"Erleben heißt, dass man mehr auf's Maul kriegt als Küsse im Dunkeln." -- Klaus Lemke
Die Berlinale packt 2025 Klaus Lemkes *Rocker* (1972) in die Retrospektive. Ein Film, der so deutsch ist, wie sein Titel: Der Begriff „Rocker“ wurde hierzulande erfunden. In den USA spricht man von *Bikers*, von *Outlaw Motorcycle Gangs*. Aber in Hamburg, wo Lemkes Film spielt, sind es eben Rocker. Eine Szene, die sich in den 60ern unter dem Einfluss amerikanischer Bikerfilme und Motorradclubs formierte – und schnell ihre eigene Dynamik entwickelte. Hamburg und insbesondere St. Pauli waren das Zentrum, der Kiez das Revier. Keine Regeln, außer denen, die man sich selbst gab. Dass Lemke keinen klassischen Film drehte, sondern echte Kiezgrößen vor die Kamera stellte, macht *Rocker* zu etwas Besonderem. Keine Schauspieler, kein Drehbuch, keine inszenierte Härte. Wir besprechen den Film, direkt nachdem wir ihn auf der Berlinale gesehen haben. Wir entdecken Liebe und Schüchternheit und versuchen einen Zugang zum Film über Lemkes Zitate über Film zu finden. Ein Film aus einer Zeit, die längst vorbei ist. Und der Film? Dieser im Speziellen oder Film im Allgemeinen? Lemke sagt: UNSERE FILME SIND WIE GRABSTEINE.
Und, bist du traurig, dass du nicht so ein Motorrad hast?
Micz Flor
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Ja, also es ist interessant, dass du das sagst. Ich habe gerade beim Rausgehen
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gedacht, auch verlinkt in den Show-Notes. Es gibt eine Fotostrecke.
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Es gibt zu dem Rocker-Film, gibt es auch eine kleine kurze Webseite.
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Ich weiß nicht, wer die gemacht hat.
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Verlinkt auf dem Flicker. Flicker gibt es auch noch.
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Wahrscheinlich ist Flicker halb so alt wie die Fotos. Das ist ja auch schon ewig da.
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Und da sind ganz viele Fotos vom Dreh, wo diese Rocker, die wir jetzt gerade
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im Film gesehen haben, auch nochmal auf Schwarz-Weiß-Fotos.
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Und ich fand das deshalb jetzt erwähnenswert, weil ich gesagt habe,
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ich möchte auch so einen Motorrad haben,
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weil auf den Fotos sehen die wirklich so raumeinnehmend und bestimmend aus,
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wie Lemke das in den Interviews beschrieben hat.
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Die haben nur ihr Ding gemacht, das hatte ich ja vorhin vorgelesen.
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Und jetzt im Film durch dieses Reden und das Bewegen und das Improvisieren und
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so, Da fand ich die eigentlich alle nicht so bedrohlich, sondern eher so ein bisschen knuffig.
Florian Clauß
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Ich muss ehrlich sagen, Rocker war für mich nie irgendwie so eine Subkultur,
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die ich irgendwie cool fand. Und immer schon all.
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Und ich mochte es halt nicht. Aber gut, die Rocker, die man da jetzt so gesehen
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hat, die haben auch irgendwie das Bild der deutschen Rocker so der 70er-Datei
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entworfen. Wie hießen die? Bloody Devils, ne?
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Bloody Devils Gang ist das gewesen.
Micz Flor
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Ja, also wir können ja aber ganz kurz die Geschichte zusammenfassen.
Florian Clauß
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Genau, genau, das würde ich jetzt auch.
Micz Flor
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Es geht um drei männliche, mehr oder weniger entwickelte männliche Hauptpersonen
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eigentlich, um den Bernd, den sehen wir am Anfang.
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Das ist ein Rocker, der aus dem Gefängnis entlassen wird, der dann von seiner
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Rocker Gang abgeholt wird. Das ist Uli.
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Das ist so ein Kleinkrimineller.
Florian Clauß
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Gerd heißt er doch, oder nicht? Bernd?
Micz Flor
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Bernd. Also Gerd. Entschuldigung, Gerd. Und Uli ist einer, der ein Daimler knacken
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und verkloppen für 4000 DM.
Florian Clauß
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Und der ist mit der ehemaligen Freundin von Gerd jetzt zusammen?
Micz Flor
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Das wird so nicht klar ausgesprochen, aber es fühlt sich irgendwie so ein bisschen an.
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Auf jeden Fall, als der Rocker raus ist aus dem Knast, will er seine alte Freundin
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wieder und ist da auch sehr bestimmend und rennt dann einfach in deren Shop
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rein und möchte mehr oder weniger rausziehen und,
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Und der dritte junge Mann ist dann der Marc.
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Das ist der junge Bruder von Uli, der sich dann irgendwie an Uli ranhängt.
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Das sind so die drei Hauptpersonen. Und wir sehen also den Gerd.
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Bist du sicher, dass er Gerd heißt? Ich habe jetzt Bernd gespeichert.
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Kannst du mal in deinen Notes gucken?
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Auf jeden Fall ist es so, dass der erst mal so seinen eigenen Gerd der hat eigentlich
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so seinen eigenen Strang,
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und ist mit diesem Uli eben über
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diese Frau die so ein bisschen verbunden Sonja und dann ist es so, dass,
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Marc und Uli ziemlich viel Zeit im Mittelbereich des Films aufnehmen, weil,
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Uli, das ist gar nicht so leicht zu erklären.
Florian Clauß
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Man muss ja sagen, die sind alle extremst unsympathisch.
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Also wie die sich verhalten, Gerd und Uli, einfach total rotzig.
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Und Uli kommt dann halt zu seiner Schwester, wo auch der Bruder hockt.
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Und dann will der da irgendwie geld klauen und
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rennt durch die ganzen zimmer und findet dann halt so
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ein bisschen geld von dem von dem mark ja
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und dann lässt sich mark aber nicht abschütteln
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als er dann rausgeht und der ist halt alle die
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sind alle so unsympathisch also so ging
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es mir zumindest so ja und dann ist es
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eine initiation die dann halt uli mit mark macht nämlich dass er saufen muss
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dass er rauchen muss und das Dann gehen sie zusammen in so eine Kneipe und dann
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tanzt er da mit Frauen und gibt dann halt auch irgendwie an mit seinen Frauengeschichten,
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die er hatte angeblich und so weiter.
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Also der will den da so ein bisschen einführen in die, aber stößt den gleichzeitig an.
Micz Flor
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Ja, irgendwie will er es auch nicht. Also es bleibt unklar, vielleicht so ein
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bisschen eben diese Lemke vor der Kamera passierte Geschichte.
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Was er so ein bisschen gesagt hat, dass man irgendwas fühlt,
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irgendwie ein Gespür dafür entwickelt und ein Gefühl hat, wie es weitergeht,
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ohne dass man es genau formulieren kann.
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Und ich habe das so erlebt, dass Uli eigentlich nicht mit Marc rumhängen will,
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aber dann mit der Hilfe von Alkohol ist der dann auf alle Fälle so zugedröhnt,
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dass es ihm auch so egal ist und er sich einfach freut, dass er ein bisschen...
Florian Clauß
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Ja, er stößt ihn halt immer ab und kommt dann wieder zurück und ist halt so ein Spiel.
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Also irgendwie so entwickelt sich da was und ja, dann gibt es dann diese Zäsur,
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als Uli dann diesen geklauten Daimler, der ihm dann halt wieder abgeluchst wurde von so zwei Zuhältern,
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sieht er dann wieder in der Straße.
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Er wurde dann überwältigt von den beiden und er sieht den Daimler dann nachts
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in der Straße und steigt dann mit Marc in diesen ein und die schlafen dann da drin.
Micz Flor
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Schlafen ein, ja.
Florian Clauß
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Die sind alles so ein bisschen auch so sehr spontan, wie die Erzählung langläuft.
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Dann schlafen die da ein und dann kommen die beiden Zuhälter aus der Kneipe
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raus und verprügeln halt den Uli so sehr, dass er dran stuppt.
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Also mit so einem Totschläger.
Micz Flor
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Genau, Marc rennt weg und dann stellt sich raus, dass Marc gerade irgendwie
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Praktikant ist in so einem Supermarkt,
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wo er dann besoffen eben vor dem Supermarkt rumsitzt und aufwacht.
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Und einer aus dem Supermarkt holt ihn dann rein und dann fängt er an und isst
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da irgendwie einfach aus dem,
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Supermarkt, macht da so Brot auf und isst und dann ruft sie die Polizei.
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Marc ist glaube ich 14 oder so im Fall.
Florian Clauß
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15. Der hat ja eine Ausbildung im Supermarkt.
Micz Flor
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Und da haut er dann ab. Und dann ist er zu Hause und dann will die Schwester
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den Marc dann zu den Eltern nach Cuxhaven bringen, packt ihm irgendwie den Koffer und,
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und Marc setzt sich dann irgendwie in die Straßenbahn, die fährt bis zur Endhaltestelle,
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und da ist dann so eine Kneipe, wo die Trambahn direkt am Flughafen direkt am
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Flughafen, ja das ist auch irgendwie schon, können wir gleich noch über die Settings so sprechen.
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Da per Zufall ist er dann in der Kneipe, wo dann,
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Der Gerd, mit der wie heißt es?
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Sonja sitzt, weil die sich dann doch irgendwie wieder so ein bisschen annähern.
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Die Sonja aber dann natürlich den jungen Bruder von dem Uli erkennt.
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Die steht dann wortlos auf und geht und dann hängt dann der Mark rum.
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Dann besaufen sich da wieder alle und dann gibt es irgendwie so einen etwas
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herberen Schnitt, Wo dann auf einmal der Marc mit seinem Koffer für Cuxhaven
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und der Gerd vor so einem Haus im Sitzen,
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wo eine Polizeiratze ist für eine Kommune, wo die Leute irgendwie rausgezogen werden.
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Gleichzeitig aber ein Bekannter von Gerd da Drogen verticken wollte.
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Und dann Gerd selbst, weil sich keiner ins Haus traut, diesen geilen Deal macht,
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dass er den Koffer mit der Wäsche für Cuxhaven.
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Als Drogenkoffer für 4.000 D-Mark verkauft. Von den 4.000 D-Mark kauft er sich
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da ein Motorrad und sagt dann zu Marc, ich fahre dich nach Cuxhaven.
