen Biografie.
Florian Clauß
0:03:46–0:03:49
Ich war schon eben im Schulunterricht.
Micz Flor
0:03:49–0:03:52
Du meintest quasi nie in einem historischen, wissenschaftlichen Kontext,
0:03:52–0:03:54
sondern in der eigenen Biografie.
Florian Clauß
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Genau, danke fürs Klarstellen. Also in der eigenen Biografie,
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dann wäre auch meine Frage an dich.
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Wann bist du denn da mit diesem Thema irgendwie mal so konfrontiert worden?
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Wahrscheinlich in der Schule.
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Es gab dann wahrscheinlich auch, also es war üblich dann auch,
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dass man irgendwelche Gedenkstätten besucht hat oder ins KZ gefahren ist. Wie war das denn bei dir?
Micz Flor
0:04:28–0:04:32
Das sind so viele Sachen. Also ich weiß noch, dass es in der Grundschule einfach
0:04:32–0:04:34
auch so Witze gab, so auch mit einem Hitler.
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Und ich weiß ja noch, dass meine Tochter in der zweiten Klasse auf einmal singend
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ankam und sagte, leise rieselt der Schnee auf die deutsche Armee.
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Gott sei Dank, Hitler ist tot. Trump ist der neue Vollidiot.
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Das war dann so das Lied, was sie mitgebracht hat. Und da war so alles so ein
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bisschen durcheinander. Und danach kam dann, Haribo macht Kinder froh und Erwachsene.
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Eben so doch irgendwas mit, stirbst du gern mit Haribo wegen Zucker oder so.
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Also das war so Teil von so einem Kanon von Grundschulsachen,
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die man dann so mitbekommen hat.
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Und da erinnere ich mich auch noch, also es gab halt diese Fritzchen-Witze.
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Also der klassische Fritzchen-Witz, an den ich mich erinnere,
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war halt irgendwie, Fritzchen geht halt oben auf den Dachboden und guckt in
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den Kocher und findet dann so ein Foto.
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Und da drauf sieht er seinen Opa als jungen Mann, der halt so zwischen anderen
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Männern steht und so die Hand zum verbotenen Gruß hebt.
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Und dann geht er runter und sagt dann, Opa.
Florian Clauß
0:05:38–0:05:42
Sagst du jetzt extra nicht Hitlergruß oder warum sagst du verbotener Gruß?
Micz Flor
0:05:42–0:05:45
Ich möchte den Namen so viel als möglich.
Florian Clauß
0:05:45–0:05:46
Okay, das finde ich gut, ja.
Micz Flor
0:05:46–0:05:49
Und dann geht
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da drunter zum opern sagt er hier was aber opa das gesagt
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dass mir nichts zu tun gehabt und jetzt finde ich hier dieses foto und da
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sagt der in hessisch ich komme ja ich bin ja nicht hesse geboren aber ich komme
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aus dem hessische südhessisch odenwald und dann wurde das halt dann so erzählt
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dass der opa dann sagte so ich habe damit nichts zu tun gehabt ich bin halt
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einfach dabei die ganze leute gewesen und da hat er gesagt wollte den totalen
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krieg und ich Ich habe so gesagt,
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Moment mal und hat halt dabei die Hand gehoben.
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Das war dann so, das ist so, das ist der Kontext, in dem es passiert ist.
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Dann hat mein Opa, der auch Mitglied der NSDAP war,
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wie sich dann erst auch, da war ich dann schon später Teenager,
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um die 20 rum, also für mich wurde das erst besprochen in der Familie, auch nachdem er tot war.
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Und einer seiner Brüder, glaube ich, war auch irgendwas Höheres in der Partei,
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wurde aber auch nicht so gesprochen.
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Muss ich zugeben, habe ich jetzt auch nicht mehr selber angesprochen und nachgefragt.
Florian Clauß
0:06:54–0:06:57
Ist das der Vater von deiner Mutter oder von deinem Vater?
Micz Flor
0:06:57–0:07:01
Ja, von meiner Mutter. Und da war es dann so, dass...
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Dass der dann auch so früh immer zu mir, als so nach der Pubertät,
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wo ich dann, ich bin ja nicht groß, ich bin 1,83, ich glaube,
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das ist heute eher so unterer Mittelfeld, aber mein Opa immer ganz störend gesagt,
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oh, Gardemaß, Gardemaß.
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Das heißt, das Militärische war irgendwie so da, aber es war nicht früh wirklich greifbar.
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Und ich weiß halt auch nicht, wie man das Kind greifen konnte.
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Und ich weiß auch noch, als es dann in der Schule drankam, dann war das so ein
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Thema, wo ich ehrlicherweise auch nicht wirklich emotionalen Zugang bekam,
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sondern eher gelernt habe, wie man sich dazu zu verhalten habe.
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Das sage ich mal, das klingt jetzt vielleicht doof, ich finde es aber nicht falsch, das zu wissen.
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Weil verhalten sprechen das sind ja
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alles auch akte und deshalb ist
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die richtige sprache genauso wie das
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richtige verhalten immer auch
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in form von zwischenmenschlichem sein
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sage ich mal so aber da das ist
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wirklich in seiner gänze ich kann
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es nicht ich kann nicht genau den finger drauf halten aber irgendwie aus dem
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diffusen wust entwickelt das militärische das
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natürlich dann auch die auch in
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darmstadt da in der nähe wo ich gewohnt habe der darmstadt gibt es auch
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immer noch da wurde der der angriff auf dresden wurde in darmstadt geprobt von
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den alliierten das heißt das wurde glaube ich weiß gar nicht mehr wann das genaue
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datum war was wurde komplett die innenstadt verwüstet ganz viele neue gebäude
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ganz wenig alte gebäude und da bin ich so auf aufgewachsen, wechselt er halt
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so rein und weiß nicht genau,
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ob das jetzt, also wo das herkommt.
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Das heißt, ich muss sagen, es ist ein Puzzlestück in der eigenen Biografie,
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wo ich jetzt nicht genau sagen kann, im Prinzip wie sexuelle Aufklärung auch.
Florian Clauß
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Das ist auf einmal passiert, ja. Gab es dann irgendwo noch für dich so nennenswerten
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Aussprachen mit deinen Eltern, oder wo du auch Fragen stellen konntest,
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wie war das, wie war das mit Opa?
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Kannst du dich daran erinnern oder war das dann auch eher kein Thema?
Micz Flor
0:09:15–0:09:27
Also die beiden Großväter, also die Großmütter waren ja dann quasi erstmal so
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unschuldig, waren ja die Frauen, nicht die Männer.
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Und bei den Männern waren es halt zwei unterschiedliche Geschichten.
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Der Vater, also der Opa väterlicherseits, der war in russischer Kriegsgefangenschaft
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und kam lange nach dem Krieg erst.
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Mein Vater kannte den erst, glaube ich, auch schon mit Grundschulalter, ich weiß nicht genau.
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Das heißt, da war es dann eher so die Folgen des Krieges, die diese Familie
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bedroht und bedrängt haben.
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Und bei meinem Großvater väterlicherseits kam dann eben auch noch,
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dass der aus Sudeten-Deutschland kam und von dort natürlich auch dann nicht
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mehr oder da nicht mehr zu hin konnte,
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weil Kriegsgefangene, weil das ja dann
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auch jetzt tschechien ist und das war dann auch viele jahre später erst dass
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ich damals so ganz bewusst da war und diese ganzen kleinen bunker gesehen habt
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ihr auch in diesem diesen gebieten so vergraben sind wirklich so ein mann bunker um irgendwelche,
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kolonne oder so aufzuhalten das ist es ist jetzt so verwoben mit vielen dingen
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dass es quasi kein keinen Strich gibt in der Familie, wo man sagt,
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jetzt gucken wir mal zurück,
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sondern gefühlterweise geht es immer noch weiter.
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Also zum Beispiel diese Nachkriegsaufbereitung.
Florian Clauß
0:10:46–0:10:50
Also quasi so nach dem Krieg dann sich erstmal wieder zu sortieren.
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Und ich glaube, das war auch viel, weil es war auch so eine Generationserfahrung,
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dass natürlich unter dieser Mauer, dass natürlich überall noch Nazis rumliefen in der Gesellschaft,
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diese Aufbereitung überhaupt nicht passiert ist, weil jetzt ging es erstmal
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darum, um jetzt in Anführungsstrichen Deutschland aufzubauen.
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Das war ja so der, deswegen sind die 50er Jahre, glaube ich,
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da sehr geprägt von diesem Schweigen über den Holocaust.
Micz Flor
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Ja, ich glaube, das geht bei meiner Familie auf alle Fälle mütterlicherseits.
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Da gibt es noch mehr Onkel und Tante, da gab es, die sind jetzt auch gestorben.
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Aber die Situation da so war, dass mir das natürlich, diese ganze Flucht,
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dann Sudetendeutschland weg,
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DDR-Gebiet, DDR nach Westen, Richtung Ruhrpott, von dort dann nach Südhessen,
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dass das alles so Bewegungen waren, die ich nicht anders kannte.
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Also es gab halt kein Zuhause. Ich habe halt nie diesen Akzent gesprochen,
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wenn ich vorhin den Witz in Hessisch erzählt habe.
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Aber dann wurde mir später auch erst klar dass diese ganze familie mütterlicherseits
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auch irgendwie so nach dem krieg verschleudert wurde sag ich mal also gibt es
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nicht die sind dann auch alle irgendwie im ruhrpott gelandet und weitergezogen
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also total versplittert das gibt,
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Ein Cousin, eine Cousine hier in Berlin, die ich jetzt auch einmal gesehen habe,
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aber auch nur, weil meine Mutter es so inszeniert hat.
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Also dieses Gefühl, versprengt zu sein, sowieso als Sprenkel,
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aber auch wirklich so, als ob man vulkanmäßig so Wumms aus dem Ganzen rausgeschleudert wurde.
Florian Clauß
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Gut, aber das ist jetzt deine biografische Erfahrung quasi jetzt nach Kriegsende.
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Da ist ja so auch dann die Zerschlagung der Täternation, was dann eben da mit reinwirkt.
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Das Vertreiben, dann auch eben die Besatzung und so weiter.
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Das ist ja nochmal die Frage vielleicht, wo hast du zum ersten Mal so emotional
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diese Ausmaße des Holocaust für dich erlebt? Kannst du das in deiner Biografie festmachen?
Micz Flor
0:13:04–0:13:10
Ein Freund von mir, der Till, der war ein Jahr lang in Amerika und hatte da so Gast.
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Also wie Chris, der jetzt unser Sommerloch-Gast war, der auch.
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Der hatte dann nach diesem ein Jahr eben so Gasteltern aus Amerika, die kamen zu Besuch.
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Und mit denen waren wir dann halt in Darmstadt. Das war die Stadt,
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wo ich meinte, wo ich eben groß geworden bin.
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Und da standen wir dann vor so einer Baulücke. Und dann haben die gefragt, warum ist da kein Haus?
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Und dann hat irgendjemand von der Erwachsenheit gesagt, ja, weil hier ist eine
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Bombe gefallen und das ist noch vom Krieg, dieses Loch.
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Und dann waren die auf einmal ganz ruhig, die Amerikaner waren quasi ganz ruhig
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und haben Fotos gemacht von diesem Loch, also von der Abwesenheit von Stadt, mitten in der Stadt.
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Und da, muss ich zugeben, hatte ich vielleicht wirklich zum ersten Mal so ein
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Gefühl, dass das da ist und nicht nur...
Florian Clauß
0:13:57–0:14:01
Also der Krieg quasi, also die Wirkung des Krieges.
Micz Flor
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Das war das erste Mal, wo ich das wirklich körperlich erlebt habe.
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Und dann auch so ein bisschen mit Verwirrung und Scham, dass ich das gar nicht sehen konnte.
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Also ich kenne halt diese Baulücke und dann gab es halt so improvisierte Schotterparkplätze,
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wo ich dann auch dachte, ah ja, da standen mal Häuser, die wurden nie wieder aufgebaut.
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Und dann gibt es halt diesen improvisierten Parkplatz.
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Die dann kamen und dass dieser Satz dann fiel und dass die dann auf einmal in,
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verwirrte Stille gerieten. Und das gar nicht so, die konnten das nicht greifen
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und damit konnte ich es zum ersten Mal greifen.
Florian Clauß
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Also das war dann, wo es zum ersten Mal so emotional für dich wurde,
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dass es eine Form angenommen hat, die dich auch betrifft.
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Also ich glaube, das ist das, wo sich das von der Schule unterschieden hat,
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wo man dann irgendwelche Fakten gelernt hat, die erstmal überhaupt nicht spürbar
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waren, dass 6 Millionen Juden dann eben umgebracht wurden. Das sind ja so Zahlen, die okay sind.
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Also um jetzt meine Geschichte zu erzählen, das war dann so,
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wo ich natürlich dieses Wissen hatte und auch dann auch so generell eher kritisch
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war gegenüber Deutschland.
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Also ich hatte dann auch in der Schule dieses Aktion Sühnenzeichen gab es ja
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für so eben auch so für Opferhilfen und dass man dann nach, es gab eine organisierte Reise nach Israel,
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die ich da mitgemacht habe und ich habe auch Hebräisch gelernt in der Schule.
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Deswegen kam ich dann halt auch zu dieser Reise und deswegen hatte ich auch
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so einen Bezug zu Israel und dass ich war auf so einer katholischen Schule.
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Das war auch dann eben christlich organisiert und das war dann auch so ein Ordensaustausch
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mit irgendeinem anderen Orden da in Israel und zwar natürlich auch dann sehr
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christlich, aber wir sind dann, das war so Anfang 90er, wir sind dann nach Yad Vashem gegangen.