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Wir fahren jetzt nach Cuxhaven. Dann fahren sie los mit dem Motorrad,
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kommen dann bis zu einer, was ich irgendwo mal gelesen hatte,
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wohl eben legendären Kneipe, Café oder wie auch immer,
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in der Rocker-Szene, wo sie dann da drin rumhängen und er da so einen LKW-Fahrer anmacht.
Florian Clauß
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Er kommt rein und pöbelt.
Micz Flor
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Und pöbelt und pöbelt und pöbelt.
Florian Clauß
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Sofort so ein Fernkraftfahrer achte ich gerade.
Micz Flor
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Mann!
Florian Clauß
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Was guckst du denn so? Gibt es da was zu gucken?
Micz Flor
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Und der Typ geht dann wortlos raus.
Florian Clauß
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Der sagt dann auch, bist in Ordnung. Bist ein guter Kerl. Komisch.
Micz Flor
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Und der ist dann wirklich aber auch noch so ein anderes Deutschlanddesign.
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Der hat so eine andere Hose, ein anderes T-Shirt mit so Knöpfchen vorne und
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so eine tolle, eher so eine Rockabilly-tolle, seitlich ein bisschen untersetzter Lkw-Fahrer.
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Und der fährt dann genussvoll zweimal über das Motorrad drüber.
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Dann sehen wir Gerd, wie er weint, neben dem Motorrad steht.
Florian Clauß
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Das ist immer Emotionszeit.
Micz Flor
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Genau. Und, ähm,
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Und dann sind die wieder eben nicht nach Cuxhaven gekommen, sondern zurück.
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Und dann sieht Marc die Frau, die mit den Zuhältern unterwegs war,
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aber auch nicht klar ist, ob das eine Prostituierte ist oder eine Freundin.
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Und er kennt die und geht dann dahin und dann rächt Gerd und seine Gang, rächen dann.
Florian Clauß
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Genau, er weiht dann halt Gerd ein, dass dann sein Bruder eben zu Tode geschlagen
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wurde. und dann gibt es halt sowas wie so ein, wie sagt man, so eine Ehre.
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Wir stehen zusammen und wir rächen das und dann ruft er halt seine Crew und
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dann kommen die Rocker, die am Anfang und am Ende kommen gar nicht so...
Micz Flor
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Bambule.
Florian Clauß
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Bambule, genau, am Anfang Bambule. Das ist auch so ein... Hast du mal geguckt,
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woher das kommt, Bambule?
Micz Flor
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Ja, ich habe es schon da vergessen.
Florian Clauß
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Ja, das ist so ein... so ein Trommel.
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Es beteiligt so eine Aktion von Trommeln, die aber auch, ich glaube,
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in irgendeinem Kontext von Schwarzamerikanern, die dann zu einer Art Demonstration aufrufen.
Micz Flor
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Amerikaner oder Afrikaner?
Florian Clauß
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Nee, Schwarzamerikaner. Ich glaube, das kommt aus dem Jazz-Kontext.
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Soweit ich das noch so zusammenkriege. Und Bambule! Und ab geht's.
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Und die vermöbeln halt dann die beiden Zuhältern und Marc,
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der stellt sich dann auf den Daimler und schlägt dann die Frontschutzscheibe
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ein und dann rennt er weg und man folgt dann quasi Marc und dann blickt er zurück.
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Und er lächelt. Das ist nochmal ein wichtiger Punkt. Er lächelt und dann kommen halt die Credits.
Micz Flor
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Dann kommen die Credits. Und das ist der Film, die Story, das haben wir ganz
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gut hingekriegt, finde ich, das doch zusammen zu klöppeln.
Florian Clauß
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Ja, zu klöppeln vor allem.
Micz Flor
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Und wie gehen wir jetzt weiter? Ich würde gerne eine Szene kurz rauspicken,
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wo ich irgendwie was ganz gut illustrieren kann, was ich so gedacht habe,
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was ich vorhin auch schon angerissen habe.
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Es gibt, bevor Uli diese Daimler dann klaut.
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Da lernen wir Uli kennen, glaube ich, sogar als erstes Mal an einem Telefon.
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Also ein junger Mann ist am Telefon.
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Und auf der anderen Seite des Telefons hören wir nur eine Stimme.
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Und da erklärt jemand so,
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ja, musst du die Dichtung abziehen und dann kannst du von oben da reingehen,
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das hat etwa zwei, drei Millimeter Platz und dann kannst du hinten,
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wenn du dann an dem, und Uli ist irgendwie da auch schon besoffen,
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der sagt dann so, jetzt mach mal hinne, ey.
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Klar, habe ich verstanden. Also der unterbricht ihn eigentlich.
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Aber irgendwie ist es klar, dass er ihn angerufen hat.
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Uli hat angerufen, um zu wissen, wie man Daimler knackt.
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Und wir wissen noch nicht genau, worum es geht. Und später versucht er es dann
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in der Tiefgarage, kriegt es irgendwie nicht hin und bricht ihn dann mit einer
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Brechstange auf. Das ist eine andere Geschichte.
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Aber in dieser einen Szene fand ich das so lustig, dass da irgendwie so klar
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wurde, dass da waren zwei Menschen im Gespräch. Der eine war nur Stimme,
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der war ja am Telefon, der hat man nicht gesehen.
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Und der andere war dieser Ulli, der wusste, dass die Kamera läuft und da jetzt
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performt und dann eben sich so in Szene schmeißt regelrecht.
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Und ich fand das ganz interessant, weil da waren so zwei Dinge spürbar,
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dass halt jemand, der amateurhaft jetzt vor einer Kamera steht,
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mit so viel Selbstaufmerksamkeit dann doch vollgeladen ist, dass das sich nicht
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wirklich natürlich anfühlt.
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Jetzt würde natürlich Lemke sagen, wir sind halt von diesen Marionetten,
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den Schauspielern, sowas von zugedröhnt, dass wir überhaupt nicht mehr sehen,
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was authentisch ist, wie Leute sich wirklich bewegen.
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So eine Schlägerei, eine Pistole klingt halt anders. Wenn einer zuschlägt,
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dann hörst du, dann ist es.
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Aber es ist trotzdem so ein Cringe-Moment irgendwie, wie man sagt,
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wo sich die Zehennägel hochdrehen.
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Wenn Uli da so sagt Mensch, jetzt mach mal hin, hab ich verstanden und so,
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aber die Stimmen, die übers Telefon kommen, der Typ wirkt wirklich authentisch
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und entspannt so irgendwie so dieses Gefühl, dass wenn das,
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über Augen gesehen wird wenn es eingefangen wird mit der Kamera also wenn es
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so ein Gegenüber gibt so ein, was ja auch manchmal irgendwie so angeführt wurde
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alle Leute haben auf ihren Laptops.
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Vor der Kamera sowas, wo man es zumachen kann dass man nicht gesehen werden
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kann Während was jetzt wirklich Informationen angeht, das doch wahrscheinlich
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sicherlich besser wäre, wenn man das Mikro ausmacht.
Florian Clauß
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Was guckst du? Ich wollte nur gucken, ob das Rekord Mikro hast.
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Dann wollte ich gucken, ob es läuft. Sorry.
Micz Flor
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Und das ist mir in dieser Szene halt aufgefallen. Der Typ über Telefon,
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da hat man das Gefühl, den kann man wirklich greifen.
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Aber der Uli ist irgendwie hinter so einer Selbstaufmerksamkeit versteckt.
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Und das finde ich ist in ganz vielen Szenen so und das fand ich eben so diese
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große Diskrepanz zwischen den Fotos, wo es auch so ist,
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dass du diese Rocker in so einer Aura von Autorität wahrnehmen kannst ich schicke
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dir mal den Link also es waren vom Dreh wohl Stills,
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die da jemand gemacht hat aber wenn die dann so eckten dann ist es oft so ein bisschen.
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Ja Hölzern sowieso, aber auch so Also, du merkst einfach,
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Da ist so eine Ebene von in sich geschlossenem Bewusstsein über das,
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was da gerade passiert, was die so ein bisschen verstocken lässt.
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Und das finde ich halt beides. Das finde ich einerseits eben auch den Moment,
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wo es total spannend wird, wenn man dem Begriff von Authentizität nachdenkt,
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weil die sind ja in dem, wie sie sind, authentisch. Das sind halt Laien-Schauspieler.
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Da würde man sofort sagen, voll authentische Laien-Schauspieler.
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Aber natürlich sind Schauspieler auch authentisch, wenn sie jetzt keine Laien-Schauspieler
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sind, und performen das dann halt irgendwie anders.
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Aber dieser Begriff der Authentizität ist in dem Moment natürlich,
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wir haben die einfach davor gecastet und die Rocker haben so ihr Ding gemacht.
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Und irgendwo im Interview hat er mal auch, ich glaube bei der Süddeutsche war
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das, hat Lemke auch mal gemeint, das Problem war halt auch, die kam immer als ganze Gang an.
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Und wenn bei einem das Motorrad ausgefallen ist, was oft passierte,
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weil das aus allen möglichen Teilen zusammengeholt war, Dann blieben alle stehen
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und warteten, bis das Motorrad wieder fährt. Und dann fuhren die erst weiter.
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Das heißt, die Zeitplanung, das war alles irgendwie total schwierig.
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Wenn sie nicht wollten, wollten sie nicht. Wenn sie nicht da waren, waren sie nicht da.
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Also das ist das Drumherum authentisch. Und da hatten die scheinbar beim Dreh
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wirklich auch Respekt, wenn nicht sogar manchmal Angst vor denen und überhaupt
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keine Autorität über die.
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Aber wenn die dann vor der Kamera sind, finde ich, dass die doch sehr verklemmt
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und domestiziert wirken und so unbeholfen.
Florian Clauß
1:19:41–1:19:48
Ja, ich finde auch, gerade die Szene, wo dann Gerhard aus dem Knast rauskommt,
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aus Santa Fu, heißt das da?
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Santa Fu ist wohl so ein Knast in Hamburg, ein legendärer, und hat sich dann
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begrüßt. viel zu lang, die Szene.
Micz Flor
1:20:04–1:20:05
Die ganzen Rocker-Büste.
Florian Clauß
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Umarmt dann und küsst die und es ist halt so okay, mach mal bitte schneller,
1:20:14–1:20:19
ihr habt euch lieb und ich finde, ja, aber ich kann das sehr nachvollziehen, was du da sagst.
1:20:20–1:20:25
Dieses Hölzern, aber auch dieses irgendwie so das Lachse, was da drin hängt.
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Man kann es irgendwie so schlecht beschreiben, aber es ist halt so dieses Leiden
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und dann, aber gleichzeitig hat es was so,
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extrem Direktes auch. Und damit wird es halt wieder so ein Zeitdokument.
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Weil das halt wirklich einen dokumentarischen Wert hat. Und das war ja auch
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das, was dann Lemke auch dann so, er konserviert was in diesem Film.
1:20:48–1:20:52
Er konserviert ein Hamburg, er konserviert eine Subkultur, er konserviert eine
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Sprache, die so noch eigentlich so keiner drauf geguckt hat.
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Und das hat ja wieder so diesen Wert dann, diese,
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Im Nachhinein, ja.
Micz Flor
1:21:04–1:21:09
Und das Dokumentar, das finde ich auch bei, das ging mir bei Außeratem damals
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auch so und aber auch bei 48 Stunden nach Acapulco.
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Diese Sachen, die hat so ein bisschen nach neuen Theorien gedreht.
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Da hat man manchmal auch so das Gefühl, dass genau im wichtigsten Moment die Kamera aus war.
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Also manchmal gibt es irgendwie so Jump Cuts, die Dinge zu überspringen scheinen.
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Wo man so das Gefühl hat, da fehlt jetzt irgendwie noch ein bisschen der Anschluss.
1:21:31–1:21:37
So, wir kommen nicht von dem Stück Satz in den Stück Satz, sodass es halt so rumspringt.
1:21:37–1:21:40
Also zum Beispiel auch in dem Haus, wenn es dann darum geht, dass dann die,
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der Gärtnern halt eben den Koffer als Drogen verkauft, die 4.000 Euro einzieht
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für den, wie der dann ins Haus kommt, aus dem Auto oder wie dann,
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das ist alles, da fehlen einfach Sachen.
Florian Clauß
1:21:54–1:21:56
Da fehlen aber gleichzeitig halt es auch sowas, sowas,
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freches. Also er geht dann einfach rein und macht das.
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Die Polizei springt da rum und du merkst dann auch irgendwann,
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okay, das, was dann halt nicht so richtig passt, ist, dass die Polizei überhaupt
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keine Autorität hat und dass der jetzt einfach da so reingehen kann und überhaupt nichts macht.
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Und da wird auch nicht gefragt nach dem Koffer, ob er da wohnt,
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obwohl da eine Razzia läuft.
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Das ist halt so das, was der filmische Raum so in so einem normalen dramaturgischen
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Konstrukt, wo es die vierte Wand gibt und so weiter.
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Nee, die dritte Wand oder wie auch immer. Also wo du halt einen Raum hast,
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der sich dann halt kausal selber aufbaut und wo man dann halt denkt so,
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ja stimmt, ich bin ja hier nur so.
1:22:39–1:22:44
Aber da ist es halt irgendwie, geh rein, ja, du kommst rein und check das mal. mit dem Dealer.
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Und das finde ich, einen Punkt wollte ich noch sagen, weil das halt so lustig
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ist, weil ich das auch in der Rezension gesehen habe, nämlich Lemke hat auch
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gefragt, mit welchem Schauspieler er gerne drehen würde und meinte halt, Joe Palbo Mando.
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Bill Mando ist tot, egal. Aber Bill Mando ist halt ein tolles Role Model.
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Und dann ist auch so Henry Fonda mit Easy Rider, war natürlich ein ganz großes Vorbild.
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Und auch die Maschinen und so weiter. Leute, die da Ahnung haben.
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Es sind nur BMWs, keine Ahnung. Keine Ahnung davon.
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Die Rollenmodels, Henry Fonda und Jack Nicholson, die großen Poster-Boys,
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die dann halt irgendwie so für Easy Rider und Henry Fonda, was auch immer.
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Und dann hast du Belmondo auf der dritten Seite,
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diesen typ der total zerfasert
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und das gesicht dann absolut nicht sexy ist als
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den deutschen rocker gerd ja und das ist nicht so lustig wenn du diese drei
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bilder dann nebeneinander hast und der gerd selber als er dann halt rauskommt
1:23:55–1:23:59
wohnt er ja bei seinem vater in der werkstatt ja und ist halt auch total old
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zu seinem vater macht halt laut musik und guckt sich dann halt so ein...
Micz Flor
1:24:04–1:24:04
Oh, du warst im Zimmer!
1:24:08–1:24:12
Ja, gefühlterweise, ich meine, der ist wahrscheinlich halb so alt wie wir,
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aber der sieht halt irgendwie nicht aus wie älter wie wir.
1:24:15–1:24:18
Ja, älter als wir, doppelt so alt wie wir.
Florian Clauß
1:24:18–1:24:24
Ja, mindestens. Und dann guckt er halt dieses Album an, wo er dann halt so Bilder
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von Motorrädern, von irgendwelchen Events, das bedeutet ihm auf einmal was.
1:24:30–1:24:35
Das ist ja eine andere Sache von so Nostalgie, die da drin hängt,
1:24:35–1:24:36
ja, im Rocker-Dasein, ja,
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die ganze Zeit jetzt im Hier und Jetzt mit Saufen und irgendwie das nehmen,
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was gerade vor der Nase liegt und worauf sie Bock haben, aber dann so nostalgisch werden, ja.
Micz Flor
1:24:47–1:24:51
Aber dann auch nostalgisch werden, das ist Hamburg, nicht Berlin.
Florian Clauß
1:24:52–1:24:55
Das finde ich halt auch so, okay. Also das ist halt die Kultur,
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die mir ja dann nicht so nachvollziehbar ist.
Micz Flor
1:24:57–1:25:00
Nee, genau. Aber ich finde, also wir machen uns jetzt irgendwie dann doch so
1:25:00–1:25:02
ein bisschen lustig drüber.
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Und wahrscheinlich, wenn die jetzt mit dem Motorräder vor uns fänden,
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dann hätten wir genau den gleichen Respekt, wenn die hier parken würden.
1:25:08–1:25:09
Aber das ist jetzt.
Florian Clauß
1:25:09–1:25:14
Ich finde, aber wir haben ja auch, Entschuldigung, diese Petromaskulunität,
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die da drin hängt. Was heißt das?
Micz Flor
1:25:18–1:25:19
Petroleum, oder was?
Florian Clauß
1:25:19–1:25:24
Petro von, ja, das ist ja dieser Begriff, den wir dann auch bei Zabriskie Point
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so ein bisschen rausgearbeitet haben.
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Also das ist auch so das ganze Patriarchat, auch auf die Verbrennung setzt.
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Also auf die Petro. Und das ist halt auch das, was die Rockerkultur so verkörpert.
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Und wo ich auch immer schon Ausschlag bekomme, wenn ich halt irgendwie diese
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extra lauter gemachten Motorräder höre.
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Das ist halt nicht so das, was ich irgendwie so wirklich unterstützen kann.
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Aber ich möchte auch noch was in die Lanze brechen. Aber sag du erst mal,
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ich habe dich unterbrochen.
Micz Flor
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Ja, das ist völlig okay.
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Bei mir mit dem Rocker-Ding, ich hatte halt einen älteren von einer befreundeten Familie,
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der älteste Sohn, der Georg, der war halt so auf dem 80er unterwegs in Cross-Dings
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und der hatte eine Kutte,
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das war halt Jeans und da habe ich schon so ein bisschen hochgeguckt,
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da ist schon irgendwie so Ehrfurcht und die haben sich ja auch manchmal geprügelt.
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Der wohnte eine Zeit lang bei uns und da,
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habe ich so eine gewisse Affinität zu. Und ich war dann auch mit meinem Schulkameraden
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Ingo Koch zum ersten Mal, als wir unser allererster Band-Gig,
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wo wir als Puppen, da waren wir, glaube ich, in der fünften oder sechsten Klasse,
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wir waren eigentlich viel zu jung, das würde heute gar nicht gehen,
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und haben Straßenjungs live gesehen.
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Meine Mutter hat uns da abgegeben, Ingos Vater hat uns mit dem Auto abgeholt.
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Und zwischendrin waren wir einfach
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in dieser Kneipe, wo Straßenjungs die Punkband live gespielt haben.
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Und wir wurden dann wirklich auch so von vier Rockern so gleich beschützt.
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Auf einmal kamen so vier Typen an mit Kutten und haben uns dann quasi unter
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ihre Fittiche genommen und haben geguckt, dass es uns gut geht,
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dass wir immer Platz zum Atmen haben und dass da nichts passiert heute. Das fand ich total toll.
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Da kann ich mich so ein bisschen irgendwie schon auch fühlen.
Florian Clauß
1:27:08–1:27:12
Das Awareness-Team war das. Was heute so alles Awareness-Team macht.
Micz Flor
1:27:12–1:27:16
Ja, genau. Die Parkrangers in Gurley.
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Ne, was ich sagen wollte, ist, es ist schon so dieses, ja, wo ist diese Grenze,
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dieses authentische Thema.
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Also du nimmst es so auf und ich finde, dass in diesem ganz filigranen,
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was da entsteht, wo auch dieses Self-Awareness, also diese Gehemmtheit vor der
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Kamera auch eben dazugehört.
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Da entsteht so ein ganz filigranes Gespür, wo manchmal mehr von,
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finde ich, Gerds Emotionen spürbar ist, in so verstockten Situationen,
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als dann, wo ihm die Tränen laufen,
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weil sein Motorrad überfahren würde. Und ich frage, wie haben die das irgendwie gemacht?
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Hat Gerd gesagt, film mich mal, ich heule jetzt. Oder wie kam das zu dieser Szene?
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Aber die wirkt irgendwie gekünstelter
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als andere Sachen. Und das finde ich dann schon auch an dem Film.
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Da wird er dann auf einmal ganz, ganz, ganz schön vielschichtig.
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Wo du eben dadurch, dass es auch eine Handheld-Kamera ist, wo da manchmal Schnitte
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fehlen, sowas auch unglaublich diese Kamera wahrnimmst.
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Einfach auch in all den in Anführungszeichen Fehlern, die da passieren.