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Das ist dann diese Gedenkstätte von, über den Holocaust oder Shoah,
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also im israelischen, hebräischen wird es Shoah genannt.
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Wir machen eher, wir nennen das eher Holocaust, wobei das aber kein eingedeutschtes
0:16:11–0:16:12
Wort ist, sondern amerikanisches.
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Das war dann quasi in den 50ern dann hat sich der Holocaust als Begriff,
0:16:16–0:16:17
also singulär als Begriff.
0:16:18–0:16:23
Ermordung der Juden dann so durchgesetzt, weil das auch dann in diesen Prozessen
0:16:23–0:16:27
als Wort verwendet wurde und dann irgendwann wurde es dann halt auch von Hannah
0:16:27–0:16:30
Arendt, wir sind hier in der Hannah Arendt Straße, wurde es dann auch so in
0:16:30–0:16:32
das Vokabular, in das Theoretische.
0:16:33–0:16:38
Eingefasst, dass Holocaust eigentlich synonym steht für die Massenvernichtung von den Juden.
0:16:38–0:16:43
Und dann war ich in Yad Vashem und dann kommt man natürlich da in diese Bilder
0:16:43–0:16:48
rein, wo du diese Diese, auch ähnlich wie in Auschwitz, ich meine mich zu erinnern,
0:16:48–0:16:52
diese ganzen Artefakte, was dann die Menschen hinterlassen hatten.
0:16:52–0:16:56
Also die Taschen, die Kleidung, die Schuhe und so weiter.
0:16:56–0:17:02
Aber dann gab es da so eine Ecke, wo dann so Zeichnungen aus Auschwitz ausgestellt waren.
0:17:02–0:17:06
Und da war dann halt so mein Tag in Auschwitz und das waren halt so Kinderzeichnungen,
0:17:06–0:17:08
die halt dann wirklich so gezeichnet haben.
0:17:08–0:17:12
Und dann gehe ich dann da hin und wasche mich oder wie auch immer.
0:17:12–0:17:16
Also es war so fast eine Normalität, wo ich dann auf einmal mit Erschrecken
0:17:16–0:17:19
irgendwie überhaupt nicht das übereinander bringen konnte, weil für mich waren
0:17:19–0:17:23
das immer so inhaftierte, es waren so gesichtslose Massen.
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Auf einmal bekam das dann so ein kindliches Gesicht, was mich so ergriffen hat,
0:17:28–0:17:31
wo ich das überhaupt nicht dann erstmal so verstehen konnte,
0:17:31–0:17:35
was da passiert ist und dann erstmal so die Tragweite dann wirklich so gespürt habe.
0:17:36–0:17:38
Und das ist mir dann so eingebrannt, wo ich dann gemerkt habe,
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okay, das sind jetzt wirklich so Kinder gewesen.
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Und das habe ich vorher überhaupt nicht so verstanden. Und dann auf einmal hat
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sich da so ein Schlag aufgetan und das hat mich dann halt so erschüttert.
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Ja, das war so der Punkt, wo ich dann, also ich glaube, was man auch bei diesen
0:17:55–0:17:59
ganzen Massenmorden, und ich glaube, wir kommen immer wieder auf den Punkt zurück,
0:17:59–0:18:03
weil das auch dann später bei Zone of Interest ja auch entscheidend ist.
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Gesichtslose, also dieses Ermorden von unglaublichen Massen,
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wo dann aber jeder Einzelne, von dem so eine Individualität hat und so eine
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persönliche Geschichte, die aber in dieser,
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Breite so völlig verloren geht und deswegen ist es halt so wichtig da und da
0:18:21–0:18:26
ist auch die Stiftung Yad Vashem macht sich ja da auch so, ist da so stark drin,
0:18:26–0:18:28
dass dann alle Biografien gesammelt werden,
0:18:28–0:18:32
dass die ganzen Namen auch irgendwo festgeschrieben sind, die da umgekommen sind,
0:18:32–0:18:37
dass dass es nicht zu einem gesichtslosen Ereignis wird.
0:18:38–0:18:42
Und das ist, glaube ich, dass da überall so individuelle Schicksale hinterstehen,
0:18:42–0:18:51
die aber in so einer Massivität in den Tagen von Birkenau,
0:18:51–0:18:56
als dann wirklich so die ganze Massenvernichtungsmaschinerie so angelaufen hat,
0:18:56–0:18:59
wurden ja teilweise bis zu 10.000 Menschen pro Tag umgebracht.
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Ja, also das wird ja beschrieben, wie dann halt ein Waggon nach dem anderen
0:19:03–0:19:06
oder so Waggons von 25 dann ausgeladen wurden.
0:19:06–0:19:11
Und zwei Stunden später waren halt irgendwie 2000 Menschen dann tot und schon verbrannt.
0:19:11–0:19:15
Also es ist ja so, das kann man sich ja nicht irgendwie, das kann man nicht fassen.
0:19:15–0:19:17
Das ist, finde ich, so jedes Mal.
0:19:17–0:19:20
Und das hat mich auch jetzt in der Beschäftigung mit dem Thema wieder so.
0:19:22–0:19:33
Also wir sind jetzt hier in dem Mahnmal, das Denkmal der ermordeten Juden. Das wurde 2005 erbaut.
0:19:34–0:19:39
Und von Lea Roche. Es hat ein langer Prozess, bis das hier wirklich entstanden
0:19:39–0:19:41
ist. Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnern kannst.
0:19:43–0:19:48
Es war dann so, dass 88, ich glaube in den 80er Jahren hat es schon angefangen
0:19:48–0:19:52
von der Idee, dass man hier ein Denkmal errichten sollte.
0:19:52–0:19:57
Und ich weiß auch noch, als wir damals mit Convex TV dann auch diese Diskussion,
0:19:57–0:20:03
also unsere Radiogruppe von damals in den 90ern, da hatte Silvan einen Beitrag
0:20:03–0:20:06
gemacht über, über wie könnte man ein Denkmal gestalten.
0:20:06–0:20:09
Da gab es halt so verschiedene Ausschreibungen, da war das in der Ausschreibungsphase.
0:20:09–0:20:15
Und ein Entwurf eines Denkmals, ich weiß nicht mehr genau, von wem der kam,
0:20:15–0:20:19
aber das fand ich sehr spektakulär als Idee.
0:20:19–0:20:24
Nämlich, dass eben die Mittelsäule des Brandenburger Tors rausgenommen wird.
0:20:25–0:20:29
Also, dass man quasi nichts dem Platz hinzufügt, sondern was wegnimmt,
0:20:29–0:20:34
aber was ganz Zentrales wegnimmt. Und das fand ich, das ist dann natürlich nicht
0:20:34–0:20:38
geworden, aber das fand ich so stark, dieser Entwurf.
Micz Flor
0:20:41–0:20:46
Es ist auch interessant, weil ich hatte ja vorhin dieses zerbrummte Haus,
0:20:46–0:20:50
das ist ein ganz anderes Thema, aber dieser Moment, in dem eine Lücke sichtbar
0:20:50–0:20:55
wird, die natürlich auch durch die Ermordung von Millionen von Menschen in der
0:20:55–0:20:59
Gesellschaft entstanden ist, in dem man aber irgendwie, wo man gar nicht hingucken
0:20:59–0:21:01
will und auch was du sagst, das ist interessant,
0:21:01–0:21:07
dass man quasi eine Form der Erinnerung schafft, indem man etwas erschafft.
0:21:10–0:21:13
Und da ist ja dann auch wieder was Konstruierendes drin anstatt.
0:21:13–0:21:17
Und das ist wirklich eine interessante Idee, das Gegenteil zu tun und zu sagen,
0:21:17–0:21:18
da nehmen wir jetzt was weg.
0:21:19–0:21:21
Lass uns was fehlen, weil es fehlt was.
Florian Clauß
0:21:22–0:21:28
Ja, weil eben auch so viel Kultur durch diesen Holocaust verloren gegangen ist.
0:21:29–0:21:31
Also nicht nur Individuen, sondern auch Kultur.
0:21:31–0:21:35
Es ist ja wirklich so eine Auslöschung, die Auslöschung des Judentums,
0:21:36–0:21:37
des europäischen Judentums.
0:21:37–0:21:44
Und das war ja dann erst, also es wurde ja dann in Aktion mit Aktion Reinhardt,
0:21:44–0:21:50
ich weiß nicht den Begriff, das war ja nach der Eroberung der Ostgebiete durch die Nazis,
0:21:51–0:21:58
war ja erstmal dann überhaupt die Fläche da, was dann als Euphemismus mit Entlösung einging.
0:21:59–0:22:03
Das heißt da auch die Ermordung quasi so in Gang zu setzen.
0:22:03–0:22:08
Da hatten die Konzentrationslager auch so einen Bedeutungswandel.
0:22:08–0:22:12
Es wurde schon immer gemordet, getötet und so weiter, aber ab diesem Punkt,
0:22:12–0:22:15
und das war dann im Prinzip die Wannsee-Konferenz, wo es dann nicht um die Frage ging,
0:22:15–0:22:20
denn die war schon längst gestellt und gelöst, die war schon in den Zwanzigern
0:22:20–0:22:25
von Hitler schon so klar formuliert und von den Nazis und geht dann noch weiter zurück.
0:22:26–0:22:29
Aber wo dann in der Wannsee-Konferenz nochmal ganz eindeutig gesagt wurde,
0:22:29–0:22:34
wie wir das organisatorisch machen und wie das dann halt ausgeführt wird.
0:22:34–0:22:38
Das war ja dann so die Wannsee-Konferenz, die dafür den Startschuss gegeben hat.
0:22:38–0:22:44
Dann fing es an mit unterschiedlichen Konzentrationslagern, es gab Belsak heißt
0:22:44–0:22:46
das glaube ich oder Belsäck das Konzentrationslager,
0:22:46–0:22:49
das war so in der Nähe von, also es war so im Süd,
0:22:49–0:22:59
östlich in Polen und das waren auch dann so Versuchsbereiche,
0:22:59–0:23:02
wo dann erst mal so, wie machen wir das in großem Maß?
0:23:02–0:23:05
Und da wurden halt bestimmte Sachen erprobt.
0:23:05–0:23:11
Ich nehme jetzt die Informationen, das war auch die Vorbereitung zu diesem Podcast.
0:23:12–0:23:15
Ich steige jetzt nochmal kurz hier aus und will nochmal sagen,
0:23:15–0:23:17
wo ich jetzt mein Feld abstecke.
0:23:17–0:23:25
Ich habe dann mich auch mit Filmen, in denen dann eben Täterbilder aus der NS-Zeit inszeniert werden.
0:23:25–0:23:30
Das war eigentlich mein eigentlicher Einstieg, aber das fand ich dann nicht so passend.
0:23:31–0:23:35
Dann habe ich einen Streitraum mit Carolin Emke.
0:23:35–0:23:42
Die macht in der Schaubühne dieses Format Streitraum, wo sie verschiedene Leute einlädt.
0:23:42–0:23:46
Und wo dann ein Thema dann bearbeitet wird.
0:23:46–0:23:51
Und sie hatte dann halt auch zu Zone of Interest eingeladen, so zwei Gäste.
0:23:52–0:23:56
Und dann ging es um Gewalt im Film, ja, Gewaltdarstellung im Film.
0:23:56–0:23:59
Und dann sind die einzelnen Filme, da sind die gar nicht so sehr in Zone of
0:23:59–0:24:02
Interest reingegangen, sondern sind die einzelnen Filme durchgegangen.
0:24:02–0:24:08
Das war dann eben auch Shoah, dieser Film von Claude Lanzmann, der 1985 rauskam.
0:24:08–0:24:11
Und den habe ich mir angeguckt, das ist ein neunstündiger Film.
0:24:11–0:24:16
Ich habe mir den ersten Teil, der ist in zwei Teilen, also viereinhalb Stunden, angeguckt.
0:24:16–0:24:21
Und diese Berichte, also was ich jetzt von diesem Konzentrationslager Belzec
0:24:21–0:24:26
erzähle und auch Treblinka, das sind quasi Augensonnenberichte,
0:24:26–0:24:29
die dann in dem Film, das können wir auch nochmal ausführlicher über den Film
0:24:29–0:24:31
reden, aber jetzt nochmal so als Übersicht.
0:24:32–0:24:38
Eben direkt, denn so das von Wirt, also von diesem Kommandanten war das das,
0:24:39–0:24:43
Experimentlager, wo die dann halt angefangen haben, ja die haben festgestellt okay,
0:24:43–0:24:47
wenn wir jetzt hier die Leichen vergraben, dann stinkt es halt in der Kantine,
0:24:47–0:24:51
das ist dann nicht aushaltbar wie machen wir das, also wirklich so organisatorisch
0:24:51–0:24:54
wo setzen wir die ein, sondern hier verbrennen wir, hier begraben wir,
0:24:54–0:24:58
hier verschießen wir und dann halt solche Sachen dann halt erstmal so erprobt wurden,
0:24:58–0:25:03
das wurde dann auf Triplinka, der eine Eine Augenzeuge hat das so berichtet,
0:25:03–0:25:05
dass Belzec dann quasi das Labor war.
0:25:05–0:25:11
Treblinka war die primitive Fließmann des Todes und Auschwitz war die Fabrik.
0:25:11–0:25:15
Also diese Optimierungsstufen Richtung Böckenau und Auschwitz,
0:25:15–0:25:18
als dann Böckenau 42 gebaut wurde, dann hatten die die Erfahrung von Treblinka.
0:25:19–0:25:23
Und da war es halt katastrophal, weil die halt dann diese Aktion Reinhardt losging
0:25:23–0:25:28
und eben diese Ermordung dieser ganzen osteuropäischen Juden dann so beschlossen wurde.
0:25:28–0:25:33
Und die wurden alle dann erst mal nach Triplinka, da gab es einen totalen Overload
0:25:33–0:25:38
von, die konnten halt einfach nicht so schnell ermorden, wie die Leute eingetroffen
0:25:38–0:25:40
sind. Das war wohl katastrophal, die Zustände da.
0:25:40–0:25:45
Die wurden dann einfach nur so verschippt unter der Erde.
0:25:45–0:25:49
Und es war dann so, dass dann so viele Leichen, so viel Gas entwickelt hat,
0:25:49–0:25:52
dass die ganze Erde dann halt quasi aufgebläht ist.
0:25:52–0:25:56
Und die gar nicht mehr dahinterher kamen, da die Leichen von dem Platz zu schaffen.
0:25:56–0:25:59
Und dann kam Würden, hat das besucht, hat dann stoppt und dann gab es halt diese
0:25:59–0:26:05
Ideen von, dass man so rotierende Krematorium, was dann halt auch in dem Film
0:26:05–0:26:08
Zone of Interest dann gesprochen wird, dass man halt irgendwie Krematorium,
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wo dann halt eine Kamera auskühlt, die andere Kamera dann mit dem Gut bestückt.
0:26:12–0:26:16
Das ist auch wieder so ein Euphemismus, also das heißt, da werden dann halt
0:26:16–0:26:21
die Menschen verbrannt und dann die Asche wird von den anderen Kammern ausgezogen.
0:26:21–0:26:24
Da wurden so Optimierungsmaßnahmen, also es war dann halt wirklich so eine,
0:26:24–0:26:28
man darf sich ja so rückwirken, rückblickend kommst du dann halt an und denkst,
0:26:28–0:26:32
das war schon immer so ein Plan, aber das hat sich erst mal so aufgebaut.
0:26:33–0:26:36
Und das war auch so dieser Horror, den man dann erst mal so mitbringt.
0:26:36–0:26:39
Dass man das so erprobt und schaut, okay, wie können wir das jetzt noch verbessern?
0:26:40–0:26:45
Und dann gibt es ja natürlich auch so dieses Täterbild von diesem sadistischen
0:26:45–0:26:51
deutschen Offizieren, die dann eben auch gefoltert und so weiter hat.
0:26:51–0:26:53
Aber die müssen nicht alle so gewesen sein.
0:26:53–0:26:56
Das ist halt so auch das, was man dann so... Es gibt dann halt für jeden,
0:26:56–0:27:01
es ist ein Multikausal, es gibt für jeden Täter verschiedene Rollen, ja.
0:27:01–0:27:04
Ja, um in dieses Getriebe dann halt, dass es auch in diesem Ausmaß,
0:27:04–0:27:06
in diesem gesellschaftlichen Ausmaß überhaupt passieren konnte,
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gab es halt auch verschiedene Rollen, die dafür gesorgt haben und die auch bestimmte
0:27:11–0:27:12
psychologische Profile bedient haben.
0:27:12–0:27:19
Das ist auch das, was wir dann später bei Höss sehen, dass er ja jetzt nicht so der sadistische,
0:27:19–0:27:24
also dass er da so einen Sadismus ausgelebt hat, sondern eher so keine Empathie
0:27:24–0:27:29
entwickeln konnte, also wenn man da jetzt irgendwie so ein Psychogramm entwickeln möchte.
0:27:29–0:27:33
Und dann gab es natürlich aber auch die ganzen Sadisten, die dann halt wirklich
0:27:33–0:27:39
die Ermordung und die Durchführung dieser ganzen Folter und sowas durchgezogen haben.
0:27:39–0:27:42
Also es gab so unterschiedliche Rollen, die das dann halt auch so getragen haben.
0:27:42–0:27:48
Und dann gab es halt wirklich so diese Kommandanten, die halt bestimmte Schritte
0:27:48–0:27:53
in die Wege geleitet haben, um dann halt irgendwie solche Optimierungsmaßnahmen dann zu ziehen.
0:27:53–0:27:57
Und überhaupt, diese Konzentrationslager waren ja nur ein temporäres.
0:27:58–0:28:01
Also sie sollten ja nur temporär so lange bis dann halt wirklich die auslöschung
0:28:01–0:28:05
durch war ja und jetzt sind die aber so fest in der geschichte drin dass sie
0:28:05–0:28:09
nie wieder weg gehen das finde ich auch so stark also gerade.
Micz Flor
0:28:09–0:28:13
Die idee wir können ja mal so ein bisschen der lassen wir reden und laufen dann
0:28:13–0:28:17
können wir nicht im gps hier auch noch einfach die pfade abbilden und jeder
0:28:17–0:28:21
der dann auf diese folge guckt sagt dann was ist das denn wo sind die denn da
0:28:21–0:28:26
ja weil die stehlen zwischen dem jetzt laufen jetzt gerade sind etwa so drei meter hoch,
0:28:27–0:28:30
die zwingen einen eben auch nur in bestimmte richtigen laufen
0:28:30–0:28:33
zu können und es ist
0:28:33–0:28:39
noch tag und hell ist nicht beleuchtet gerade aber die menschen die hier durchlaufen
0:28:39–0:28:44
man ist dann irgendwie ein paar sekunden ganz alleine mit den stehlen und dann
0:28:44–0:28:51
sind wieder vier leute die durchlaufen manche kinder die durch rennen und spaß haben ich finde.
Florian Clauß
0:28:51–0:28:56
Es ganz schön was in der Wikipedia steht über dieses Denkmal,
0:28:56–0:28:58
was es bewirken soll oder kann.
0:29:00–0:29:06
Es sollte vielmehr ein individuell erfassbares Erfahrungsfeld in einer Zone
0:29:06–0:29:07
der Instabilität entstehen.
0:29:08–0:29:13
Und ich finde das so sehr gelungen, weil es ist wirklich so ein...
0:29:14–0:29:18
Ein Moment, wo man auch für sich auf einmal zwischen diesen Stählen ist.
0:29:19–0:29:26
Und ich glaube auch, wo einfach alles irgendwie so um einen herum dann einfach weg ist.
0:29:27–0:29:31
Und das ist so eine Zone, so ein Erfahrungsfeld der Instabilität,
0:29:31–0:29:35
finde ich treffend für dieses Denkmal.
Micz Flor
0:29:36–0:29:39
Und ich erinnere mich auch noch, als die gebaut wurden.
0:29:40–0:29:43
Und da kann man jetzt vielleicht einfach sagen wie krass und typisch deutsch
0:29:43–0:29:47
vielleicht dann hat gab es unglaublich viel diskussion über welchen beton man
0:29:47–0:29:49
nimmt ja aber das war hier.
Florian Clauß
0:29:49–0:29:53
Auch warum weil die innen hohl sind und die haben hier ist ja.
Micz Flor
0:29:53–0:29:56
Das stimmt aber es ist halt trotzdem wenn du überlegst wir haben darüber gesprochen
0:29:56–0:30:01
über dieses ingenieurwesen die vernichtung optimieren kann und und eine nicht
0:30:01–0:30:04
unähnliche diskussion wenn du dich erinnerst das lief die ganze zeit darüber
0:30:04–0:30:09
gesprochen über diesen beton den beton hält er wenn er bricht ist der frost
0:30:09–0:30:15
Und das war dann auch eine gewisse Ablenkung vielleicht von dem Gegenstand dessen,
0:30:15–0:30:17
was hier gebaut wurde.
0:30:18–0:30:22
Diese leibliche Erfahrung, was du geschrieben hast, ist schon toll auch,
0:30:22–0:30:26
weil als wir eben stillstanden so für 10, 15 Minuten und geredet haben,
0:30:26–0:30:29
war es manchmal ganz privat.
0:30:29–0:30:34
Und dann, wenn ein Mensch wieder durchkam, dann wurde mir ganz unwohl.
Florian Clauß
0:30:34–0:30:41
Ja, das stimmt. Ich konnte das, glaube ich, auch in dieser privaten Atmosphäre so mit dir teilen.
Micz Flor
0:30:41–0:30:42
Ja, ja.
Florian Clauß
0:30:42–0:30:47
Hier drunter ist nochmal ein Ausstellungsraum. Ich glaube, da ist der Eingang,
0:30:47–0:30:48
aber da brauchen wir jetzt nicht reingehen.
Micz Flor
0:30:49–0:30:53
Ich würde gerne nochmal einmal gerade durchgehen. Willst du beim Tiergarten weitergehen?
Florian Clauß
0:30:53–0:30:59
Ich hatte so ganz grob geplant, dass wir so ein bisschen dann in Richtung Reichstag gehen.
0:30:59–0:31:02
Also, dass wir so ein bisschen diese Eckpunkte der deutschen Geschichte ablaufen.
Micz Flor
0:31:03–0:31:07
Ja, dann ist das ja eine gute Richtung, wenn wir so laufen. Dann haben wir ein bisschen...
Florian Clauß
0:31:07–0:31:08
Können wir dann machen, ja.
Micz Flor
0:31:08–0:31:12
Ist ja auch hier in der Nähe, ist ja der Führerbunker irgendwo da hinten und
0:31:12–0:31:16
ich weiß noch, als ich das mal mitbekommen habe, sind wir dann auch gleich...
0:31:18–0:31:19
Natürlich bei den Filmen.
0:31:22–0:31:27
Dann fand ich das auf einmal so ganz unheimlich, dass die Botschaften der Länder,
0:31:27–0:31:30
also Baden-Württemberg, Hessen und so weiter, die stehen ja so rechts und links Spalier.
0:31:31–0:31:36
Und ich glaube, diese Straße der Länderbotschaften führt quasi direkt auf den