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Also das ist eine unglaubliche Transparenz und dadurch wird das ganze Ding auch sehr fragil.
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Du siehst bei allen Schauspielern, wie sich der Uli wahrscheinlich teilweise
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auch echt abgefüllt hat, damit er sich überhaupt traut, all den Scheiß zu machen.
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Da hatte man nicht das Gefühl, dass der sich kultiviert auf Pegel getrunken
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hat, sondern er hat sich abgeschossen und hat so vor sich hin gebrabbelt. Das war schon enorm.
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Aber diese ganzen Leute sind alle sehr spürbar, eben aber auch als Laiendarsteller,
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so als Menschen. und die Kamera ist spürbar und das Budget ist spürbar.
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Also du spürst bei dem ganzen Ding eigentlich auf einer Metaebene auch schon viel mit.
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Du kannst nicht wirklich in diesem Film versinken, sondern du wirst immer wieder
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auch an Kanten stoßen, wo von der Performance vor der Kamera,
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die Kamera selbst oder die Schnitte, Storytelling,
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Lücken im Narrativ, alles rüttelt dich immer wieder so wach und schärft gleichzeitig
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so ein bisschen die Aufmerksamkeit.
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Und das fand ich dann wiederum auch in so einer Form berührend.
Florian Clauß
1:29:21–1:29:27
Ja, das stimmt. Und das ist so ein bisschen das, was du vorhin auch von Lemke
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zitiert hast, das, was dich selber bewegt, das bewegt dann auch den Zuschauer.
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Also das heißt, er schafft dann eben auch Bewegung.
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Und ich finde, er schafft, und das will ich jetzt nochmal so,
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weil wir uns so über Gerd lustig gemacht haben und über Uli,
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über diese männlichen Hauptfiguren.
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Ich finde, Sonja ist eine ganz starke Figur irgendwie, weil die ist ja so eine
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Aussteigerin, wollte ja was anders machen, ist auch so ein trotziger Typ.
Micz Flor
1:29:51–1:29:53
Aber sie kommt ja zu Gerd zurück dann.
Florian Clauß
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Ja, nicht so wirklich, aber so ein bisschen ambivalent ist es auch, nicht so ganz klar.
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Sie kommt dann wieder zurück, aber sie ist eigentlich ausgestiegen.
Micz Flor
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Vielleicht ist es genau das, also jetzt interessant, jetzt sind wir auch bei
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dem anderen Lempke-Zitat, so Gespüre, die wir haben, Gespüre,
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die nicht beantwortet werden in dem Film. sondern wir spüren es nur und wir
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reden darüber, wer wohl Recht haben könnte.
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Das war ja auch vorhin ein Zitat von ihm. Und da ist es so, dass ich das Gefühl
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habe, vielleicht will sie wirklich den Gerd, aber ohne Gang.
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Weißt du, vielleicht ist das das Ding.
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Auch als sie ihn das erste Mal trifft, zieht sie sich ja die ganzen Lederklamotten
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wieder an. Die hat sie ja gar nicht an.
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Dann zieht sie sich die ganze Kutte wieder an und dann das. Und hier ist es
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wie so ein blödes Ritterritual.
Florian Clauß
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Genau, und da wo sie diese Patronen dann reinflickt. Das finde ich schon sehr
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stark, die Szene. und vor allen Dingen, welchen Charakter ich wirklich ganz
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toll finde, auch vom spielerischen ist, Marc.
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Also der junge Bruder, dieser 14-, 15-Jährige, der ist echt toll gespielt und
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ist auch ein unglaublich hübscher Junge, der dann,
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wie er auch gefilmt wird, so in dieser einen Szene,
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wo die dann zusammen mit dem einen Mädchen, was Uli einfach nur anbaggert und
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die dann aufs Klo verschwinden in dieser Bahn.
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So gefilmt wie so ein Ulrich Seidel-Film. Ja, das ist... Wo dann halt so der
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Markt da so ganz einsam sitzt.
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Und dann hast du aber so im Hintergrund so ein komisches Porträt.
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Und ich finde, das hat dann echt so eine Filmästhetik wie so ein Ulrich Seidel-Film.
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Also so Abgründe, ja, diese Abgründe von Ulrich Seidel.
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Oder da gibt es auch diese, in St. Pauli, diese Geschichte, wie heißt der? Goldene Reiter.
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War doch von Fatih Akin neulich vor ein paar Jahren so ein Film,
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wo er dann ein Porträt über diesen Serienmörder gemacht hat,
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was auch ganz abscheulich ist.
Micz Flor
1:31:51–1:31:51
Nee, das kenn ich nicht.
Florian Clauß
1:31:51–1:31:57
Also der ist ziemlich derb und der hat so ein bisschen diese Stimmung auch, der Film.
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Also ich finde, da wird der auch wirklich gut.
Micz Flor
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Ja, ich finde auch, ja, also es ist so, ich gucke nochmal von außen drauf,
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Ich habe so ein bisschen zwischendrin überlegt, was könnte man dann nochmal sagen.
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Und ich hatte dann halt so gedacht, das ist irgendwie so ein Coming-of-Age-Film,
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aber von drei Generationen.
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Ich weiß nicht, Gerd kann jetzt nicht so viel älter sein als Uli,
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aber es fühlt sich so an, alle diese drei Männer, die wir da sehen,
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der Jüngste, der Uli und der andere, sind alle so Coming-of-Age.
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Die sind alle in so einem, die wollen sowas werden.
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Die wollen sowas ausfüllen, für was sie aber noch nicht groß genug sind.
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Selbst der große Gerd, der da aus dem Gefängnis schon rauskommt,
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der quasi mit allen Wassern gewaschen ist, Der bleibt auch dann beim Papa eben in der Wohnung drin.
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Das sind alles so Entwicklungsaufgaben, die die noch nicht vollzogen haben oder
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wo die nicht wirklich oder wo sie sich selber irgendwie eine Person aufbauen.
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Der mag nicht so, der weiß ja nicht, wo er hin will. Der hat Uli als Vorbild, da hängt er sich dran.
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Aber das fand ich irgendwie so ein Gefühl, dass diese drei Hauptpersonen,
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Männer sind alle in so einer späten Adoleszenz, wo es dann darum geht,
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dass man sich dann wirklich eigentlich auf eigene Beine stellt.
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Und diese eigenen Beine sind halt bei Marc dann wirklich von der Schwester abzuhauen,
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sich an Uli zu hängen, in der Hoffnung, er kommt frei.
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Uli an den Daimler zu hängen, in der Hoffnung, er kommt frei.
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Und Bernd hängt sich dann an, Gerd, Entschuldigung, hängt sich dann eben an
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sein neues Motorrad mit den 4000 D-Mark, die er sieht. Und das wird ihm dann vom LKW überfahren.
Florian Clauß
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Ja, ziemlich schnell, ja.
Micz Flor
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Und das ist halt so das Zweite, ich bin gleich fertig, das ist so meine Zusammenfassung
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nochmal auf so einer Strukturebene, dass die auch alle nicht wegkommen.
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Also die kommen eben nicht weg.
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Und am deutlichsten wird es halt am Flughafen, du siehst hinten immer Flugzeuge,
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da kommen und gehen Leute, aber die hängen halt fest, die kommen nicht weiter.
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Das heißt, es ist ein Roadmovie, so wollten wir es halt titulieren,
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aber in Wahrheit kommen die ja nicht weg.
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Und das Motorrad wird den dann zerfahren, der Daimler wird den gemobst,
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der Daimler wird dann quasi, wenn sie totgeschlagen, also die bleiben alle irgendwie stecken.
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Obwohl das ja so, bei Rocker und Fahrrad und Auto, da wird auch viel gefahren,
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aber eigentlich hängen die alle fest und kommen nicht weg.
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Entschuldigung, ich habe aus Versehen gerade, jetzt gerade aus Versehen Pause
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gedrückt beim Aufnehmen.
Florian Clauß
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Ja, ja, sie hängen alle fest. Das wäre ja auch abschließend,
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kann man nochmal gucken, welche Kriterien von Roadmovies der Film erfüllt.
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Aber was ich noch sagen wollte zu dem Festhängen, es ist gleichzeitig so eine Jetztigkeit.
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Wie sagt man das am besten? Also der Film ist halt so, die nehmen sich alle,
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was sie jetzt im Moment irgendwie für Affekte haben.
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Es ist halt unglaublich auf dieser Affekt und unheimlich ohne Überlegung,
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ja. Gleichzeitig ecken sie ja auch an, ja.
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Und das ist nochmal so das Bild von dem alten Deutschland.
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Ja, man merkt halt, es war zu der Zeit, als die Aufarbeitung von Deutschland,
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was ist zur Nazi-Zeit, es gab eine aktive RAF damals.
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Und es gab noch diese, und das finde ich halt immer so toll,
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da wo die Familie von Uli und Mark und die Schwester,
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wo die dann drin wohnen, dann guckst du auf diese Hinterhöfe oder auf der Fensterseite
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siehst du dann halt so die alte Frau, der alte Mann, der rausguckt und immer
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guckt, was ist denn da los?
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Warum schreien die denn so? Weil die auf der Straße voll die Zähne machen.
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Und du hast diese Gesichter von denen. Und das ist halt genau dieses Gesicht
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von dem alten Deutschland, was da guckt. Ja, dieses Spießer sein.
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Und es ist natürlich eine Geschichte von jenseits der Gesellschaft,
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von Außenseitern, von nichtkonformen Menschen.
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Und das ist halt auch nochmal so wichtig zu erzählen, die jetzt nicht in diesem
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alten Deutschland da so irgendwo ihre Zukunft sehen, sondern die suchen halt
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irgendwie nach Alternativen. Aber gleichzeitig nehmen sie sich alles,
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was da rumliegt und machen es einfach so.
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Und das finde ich halt so eine ungeheure Affektsteuerung, die dahinter liegt.
Micz Flor
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Ja, ist ja auch natürlich dann Deutschland im Herbst und dieser Zeit,
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wo das ja wirklich auch filmisch viel aufgearbeitet wurde, parallel.
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Und ich nehme jetzt mal zwei Zitate, während du, weil ich habe das Aufnahmegerät
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in der Hand, da konnte ich kurz mal einen Text von mir, zwei Zitate rausholen
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aus, da dachte ich gerade dann.
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Da geht es auch um diese verlängerte Adoleszenz oder dieses Erwachsenwerden, Coming-of-Age.
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Eine Zitate ist direkt von Sigmund Freud von 1905, der sagt...
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Diese Entwicklungsphasen, da wird dann die psychischen Leistungen der Pubertätszeit vollzogen,
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die Ablösung von der Autorität der Eltern, durch welche erst der für den Kulturfortschritt
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so wichtige Gegensatz der neuen Generation zur alten geschaffen wird.
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Also diese Idee vom Generationenablöse halt über die Pubertät.
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Und das vor dem Hintergrund, was du gerade gesagt hast, dass einfach nach Hitler,
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Drittes Reich und Krieg und alles, dass diese Ablösung,
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also dass es nicht so leicht ist wie von der nächsten Bären-Generation,
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wo ein Kindbär nicht so viel anders ist.
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Ja, also bei Tieren ist halt so eine Generation einfach eine Generation,
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aber gerade diese Kultur, dieses Zerschossen, das Zerbombte,
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was da irgendwie auch so drin ist.
Florian Clauß
1:37:31–1:37:32
Die Traumatisierung.
Micz Flor
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Ja, das war von 1905 Von 1974 schreibt Donald Winnicott, also relativ nah dran,
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auch ein englischer Psychoanalytiker, der schreibt, wenn das Kind am Übergang
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zum Erwachsenenwerden steht,
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wird dieser Schritt über die Leiche eines Erwachsenen vollzogen.
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Schreibt er so. Aber bildlich? Bildlich, genau.
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Das ist jetzt zeitlich mit 1974 auch wirklich eigentlich direkt am Film dran,
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sogar ein bisschen näher an uns.
Florian Clauß
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Ja, verstehe.
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Ja, dieses Coming-of-Age, das ist ja, wie ich auch schon sagte,
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also bei Hänsel und Grete hatten wir so ein bisschen das Genre gestriffen,
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aber das ist ja dieses...
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Ich meine, das erfüllt sich für Gerd und für Uli erfüllt sich das nicht.
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Aber für Marc ist es schon so die Geschichte.
Micz Flor
1:38:22–1:38:24
Ja, man könnte sagen, in der letzten
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Szene, wo er lächelt, ist er dann abgeschlossen. Der ist ja jetzt raus.
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Also er ist dann durch. Das ist ja das Bild, was entsteht. Also alle sind so
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in Fäusten, 40 Fäuste für ein Halleluja.
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Um nochmal über den deutschen Top Ten, also 71 und 72 zu bleiben.
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Aber dieses Kuddelmuddel der Gewalt und des Vergeltens und so,
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da ist es für ihn dann auch erledigt und er rennt weg.
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Wie du schon sagst, dreht sich um, letzter Einschalten, guckt darauf und lächelt.
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Aber er ist distanziert davon. Da könnte man schon irgendwie das Gefühl hegen,
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dass er zumindest dann als Jüngster
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jetzt in der Lage ist, sich aus diesem Kuddelmuddel wirklich zu trennen.
Florian Clauß
1:39:06–1:39:13
Ja, also wenn man jetzt auch nochmal so drauf schaut, was sind eigentlich so
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die Merkmale für ein Roadmovie.
Micz Flor
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Das ist ganz kurz, das ist der Abschluss, deshalb sage ich noch eine Sache vorneweg.
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Einfach die Frauenbilder hatte ich auch nochmal gedacht.
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Wir sehen einen Papa, also das ist jetzt ein Mann, nämlich den Papa von Gerd.
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Den sehen wir, wie er mit seinem Sohn gar nicht glücklich ist und der soll endlich
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mal auch arbeiten gehen und Sinnvolles tun.
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Ansonsten sehen wir so nicht wirklich Eltern, später die, die aus dem Fenster gucken.
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Aber eigentlich sehen wir nicht, die sind Cuxhaven, die sind weit weg und wir
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sehen keine Mutter. und die Frauen, die wir sehen, ist halt die Kollegin im
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Supermarkt, die Schwester, die Hure, denke ich mal, jetzt von den Zuhältern.
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Also die Frauen und halt eben die Geliebte, wie heißt sie nochmal?
Florian Clauß
1:40:14–1:40:14
Sonja.
Micz Flor
1:40:17–1:40:23
Aber da, die bleiben irgendwie relativ, finde ich, relativ klischeehaft.
1:40:23–1:40:26
Nicht, dass die anderen wirklich durchdrungen und ausgearbeitet werden,
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aber die bleiben nicht wirklich lange genug, dass man sich mit denen richtig verbinden kann.
Florian Clauß
1:40:34–1:40:36
Nicht wirklich, nee.
Micz Flor
1:40:37–1:40:39
Es geht wirklich um Männer, um echte Rockers.
Florian Clauß
1:40:40–1:40:43
Ja, um echte Männer. Männer, ja, das ist ja...
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Aber, nee, das wollte ich nochmal so als Brücke zum Coming-of-Age,
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ne, das ist die Die Frage, so wie du das gerade auch berichtet hast,
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wie sich denn sich die Persönlichkeit entwickelt.
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Und bei dem Roadmovie haben wir ja auch die innere und die äußere Reise.
1:41:02–1:41:06
Und Gerd ist ja Stillstand. Der reist ja überhaupt nicht.
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Uli sind ja genauso, das sind ja wirklich so singuläre Charaktere,
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die einfach auch keine irgendwie innere Reise machen.
1:41:15–1:41:17
Die bleiben ja einfach nur so, wie sie sind.
Micz Flor
1:41:17–1:41:22
Oder die ihre innere Reise von dem Äußeren abhängig machen. Dass der Uli sagt,
1:41:22–1:41:24
ich brauche diesen Daimler, dann geht es weiter.
Florian Clauß
1:41:25–1:41:26
Und Gerd sagt halt.
Micz Flor
1:41:26–1:41:30
Ich brauche diese Frau und ich brauche das Motorrad und dann geht es los.
Florian Clauß
1:41:30–1:41:34
Genau, aber das ist halt dieses völlig in den Tag hinein, das ist halt auch
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so, das ist halt auch, glaube ich, eine Qualität.
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Das ist irgendwie so, wir wollen jetzt wirklich so von A nach B und wir ziehen
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jetzt hier die Linie lang und so geht es halt auch so.
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Und die innere Reise ist aber am ehesten bei Marc zu verzeichnen.
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Marc ist derjenige, der dann halt auch wirklich so diese Reise unternimmt,
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sich da entwickelt und da wird der dann so eingeführt eben ins Alkohol trinken,
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ins Rauchen und so weiter und wird da hingeschubst.
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Und gleichzeitig ist er auch so distanziert, er wird immer in die Situation
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reingeworfen, aber sagt er, er will kein Alkohol trinken und dann wird er aber
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wieder mit Bier zugeschüttet.
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Ich meine, das finde ich auch so konsequent. Also das finde ich nicht konsequent,
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sondern das finde ich einfach so, zack, das zeigt der Film so.
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Und das hat auch schon einen Wert. Da wird halt nicht groß überlegt,
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kann ich das darstellen, sondern es wird einfach dargestellt.
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Und das beim 14-jährigen Jungen ist natürlich, 15-jährigen Jungen ist natürlich auch heute so.
Micz Flor
1:42:41–1:42:48
Ja, klar. Ja, da kann man sich nicht vorstellen, das heute nochmal so umzusetzen, so Method Acting mäßig.
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Ja genau, und dann hat der Marc sich an seinen Bruder geheftet und hat versucht,
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dessen Leben zu füllen sozusagen als innere Reise, hat das aber nicht gemacht.
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Der Bruder ist dann gestorben oder wurde getötet. Dann hat er sich an den Gerd
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mit drangehängt oder Gerd an ihn.
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Gerd hat ihn ja auch angepumpt mit Geld, wollte auch Geld haben von ihm.
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Hat dann diese Reise mit Gerd kommt dann irgendwie auch zum Ende. Das ist nicht so seins.
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Die Aufforderung seiner Schwester, die Reise nach Cuxhaven anzutreten,
1:43:23–1:43:25
ist auch irgendwie nicht seins.
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Also das sind sozusagen die aufoktroyierten Rollen oder Aufgaben,
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Entwicklungsaufgaben, die nicht passen und in dem Moment, wo er dann für Uli
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noch diese Rache irgendwie anzettelt,
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aber dann selber tätig wird und diesen Daimler dann irgendwie einmal anhaut
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und dann aber auch davon wegläuft,
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das ist dann irgendwie der Punkt, wo er dann so seinen Weg findet.
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Könnte man jetzt positiv so deuten.
Florian Clauß
1:43:54–1:43:58
Ja, würde ich aber auch so sehen, dass er dann halt wirklich so ein eigenes Standing findet.
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Ich finde ihn auch so sehr selbstbewusst als Charakter, so von vornherein.
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Er geht da auch auf Uli zu und sagt, nehme ich mit. Und dann wird er mitgenommen, mehr oder weniger.
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Und er zieht das so durch. Er zieht ziemlich viel durch.
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Also für so einen 15-jährigen Jungen eigentlich so nicht üblich in dem Standing, was er da ausstrahlt.
Micz Flor
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Ja, und jetzt wolltest du noch mal...
Florian Clauß
1:44:30–1:44:34
Naja, ich gucke gerade so dieses Fazit zum...
Micz Flor
1:44:34–1:44:40
Ist der Roadmovie genug, um in deine Sammlung aufgenommen zu werden?
Florian Clauß
1:44:40–1:44:48
Du, du musstest ja noch. Ich habe ja schon bestimmte Kriterien genannt,
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eben diese innere und äußere Reise.
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Wir können sagen, äußere Reise ist bedingt.
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Was wir positiv sagen können, es kommen viele motorisierte Fahrzeuge vor.
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Wir haben den Daimler. Es gibt auch eine schöne Autofahrt durch Hamburg, St.
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Pauli. Die hat auch historischen Wert, wenn die mit dem Cabriolet da durchfahren. Es gibt die Motorräder.
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Das Motorrad ist auch Easy Rider natürlich der Genreöffner für die Roadmovies.
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Und ich würde sagen, das trifft zu.
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Aber gleichzeitig bleibt er auch sehr lokal verhaftet. Also er kommt nicht so
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richtig vom Fleck bis auf der halben Strecke nach Cuxhagen oder wo immer das
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ist. Diese Fernfahrerkneipe.