0:31:36–0:31:38
Ort, wo der Führerbunker war.
0:31:38–0:31:41
Das fand ich so eine ganz komische Verbindung.
Florian Clauß
0:31:41–0:31:45
Das ist ja auch dann wieder so die Sache,
0:31:45–0:31:49
dass diese verknüpfung des
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ortes ja also und das
0:31:52–0:31:56
ist auch das was diesen horror
0:31:56–0:32:01
der vernichtung ausmacht das alles ortsnamen sind es ist oranienburg es ist
0:32:01–0:32:06
birkenau es ist auschwitz es sind alles ortsnamen wo diese verbrechen stattgefunden
0:32:06–0:32:10
haben und auf einmal wird es halt so implementiert in dem ort und das heißt
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keiner kann mehr auschwitz ohne diese geschichte mehr sagen oder denken.
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Also das finde ich auch so. Ich meine, da sind wir auch wieder bei diesem Punkt,
0:32:19–0:32:25
dass sich natürlich dann in dem Ort die Erinnerung eingräbt.
0:32:25–0:32:27
Deswegen machen wir ja eigentlich Podcasts.
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Dass mit der Strecke, die wir laufen, während wir reden, dass wir dann auch
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im Nachhinein diese Strecke mit unseren Gedanken verbinden.
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Und wenn ich dann halt ein paar Tage oder Monate später da vorbeikomme,
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weiß ich genau, an welchen an der Stelle, ich was gedacht,
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gesagt oder gehört habe und das ist irgendwo Erinnerung und das ist das,
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was den Film Schoah so stark macht von Claude Hansmann,
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weil er nämlich komplett, ganz bewusst auf alle historischen Dokumente verzichtet hat und er.
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Er hat keine Fotos oder irgendwas gezeigt von dem Holocaust,
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von den Opfern oder Tätern, sondern er hat alles wirklich vor Ort teilweise
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mit den Leuten durchgesprochen und die einzelnen Menschen da hingeführt und
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dann, was sie aus ihren Erinnerungen erzählt haben.
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Und das war so, aber mit so einer Genauigkeit. Der Film ist 1985 rausgekommen,
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das habe ich, glaube ich, schon gesagt.
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Und der ist über elf Jahre,
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hat den Claude Landsmann gedreht, vorbereitet, Material zusammengetragen und
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hat auch viele Reisen nach Polen gemacht und so weiter und war da eben auch
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mit Zeitzeugen vor Ort und hat dann auch mit der Bevölkerung gesprochen.
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Und auf einmal kriegst du dann wirklich so ein Bild, ah, so, so war das, ja.
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Also so ist das passiert, ja, oder so konnte das passieren. Und dann siehst
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du eine Szene, wo der an dieser Schiene ist, wo der Zug dann quasi in das,
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ich glaube, das war bei Treblinka, reingefahren ist.
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Und der hat sich dann da hingestellt und war mit einem, der dann halt auch da gearbeitet hat.
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Also kein Verfolgter, sondern einer, der dann halt auch da in dem Bahnhof gearbeitet hat.
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Und meinte, dann stand er an so einer Sache und hier war der Zaun und jetzt bin ich in dem Lager.
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Das hat dann schon nach vorne getan. Jetzt bin ich hier aus dem Lager.
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Er hat dann wirklich so haargenau vermessen, wo dann diese Lager lang gelaufen,
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die Grenzen des Lagers, auch wie es da aussah.
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Dann hat er einen anderen rumgeführt, der dann als 12-Jähriger,
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13-Jähriger hat er das überlebt, einer der wenigen, weil er immer für die Nazis.
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Gesungen hat, weil er so eine gute Stimme hatte. Und er war dann halt einer,
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der auch erzählt hat, er ist im Ghetto groß geworden.
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Diese Normalisierung des Leides, was dann passiert. Er ist im Ghetto groß geworden.
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Er ist halt mit toten Körpern auf der Straße, war für ihn Normalität.
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Und deswegen, weil es ging um die Frage, wie konntest du das aushalten?
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Also das heißt, für ihn war das halt völlig normal, dass jemand dann halt tot
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neben ihm zusammengebrochen ist.
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Ja, also diese Verschiebung von der Normalitätslevel,
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ich glaube, das ist psychologisch so ein ganz starkes Fakt, wie überhaupt sowas
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sich dann halt auch zum einen, ich will nicht sagen ertragen,
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aber zumindest wie das dann halt für manche dann halt so eine Normalität geworden
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ist, aus dieser Opferperspektive damit umzugehen.
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Auf der einen Seite, weil es gab noch einen anderen Bericht,
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denn am Anfang bist du erschrocken, meinte der eine, aber nach zwei Tagen war es dann normal.
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Also man hat dann nur noch überleben geguckt und geguckt, wie kannst du da überleben?
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Und ich glaube, diesen Kampf, oder das kriegt man so auch gar nicht mehr irgendwie,
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kann man sich nicht vorstellen.
Micz Flor
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Ja, das kann man sich natürlich nicht vorstellen, weil das ist ja auch,
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also das ist ja dann eben das Existenzielle, die existenzielle Bedrohung,
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so diese Urangst, wenn der Körper und das Ich alles
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defragmentiert ist und du musst dich dann irgendwie wieder zusammenreißen,
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sonst wirst du psychotisch und angstüberflutet.
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Das ist ja dann in der Psyche notwendig und gleichzeitig sind das dann aber
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natürlich auch die Momente,
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wo zum Beispiel Jaspers hat das mal irgendwie gesagt in seiner existenziellen
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Philosophie, hat gemeint, das sind diese Extremsituationen, diese Momente,
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in denen man diesen Vorhang ein bisschen aufbekommt, Und um das,
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in Anführungszeichen, das Eigentliche, wo ich schon so heißen, zu sehen.
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Also dieses Wesenshafte, was man dann wirklich ist. Wie bin ich in so einer Situation?
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Weil alles das, was man sich so vorgestellt hat vorher, das ist eben erst in
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der Situation überhaupt erfahrbar.
Florian Clauß
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Ich glaube, was ich dann auch gerade aus diesem Shoah-Film mitgenommen habe,
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ist, diejenigen, die dann abgeführt in den Waggons waren, die dann in dieses
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Lager kamen, Denen war irgendwie schon relativ klar, dass sie jetzt,
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auch ermordet werden, ja, aber so wie stark die Hoffnung sein kann,
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weiterzuleben, ja, und wie perfide diese Hoffnung ausgenutzt wurde,
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um so eine Industrie zu entwickeln, die halt zum Tode geführt hat,
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ja, also das war dann auch eine
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Szene, wo die dann im Hof von diesem Lager waren, hat dann auch einer.
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Ein Zeitzeuge berichtet, dass dann kam dann halt,
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also es ist halt, dieses Lager ist schlecht gelaufen ja weil
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immer wieder ist zu zusammenbrüchen kam
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ja und dann kam und dann kam halt
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ein ich glaube das war sogar wird von dem berichtet wurde er kam dann in das
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lager meinte hat sich dann vor dieser menge aufgestellt hat gesagt so die gerade
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eingeführt die gerade zusammengeführt wurden aus den waggons und meinte soja
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wir wollen euch jetzt also wir wollen mit euch seid Ihr seid nützlich,
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ihr müsst weiter arbeiten.
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Und dann hat er so in einer irgendwie, was bist du denn für ein Beruf?
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Und dann meinte er, ich bin Tischler.
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Super, Tischler brauchen wir. Und was machst du denn? Ja, ich bin Schneider.
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Ja, machen wir. Super, brauchen wir.
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Und dann, ja, wir wollen euch jetzt nur desinfizieren. Deswegen zieht doch mal
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die Klamotten aus und dann können wir euch da hinten desinfizieren.
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Und daraufhin waren alle so gelöst. Er hat dann wirklich beschrieben,
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dass diese Stimmung dann gelöst war.
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Und die Menschen, die Klamotten ausgezogen haben, die Kleidung.
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Und dann natürlich vergast wurden und ermordet wurden.
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Und dann meinte der Kommandant so, siehste, so macht man das,
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damit man die Kleider noch weiterverwenden kann.
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Also mit was für psychologischen Tricks dann gearbeitet wurde,
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um da so eine totale Ausbeutung, Ausschlachtung, bis auf diese völlige Verdinglichung von den Opfern.
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Nicht nur im Kapitalistischen, sondern auch im Psychologischen,
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allem, was da irgendwie drin ist.
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Und das ist halt das, was es so singulär macht. Also das ist,
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glaube ich, diese Endlösung der Juden.
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Das ist das, was es so unglaublich einmalig macht in der Form.
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Das ist, glaube ich, das, was da so heraussticht.
Micz Flor
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Das war, glaube ich, dein Wort gerade. Man hat dann einen Kniff,
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damit man das befrieden kann.
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Ich wollte jetzt hier, ich finde den Titel nicht von dem, weil das wollte ich
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noch mit reinnehmen. Das gehört ja, erinnerst du dich auch noch, das wurde gebaut.
Florian Clauß
0:39:34–0:39:39
Das ist das Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.
Micz Flor
0:39:40–0:39:43
Homosexuellen, okay. Das wusste ich nicht mal, ob das erweitert wurde oder umgenannt
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wurde, weil das wurde ja danach nochmal gebaut und das ist ja auch eine Diskussion,
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die dann fortwährend geführt wurde.
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Das waren ja nicht nur jüdische Menschen, sondern es gab ja auch andere Sinti
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und Roma und also wer bekommt ein Denkmal und wer nicht.
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Das wurde ja im Nachgang auch diskutiert und da entstand eben dieses Denkmal auch noch.
Florian Clauß
0:40:06–0:40:13
Ja, das ist mit der Machtübernahme 1933 ist ja dann relativ schnell dieses Konzentrationslager
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Oranienburg stand ja schon.
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Da wurden ja schon dann politisch Andersdenkende auch schon inhaftiert.
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Und dann war für mich so die Frage, wann überhaupt kam diese Idee von Konzentrationslager
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so auf? Wie sind die entstanden?
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Waren die dann halt in den Schubladen von den Nazis und man hat die dann halt
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rausgeholt und jetzt machen wir das?
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Also diese Idee habe ich dann gelernt von dem Konzentrationslager.
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Es bedeutet ja Konzentrationslager ist ja auch wieder so ein Euphemismus,
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das bedeutet, dass du ja Menschen konzentrierst auf einer kleinen Fläche.
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Ja und das hat dann wieder diesen Effekt, dass die bewachbar,
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gut bewachbar sind, weil Menschen, die auf einer kleinen Fläche dann mit weniger
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Personal dann quasi so geleitet werden können. Also deswegen Konzentration, ja.
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Ich weiß nicht, ob das, gibt es sicher noch andere Bedeutungsebenen.
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Aber in Oranienburg war dann auch so eine Auszeichnung von, warum dann bestimmte Inhaftierte waren.
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Also dann hatten zum Beispiel, sind die Roma, hatten so ein schwarzes Dreieck.
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Die Homosexuellen hatten dann so ein pinkes Dreieck bekommen oder lila.
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Ja, und die Juden hatten ein gelbes Dreieck. Also das war dann auch schon wirklich
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so eine Klassifizierung von den Insassen, somit über die Kleidung.
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Und daraus hat sich dann wahrscheinlich auch der Judenstern,
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also die wurden dann halt schon so klassifiziert.
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Und am Anfang war es dann eben Umerziehungslager, es wurden Folter und so weiter in Kauf genommen.
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Aber bis dann wirklich mit der Osterweiterung,
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mit der Ostvereinnahmung von Deutschland, wurde ja dann eben diese Endlösung
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und damit die massenhafte Vernichtung der Juden in die Wege geleitet.
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Und das ist das, was jetzt auch das so prägt.
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Also ich will nur sagen, es hat sich historisch entwickelt.
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Ja, wir springen schon irgendwie so überall rein.
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Das ist auch so, wie ich mir dachte, es gibt so viele Punkte, die mich beschäftigen.
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Und dann springe ich von dem einen ins andere.
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Und wie gesagt, mich hat dieser Showa-Film sehr beeindruckt und mein eigentliches
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Thema sollte ja sein, wie hat sich dann eben das Täterbild in den Filmen,
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In den einzelnen Jahren wird sich das verändert, über den Lauf der Zeit.
Micz Flor
0:42:44–0:42:55
Und jetzt speziell bezogen auf die Tötungsmaschine oder bezogen auf die SS oder
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bezogen auf den Krieg? Oder welche Täter?
Florian Clauß
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Naja, das Bild der Nazis, so allgemein geschrieben. Das Bild der Nazis.
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Im Krieg gab es noch Filme wie Casablanca.
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Wo der 42 gedreht wurde, wo dann auch schon so der Nazi als so ein Böser,
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als ein Monster so gezeichnet wurde.
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Und das war auch, hat sich das so gehalten, relativ lange, so dieses Bild,
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dieses Deutschen als Monster und Böse, ja, das ist nach wie vor,
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glaube ich, noch so in der Welt irgendwo im Subtext mit drin.
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1946, also relativ schnell nach dem Krieg, kam der Film Mörder sind unter uns
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raus mit Hildegard Knef. Ich weiß nicht, hast du den mal gesehen?
Micz Flor
0:43:48–0:43:50
Den habe ich nicht gesehen, aber ich weiß um den Film natürlich.
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Da wird ja auch viel benannt.
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Ich glaube, da gibt es auch, mal gucken, bei bpb.de, glaube ich,