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Er hat auf jeden Fall Role Models aus dem Road Movie.
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Aber ich würde sagen, es ist so ein Hybrid. Irgendwas dazwischen.
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Also haben wir ja schon, glaube ich, gut herausgearbeitet.
Micz Flor
1:45:47–1:45:53
Die Szene ist so ein bisschen wie der Road, so sehr wie zum Beispiel auch Jim
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Jarmusch's Coffee and Cigarette Road Movie ist, weil die Leute halt im Diner sitzen.
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Man ist quasi auf der Reise, aber in dem Moment wird halt gedreht,
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wo gerade nichts passiert.
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Oder wie bei Pulp Fiction, wenn die beiden Travolta und der,
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wie heißt der nochmal der andere?
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Jackson. Genau, wenn die beiden dann eben auch im Diner sitzen.
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Also so Sachen, wo man das Gefühl hat, draußen steht das Auto,
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der Wagen läuft vielleicht sogar noch.
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Aber jetzt gerade ist der Roadmovie on halt und wir kriegen ein bisschen Dialog.
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Und im Prinzip hast du ganz viel von diesen Pausen des Roadmovies.
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Aber es geht schon um das.
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Um das Reisen.
Florian Clauß
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Ja, aber das Episodenhafte kriegt ihr jetzt nicht so hin. Man hat schon so diese
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Main-Charaktere und die werden einfach so durchgezogen.
Micz Flor
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Findest du, aber ich meine, wir haben diesen Rausgift-Deal, wir haben diese...
Florian Clauß
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Ja, das ist aber in der Geschichte so drin, das ist nicht dieses Reisen von
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Station zu Station, das ist ja so die klassische Narration, die dann da aufgebaut wird,
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sondern das ist halt das, was beim Roadmovie so raussticht, ist ja das,
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weil das Reisen und dann wieder so das Episodenhafte vor Ort,
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abgeschlossen für sich, mit anderen Charakteren konfrontiert,
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dann hat man da so eine kleine Welt durchlebt und dann geht man halt weiter so.
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Das wäre das, was ich dann nochmal so sagen würde, dieses Element fehlt.
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Ich würde tatsächlich, wenn man das so abwägt, würde ich das eher so als Coming-of-Age
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mehr sehen, als das Genre, als Roadmovie, würde ich jetzt mal so,
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behaupten, oder? Kommst du da mit?
Micz Flor
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Ich habe das Gefühl, es ist unerwartet, aber schlüssig, dass das Coming-of-Age besser greift.
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Das ist jetzt erst auf den zweiten Blick deutlich geworden für mich und in der
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Tat greift es besser, weil es um Entwicklungsaufgaben geht und wie weit man
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die von innen heraus oder von außen annimmt.
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Ja. Ja.
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Und tolle Szene finde ich schon am Anfang, das wäre jetzt so mein Schlusswort
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dazu, schuldigung, dass ich da nochmal hinten an dran hänge, aber die,
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ersten Szenen, wo du, da kommen so diese Rocker so ins Bild,
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die kommen irgendwie so einen feuchten Weg irgendwie so hoch,
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das ist so eine Wiese und dann Dann kommen die hier unten, sind auch irgendwelche
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Hallen, du weißt gar nicht, was das ist.
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Und die kommen raus und es ist so ein bisschen, glaube ich, die Morlocks von
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Zeitmaschine ist das. In der Zeitmaschine heißen die immer auch.
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Die da so unter der Erde wohnen. Die kommen da einfach so aus dieser Erde raus
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und es hört gar nicht auf.
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Es werden immer mehr und die kommen dann so da und laufen da so durchs Bild.
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Dazu laufen dann die Stones.
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Systemorphin heißt es, glaube ich. Entschuldigung, weiß nicht genau den Namen des Tracks.
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Und das passt alles total gut. Und ich finde es einen tollen Opener.
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Das ist so ein bisschen wie Tarkovsky, wo du diese Wasser, Solaris, diesen Fluss filmst.
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Und da drin hört es nicht auf, dass die Kamera filmt, wie halt diese Sachen zusammenfliegen.
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Genauso ist da auch so ein Teppich von Rockern, rollt dann irgendwie so aus diesem Berg hoch.
Florian Clauß
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Das hat für mich so nicht funktioniert. Das war eher so unmotiviert und die
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Leute wussten teilweise nicht, wo sie dann irgendwie hingucken mussten.
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Das war sehr dokumental.
Micz Flor
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Ein paar Leute haben doch die vierte Wand eiskalt durchbrochen.
Florian Clauß
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Ja, das stimmt. Aber alles in allem war das, glaube ich, so für mich wirklich
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so eine Entdeckung von Klaus Lemke,
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also die Art zu inszenieren und dieses kompromisslose, direkte, ehrliche.
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Also ich fand das dann schon toll, das jetzt nochmal so entdeckt zu haben.
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Und da möchte ich dir danken.
Micz Flor
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Mensch, dass du mich da hingezufst. Wie der Zufall so spielt.
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Wir hatten einen Tag, wo wir konnten und dann haben wir reingeguckt.
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Mir hat es auch mehr Spaß gemacht, als ich dachte. Und diese Klaus-Lemke-Sache
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mit diesem Gespür, das werde ich so mitnehmen.
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Weil ich glaube, das überhöhte Aal glatte ist ja auch immer so eine Kritik an Filmen.
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Und das ist das Gegenteil von diesem rohen, was wir da jetzt gesehen haben,
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ist halt so der aalglatte Hollywood-Film, wo du wirklich genau weißt,
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was passiert und eigentlich die ganzen Szenen schon so aneinanderschneiden kannst, ne, und,
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ja, und das ist das, glaube ich, was ich so am meisten mitnehme,
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dieses Gespür dafür, wie die Geschichte sich entwickeln wird, ohne zu wissen, warum.
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Das fand ich ganz schlüssig.
Florian Clauß
1:50:39–1:50:45
Also mich reizt jetzt auch nochmal so rein von den anderen Vertretern der ganzen
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Münchner Gruppe, da noch mal so ein bisschen reinzugucken.
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Und ja, ich habe auch viele, viele neue Zusammenhänge so gesehen und entdeckt.
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Also das war für mich auch echt spannend. Insofern.
Micz Flor
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Und dafür machen wir doch diesen Podcast, damit wir unsere Löcher stopfen.
Florian Clauß
1:51:06–1:51:11
Genau, Löcher, dass wir die Connecting the Dots soweit gehen.
Micz Flor
1:51:13–1:51:13
Gut.
Florian Clauß
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Okay, also ja, vielen Dank fürs Zuhören.
Micz Flor
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Die nächste Folge von Eigentlich Podcast. Den GPS-Track gibt es wie immer auf
1:51:22–1:51:28
eigentlich-podcast.de Die Zitate werde ich da auch irgendwie zusammenkleben.
1:51:28–1:51:34
Wer weiß, wozu es gut ist und das Manifest und ein paar Fotos von unserer Tour.
1:51:36–1:51:40
Ja, und dann wissen wir auch schon, was in der nächsten Episode kommt,
1:51:40–1:51:45
aber du sagst es noch nicht genau, aber es ist eine Art eine Art Fortführung
1:51:45–1:51:50
von drei chinesische Filme oder Filme aus Chile?
Florian Clauß
1:51:50–1:51:54
Drei, genau. Ich führe meine Reihe fort. Wir haben ja lauter,
1:51:54–1:51:57
lauter lose Reihen bei uns im Podcast.
1:51:58–1:52:00
Also meine Reihe zur Berlinale.
1:52:00–1:52:05
Aber konkret zu den chinesischen Filmen. Da werde ich mir wieder drei Filme,
1:52:05–1:52:09
oder ich habe mir drei Filme angeguckt auf der Berlinale. Die möchte ich gerne mit dir besprechen.
1:52:10–1:52:12
Und dann mehr oder weniger den einen hast du jetzt auch gesehen.
1:52:12–1:52:14
Das heißt, du kannst auch ein bisschen was dazu beitragen.
Micz Flor
1:52:15–1:52:18
Der war mir zu viel. Der konnte ich kaum aushalten.
Florian Clauß
1:52:19–1:52:23
Naja, wir reden dann, ihr hört das in zwei Wochen.
1:52:24–1:52:27
Wenn ihr uns in irgendeiner,
1:52:30–1:52:34
Podcast-Plattform eurer Wahl eine Bewertung oder Likes dalassen wollt, gerne.
Micz Flor
1:52:35–1:52:38
Wir haben es verdient. Flo spricht deshalb so, weil es minus 5 Grad sind.
1:52:39–1:52:40
Wir mitten in der Nacht hier rumlaufen.
Florian Clauß
1:52:40–1:52:45
Das ist ein Kiefer, der ist aber ein bisschen warm. Das ist auch dezentisch. Genau.
1:52:46–1:52:48
Also, dann bis zum nächsten Mal. Macht's gut.
Micz Flor
1:52:49–1:52:49
Tschüss.
Florian Clauß
1:52:49–1:52:49
Ciao.
Micz Flor
1:52:52–1:52:55
Du hast aber auch keine richtigen Finger mehr. Nee.
Florian Clauß
1:52:56–1:52:58
Ja, war doch cool, oder? Wir haben jetzt echt lange auch aufgenommen.
Klaus Lemke beginnt ein Interview ganz relaxed mit den Worten: „Also, meine Markenzeichen sind meine Mütze, meine Kurzsichtigkeit – ich sehe eigentlich nichts (…) – und das Dritte ist, dass ich zweimal am Tag onaniere.“
Wir hingegen haben’s nicht so leicht. Im Gegenteil, machen wir uns doch die Mühe unsere Quellen zu sammeln und in diesen Post zu packen. Zweimal täglich.
Ein Fact Checking vorneweg: Das Zitat von Donald Winnicott stammt nicht, wie gegen Ende der Episode behauptet, aus dem Jahr 1974. Der Psychoaanalytiker verstarb schon 1971. Die Jahreszahl entstammt der zitierten deutschen Veröffentlichung: Winnicott, D. W. (1974). Vom Spiel zur Kreativität. Klett-Cotta.
Im Folgenden unsere Notizen, Recherchen und Quellen. Zu mehr Elan langt es gerade nicht, die Zeit drängt, nur noch 48 Stunden bis Acapulco!