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viel Info, wenn ich mich recht erinnere.
Florian Clauß
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Ja, also da muss ich auch sagen, da bin ich wirklich von der Bundeszentrale
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für politische Bildung.
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Filmdienst.de betreiben die ja auch, auch wo dann Unterrichts-Material.
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Wir hatten das bei Kelly Reichert, First Cow, hatte ich das ja schon mal erwähnt,
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wie super das aufbereitet ist. Da muss ich sagen, da habe ich auch viel Material.
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Dann Zone of Interest ist da auch sehr ausführlich für Schulklassen mit Material
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und so weiter zur Verfügung gestellt.
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Und da gab es halt auch dieses NS-Filme Täterbilder, wo ich auch dann so ein
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paar Infos rausgezogen habe.
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Das habe ich jetzt auch mit in die Shownotes gepackt als Links,
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kann man sich dann nochmal anschauen.
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Sehr empfehlenswert. Und ja, also dieses Mörder sind unter uns.
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Da ist Hildegard Knef, spielt eine Jüdin, die dann überlebt hat in einem KZ.
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Die nach dem krieg ja wo man sich dann so pragmatisch arrangiert hat und ein,
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ja eine soldat der
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vom krieg nach hause gekommen ist die werden
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dann quasi zwangs versetzt zusammen versetzt in einer wohnung weil es nicht
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so genügend wohnraum gibt und dann gefängt so eine liebesgeschichte zwischen
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denen an ja er ist aber sehr verschoben ja er sieht dann zufällig seinen ehemaligen Kommandanten,
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der halt auch so ein gehässiges, also so.
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Fieser Aufseher, Nazi war, den sieht er dann mit seiner Familie glücklich und
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er kriegt dann aber so einen Groll auf ihn, weil er auch immer von ihm gedemütigt
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wurde und beschließt dann, ihn zu ermorden.
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Aber gleichzeitig kriegt das dann eben die Hildegard Knef mit und hält ihn zurück
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in so einer Schlüsselszene.
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Das ist schon bemerkenswert, weil in dem Film geht es schon darum,
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dass dass jetzt keine Selbstjustiz dann halt quasi so ausgeübt werden sollte.
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Also dieser Hass in der Bevölkerung, dass der dann auch nochmal so abgefangen
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wird und da wird auch nochmal so der Blick gesollt auf,
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also dass man da auch entsprechend eine Gerichtbarkeit herstellt,
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dass dann auch eine richtige Verurteilung quasi von Rechts wegen passiert mit
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den Verbrechern von früher.
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Das ist halt so das, was der Film somit als Botschaft dann vermittelt.
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Finde ich ganz interessant, weil der relativ schnell nach dem Kriege dann so produziert wurde.
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Die Rolle der Nazis dann in den 50ern, das hat sich dann auch nicht großartig geändert.
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Das kam dann, 1963 kam ein DDR-Film raus, den habe ich nicht gesehen.
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Nackt unter Wolfen heißt der. Ich weiß nicht, hast du auch nicht?
Micz Flor
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Habe ich auch nicht gesehen, aber ich habe, glaube ich, den Namen gehört,
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aber das kann auch einfach im Rahmen von diesen BBB-Listen gewesen sein.
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Wie war denn deine Auswahl? Also weil, denn deine Film-Auswahl,
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hast du jetzt so eine Liste oder lässt du dich jetzt treiben durch so eine Landkarte
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von Filmen und guckst, wo dein Interesse hingeht?
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Oder wie hast du diese Liste zusammengestellt?
Florian Clauß
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Die kamen so ein bisschen motiviert aus diesem Karolin-Empke-Streitraum,
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wo die dann diese Filme sich auch rausgesucht haben, über die sie geredet haben.
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Das war eigentlich der eigentliche Anlass und ich wollte nochmal zurückgehen
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und ein bisschen gucken, wie es dann eigentlich passiert.
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Also es wurde dann ein bisschen differenzierter betrachtet. Also man kann sagen,
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dass eben ab den 60er Jahren, ab dann eben den Eichmann-Prozess auf der einen Seite in Israel,
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auf der anderen Seite eben der Frankfurter Auschwitz-Prozess,
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das 62 und so weiter, dass dann auch ein differenzierteres Bild von Täter im
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Dritten Reich entstanden ist.
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Ja, natürlich eben auch durch Hannah Arendts Beobachtung beim Eichmann-Prozess,
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und diese Banalität des Bösen, was ich glaube, das sollten wir dann nochmal
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so ein bisschen ausführlicher besprechen.
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Ging dann ab von diesem, das böse Monstrum Nazi, sondern es wurde auf einmal
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so durch die Beobachtung von Hannah Arendt dann nachvollziehbar,
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wie sich das gesellschaftlich ausprägen kann, dass das so viele mitgemacht haben, ja.
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Und das ist ja das, was Bananität des Bösen beschreibt.
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Damit ist auch so viel Beweismaterial dann auch aufgearbeitet worden,
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weil das hat dann halt einfach ein paar Jahre gebraucht, ne.
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In dem Film Schoah wird auch der Historiker Raoul Hilberg interviewt.
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Das ist der, der dieses, also das ist jetzt fast ein Standardwerk,
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die Ermordung der europäischen Juden.
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Das hatte er dann, er war selber, war ja wohl Soldat und kam an historisches Material,
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und hat das dann eben als Geschichtswissenschaftler, hat er dieses Material
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aufbereitet mit ganz vielen historischen Quellen.
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Und aufgrund dessen sind dann auch, oder weil auch natürlich viel,
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viel andere Quellen, also ich glaube dieses, man braucht dann einfach so fünf
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bis acht Jahre, bis man dann überhaupt verstanden hat, was da passiert ist und
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bis man halt auch die entsprechenden Zeugenaussagen hat,
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dann erst konnten quasi die Staatsanwälte losgehen und entsprechende Anklageschriften machen.
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Und dann fingen halt in den 60ern diese
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Prozesse an, Wo dann auch einfach differenzierter da verurteilt wurde.
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Und das war eben, wie gesagt, der Frankfurter Auschwitz-Prozess.
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Und aus diesem Prozess gab es auch eine künstlerische Verarbeitung von Peter Weiß, das Buch.
0:50:00–0:50:02
Die Ermittlung oder ich weiß nicht genau.
Micz Flor
0:50:02–0:50:02
Die Ermittlung, ja.
Florian Clauß
0:50:02–0:50:07
Er hat den Prozess beobachtet und hat dann auch ein Bühnenstück draus gemacht.
0:50:08–0:50:11
Ich weiß gar nicht, das habe ich mir auch nicht weiter angeguckt.
0:50:11–0:50:15
Aber ich finde es jetzt nur interessant, wie das sich dann so ein bisschen geändert hat.
0:50:15–0:50:21
Und es kam dann auch eben wahrscheinlich durch andere Ansätze in der Psychologie
0:50:21–0:50:27
und so weiter, kam ja dann auch ein Täter in der NS-Zeit so ein bisschen mehr psychologisiert.
0:50:27–0:50:30
Also da wurde zum Beispiel, es gab so einen, den hätte ich gerne gesehen,
0:50:30–0:50:32
den Film, aber den habe ich nicht gesehen.
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Aber da gibt es aus den 70ern so einen Film, wo es dann um so eine sadistische
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Beziehung von einem ehemaligen KZ-Aufseher zu einer Frau,
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dann nach, also jetzt nicht im KZ, sondern danach, das so ein Psychodrama ist,
0:50:50–0:50:52
wo dann halt sein Psychodrama ist.
Micz Flor
0:50:52–0:50:52
Wie heißt der?
Florian Clauß
0:50:52–0:50:55
The Night Porter heißt der, von 74.
0:50:57–0:51:01
Und dann, und das war halt so auch bei Carolin Emcke,
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was die als so eine Zäsur in dieser Darstellung von Tätern und Opfern gesehen
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haben, war diese Serie Holocaust,
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das Leben der Familie Weiß oder so heißt das, glaube ich.
0:51:17–0:51:29
Und dann kam 78 raus und das war so ein Ereignis, was weltweit dann auf einmal so, ne, wirklich so das,
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was passiert ist, nochmal in so einer fiktionalen Form.
0:51:35–0:51:39
Ein ganz breites Publikum dann näher gebracht hat, was vorher nicht so war.
0:51:39–0:51:44
Das hat dann auch noch mal andere Anstöße gehabt. Es war dann immer auch die
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Frage Wie kann man das darstellen?
0:51:46–0:51:50
Die hatten dann den Streitraum Ausschnitt aus dieser Serie gezeigt und das war
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schon sehr nach Hollywood.
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So sah das aus. Also es war wirklich so in den Produktionsweisen Schuss gegen Schuss.
0:51:58–0:52:02
Du siehst dann halt irgendwie so die Nazis im Hof raus marschieren und dann
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dann, also es war alles sehr konsumierbar, will ich damit sagen.
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Also dieser Schrecken war dann halt
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auch so für, also war dann halt mit Hollywood-Mitteln dann so erzählt.
0:52:15–0:52:20
Und das haben dann auch alle in diesem Gespräch gesagt, dass das trotzdem dann
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ein Bewusstsein für dieses Thema geschaffen hat, was vorher nicht so da war.
0:52:28–0:52:36
Der Film Schoah natürlich, das ist so ein Meilenstein wirklich so in der Erinnerungskultur.
0:52:36–0:52:38
Da habe ich jetzt schon einiges daraus erzählt.
0:52:39–0:52:46
Und die nächste Sache, die dann halt wirklich so einfach eine neue Erzählweise reingebracht hat.
0:52:46–0:52:51
Und dann geht es ja immer darum, um die Frage der Darstellung.
0:52:51–0:52:56
Da war bei Claude Lanzmann ganz klar, dass er eben,
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wie ich schon sagte, kein historisches Material, er will auch überhaupt das
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Ganze nicht irgendwie fiktional oder im Spielfilm nachgestellt haben und die
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hat dann Spielberg quasi mit Schindlers Liste, das war ja so der Film,
0:53:09–0:53:17
der dann auch mit dem Tabu gebrochen hat, ebenso auch das KZ-Leben dann so darzustellen
0:53:17–0:53:22
das hat er der dann wirklich neue neue bildwelten geschaffen ja und eine neue
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herangehensweise versucht und ich weiß nicht wie war das also du hast ja auch
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dann schon das ist bestimmt im kino gesehen ja.
Micz Flor
0:53:29–0:53:34
Da habe ich in england gelebt in der zeit insofern habe ich den dann auch nur
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mit vor dem kulturellen hintergrund englands mit anderen besprochen,
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Musst du vorhin natürlich dran denken, weil das ist ja dieses eine Bild,
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was du gerade vorhin gesagt hast, mit dem Kniff, die in die Gaskammer zu schicken.
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Da gibt es ja auch diese Szene, wo alle denken, sie sind in der Gaskammer und
0:53:52–0:53:53
dann gehen wirklich Duschen an.
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Wo dann so ein Moment ist, wo das Publikum eben in einer gewissen Art auch verschont wird.
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Ja, ich fand das schon sehr ergreifend im Film und war zum Schluss von der Melodramatik
0:54:05–0:54:10
dann aber so ein bisschen überwältigt, als Schindler dann irgendwie daran verzweifelt,
0:54:10–0:54:11
was er noch hätte alles tun können.
0:54:12–0:54:15
Da gibt es so Momente, ich weiß nicht, warum das dann so drin kam.
0:54:15–0:54:19
Es ist jetzt blöd, so einen Film dann irgendwie jetzt auch zu relativieren,
0:54:19–0:54:27
weil, wie du schon sagst, der hat sich etwas herausgenommen und Spielberg ja
0:54:27–0:54:31
auch seine Popularität da bewusst für dieses Thema eingesetzt,
0:54:31–0:54:33
um diesen Film zu schaffen.
0:54:33–0:54:35
Das war ihm ja auch ein großes Anliegen.
0:54:37–0:54:39
Und gleichzeitig, wie du auch gesagt hast, es ist halt schon ein Film,
0:54:39–0:54:46
von dem man auch so merkt, der versucht nicht, der versucht nur zu erzählen,
0:54:46–0:54:47
der versucht nichts zu finden.
0:54:49–0:54:52
Also das geht ja schon los mit diesem rot gefärbten Mädchen,
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was da so läuft, wo man so das Gefühl hat, okay, das ist einerseits ein großartiges
0:54:56–0:55:01
Bild um eine Person, wie du es auch ja erlebt hast mit dem Kind,
0:55:01–0:55:05
dass man eine Person hat und sich da wirklich darauf fokussieren kann und sich
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darauf beziehen kann, auf diese eine Person und gleichzeitig ist es aber auch
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so ein großer Kunstgriff, der das Ganze gleichzeitig wieder entfremdet.
0:55:12–0:55:14
Er macht ja beides. Also man ist distanziert, weil man sieht,
0:55:16–0:55:20
Kein in Anführungszeichen echtes Bild, sondern man sieht eine veränderte Realität,
0:55:20–0:55:24
die allerdings deshalb verändert wurde, um sich mit der Geschichte hinter der
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Realität irgendwie besser verbinden zu können.
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Also ich kann mich auch nicht mehr so genau erinnern. Ich habe die nur einmal damals gesehen.
0:55:33–0:55:39
Ich war, ich war sehr nicht froh, aber ich fand es gut, dass er da war,
0:55:39–0:55:40
der Film, der gemacht wurde.
0:55:40–0:55:47
Ich könnte jetzt weder die Geschichte genau nacherzählen, noch könnte ich jetzt
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irgendwie in den Filmschaffen der Zeit einordnen.
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Also gar nicht. Aber es war einfach so ein Gefühl, das habe ich noch,
0:55:54–0:55:57
da rauszukommen und das Gefühl zu haben, gut, dass es diesen Film gibt.
Florian Clauß
0:55:58–0:56:02
Ja, nee, das ging mir auch so. Ich war ja sonst, ich war ja sehr kritisch.
0:56:02–0:56:06
Ich war ja dann irgendwie immer sehr anti-Hollywood und so weiter damals und
0:56:06–0:56:10
Spielberg, ach, wie kann der und das und so weiter.
0:56:11–0:56:15
Dann habe ich den Film gesehen im Kino und er hat mich wirklich so emotional ergriffen.
0:56:16–0:56:20
War jetzt aber auch jetzt okay, ging mir so wie dir,
0:56:21–0:56:26
dass ich, also es war einfach gut, es ist gut, dass dieser Film da ist,
0:56:26–0:56:31
weil er doch ganz viel über die Zeit und über die Schrecken erzählt und das
0:56:31–0:56:36
emotional dann auch dem Publikum eben so vermittelt.
0:56:36–0:56:40
Und das ist, glaube ich, das, wo dann auch wieder so Geschichtserzählung anfängt
0:56:40–0:56:44
und einfach eine Aufmerksamkeit in dem Thema drin liegt, die absolut wichtig ist.
0:56:45–0:56:51
Und das konnte er machen, das hat er gemacht. Und deswegen war dann doch so
0:56:51–0:56:57
ein bisschen persönlich mein Bild von dem Schindlers Liste.
Micz Flor
0:56:59–0:57:02
Ja, ich denke gerade so ein bisschen der Blick dann auch auf die nächste Folge
0:57:02–0:57:04
The Zone of Interest natürlich weiter.
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Gibt es ja eine zweite Frage.
0:57:09–0:57:14
Wenn man jetzt über diese Filme als Fenster auf dieses Thema spricht,
0:57:14–0:57:18
dann vermeidet man ja wieder so das Körperliche, was du vorhin bei den Stählen
0:57:18–0:57:20
erwähnt hast, was auf Wikipedia steht.
0:57:20–0:57:24
Ich habe es nicht gelesen, was diese Stählen durch ihre Anwesenheiten mit dir
0:57:24–0:57:26
machen, wenn du dich in der Mitte bewegst.
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Und das Rationalisieren ist ja so ein Abwehrmechanismus, um das Emotionale auch
0:57:32–0:57:33
besser in den Griff zu kriegen. liegen.
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Und vor diesem Hintergrund ist natürlich dann auch immer gleich eine Frage,
0:57:37–0:57:41
die, wenn so ein Film, so in Anführungszeichen so ein Film, ich weiß ja nicht
0:57:41–0:57:42
mal, ob das ein Genre ist.
0:57:42–0:57:46
Gibt es das als Genre Holocaust-Film? Ich weiß es nicht. Also ich kann es mir nicht vorstellen.
Florian Clauß
0:57:46–0:57:51
Nein, Nazi-Filme schon, Holocaust-Filme, weiß ich nicht, ob man das als Genre dann...
Micz Flor
0:57:51–0:57:54
Ja, aber es ist halt gleichzeitig irgendwie klar, wenn man jetzt sagt,
0:57:54–0:57:57
es gibt so einen neuen Film über den Holocaust oder so,
0:57:57–0:58:03
dann ist es ein, vielleicht ist es ein Genre, was nie als Genre benannt werden
0:58:03–0:58:08
dürfte und aber auch eben mit deiner Frage nochmal bei Spielberg auch eben dann
0:58:08–0:58:11
sofort einlädt, drauf zu gucken,
0:58:11–0:58:13
wie sind die das Thema angegangen?
0:58:14–0:58:20
Und in dieser Rationalisierung ist ja dann auch schon natürlich vor dem Hintergrund
0:58:20–0:58:25
des Themas entstehen dann bestimmte Praxisen von wer spricht für wen,
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wer nimmt auf, was ist inszeniert, davon inszenieren, welche Geschichte erzählt wer.
0:58:29–0:58:37
Diese ganzen Fragen werden gestellt, Repräsentation und dann zeigt der Film
0:58:37–0:58:38
oder vielleicht ist es die,
0:58:39–0:58:42
vielleicht wenn man alle Filme hintereinander legt, dann zeigen die so eine
0:58:42–0:58:46
Linie, so eine Linie des kulturellen Diskurses, also Foucault-mäßig,
0:58:46–0:58:48
also wo ist die Gesellschaft,
0:58:48–0:58:53
der Diskurs gerade in Bezug auf dieses Thema und diese, vielleicht ist dieser
0:58:53–0:58:59
Pfad der Filme kulturhistorisch spannender als jeder einzelne Film selbst.
0:59:00–0:59:03
Weißt du, wie ich meine? Also warum spricht man jetzt über The Zone of Interest?
0:59:03–0:59:07
Braucht es diesen Film? Was macht dieser Film? Das werden wir in der nächsten Folge besprechen.
Florian Clauß
0:59:07–0:59:09
Das ist eine absolut,
0:59:11–0:59:13
wichtige Frage in dem Zusammenhang, die du da gestellt hast,
0:59:14–0:59:17
wie das inszeniert ist und was ist jetzt so auch Gegenstand?
0:59:18–0:59:21
Wie ernährt man sich diesem Thema? Wie visualisiert man dieses Thema?
Micz Flor
0:59:21–0:59:25
Bei Shoah ist es ja, ich weiß nicht, wie ich es sagen kann, aber ich kann es
0:59:25–0:59:30
nicht gut in Worte fassen, aber die die, ich kriege dann, glaube ich,
0:59:30–0:59:31
so ein leichtes Unwohlsein,
0:59:33–0:59:39
wenn man dann an dem Filmischen so dran steckt.
0:59:40–0:59:44
Sowohl an der Technik als auch vielleicht, ist es schwarz-weiß oder Farbe,
0:59:44–0:59:49
wenn man sich solche formalen Fragen stellt, die natürlich gestellt werden müssen,
0:59:49–0:59:50
wenn man über Filme auch spricht.
0:59:51–0:59:53
Da geht es ja auch immer um solche Fragen der Repräsentation.
0:59:57–1:00:00
Aber trotzdem habe ich so das Gefühl, dass dann in dieser Linie von Filmen,
1:00:00–1:00:04
die da jetzt auftauchen, dass da irgendwie nochmal so eine Wahrheit drinsteckt
1:00:04–1:00:08
über die Art, wie mit der Zeit das Thema sich verändert.
Florian Clauß
1:00:08–1:00:09
Ja.
Micz Flor
1:00:09–1:00:14
Und wie man verändert Filme macht, um immer wieder das Gleiche zu erzählen.
1:00:14–1:00:17
Also was darf man, was darf man nicht, was tut man, was sollte man,
1:00:17–1:00:19
was sollte man nicht und so.
1:00:19–1:00:23
Also diese Fragen, die dann vielleicht so auch moralischer sind,
1:00:23–1:00:27
die ästhetisch umgesetzt werden, dass diese Fragen spürbar werden und dass die
1:00:27–1:00:33
dann wiederum als Spiegelbild für den Diskurs in der Gesellschaft dienen könnten.
Florian Clauß
1:00:33–1:00:38
Ja, genau. Also das grundsätzliche Problem in der Darstellung ist ja,
1:00:38–1:00:45
dass du dann in dem Moment eine Aussage über das gar Gestellte machst,
1:00:45–1:00:51
die irgendwo auch so einen repräsentativen Wert haben könnte.
1:00:51–1:01:00
Und dadurch, dass eben dieser Holocaust so unglaublich mächtig ist,
1:01:00–1:01:03
das lässt sich halt nicht darstellen.
1:01:03–1:01:07
Deswegen finde ich diese Frage des Bilderverbotes, was dann halt auch Claude
1:01:07–1:01:11
Langemann dann so aufgebracht hat, finde ich total berechtigt.
1:01:11–1:01:18
Also es ist nicht darstellbar. Das ist ein Ereignis, was sich nicht in irgendeiner
1:01:18–1:01:24
Form annähert, außer durch eine panoptische Erzählung.
1:01:24–1:01:32
Das heißt, das Mittel, was dann Lanzmann gewählt hat, eben Zeitzeugen vor Ort
1:01:32–1:01:38
berichten zu lassen und dann nicht nur einen, sondern wirklich ganz viele,
1:01:38–1:01:42
um dann so Fragmente, Puzzlestücke zusammen zu bekommen,
1:01:42–1:01:46
die aber noch immer meilenweit voneinander weg liegen, aber dann weißt du,
1:01:46–1:01:47
da ist ein Teppich dazwischen.
1:01:48–1:01:54
Das auch alles so diese Schicksale und diese individuellen Erlebnissen dann auch mit umfasst.
1:01:55–1:01:59
Und das finde ich auch, das finde ich absolut, also das hat der Film einfach auch,
1:01:59–1:02:07
dem ist das so gelungen sagen und dadurch kriegt eine annäherung hin von einem
1:02:07–1:02:10
ereignis ohne es zu zeigen es ist so ein bisschen wieder neben zu schauen und
1:02:10–1:02:17
nicht ganz drauf ja aber gleichzeitig kriegst eine ahnung wie schwarz das alles sein kann ja.
Micz Flor
1:02:17–1:02:21
Also sehr fällt mir jetzt ein da habe ich jetzt gar nicht mehr daran gedacht
1:02:21–1:02:24
und deshalb fällt mir auch der name des films nicht mal ich habe keine liste
1:02:24–1:02:29
vorbereitet aber von roberto bernini wie heißt er noch mal der film das Das
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Leben ist schön und das ist eine Szene,
1:02:32–1:02:34
die einfach, wo ich ganz,
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ganz, ganz emotional reagiert habe, als ich die dann auch im Kino gesehen habe,
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weil dieser Film, muss man also ganz verkürzt gesagt,
1:02:43–1:02:47
für die, die es nicht wissen, Roberto Benigni spielt im Konzentrationslager
1:02:47–1:02:50
einen erwachsenen Mann, der ein Kind davor schützt.
1:02:51–1:02:55
Das Grausame des Konzentrationslagers zu sehen, indem er die ganze Zeit so tut,
1:02:55–1:02:59
als sei es ein Rollenspiel. Man wäre irgendwie so im Freizeitpark Rollenspiel.
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Und dann gibt es die Szene, wo er weiß, jetzt werde ich erschossen.
1:03:01–1:03:04
Und in diesem Moment, da muss ich gleich wieder ein bisschen weinen,
1:03:04–1:03:09
wenn ich dran denke, aber das ist in diesem Moment, wo er dann um die Ecke geht
1:03:09–1:03:12
und noch dieses Kind schützt und sagt, alles okay, es ist alles okay,
1:03:12–1:03:14
also wo er seinen eigenen Tod ja auch abwehrt.
1:03:14–1:03:23
Also dieses Wissen um die eigene Auslöschung, was man ja gar nicht fassen kann, Das ist eine Szene,
1:03:24–1:03:32
die mich mehr als vieles Dokumentarisches oder Künstlerisches ergriffen hat
1:03:32–1:03:40
und diesen ganzen Horror irgendwie in einer perversen Comic noch viel mehr fassbar gemacht.
Florian Clauß
1:03:40–1:03:44
Ja, das kann ich verstehen. Ja, der Film ist auch großartig.
1:03:44–1:03:48
Stimmt, den hatte ich auch gar nicht auf der auf der liste ja da
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gibt es einige also aber so was in
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2000 dann noch mal so ein schiff war also die frage ist auch immer wie man dann
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eben für die diese täterfiguren ja quasi so dann hitler selber diese die erste
1:04:03–1:04:09
die erste riege der ganzen täter wie man die darstellt da hat Papst 1955 auch
1:04:09–1:04:11
einen Film gedreht, den habe ich nicht gesehen,
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wo er dann auch diese Hitler-Porträt im Führerbunker nannt.
1:04:17–1:04:21
Und dann gab es natürlich dieses 2004, Bruno Gantz, Der Untergang.
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Ich habe den auch nie gesehen, weil die haben mich überhaupt nicht interessiert, die Filme.
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Das fing dann an, wo dann halt jeder auf der Straße, ich meine,
1:04:29–1:04:32
Helge Schneider hat es dann wieder so persifliert, aber jeder dann angefangen
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hat, so mit Hitlersprache zu reden.
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Und das hat mich auch in die Kollegen immer so ein bisschen...
1:04:37–1:04:42
Weißt du, das kennst du ja, ich hab's immer gehasst, ich mochte es halt nicht,
1:04:42–1:04:44
weil ich finde es halt so abartig.
1:04:44–1:04:49
Ich will mich auch nicht mit dieser Person beschäftigen, weil die ist für mich
1:04:49–1:04:53
so überhaupt, also die ist überhaupt gar keine Faszination über die.
Micz Flor
1:04:53–1:04:54
Ich will sie überhaupt nicht verstehen.
Florian Clauß
1:04:55–1:04:59
Ich will die überhaupt nicht, ich will gar nicht mit der, also dann finde ich
1:04:59–1:05:02
einfach die andere Seite eben diese,
1:05:03–1:05:07
Täter, äh, die Opferseite ist dann halt für mich, äh, so viel gravierender als
1:05:07–1:05:14
dann halt so ein Psychogramm von diesen, von diesen, ähm, eben von dieser Befehlsgarde dann zu haben.
1:05:14–1:05:18
Ja, das, das, also das war jetzt dann nochmal in 2000 und so.
1:05:18–1:05:22
Und dann kam ein Film, den hab ich ja irgendwie, den find ich ja nach wie vor
1:05:22–1:05:26
großartig, äh, von Tarantino in Glorious Bastards, ne?
Micz Flor
1:05:26–1:05:29
Ja, ich wollt grad sagen, äh, ich hab mich gerade in dem Moment so,
1:05:29–1:05:32
Hitler, das will ich überhaupt nicht! Und dann habe ich gedacht,
1:05:32–1:05:35
hups, werden wir dann nicht über den Glorious Bastards sprechen,
1:05:35–1:05:38
weil Hitler hat man selten so zucken sehen wie in diesem Film.
Florian Clauß
1:05:38–1:05:42
Ja, das finde ich halt, aber das ist eine Satire, die kann ich gut annehmen.
1:05:43–1:05:47
Die finde ich auch absolut treffend und ich finde auch die Geschichtsverdrehung,
1:05:47–1:05:51
finde ich dann wieder so ein Terrentino-Kniff, Kniff, wir bleiben heute bei
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Kniff, von den 80er-Jahren-Morden,
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das war ein Clou, der absolut gerecht wird.
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Und was der gemacht hat, ist einfach wirklich so, also Juden,
1:06:03–1:06:08
die dann sonst immer als Opfer dargestellt werden, In so einer Aggressivität
1:06:08–1:06:11
als diejenigen, die sich da zurückschlagen.
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Das ist so ein Befreiend einfach bei einem Film.
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Ja, das macht so Spaß und das ist halt so ethisch korrekt und gleichzeitig aber
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überhaupt nicht korrekt.
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Aber das finde ich, dass es Tarantino in dem Film so sehr gut gelungen,
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einfach diese Gratwanderung durchzuziehen.
1:06:29–1:06:32
Auch mit der Schauspielerie, die er da halt hat.
Micz Flor
1:06:33–1:06:36
Ja, und ich glaube, dass die beiden Begriffe dazu sind natürlich so,
1:06:36–1:06:38
wie du sagst, eben dieser Gegen,
1:06:38–1:06:42
diese Faust hast du gemacht, dass du gesagt hast, diese Gegenwehr,
1:06:42–1:06:46
das ist dann die Triebumkehr, dann geht es jetzt seit ihr dran und dann gibt
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es aber auch die Triebabfuhr, wie
1:06:48–1:06:53
dann halt mit dem Maschinengewehr Hitler wirklich zerlegt wird komplett.
1:06:55–1:06:59
Und da habe ich wirklich auch im Sessel gesessen und gedacht,
1:06:59–1:07:01
ey, das hat der nicht, also ich wusste nicht, dass das da so vorkommt.
1:07:01–1:07:04
Das hat mir jetzt keiner gesagt, wahrscheinlich war ich auch im ersten Wochenende
1:07:04–1:07:05
so... Ich wusste auch nichts von dem Film, das war auch so. Ich dachte,
1:07:05–1:07:10
ey krass, aber warum ist das der Erste, der das macht, das weiß ich jetzt gar
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nicht, ob es der Erste war, aber es war so notwendig.
Florian Clauß
1:07:13–1:07:16
Fand ich auch, ja. Es war wirklich so für mich eine totale Befreiung.
1:07:16–1:07:20
Ich kam da so geläutert aus dem Film, wie ich lange nicht mehr aus dem Film...
1:07:20–1:07:23
Also es hatte wirklich so einen kathartischen Effekt für mich.
1:07:24–1:07:29
Also sehr stark. Ich kann mich an wenig Filme erinnern, die so einen Film-Effekt
1:07:29–1:07:30
auf mich hatten, wie dieser.
Micz Flor
1:07:31–1:07:35
Ja, da wurde ja auch ganz viel diskutiert davor. Also dann der Eli Roth,
1:07:35–1:07:40
der halt dann eben auch diesen einen mit dem Baseballschläger gespielt hat und
1:07:40–1:07:44
gleichzeitig auch den Film gedreht hat, in dem, jetzt ist mir der Name entfallen, der deutsche...
Florian Clauß
1:07:44–1:07:44
Hostel, oder?
Micz Flor
1:07:45–1:07:49
Ja, Hostel hat er auch Regie geführt, glaube ich, aber das war sein Drehbuch und Regie, glaube ich.
1:07:49–1:07:54
Aber nee, der deutsche Schauspieler, der die Tapasbar hatte am Gurley,
1:07:54–1:08:00
der da den, in dem Film, den Eli Ross gedreht hat, als Film,
1:08:00–1:08:07
der dann im Kino lief, über die Heldentaten dieses einen Soldaten.
1:08:07–1:08:09
Komm, jetzt hilf mir, wie heißt der Schauspieler?
Florian Clauß
1:08:10–1:08:13
Der bekannteste deutsche Schauspieler. Nicht Schweighöfer?
Micz Flor
1:08:14–1:08:18
Nein, nicht Schweighöfer, der war da nicht dabei. weil, oh Mann,
1:08:18–1:08:19
das Weiße Rauschen war sein erster Film.
Florian Clauß
1:08:20–1:08:20
Daniel Brühl?
Micz Flor
1:08:20–1:08:23
Ja, genau, Daniel Brühl. Also das waren dann so Geschichten,
1:08:23–1:08:25
einerseits der deutsche Schauspieler der Internationalen.
Florian Clauß
1:08:25–1:08:27
Stimmt, da hat auch Till Schweiger mitgespielt.
Micz Flor
1:08:27–1:08:33
Ja, da waren ja ganz viele dabei, auch die Szenen, wo die dann auch sich verraten,
1:08:33–1:08:39
indem sie diese drei Bier bestellen mit dieser englischen Zählweise. Was so platt war.
Florian Clauß
1:08:39–1:08:41
Aber irgendwie super, ich fand es total genial.
Micz Flor
1:08:41–1:08:45
Echt? Nee, ich fand es irgendwie so Ich fand es total platt,
1:08:45–1:08:50
ich habe gedacht so, oh nein, man hat ja gleich im Publikum schon, oh nein, gedacht so.
Florian Clauß
1:08:50–1:08:57
Dass der, das ist ja, der war halt, der hat aber auch, also so eine Art von Suspens gehabt, wie,
1:08:58–1:09:03
ja, kaum andere Filme, ne und dann auch wieder so diese Terentinometer-Ebene,
1:09:03–1:09:06
wo dann das Zelluloid selber als Kriegsmaterial.
Micz Flor
1:09:06–1:09:08
Als Waffe eingesetzt wird.
Florian Clauß
1:09:08–1:09:12
Ne und alles verbrannt wird und explodiert, ja, also das finde ich irgendwie
1:09:12–1:09:16
auch so großartig, dass man Wenn man dann wieder diese Ebene mit rein holt.
1:09:18–1:09:27
Ja, das wäre jetzt so mein Spannbogen jetzt zu dem Zone of Interest,
1:09:27–1:09:33
die ich jetzt in dieser ersten Folge mit dem ganzen historischen Ballast jetzt
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auch von dem Holocaust aufhalten wollte.
1:09:38–1:09:42
Ich hatte dir ja nochmal so ein bisschen so, es ist die Frage,
1:09:42–1:09:45
ob du das jetzt in dieser Folge noch machen möchtest.
Micz Flor
1:09:47–1:09:50
Eine brücke zu finden ja du hattest mich
1:09:50–1:09:55
gefragt ob ich was zum zur traumatisierung der
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täter also die dazu was sagen könnte weil ich sei ja psychologe und und hast
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gemeint das würde jetzt hier so reinpassen aber passt das jetzt hier hin das
1:10:07–1:10:10
weiß ich was war was war so dann deine Herleitung?
Florian Clauß
1:10:10–1:10:14
Na, ich glaube, es würde fast besser in diese, in die andere,
1:10:14–1:10:17
weil es da um diese Figur von Höss geht.
1:10:17–1:10:20
Ja, vielleicht, dann muss ich nochmal in die andere. Also, dann,
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okay, dann mach ich jetzt nochmal einen Bogen auf, weil der kommt jetzt nicht direkt aus dieser,
1:10:28–1:10:34
diesem NS-Täter-Umfeld, sondern das war auch dann ein Film, den hab ich mir
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dann auch angeguckt, der in diesem Streitraum besprochen wurde mit Carolin Emcke.
1:10:39–1:10:44
Und zwar heißt er The Act of Killing.
1:10:44–1:10:51
Und der ist von Oppenheimer 2011 gedreht worden.
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Das ist ein Dokumentarfilm über das
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Massaker an kommunistischen und chinesischen
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Einwohnern in indonesien das
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war so dass es gab ein militärputsch das war glaube ich 65 66 in indonesien
1:11:11–1:11:18
und dieser militärputsch also da war es es war ja dieses feindbild im westen
1:11:18–1:11:22
von den kommunisten war ja so stark das ist ja dann.
1:11:24–1:11:30
Die USA in alle möglichen Konflikte mitgewirkt hat, im Geheimdienst,
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in bestimmte Regime, Pinochet und so weiter, das kam ja dann später,
1:11:33–1:11:38
aber dass es dann auch in Indonesien dann eben diesen Militärputsch aus der
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revisionistischen, also von den Rechten, dann halt unterstützt hat,
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was eben zu einem Genozid geführt hat.
1:11:46–1:11:51
Also wo dann ganz viele Menschen verschwunden sind, erbordet worden.
1:11:53–1:12:02
Und der Film Act of Killing ist eine, ja, führt im Prinzip begleitet die Täter
1:12:02–1:12:06
von damals, die heute noch in Indonesien gefeiert werden als die Befreier.
1:12:07–1:12:10
Ja, das wird, es ist immer noch so eine paramilitärische Gruppe,
1:12:10–1:12:11
die da eine Rolle spielt.
1:12:11–1:12:19
Ja, also kann man sich nicht vorstellen, wie das dann auch einfach so ungestraft dann so verbleibt.
1:12:19–1:12:24
Und es gibt eine Hauptperson, die auch sehr viel Raum einnimmt in dem Film,
1:12:24–1:12:32
der wird gefolgt und die brüstet sich noch nach wie vor mit den Taten, zeigt wie sie,
1:12:32–1:12:40
also die gehen dann wirklich an die Stellen, wo er dann seine Opfer umgebracht
1:12:40–1:12:41
hat, wie er das gemacht hat.
1:12:41–1:12:45
Es gibt dann so eine Form von Reenactment.
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Also das heißt, es werden Szenen nachgestellt.
1:12:48–1:12:53
Der ganze Film ist mehr oder weniger ein Dokumentarfilm von eben einer Gruppe
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von diesen, um diese Person herum, die dann sich selber inszenieren.
1:12:59–1:13:04
Also die drehen selber einen Film, wie sie dann halt quasi als Täter und Opfer
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über diese Zeit dann die Kommunisten ermordet haben. Ja, und dann schlüpfen
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die mal in die Opferrollen, mal in die Täterrollen.
1:13:12–1:13:15
Ja, aber die haben dann auch, du hast so völlig absurde Szenen,
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wo die dann halt ein Dorf dann komplett niedermetzeln als Film, als Reenactment.
1:13:23–1:13:27
Aber gleichzeitig ist das tatsächlich passiert. Also da waren auch diejenigen