Zuerst allgemeines über die „filmhistorische“ Einordnung (vom Allgemeinen zum Speziellen): Der Neue Deutsche Film > Oberhausener Manifest 1962 > Neue Münchner Gruppe > München > Schwabing > Klaus Lemke
Danach die Zusammenfassung des Films Rocker, Der Soundtrack, Lemkes Manifest von 2010, Top 100 Kinofilme von Lemke und Zitate mit Quellen (nicht alle mit Quellenangaben, sorry.)
Lässigkeit und Revolte: Die Neue Münchner Gruppe und ihre dialektische Beziehung zum Oberhausener Manifest
Eine filmhistorische Neubewertung
In der Geschichtsschreibung des deutschen Nachkriegskinos markiert das Oberhausener Manifest vom 28. Februar 1962 einen kanonischen Wendepunkt. Doch während der „Neue Deutsche Film“ der Oberhausener zum etablierten Narrativ deutscher Filmgeschichte wurde, blieb eine ebenso bedeutsame, wenn auch weniger programmatische Strömung lange Zeit im filmhistorischen Halbdunkel: die Neue Münchner Gruppe. Diese lose Vereinigung junger Filmemacher, die sich in den Schwabinger Kneipen und Hinterhöfen formierte, entwickelte eine eigenständige Filmsprache, die heute als alternative Traditionslinie des deutschen Autorenfilms wiederentdeckt wird.
Das Oberhausener Manifest: Programmatischer Bruch und intellektueller Anspruch
„Der alte Film ist tot. Wir glauben an den neuen.“ Mit diesem apodiktischen Schlusssatz besiegelten 26 junge Filmemacher um Alexander Kluge, Edgar Reitz und Peter Schamoni im Februar 1962 die symbolische Grablegung des konventionellen deutschen Nachkriegskinos. Die Unterzeichner postulierten: „Der Zusammenbruch des konventionellen deutschen Films entzieht einer von uns abgelehnten Geisteshaltung endlich den wirtschaftlichen Boden. Dadurch hat der neue Film die Chance lebendig zu werden.“
Das Manifest formulierte einen dezidiert intellektuellen Anspruch auf „neue Freiheiten“ – Freiheit von branchenüblichen Konventionen, von kommerziellen Zwängen und der „Bevormundung durch Interessengruppen“. Die Oberhausener verstanden sich als künstlerische Avantgarde mit gesellschaftspolitischem Auftrag. Ihre programmatische Radikalität manifestierte sich in Filmen wie Kluges „Abschied von Gestern“ (1966) oder Schlöndorffs „Der junge Törleß“ (1966) – Werke, die formale Innovation mit gesellschaftskritischer Reflexion verbanden.
Die Neue Münchner Gruppe: Gegenentwurf mit Nonchalance
Während die Oberhausener ein explizit politisches Programm verfolgten, formierte sich Mitte der 1960er Jahre in München-Schwabing eine alternative Strömung junger Filmemacher, die sich durch eine andere Haltung definierte. Rudolf Thome, Klaus Lemke, Max Zihlmann, Roger Fritz, May Spils, Werner Enke und Martin Müller – überwiegend Mitte bis Ende 20 – entwickelten einen Gegenentwurf zum dogmatischen Ernst der Oberhausener.
Ihr inoffizielles Motto lautete, wie Marco Abel in seinem Buch „Mit Nonchalance am Abgrund“ herausarbeitet: „Papas Kino ist tot, es lebe Papas Kino“. Diese scheinbar paradoxe Formel verrät eine komplexere Haltung zum filmischen Erbe, als der radikale Bruch der Oberhausener suggerierte. Die Münchner Gruppe schöpfte bewusst aus den ästhetischen Ressourcen des Genrekinos – inspiriert vom amerikanischen Genrefilm und dem frühen Godard, besonders seinem Debüt „Außer Atem“ (1960).
Die Arbeitsmethode dieser informellen Kollaboration war bezeichnend: Bei ihren ersten Kurzfilmen arbeiteten sie kollektiv und rotierten die Positionen als Autoren und Regisseure. Sie gründeten eine eigene Produktionsfirma und entwickelten einen Stil, der spontane Improvisation über akribische Planung stellte. Diese Herangehensweise stand im deutlichen Kontrast zum intellektuell-akademischen Ansatz der Oberhausener.
„Ästhetische Linke“ versus „politische Linke“
In der Filmkritik der späten 1960er Jahre positionierte sich die Münchner Gruppe als „ästhetische Linke“ gegen eine „politische Linke“, die ihrer Ansicht nach Filme auf soziologische Inhalte reduzierte. Diese Unterscheidung markiert den fundamentalen Unterschied in der Filmkonzeption: Während die Oberhausener das Kino als Medium gesellschaftspolitischer Aufklärung verstanden, betrachtete die Münchner Gruppe das Kino primär als Kino – als eigenständige künstlerische Form und nicht als didaktisches Mittel zum Zweck.
Die deutsche Filmkritik ordnete die Münchner Gruppe oft vorschnell als unpolitisch oder gar rechtskonservativ ein. Diese Kategorisierung verkennt jedoch die subversive Dimension ihrer filmischen Praxis. Ihr Ansatz war weniger explizit intellektuell, aber keineswegs apolitisch – er war anders politisch. Die Befreiung des Körpers von gesellschaftlichen Zwängen, die in Filmen wie „Duell“ thematisiert wird, artikuliert eine tiefgreifende Kritik an der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft: Die „eingezwängten Körper“ der Westdeutschen, der „Kleidungszwang“ und die „unausgesprochene Schuld“ werden nicht diskursiv abgehandelt, sondern durch filmische Mittel erfahrbar gemacht.
Filmische Meilensteine und ästhetische Innovation
Mit dem Übergang zu Langfilmen ab 1968, beginnend mit Klaus Lemkes „48 Stunden bis Acapulco“, änderten sich die Produktionsbedingungen, was faktisch das Ende der intensiven kollektiven Zusammenarbeit bedeutete. Dennoch entstanden bemerkenswerte Werke, die heute als innovative Beiträge zur deutschen Filmgeschichte wiederentdeckt werden.
May Spils‘ „Zur Sache, Schätzchen“ (1968) wurde zum Kultfilm, der nicht nur Uschi Glas bekannt machte, sondern auch mit Wortschöpfungen wie „türlich“, „Dumpfbacke“ und „fummeln“ den deutschen Sprachgebrauch bereicherte. Rolf Thieles „Rote Sonne“ (1969) mit Uschi Obermaier präsentierte eine radikale Frauenkommune, in der männliche Liebhaber nach fünf Tagen umgebracht werden – ein proto-feministischer Ansatz, der der zweiten Feminismuswelle (ab 1968) vorausging.
Die rund 32 Filme der Münchner Gruppe – etwa zur Hälfte Kurzfilme – zeichnen sich durch eine „Nouvelle Vague-artige Inszenierung“ aus, die das amerikanische Genrekino mit Godards Stilmitteln verschmolz. Bemerkenswert ist die Darstellung weiblicher Figuren, die Klaus Lemke mit dem Bonmot „Frauen sind die besseren Männer“ charakterisierte – eine Position, die in der damaligen deutschen Filmlandschaft keineswegs selbstverständlich war.
Schwabinger Lebensgefühl als ästhetisches Prinzip
Die Münchner Gruppe transportierte in ihren Filmen das Schwabinger Lebensgefühl der 1960er Jahre – eine Mischung aus Hedonismus, südlichem Flair und der Ablehnung bürgerlicher Konventionen. Schwabing als kultureller Schmelztiegel beherbergte nicht nur die Mitglieder der Münchner Gruppe, sondern auch Persönlichkeiten wie Rainer Werner Fassbinder und Andreas Baader.
Diese Atmosphäre spiegelt sich in den Filmen durch eine charakteristische Nonchalance – jene Leichtigkeit und Lässigkeit, die Marco Abel als titelgebendes Merkmal hervorhebt. Im Gegensatz zum pädagogischen Impetus der Oberhausener setzten die Münchner auf eine unmittelbare, sinnliche Filmsprache, die den Alltag und das Filmische auf eine Stufe stellte.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten zum Oberhausener Manifest
Die Unterschiede zwischen beiden Filmströmungen sind beträchtlich: Die Münchner Gruppe vertrat keine explizit revolutionäre, gesellschaftspolitische Ideologie, kannte keine feste Gruppendefinition und verzichtete auf einen akademisch-intellektuellen, strengen Ansatz. Der bewusste Verzicht auf Perfektion und strikte Drehbücher verlieh ihren Filmen eine experimentellere, emotionalere und wildere Qualität als den Werken des Neuen Deutschen Films.
Dennoch existieren wesentliche Gemeinsamkeiten: Beide Gruppen strebten eine Verjüngung des westdeutschen Kinos an, wollten das etablierte Studio-System überwinden und folgten dem Vorbild der französischen Nouvelle Vague. Wie ihre französischen Vorbilder um Godard, Truffaut und Rohmer etablierten sie ein neues Autorenkino, in dem der Regisseur als maßgeblicher Künstler fungierte.
Nachleben und filmhistorische Neubewertung
Nach 1972 gingen die Mitglieder der Münchner Gruppe unterschiedliche Wege: Rudolf Thome zog nach Berlin, Klaus Lemke nach Hamburg, wo er mit „Rocker“ (1972) einen Meilenstein des deutschen Realismus schuf, Martin Müller wurde Tonmeister, während May Spils und Werner Enke nach drei weiteren Filmen ihre Karrieren beendeten.
Die filmhistorische Bedeutung der Münchner Gruppe wurde lange durch die Dominanz des Neuen Deutschen Films in den 1970er Jahren überstrahlt und von der akademischen Filmforschung vernachlässigt. Erst mit der Neuen Berliner Schule um Christian Petzold, Dominik Graf und Thomas Arslan erfuhr ihre Ästhetik eine Renaissance. Diese zeitgenössischen Filmemacher knüpfen bewusst an die vergessene Traditionslinie der Münchner Gruppe an, die „Kino als Kino begriff und nicht als Mittel zum Zweck“.
Fazit: Eine progressive Alternative
Die Neue Münchner Gruppe repräsentiert einen alternativen, progressiven Weg in der deutschen Filmgeschichte, der jenseits kanonischer Fixierungen wiederentdeckt werden muss. Ihre Filme demonstrieren, dass politische Relevanz nicht notwendigerweise an explizite Sozialkritik gebunden ist, sondern auch in der ästhetischen Form und der Haltung zum Medium selbst liegen kann.