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Täter dabei und haben das ja,
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also das heißt, die hatten so überhaupt gar keine Scheu mehr oder der kam halt
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irgendwie kein Millimeter an irgendwie selbst,
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also überhaupt an ethischen Bedenken durch.
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Man hat das Gefühl, die die ganze Zeit feiern die sich über ihre Taten,
1:13:50–1:13:54
über ihre völlig unmenschlichen Taten und man versteht es nicht.
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Dann gibt es halt eben auch diese Act of Killing,
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wo er dann beschreibt, also diese Hauptfigur, wie die ihre Tötungsmethoden dann
1:14:05–1:14:10
so optimiert haben, weil er konnte das ganze Blut dann nicht mehr wegwischen, weil es zu viel war.
1:14:10–1:14:14
Ja hat dann auch so gestunken weil das hat alles rum und weil die dann halt
1:14:14–1:14:18
immer die kehlen aufgeschnitten haben und alles mögliche und dann hat er dann
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gezeigt da war so ein bisschen stolz,
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wie er dann halt es geschafft hat, mit möglichst wenig Blut dann die Leute umzubringen.
1:14:26–1:14:30
Und zwar mit so einem Stück Draht, was er auf der einen Seite dann an so einem
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Pfahl gebunden hat und auf der anderen Seite dann so einen Holzgriff hatte und
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mit diesem Draht dann die eben um die Kelle gewickelt,
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dann quasi die Menschen ermordet hat.
1:14:41–1:14:46
Und es waren massenhafte, also es waren, ich weiß nicht mehr genau die Zahl,
1:14:46–1:14:50
aber es waren mehrere hunderttausend, die dann so verschwunden sind. Also es war wirklich so.
1:14:51–1:14:55
Und da, und das wäre so ein Schritt in Richtung,
1:14:55–1:15:01
da gibt es eine Schlüsselszene, die würde ich aber erst so in der nächsten Episode
1:15:01–1:15:07
nochmal erzählen, aber wo die wahrscheinlich aus diesem Film jetzt quasi für
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Stone of Interest entnommen wurde.
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Deswegen bin ich überhaupt so auf die Idee gekommen, weil ich auch von diesem
1:15:15–1:15:18
Film, da gibt es auch keinen Kommentar.
1:15:18–1:15:24
Da wurde dann Oppenheimer dafür kritisiert, dass er dann kommentarlos denen eine Bühne gibt.
1:15:25–1:15:30
Und er hat dann ein Jahr oder zwei Jahre später, irgendwas mit Zeilen in dem
1:15:30–1:15:38
Titel, hat er dann auch die Opfer zu Wort kommen lassen und nochmal das ausführlicher berichtet.
1:15:38–1:15:44
Ja, da wollte ich halt nochmal für dich so, weil das so recht plausibel,
1:15:44–1:15:47
weil der Typ fängt ja dann auch schon an.
1:15:47–1:15:50
Der meinte, er hätte dann halt irgendwie sich betäubt mit Drogen.
Micz Flor
1:15:50–1:15:54
Aber willst du dann, wollen wir dann jetzt einen Schnitt machen und sozusagen
1:15:54–1:15:57
hier aussteigen in der Folge,
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wo es über eine eklektische Liste von Filmen zum Thema Nationalsozialismus und Holocaust geht.
1:16:12–1:16:16
Das ist jetzt abgeschlossen und wir wollen jetzt einfach den Schritt machen
1:16:16–1:16:18
in die neue Folge hinein.
Florian Clauß
1:16:18–1:16:22
Ja, oder lass mich noch, sorry, dass ich jetzt lauter Punkte aufreiße,
1:16:22–1:16:27
Weil ich hätte noch eine Sache, die würde ich dir gerne noch mal...
1:16:27–1:16:31
Das waren jetzt wirklich so die letzten vier, fünf Wochen, wo mich das Thema
1:16:31–1:16:33
irgendwie immer wieder getroffen hat.
1:16:33–1:16:36
Ja, auch manchmal irgendwie bewusst, wo ich mir die Filme rausgesucht habe.
1:16:36–1:16:40
Oder jetzt nicht bewusst, weil
1:16:40–1:16:46
wir waren nachher ein Theaterstück in der Schaubühne von Falk Richter.
1:16:46–1:16:54
The Silence heißt das Theaterstück. Und das ist von Falk Richter, da geht es um,
1:16:56–1:17:02
das Schweigen in seiner Familie über den Krieg. Das inszeniert er so.
1:17:02–1:17:09
Und er hat damit aber auch so einen Punkt getroffen, der, glaube ich,
1:17:09–1:17:15
sehr viele deutsche Durchschnittsfamilien, so wie die das erlebt haben.
1:17:15–1:17:18
Falkrichter ist Jahrgang 68.
1:17:18–1:17:20
Also ich würde mal sagen, plus minus unsere Generation.
1:17:22–1:17:28
Und so wie er das dann inszeniert hat in dem Theaterstück, habe ich mich da
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sehr viel wiederfinden können.
1:17:29–1:17:35
Es war einmal so, er wird gespielt, es ist ein Ein-Mann-Stück,
1:17:35–1:17:38
er wird von dem Schauspieler Dimitri Schad gespielt.
1:17:39–1:17:43
Und am Anfang, also er spielt schon so auf verschiedenen Ebenen das Stück.
1:17:43–1:17:46
Das macht er auch sehr lustig und sehr eloquent.
Micz Flor
1:17:46–1:17:49
Das Stück selbst oder diese Rolle?
Florian Clauß
1:17:49–1:17:55
Die Rolle, also steigt der Schauspieler Dimitri Schad, steigt dann quasi als
1:17:55–1:17:59
Schauspieler ein und sagt halt irgendwie, Schaubühne ist doch die Bühne,
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wo man hin will, die Weltbühne und so weiter.
1:18:02–1:18:06
Und fängt dann an, aber sich so in Falk Richter zu verwandeln und spielt dann
1:18:06–1:18:07
Falk Richter in dem Stück, ja.
1:18:07–1:18:11
Und Falk Richter, also in dem Stück kommen dann nochmal so Videoprojektionen,
1:18:11–1:18:13
wo er dann ein Interview mit seiner Mutter hat.
1:18:13–1:18:16
Also seine Mutter ist eine ganz zentrale Figur, sein Vater auch,
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ja. Es geht im Prinzip auch um die Auseinandersetzung mit dem Tod des Vaters
1:18:21–1:18:26
und die Beziehung zu seiner Familie, zu seiner Mutter und zu seinem Vater.
1:18:26–1:18:30
Und seine Mutter und sein Vater, also sein Vater war halt, hat er auch.
1:18:31–1:18:35
Er war wahrscheinlich unter den Nazis in der Polizei.
1:18:36–1:18:42
Das heißt, er muss dann auch irgendwo in dieser Tätergeneration gewesen sein.
1:18:42–1:18:45
Aber er kriegt es nie raus, weil es wurde nie drüber gesprochen.
1:18:46–1:18:51
Das war halt so dieses Schweigen, was in den deutschen Familien dann immer so gehalten wurde.
1:18:51–1:18:56
Seine Mutter, die war so ein bisschen eine Person, die immer so,
1:18:57–1:19:01
alles ist doch super, es ist doch gut, wir brauchen gar nicht drüber zu reden.
1:19:01–1:19:05
Und es gab halt so ein paar traumatische Situationen für den Falk Richter,
1:19:05–1:19:07
die er dann aufbereitet in diesem Stück.
1:19:07–1:19:12
Nämlich, dass er dann von seiner Mutter in den Bandschrank eingeschlossen wurde,
1:19:12–1:19:14
weil er immer so viele Fragen gestellt hat.
1:19:15–1:19:22
Und als Jugendlicher wurde er dann von irgendwelchen fremden Männern zusammengeschlagen,
1:19:22–1:19:30
weil er ist homosexuell, hat seine Homosexualität dann auch entsprechend als
1:19:30–1:19:32
Jugendlicher dann auch nicht irgendwie zurückgehalten,
1:19:32–1:19:35
sondern er hat sich so ein bisschen anders dann auch gekleidet.
1:19:35–1:19:41
Es waren die 80er und so weiter, dieser Kulturraum und gesellschaftlich ist
1:19:41–1:19:44
er dann halt auch da quasi angeeckt.
1:19:44–1:19:49
Und sein Vater hat ihn da auch nicht in Schutz genommen, sondern sein Vater
1:19:49–1:19:51
hat ihn dann halt auch geschlagen in bestimmten Situationen.
1:19:51–1:19:57
Und das war das Unverständnis, was auch niemals irgendwie so ausgeräumt werden konnte.
1:19:57–1:20:02
Also der Vater ist dann auch geschlafen, wo dann in diesem letzten Wort, ach Falk, lass gut sein.
1:20:05–1:20:07
Ach komm, hör schon auf.
Micz Flor
1:20:08–1:20:10
Im Theaterstück hat das jemand gesagt, oder?
Florian Clauß
1:20:10–1:20:11
Ja, also auch.
Micz Flor
1:20:12–1:20:12
Und er hat es erzählt.
Florian Clauß
1:20:13–1:20:17
Ich glaube, er hat es als Figur, also hat Dimitri Schad das so erzählt.
1:20:18–1:20:21
Aber ich konnte mich da irgendwie so wiederfinden. ja obwohl ich
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natürlich meine meine eltern sind anders damit umgegangen
1:20:24–1:20:27
ja mit der geschichte es gibt aber immer so
1:20:27–1:20:32
narrative die dann in jeder familie erzählt werden ja und ich wollte noch eine
1:20:32–1:20:36
weil ich war jetzt auch am wochenende bei meinen eltern und ich habe die auch
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dann gefragt ja weil das thema ist mir dann halt so durch den kopf gegangen
1:20:42–1:20:45
und dann war meine frage dass das Das möchte ich dir jetzt vorspielen,
1:20:45–1:20:50
das kann ich dann später nochmal richtig reinschneiden.
1:20:51–1:20:54
Ich habe, das ist jetzt ein kleiner Ausschnitt von knapp zwei Minuten.
1:20:56–1:20:58
Aber ich meine, wie war das für dich dann?
1:20:58–1:21:02
Wann hattest du den Ausmaß des Holocaust dann so mal so?
1:21:02–1:21:06
Kannst du auch nicht sagen. Das lief dann so schrittweise. Ja, genau.
1:21:07–1:21:12
Das ist ja immer so. Aber weißt du, ich glaube, wir in unserer Zeit,
1:21:12–1:21:20
also zwischen 15 und 20, wir waren irgendwie nicht mehr so, nicht politisch.
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Wenigstens, ich war nicht politisch.
1:21:22–1:21:26
Naja, aber dann gingen noch die 60er Jahre los, das war ja eine höchst politische.
1:21:26–1:21:31
Ja, Mitte 60er, da war ich mehr mit, glaube ich, mit mir selber beschäftigt
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als mit allem anderen. Ich weiß es nicht.
1:21:34–1:21:40
Aber ich habe mich nicht so auseinander gesetzt. Ich habe mich nur gewundert über Mutschen.
1:21:42–1:21:47
Aber zum Beispiel Mimi auch, war diese Familie Friedländer. Friedländer,
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da ist ja auch noch eine alte Holocaust-Überlebende.
1:21:52–1:22:04
Aber der Familienname Friedländer kam anscheinend im jüdischen Milieu immer häufiger vor.
1:22:05–1:22:10
Also das weiß ich nicht, ob man mich die kannte oder so. Es kann sein aus der Familie.
1:22:12–1:22:17
Aber ich habe nie, dass mein Vaterland gefallen ist im Krieg,
1:22:18–1:22:25
ich habe das nie jetzt fürs Vaterland, also als ehrenvoll empfunden.
1:22:26–1:22:30
Also dir war schon klar, dass das irgendwie eine falsche Rolle war von Deutschland.
1:22:30–1:22:32
Ja, ja. Das war dir relativ früh klar.
1:22:33–1:22:39
Ja. Obwohl du warst ja dann quasi zur Zeit des Krieges dann vier Jahre, nee, wann ist der?
1:22:39–1:22:48
38, 45, das waren eigentlich fünf Jahre, sieben, ja richtig,
1:22:48–1:22:51
ich wurde ja Ende des Krieges in Momendorf eingeschult.
1:22:52–1:22:56
Nur so ein kürzer Ausschnitt, ich finde das so ganz interessant,
1:22:56–1:23:01
weil meine Mutter dann auch nicht Juden aussprechen kann, sondern im jüdischen
1:23:01–1:23:03
Milieu. Also ich hätte da so eine Hemmung, was zu sagen.
1:23:03–1:23:08
Aber so ein bisschen diese Mutter von Falk finde ich da auch in meiner Mutter wieder so.
1:23:08–1:23:11
Also eigentlich waren wir eher mit uns beschäftigt.
1:23:13–1:23:16
Oder sie mit sich selbst, als politisch das dann halt auch.
1:23:18–1:23:21
Und ja, es gibt halt so Narrative in der Familie.
1:23:21–1:23:27
Also von meinem Opa, der war dann, das hat mein Vater dann nochmal erzählt,
1:23:27–1:23:30
der war in der Reichsnäheramt,
1:23:30–1:23:34
also das bedeutet, er war in der Milchwirtschaft, er hatte dann irgendwie in
1:23:34–1:23:39
den USA irgendwas mit Agrar studiert und hat dann dieses,
1:23:39–1:23:46
quasi diese Fabrikation von Milch oder die Industrialisierung von Milchaufbereitung und so weiter,
1:23:46–1:23:50
hatte das dann halt auch in Deutschland dann so mit eingeführt und war dann
1:23:50–1:23:53
halt in diesem, hatte eine Unabkömmlichkeitsstelle.
1:23:53–1:23:57
Aber dann wurde er irgendwie, dann heißt es immer, er wurde intern bla bla bla,
1:23:57–1:24:00
jemand war neidisch, hat ihn verraten und dann musste er halt in die Front,
1:24:00–1:24:04
hat dann halt einen Granatensplitter abbekommen, ist in einer Blutvergiftung
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gestorben, also Querschnittsgelähm. Also so.
1:24:06–1:24:10
Das ist halt so, was ich von meinem Opa kenne. Also, aber ich weiß nicht,
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ob er irgendwie, vermutlich war er nicht irgendwo in der Partei.
1:24:16–1:24:20
Aber mehr kenne ich nicht. Also so. Und das wird dann auch immer wieder so erzählt, ja.
1:24:21–1:24:27
Also das wurde schon früher erzählt. Aber dieses von Falk Richter und da bin
1:24:27–1:24:29
ich halt so ein bisschen so. Und das kam in dem Stück vor.
1:24:29–1:24:32
Und da bin ich halt auf dich zugekommen. Weil dieses, war mir zum ersten Mal
1:24:32–1:24:34
auch bewusst, diese Sprachlosigkeit.
1:24:34–1:24:38
Und das war halt wirklich so, da habe ich mich auch in seiner Figur irgendwie
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wiedergefunden, wie er das auf der Bühne dann präsentiert hat,
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nämlich dieses Unfähigkeit, über Sachen zu reden in der Familie,
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weil da eine gewisse Sprachlosigkeit,
1:24:48–1:24:57
keine Worte, Unfähigkeit, Konflikte irgendwie auszutragen auf so einer Ebene,
1:24:57–1:25:03
die dann halt auch eine gewisse Annäherung dann auch mit impliziert.
1:25:03–1:25:06
Ja, das kannte ich jetzt in meiner Familie jetzt nicht so.
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Es war immer ein Anecken und keine Ernährung. Und ich habe mich da emotional
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dann auch nicht verstanden gefühlt und so weiter.
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Ich meine, das ist halt so diese 80er Jahre Teenie-Zeit, die man da halt irgendwie auch durchmacht.
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Und da hatte Falk Richter dann tatsächlich diesen Ausdruck gebraucht von der
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transgenerationalen Traumatisierung.
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Und mit dem Punkt bin ich auf dich zugekommen. und habe dich ja gefragt, in Kanto und so weiter.
1:25:34–1:25:40
Ob du dir vorstellen kannst, dass man diese transgenerationale Traumatisierung
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jetzt auch so übertragen kann auf unsere Generation,
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dass wir irgendwo auch dieses Schweigen nach dem Krieg und diese Unfähigkeit,
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Konflikte auszutragen,
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ob die jetzt auf unsere Generation noch so durchlastet, einfach weil eben Deutschland
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so eine Vergangenheit hat.
Micz Flor
1:26:02–1:26:08
Ja, und das ist natürlich hoch spekulativ, weil man kann es empirisch überhaupt nicht prüfen.
1:26:08–1:26:13
Wir haben ja nur dieses eine Deutschland und diese eine Geschichte und in irgendwelchen
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Paralleluniversen haben wir noch nicht die Möglichkeit, Daten abzusaugen über, ja.
Florian Clauß
1:26:20–1:26:25
Was... Aber gut, es gibt so eine gewisse Erfahrung, so ein gewissen,
1:26:25–1:26:27
also ich glaube, es ist halt so wirklich so...
Micz Flor
1:26:27–1:26:30
Naja, also Encanto, das kann man sich ja nochmal anhören. Da geht es natürlich
1:26:30–1:26:37
dann schon um dieses Thema, auch um diese unterschiedlichen Formen,
1:26:37–1:26:39
in denen so eine transgenerationale Weitergabe passiert,
1:26:39–1:26:44
die ja auch manchmal intrapsychisch, interpersonell oder auch soziologisch oder
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über die Themen der Gesellschaft. Wir haben jetzt über Kinofilme gesprochen.
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Das ist ja auch eine Form, in der sich dann Generationen treffen.
1:26:53–1:26:57
Auch darüber gibt es dann eine Weitergabe. Spielberg hatte auf einmal ein anderes
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Alter, als er sich entschieden hat, diesen Film zu machen und hat halt irgendwie
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nicht mehr Jaws gemacht.
1:27:03–1:27:10
Das war ja in der Botschaft auch schon eine transgenreale Botschaft in gewisser Weise.
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Wenn ich mich recht erinnere, hat er es damals auch so gesagt,
1:27:14–1:27:18
dass es halt um, als Filmemacher er auch auf einmal eine Verantwortung spürt,
1:27:18–1:27:24
irgendwas zu machen, was sich nochmal anders in der Geschichte verlegt ist.
1:27:25–1:27:28
Anderes, was ich halt irgendwie denke, ist, dass natürlich das Das Schweigen
1:27:28–1:27:33
ist halt die Frage, was das für ein Akt ist.
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Ist dieser Akt des Schweigens gegenüber der Folgegeneration.
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Sich der Folgegeneration zu verschließen, denen die Wahrheit nicht sagen zu wollen?
1:27:44–1:27:49
Oder ist es wirklich eine Sprachlosigkeit, wie da kommt nichts raus?
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Ist das vielleicht innerlich wirklich so zerrüttet und unmöglich?
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Oder du hast, das ist jetzt, deine Mutter ist natürlich kein Beispiel,
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aber was du gesagt hast, diese Andeutung zu sagen, man findet oder man wird
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sowieso die falschen Worte benutzen und wird sich mit der nächsten Generation
1:28:10–1:28:12
gar nicht im Eins-zu-eins unterhalten können.
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Vielleicht ist es ja auch so ein Ding, dass der Blick, den du als Teenager deinen
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Eltern gegenüber hast, sag doch mal, was Sache ist, dass das nicht der Blick ist, den die haben,
1:28:21–1:28:25
sondern die gucken dann vielleicht auch nach hinten in ihrer Geschichte und
1:28:25–1:28:29
du bist nicht das Gegenüber, sondern das Gegenüber ist halt dieses Grauen aus
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dem Krieg, das kann ich nicht sagen.
Florian Clauß
1:28:31–1:28:36
Und dann einfach wahrscheinlich die Unfähigkeit, sich mit diesen Gefühlen irgendwo
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zu stellen Und dann lieber zu schweigen, als in diese Sache nochmal reinzugehen.
Micz Flor
1:28:45–1:28:49
Ja, du hattest den Begriff Tätertraumatisierung erwähnt. Da geht es ja nochmal um was anderes.
1:28:50–1:28:58
Und natürlich geht es da in erster Linie darum, dass es in Deutschland ganz lange gedauert hat,
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bis man zaghaft überhaupt gesagt hat, ja, was da in Dresden ein Feuersturm war
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oder in Hamburg oder die Gräueltaten, vertriebene Deutsche aus den Ostkirchen.
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Oder wie auch immer man das auch nennen möchte, dass da Menschen traumatisiert
1:29:11–1:29:15
wurden, das wollte man vielleicht gar nicht so benennen, weil das natürlich
1:29:15–1:29:17
die Täter waren. Die haben es ja dann verdient.
1:29:17–1:29:21
Da geht es quasi nicht darum, dass die traumatisiert wurden,
1:29:21–1:29:25
sondern die haben es verdient und die haben quasi dafür bezahlt,
1:29:25–1:29:26
für das, was sie getan haben.
1:29:27–1:29:32
Aber diesen Schritt zu gehen und zu sagen, trotzdem bin ich davon traumatisiert,
1:29:32–1:29:38
Das ist vielleicht für diese erste Generation unmöglich und deutet vielleicht
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schon auch auf ein bestimmtes Gewahrsein oder Schuldgefühl gegenüber der Geschichte.
1:29:45–1:29:50
Hin. Aber die Tätertraumatisierung ist ja dann noch ein Schritt weiter eben
1:29:50–1:29:55
auch die Situation, in der ich habe dann gesucht über Tätertraumatisierung.
1:29:55–1:30:01
Traumatisierung ist natürlich auch im ICD-10, also im Klassifikationssystem
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von Krankheiten in der F-Achse, psychische Achse, gibt es es auch.
1:30:05–1:30:12
Aber diese Idee, dass man als Täter auch traumatisiert werden könnte,
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Die ist da nicht drin. Okay.
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Also die da traumatisieren.
Florian Clauß
1:30:16–1:30:17
Aber sind nicht traumatisiert.
Micz Flor
1:30:17–1:30:25
Ja, da gibt es im Amerikanischen ist der DSM-5 das Manual, in dem diese Sachen klassifiziert werden.
1:30:25–1:30:31
Da ist das mit reingekommen. Und in meiner kurzen Recherche zu dem Thema war
1:30:31–1:30:36
ich selber verdutzt, dass es das im deutschsprachigen Raum gar nicht so gibt.
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Da geht es halt eher um diese Täter-Opfer-Umkehr. Und dann geht es ja immer um eine Schuldfrage.
1:30:43–1:30:47
Und um die Schuldfrage sollte es vorrangig da ja nicht gehen,
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sondern was, ich habe es für mich da ein bisschen umformuliert,
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ist die Traumatisierung von Tätern heißt,
1:30:55–1:31:04
dass ein Mensch davon traumatisiert wird, dass er oder sie etwas getan hat,
1:31:04–1:31:05
was traumatisierend ist.
1:31:05–1:31:12
Das heißt die person war anwesend und ursächlich mit diesem mit diesem ereignis
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verbunden und dass das auch traumatisieren kann,
1:31:17–1:31:23
dann klingt es nicht mehr so direkt nach schuld und wo das in vielleicht auch
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weshalb das in amerika ein bisschen mehr thema ist ist.
1:31:30–1:31:34
Also im Ersten Weltkrieg gab es das ja irgendwie im englischen Begriff als Shell-Shocked.
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Da hat man wirklich gedacht, das ist ein körperliches Thema, ein somatisches Thema.
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Dieses Knallen oder das Krachen, das ist ja Trommelfell geplatzt oder irgendwie
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ist es einfach so dramatisch, so schockierend.
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Und man ist dann eben von diesem ganzen Lärm, der über einen hereinbricht, Shell-Shocked.
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Also Shell ist ja die, the Shell ist diese Kanonenhülle.
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So erst später wurde das
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dann als psychisches problem überhaupt verstanden und
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im vietnam krieg in amerika war das wohl ein ganz großes thema
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weil man gemerkt hatte wohl dass soldaten nur 15 bis 20 prozent von den soldaten
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schießen um zu töten die anderen bringen das nicht über sich das heißt die trainieren
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schießen aber wenn sie im krieg sind schießen sie nicht um zu töten.
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Und man hat wohl dann für den Vietnamkrieg auch im militärischen Training.
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Das weiß ich jetzt aus einer Quelle, die müssen wir dann verlinken,
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im militärischen Training wohl mehr mit realistischen Körperfiguren auch das
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Schießen geübt, sodass diese Hemmschwelle im Training auch schon angelernt wird.
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Dass also dieses Trauma, einem Menschen gegenüber gegenüberzustehen und nicht
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mit einer Schießscheibe,
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auch dadurch schon geschwächt wurde, dass du im Training dann schon fallende
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Körper, also das, was man auch so manchmal kennt, diese Gegenüber,
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diese Zeichnung, wo jemand eine Pistole zieht und schießt und fällt ja halt so um.
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Und da kann man sich ja auch überlegen, das hattest du mal, glaube ich,
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erwähnt, dass es bestimmte Ego-Shooter auch gibt, wo man von der Bundeswehr
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angerufen wird, wenn man da relativ gut Punkte macht oder so.
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Also diese Idee, dass man in diesen virtuellen Welten noch viel naturgetreuer
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zum Töten trainiert werden kann, um einfach diese Hemmschwelle noch weiter zu senken.
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Und dann war es aber wohl so, dass eben in der Folge des Vietnamkrieges auch
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viel mehr dieses Bild ja hier auch.
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Tom Cruise, the 4th of July, der traumatisierte Soldat aus dem Vietnamkrieg,
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der körperlich verstümmelt ist, aber auch seelisch verstümmelt ist,
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weil er an traumatischen Akten beteiligt war oder selber ausgeführt hat.
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Also dass die Helden dann auch von der Gesellschaft fallen gelassen wurden.
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Das ist ein Riesenthema auch in amerikanischen Filmen.
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Der Vietnamveteran, Magnum.
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Rambo. Rambo, genau. Das ist ja so ein ganz großes Thema und da hat man sich
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dann zum ersten Mal wohl mehr damit
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auseinandergesetzt, dass diese Traumatisierung auch durch das The Act,
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The Atrocity, das Auslösen passieren kann.
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Also im DSM 5 in Amerika wird dann davon gesprochen, das heißt Participation,
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also da wird das Militär auch explizit genannt.
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Ich habe nochmal nachgeguckt, das ist im DSM 5, in der fünften Ausgabe,
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können wir das PDF auch verlinken, auf Seite 278, wird über die peritraumatischen Faktoren gesprochen.
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Also direkt die Faktoren, während das Ereignis passiert.
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Peri heißt in der direkten Umgebung. Und da wird explizit eben nochmal genannt,
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im Englischen heißt es Military,
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also es ist ein längerer Absatz, es geht auch um anderes, aber wenn es ums Militär
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geht, wird es explizit genannt als Military Personnel being a Perpetrator,
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witnessing atrocities or killing the enemy.
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Also einfach die Tatsache, dass man ein Täter ist, Perpetrator ist auch ein Täter.
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Dass man Atrocities, also traumatische Ereignisse als Zeuge beobachtet,
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dabei ist, anwesend ist.
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Oder eben selbst killing the enemy, dass man den Feind tötet.
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Das wird ja irgendwie so noch benannt. Und da gibt es eine Person,
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die ich dazu gefunden habe, die das auch in ein Wort gefasst hat.
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Und zwar heißt es oft Participation Induced Traumatic Stress.
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Also durch die Anwesenheit induzierter traumatischer Stress im DSM 5 PITS.
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Und sie hat es als pts behalten
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aber gesagt perpetration in die us-traumatik stress
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und die tatsache dass die anwesenheit natürlich
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auch traumatisierend wirken kann ist etwas glaube ich sobald man darüber nachgedacht
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hat ist es natürlich nachvollziehbar wenn man das erste mal damit konfrontiert
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wird das war vielleicht hier in deutschland in letzter zeit so als ganz viele
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syrische Flüchtlinge in Deutschland ankamen,
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die dann mit offenen Armen empfangen
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wurden und ganz viele Menschen auch bereit waren, denen zu helfen,
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aber teilweise nicht vorbereitet waren, dass Hilfe für die vielleicht auch bedeutet,
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einfach mitzuteilen, was ihnen alles passiert ist.
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Wo dann eben mit einem bisschen Zeitverzögerung viele Menschen gemerkt haben,
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jetzt als Zeuge oder als jemand, der es einfach gehört hat, werde ich selber
1:36:47–1:36:49
diese Träume nicht mehr los.
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Und diese Sachen nicht mehr los. Das kann eben auch ganz schön belastend wirken.
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Ja, also das ist wie gesagt, ich glaube, in Deutschland hat es lange gedauert,
1:36:59–1:37:00
bis man das überhaupt annehmen kann.
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In dem Traumakonzept jetzt im ICD-10, das ist keine deutsche Klassifikation,
1:37:05–1:37:07
ist von der World Health Organization.
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ICD-11 ist eigentlich die aktuelle Version.
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Die ist aber noch nicht weit verbreitet und in Kraft getreten,
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sondern ICD-10 ist immer noch das.
1:37:17–1:37:20
Und da spricht man beim Trauma eben...
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In der Regel darüber, dass es einem passiert und nicht, dass man Zeuge ist oder Täter ist.
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Also man ist wirklich Opfer in dieser Definition.
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Und dadurch, dass das ICD-10 auch nicht über Ursachen spricht oder die Genese
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von bestimmten Schörungen spricht, ist es da zum Beispiel auch so,
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dass du in diesen Stufen durch das ICD-10 geleitet wirst.
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Ist aktuell das gibt dann die akute belastungsstörung das ist das ist eben diese
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peri traumatische zeit in der du mittendrin bist im verkehrsunfall im krieg
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wo auch immer im luftangriff im feuersturm,
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dann gibt es die anpassungsstörung die sagt es ist etwas ganz schlimmes passiert,
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und du bist in dem prozess in dem es jetzt eigentlich langsam
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verarbeitet werden sollte und wenn
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das nicht geht dann kommt es eben zur posttraumatischen belastungsstörung und
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wenn die dann über einen gewissen zeitraum auch sich qualifiziert hat dann wandert
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man in der diagnose weg vom trauma und das ist das verwirrende weil man dann
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auf einmal in dem bereich der persönlichkeitsstörung.
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Verlegt wird und wenn man das jetzt wieder auf die deutsche geschichte,
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umlegt dann könnte man sagen die die nicht darüber sprechen konnten die die
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die das nicht bearbeiten konnten,
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nicht veräußert haben, die geschwiegen haben und die sich vielleicht chronifiziert
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haben, dass die dann eine Persönlichkeit,
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eine schweigende traumatisierte Persönlichkeit wurden.
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Wo dann in der Klassifikation deshalb, sage ich das eben, nicht mehr die Ursache
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angegeben wird, sondern nur noch gesagt wird, okay, das ist eine gestörte Persönlichkeit.
Florian Clauß
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Wir sind hier auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof und stehen gerade,
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das hatte ich, glaube ich, auch in einer Folge mal erwähnt, von einem Grab von Bertolt Brecht.
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Und der soll sich ja, das ist Max Frisch in einer Biografie,
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hat das geschrieben, in seiner Biografie, dass Brecht, also er hat sich für
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seinen Tod gewünscht, dass er sich in einem Stahlsarg begraben wird,
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um halt auch so dieser ganzen Verrottung und Auferstehung, was dann halt immer
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Holz wäre, damit man dann halt im Tag des jüngsten Gerichtes,
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dass man dann halt quasi aus der Erde steigt und dann mit Jesus irgendwo hingeht.
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Da wollte er auch noch mal einen Strich durch die Rechnung machen,
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ich habe einen Stahl, da kommt nichts mehr hoch.
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Finde ich ganz sympathisch.
Micz Flor
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Gleichzeitig wusste er nicht um die Aktivitäten der Enzyme, die ihn einfach
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inzwischen wahrscheinlich in einer Suppe zersetzt haben.
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Und hier direkt neben dem...
Florian Clauß
1:40:09–1:40:11
Da sind wahrscheinlich die Zigarren drin.
Micz Flor
1:40:12–1:40:15
Das ist eine Zigarrenkiste. Die sieht auch ein bisschen verregnet aus,
1:40:15–1:40:16
ist aber noch nicht so alt wie das Grab.
Florian Clauß
1:40:17–1:40:17
Nein.
Micz Flor
1:40:17–1:40:21
Aber die wurde ihm vielleicht erst nochmal zur Seite gestellt.
Florian Clauß
1:40:21–1:40:26
Ja, ich mag den Friedhof hier jetzt auch. Ich dachte, wir finden nochmal das Grab von Marcuse.
Micz Flor
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Ah, der ist hier?
Florian Clauß
1:40:28–1:40:35
Ja, der ist einfach nur ein Grabstein und auf dem steht dann weitermachen. Find ich super.
Micz Flor
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Ah, guck mal, sind wir bei Otto Sander gelandet.
Florian Clauß
1:40:42–1:40:48
Otto Sander, ja. Also der ist gespickt von Prominenten hier, der Friedhof.
Micz Flor
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Ja, jetzt sind wir hier in der Stille. Silence, hast du vorhin gesagt,
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wollen wir hier eine Zäsur machen?
Florian Clauß
1:40:55–1:40:59
Ja, ich glaube jetzt passt das auch gut in der nächsten Folge,
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wenn wir dann auf Zone of Interest genauer eingehen, haben so ein bisschen jetzt
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ein paar Schneisen gelegt,
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also mir war es halt wichtig, das nicht in einem zu machen, weil ich glaube
1:41:10–1:41:15
das, was wir jetzt besprochen haben, ist also ein ausuferndes Thema,
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habe auch ganz viel was mir noch im Kopf rumgegangen ist was ich nicht gesagt
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habe und wo ich dann denke, es fehlt jetzt noch.
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Vielleicht nehmen wir das in nächster Folge noch mit rein. Mal gucken, wie sich das läuft.
Micz Flor
1:41:29–1:41:32
Ja, wir nehmen aber auch, muss gesagt werden, wir nehmen gleich weiter auf.
1:41:32–1:41:38
Also wir bleiben im Fluss, das heißt, die Leute, die jetzt in die andere Folge einsteigen,
1:41:40–1:41:44
Den werden wir gleich nochmal sagen, dass sie vielleicht nochmal hierher kommen
1:41:44–1:41:45
müssen, wie bei Solaris.
Florian Clauß
1:41:47–1:41:48
Genau, so machen wir es.
Micz Flor
1:41:48–1:41:51
Also, dann vielen Dank fürs Zuhören
1:41:51–1:42:03
und ich hoffe, wir haben das irgendwie angemessen besprechen können.
Florian Clauß
1:42:03–1:42:07
Ja, vom Gefühl her schon. Mal gucken, wie es im Quad wird.
1:42:08–1:42:13
Also, das Ganze, wo wir langgelaufen sind, unsere Strecke und so weiter,
1:42:13–1:42:17
das könnt ihr dann unter eigentlich-podcast.de sehen.
1:42:17–1:42:22
Da findet ihr auch mehr Informationen zu dieser Episode, Links und so weiter.
1:42:23–1:42:27
Wenn es euch gefallen hat, dann würden
1:42:27–1:42:32
wir uns um ein Like oder eine Weiterempfehlung freuen, wie auch immer.
1:42:32–1:42:42
Das war jetzt eigentlich Podcast Episode 58 und in zwei Wochen hören wir uns wieder.
1:42:42–1:42:45
Bis dann. Tschüss.

Der Holocaust: Systematischer Völkermord und seine grausame Umsetzung

Der Holocaust stellt zweifelsohne eines der dunkelsten Kapitel in der Geschichte der Menschheit dar. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten im Jahr 1933 in Deutschland begann die systematische Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden sowie anderer Minderheiten. Die anfängliche Diskriminierung und Entrechtung mündete in einem industrialisierten Massenmord von unvorstellbarem Ausmaß.

Die Nationalsozialisten etablierten ein System von Konzentrationslagern, welches anfänglich zur Inhaftierung politischer Gegner diente, sich jedoch rasch zu einem Netzwerk von Vernichtungslagern ausweitete. Das erste offizielle Lager war Dachau, welches im März 1933 eröffnet wurde. Im Laufe der Zeit wurden die Lager zu Orten der systematischen Verfolgung und Vernichtung verschiedener Gruppen, insbesondere der jüdischen Bevölkerung Europas.

Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs im Jahr 1939 und insbesondere nach der Wannsee-Konferenz im Jahr 1942, bei der die Umsetzung der „Endlösung der Judenfrage“ besprochen wurde, erreichte die Vernichtungsmaschinerie der Nationalsozialisten industrielle Ausmaße. In Vernichtungslagern wie Auschwitz-Birkenau wurden Gaskammern und Krematorien errichtet, um den Massenmord möglichst effizient durchzuführen. Die Deportation der Opfer erfolgte mittels Zügen, wobei bei der Ankunft eine Selektion durchgeführt wurde, um zu bestimmen, wer unmittelbar in die Gaskammern geschickt und wer zur Zwangsarbeit eingesetzt wurde.

Die Nationalsozialisten bedienten sich einer Reihe von Euphemismen, um die Öffentlichkeit sowie die Betroffenen selbst über die wahren Umstände der Deportationen und Massenmorde zu täuschen. Dazu wurden Begriffe wie „Umsiedlung“, „Sonderbehandlung“ oder „Arbeitseinsatz im Osten“ verwendet, um die tatsächliche Natur der Ereignisse zu verschleiern. Diese sprachliche Manipulation diente nicht nur der Täuschung der Opfer und der Öffentlichkeit, sondern half auch den Tätern, eine emotionale Distanz zu ihren Handlungen aufzubauen.

In den nationalsozialistischen Vernichtungslagern wurden jüdische Häftlinge, die sogenannten Sonderkommandos, gezwungen, bei der grausamen Arbeit der Leichenbeseitigung zu helfen. Ihre Aufgabe bestand darin, die Körper aus den Gaskammern zu entfernen und zu den Krematorien zu transportieren. Die Asche der Verbrannten wurde in Flüsse gekippt, als Dünger auf Feldern verstreut oder zur Auffüllung von Geländesenken verwendet – ein letzter Akt der Entmenschlichung der Opfer.

Die Einrichtung von „Interessengebieten“ um die Lager herum veranschaulicht zudem die Effizienz und den bürokratischen Charakter des Holocaust. Diese Zonen fungierten als Pufferzonen, erleichterten die Expansion der Lager und trugen zur Geheimhaltung der Vorgänge bei. Die lokale Bevölkerung wurde zwangsweise umgesiedelt, um die erforderlichen Flächen für die neuen Gebiete zu schaffen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Befreiung der Konzentrationslager durch die Alliierten wurde das volle Ausmaß des Holocaust offenbar. Die Zahl der ermordeten Menschen beläuft sich auf Millionen, darunter sechs Millionen Juden. Die Überlebenden tragen bis heute physische und psychische Narben davon. Die Aufarbeitung des Holocaust, die Verfolgung der Täter und die Erinnerung an die Opfer sind bis heute wichtige Themen in Deutschland und weltweit. Der Holocaust steht als mahnendes Beispiel dafür, wozu Menschen fähig sind und wie wichtig es ist, gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz einzustehen.

Zwischen Dämonisierung und Differenzierung: Der Wandel des Nazi-Bildes in der Filmgeschichte

Die filmische Darstellung der Nationalsozialisten und des Holocausts hat sich im Laufe der Zeit signifikant gewandelt. In den frühen 1940er Jahren, als der Zweite Weltkrieg noch andauerte, wurden Nationalsozialisten in Filmen wie „Casablanca“ (1942) häufig als eindimensional bösartige Antagonisten dargestellt. Diese Filme hatten in erster Linie den Zweck, Propaganda zu betreiben, und zeigten die Nationalsozialisten als klar identifizierbare Feinde, ohne jedoch tiefere Einblicke in ihre Psyche oder Motivation zu geben.

In der Folge des Krieges begann eine Phase der Aufarbeitung. Erstmals wurde in Filmen wie „Die Mörder sind unter uns“ (1946) die Schuld und Verantwortung der Täter sowie die Schwierigkeit der Nachkriegsgesellschaft, mit dieser Vergangenheit umzugehen, thematisiert. In den 1960er und 1970er Jahren erfolgte eine zunehmend direkte und kritische Auseinandersetzung mit dem Holocaust. Das Bühnenstück „Die Ermittlung“ von Peter Weiss aus dem Jahr 1965 sowie Filme wie „Der Nachtportier“ aus dem Jahr 1974 thematisieren die psychologischen Nachwirkungen des Holocaust sowie die komplexen Beziehungen zwischen Tätern und Opfern.

Als Wendepunkt in der medialen Aufarbeitung des Holocausts kann die US-amerikanische Miniserie „Holocaust – Die Geschichte der Familie Weiss“ (1978) bezeichnet werden. Die Serie führte dazu, dass das Thema einem breiten Publikum bekannt wurde und insbesondere in Deutschland zu intensiven Diskussionen führte. In den 1990er Jahren folgten Filme wie „Schindlers Liste“ (1993) und „Das Leben ist schön“ (1997), die den Holocaust auf sehr unterschiedliche Weise darstellten. Dabei unterschieden sie sich in der Art der Darstellung erheblich voneinander. Während „Schindlers Liste“ den Holocaust mit schonungslosem Realismus zeigte, vermischte „Das Leben ist schön“ Tragik und Humor.

In den 2000er Jahren manifestierte sich eine Fortsetzung des in den 1990er Jahren einsetzenden Trends zu einer differenzierteren Darstellung der Nationalsozialisten. Der Film „Der Untergang“ (2004) thematisierte die letzten Tage Hitlers und seiner engsten Vertrauten im Führerbunker und löste Kontroversen aus, da er die nationalsozialistischen Täter nicht als unnahbare Monster, sondern als Menschen mit Schwächen darstellte. In Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ (2009) wird eine alternative Geschichtsversion präsentiert, in der jüdische Rächer die Führung der Nationalsozialisten auslöschen.

In jüngerer Zeit haben Filmemacher begonnen, neue Perspektiven auf das Thema zu erforschen. Ein Beispiel für die Erweiterung des Untersuchungsgegenstands über den Holocaust hinaus ist der Film „The Act of Killing“ (2011). Dieser befasste sich nicht mit dem Holocaust, sondern mit dem Völkermord in Indonesien. Dabei wurden innovative Methoden eingesetzt, um die Psychologie der Täter zu ergründen. Diese Entwicklung verdeutlicht, dass die filmische Auseinandersetzung mit Genozid und Täterschaft über den spezifischen Kontext des Holocausts hinaus an Bedeutung gewonnen hat und weiterhin neue Wege findet, diese schwierigen Themen zu behandeln und zu reflektieren.

Tätertraumatisierung: Die oft übersehene Seite der PTBS

Der Begriff der Tätertraumatisierung, auch als „perpetration-induced traumatic stress“ (PITS) bekannt, beschreibt das Auftreten von Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bei Personen, die selbst Täter von Gewalt oder anderen traumatisierenden Handlungen waren. Die Forschung zum Thema PTBS hat sich über einen langen Zeitraum hinweg hauptsächlich mit der Opferperspektive befasst, wobei die möglichen psychologischen Folgen für die Täter weitgehend außer Acht gelassen wurden. Die Geschichte der PTBS-Forschung lässt sich bis in die Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs zurückverfolgen. Im Verlauf ihrer Entwicklung durchlief sie verschiedene Phasen der Fehlinterpretation, bis sie schließlich im Zweiten Weltkrieg als psychologisches Phänomen erkannt wurde. Der Vietnamkrieg markierte schließlich den Durchbruch zur offiziellen Anerkennung der PTBS als psychische Störung im DSM-III im Jahr 1980.

Trotz dieser Fortschritte blieb die Vorstellung vorherrschend, dass PTBS hauptsächlich durch das Erleben von Trauma als Opfer verursacht wird. Die Möglichkeit, dass das aktive Ausüben von Gewalt, insbesondere das Töten im Kampf, ebenfalls traumatisierend sein könnte, wurde über einen langen Zeitraum kaum berücksichtigt.

Several studies of different wars show that throughout history, only 15-25% of soldiers have worked against the natural inclination against killing. Vietnam was different because the U.S. military was aware of this problem and solved it by better training. Bull’s-eye targets don’t commonly fly around battlefields, so they used more realistic human-shaped targets that went down when they were hit.
https://perpetrationtrauma.org/

Die zunehmende Anerkennung der Tätertraumatisierung findet ihren Niederschlag in neueren Ausgaben des DSM. So wird in DSM-5 explizit anerkannt, dass für Militärangehörige das Verüben von Gewalttaten, das Bezeugen von Gräueltaten oder das Töten des Feindes zu den Faktoren gehören, die eine PTBS auslösen können. Diese Entwicklung verdeutlicht die Notwendigkeit, ein umfassenderes Verständnis von Trauma zu entwickeln, welches sowohl die Perspektive der Opfer als auch die der Täter berücksichtigt.

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