Die Neubewertung dieser filmhistorischen Strömung erweitert unser Verständnis des deutschen Nachkriegskinos und seiner vielfältigen Erneuerungsbewegungen. Sie erinnert uns daran, dass die Geschichte des deutschen Films nicht als linearer Fortschritt oder als exklusiver Kanon verstanden werden sollte, sondern als komplexes Feld verschiedener ästhetischer und politischer Positionen, die miteinander in Dialog treten.
Die lässige Nonchalance der Münchner Filmemacher, ihr Vertrauen in die Kraft filmischer Bilder jenseits didaktischer Intentionen und ihre Verschmelzung von Genrekino und künstlerischem Anspruch – diese Charakteristika machen sie zu einer faszinierenden Alternative im deutschen Kino der 1960er Jahre, deren Wiederentdeckung längst überfällig war.
Zusammenfassung des Films „Rocker“ (Klaus Lemke 1972)
Gerd, ein Rocker, wird aus dem Gefängnis Fuhlsbüttel entlassen und von seinen Freunden enthusiastisch empfangen. Seine frühere Freundin Sonja, die inzwischen als Warenhaus-Verkäuferin arbeitet, will sich von ihm und der Rocker-Szene lösen, zumal sie während seiner Haft eine Beziehung mit dem Kleinkriminellen Uli Modschiedler begonnen hat. Gerd versucht, sie zurückzugewinnen, indem er mit einer alten Mercedes-Benz-Limousine zu ihrem Arbeitsplatz fährt, doch seine aggressive Art eskaliert die Situation. Ein geplantes Treffen mit Sonja wird durch einen brutalen Überfall vereitelt, bei dem Gerd von einer maskierten Bande niedergeschlagen, an einen Baum gefesselt und seine Gartenlaube in Brand gesetzt wird. Währenddessen stiehlt Uli in der Tiefgarage am Hamburger Millerntor einen weißen Mercedes-Benz Cabrio, den er für 4000 Mark an einen Zuhälter verkaufen will, doch bei der Probefahrt wird er hinterrücks bewusstlos geschlagen, und die Betrüger entwenden das Fahrzeug.
Uli gerät zunehmend in finanzielle Not und überfällt seine eigene Schwester zu Hause, um Geld aus einem Nachttisch zu stehlen. Sein 15-jähriger Bruder Mark beobachtet ihn dabei und folgt ihm, woraufhin Uli ihn zunächst abweisen will, sich dann aber mit ihm anfreundet. Die Brüder betrinken sich in einer Kneipe auf St. Pauli, während Uli Mark in „Männerrituale“ wie das Trinken von Kornschnaps und das Rauchen einführt. Zufällig entdeckt Uli später den gestohlenen Mercedes wieder, und die beiden schlafen betrunken in dem Wagen ein. Doch der Zuhälter und sein Komplize erkennen sie, zerren sie aus dem Auto und schlagen Uli mit einem Knüppel brutal zu Tode, während Mark hilflos zusehen muss. Verstört flieht er vom Tatort und wird am nächsten Morgen betrunken vor dem Supermarkt gefunden, in dem er seine Ausbildung macht. Nachdem ihn eine Verkäuferin weckt, rastet er aus, randaliert und wirft Waren aus den Regalen, bis die Polizei ihn schließlich nach Hause bringt.
Marks Schwester plant, ihn zu den Eltern nach Cuxhaven zu schicken, doch an einer Straßenbahnhaltestelle schläft er ein. Nach dem Aufwachen gerät er in einer Kneipe an Gerd und zwei Rocker-Kameraden, die sich dort zuvor mit Sonja getroffen hatten. Als Sonja erfährt, dass ihr Freund Uli tot ist, verlässt sie fassungslos die Szene. Unterdessen betrügt Gerd einen Drogenkunden, indem er ihm Marks Kleidung als vermeintliche Drogen für 4000 Mark verkauft, mit denen er sich ein umgebautes Chopper-Motorrad kauft. Er beschließt, Mark damit nach Cuxhaven zu bringen, doch in einer Fernfahrerkneipe an der B 73 provoziert er grundlos einen LKW-Fahrer, der daraufhin sein Motorrad überrollt. Wütend und verzweifelt bricht Gerd zusammen, und schließlich kehren er und Mark per Anhalter nach Hamburg zurück.
Zurück in Hamburg erkennt Mark die blonde Freundin eines der Männer, die seinen Bruder Uli getötet haben, und folgt ihr in ein Nachtlokal an der Großen Freiheit. Als er Gerd einweiht, organisiert dieser eine brutale Vergeltungsaktion, bei der seine Rocker-Gang Ulis Mörder zusammenschlägt. Doch Mark will seine eigene Rache und zerschlägt mit einer Eisenstange die Windschutzscheibe des Mercedes, bevor er flieht, als die Polizei eintrifft. Der Film endet mit einer Nahaufnahme von Marks lächelndem Gesicht, während der Filmtitel eingeblendet wird.
Soundtrack
Rolling Stones: Sister Morphine
Rolling Stones: Moonlight Mile
Santana: Jingo
Them: It’s All Over Now Baby Blue
Elvis Presley: King Creole
Led Zeppelin: Rock’n’Roll
Santana: Black Magic Woman
Rolling Stones: I Got The Blues
Papas Staatskino ist tot: Hamburger Manifest von Klaus Lemke – Protest gegen das Filmfest 2010
ICH FORDERE INNOVATION STATT SUBVENTION. ICH FORDERE DAS ENDE JEDWEDER FILMFÖRDERUNG AUS STEUERMITTELN. DER STAAT SOLL SEINE GRIFFELN AUS DEM FILM ENDLICH WIEDER RAUSNEHMEN.
13 JAHRE STAATSKINO UNTER ADOLF UND DIE LETZTEN 40 JAHRE STAATLICHER FILMFÖRDERUNG HABEN DAZU GEFÜHRT, DASS DER DEUTSCHE FILM SCHON IN DEN SIEBZIGERJAHREN AUF KLASSENFAHRT IN DER TOSKANA HÄNGENBLIEB; DASS AUS REGISSEUREN SOFT SKILLS-KASTRATEN UND AUS PRODUZENTEN VEREDELUNGSJUNKIES WURDEN.
WIR BAUEN DIE SCHÖNSTEN AUTOS.
WIR HABEN DIE SCHÖNSTEN FRAUEN.
ABER UNSERE FILME SIND WIE GRABSTEINE.
BRAV. BANAL. BEGÜTIGEND. GOETHEINSTITUT.
ABER FILM IST KEINE AUSSTERBENDE TIERART. FILM IST AUCH KEIN INTELLIGENZBESCHLEUNIGER. FILM MUSS NOCH NICHT MAL GUT SEIN. FILM MUSS NUR WIRKEN.
DAS TUT DER DEUTSCHE FILM SCHON LANGE NICHT MEHR.
RETTUNG KANN ALLEIN VON OMAS HÄUSCHEN KOMMEN, DAS MAN HEIMLICH BEI DER BANK BELEIHT. DENN NUR FÜR DAS EIGENE GELD LOHNT ES SICH NACHZUDENKEN – WENN ES IN GEFAHR IST. UND GELD BEIM FILM IST IMMER IN GEFAHR. OHNE DAS WIRDS NICHTS.
GELD VOM STAAT IST IMMER EIN TRITT GEGEN DIE EIGENE KREATIVITÄT. VOR EIN PAAR WOCHEN WURDE KLAMMHEIMLICH DIE ENGLISCHE FILMFÖRDERUNG EINGESTELLT – DIE EINZIG ERFOLGREICHE IN EUROPA. ABER EBEN AUCH VOLLKOMMEN UNNÖTIG. DER FÖRDERWAHN FÜHRTE DEN ENGLISCHEN FILM INS NIRVANA. ACH DIESE ENGLÄNDER! ES GIBT NOCH HELDEN. BEI UNS NUR EINEN: DOMINIK GRAF. WÜRDE MAN JEDE FILMFÖRDERUNG AUS STEUERMITTELN ÜBER NACHT EINSTELLEN – WIR WÄREN IN ZWEI JAHREN DAS KREATIVSTE FILMLAND IN EUROPA UND EINE ECHTE KONKURRENZ ZU HOLLYWOOD. WEITER SO WIE JETZT BLEIBEN WIR DIE TOPLANGWEILER WELTWEIT. DER DEUTSCHE FILM GEHÖRT ENDLICH BEFREIT AUS DEN GEFÄNGNISSEN DER FFA.
NO PAIN. NO SPAIN. LEMKE.
Klaus Lemkes Filme in den Top 100 der deutschen Kino-Charts
1979 Platz 34: Arabische Nächte
1979 Platz 50: Ein komischer Heiliger
1980 Platz 59: Flitterwochen
Zitate von Klaus Lemke
Lemke über Film allgemein
Das allerwesentlichste und erste über Film ist wenn man etwas spürt lange bevor man’s weiß. Wenn man also ein Gefühl bekommt, dieser Kerl wird sie verraten. Man hat keinen Grund dafür, aber man nimmt an, man glaubt das. Und sie wird den verteidigen, das spürt man. Und wie man dann enttäuscht wird oder bestätigt wird in seinem Gespür, das ist Kino. Das andere ist Theater. Leute stehen hin und sagen ich bin jetzt der und der und ich mache das und das. YouTube Upload: 30 Juni 2015, Position: 13:06 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Lemke über Schauspieler:innen
(die kann ich leider nicht mehr zuordnen, kommen aber aus einer der Quellen, die ich hier gelistet habe. Alas, I lack the time)
Lemke über Iris Berben:
Damals war ich mit einer kleinen Schlampe aus Hamburg zusammen, die hieß Iris Berben (…) und ich dachte mir, die ist wirklich so arrogant und auch so blöd und so bescheuert eigentlich. Und die habe ich eigentlich auch so gehasst und war auch wirklich verliebt in die, dass ich dachte, ich muss unbedingt einen Film über sie machen. Und das war einer der ersten Filme, die ich gemacht habe.
Lemke über Cleo Kretschmer:
Und dann lief noch so ein Mädchen rum – ganz süß, ganz klein, mit dem hübschesten Po der damaligen Zeit. Ein sehr aggressives Mädchen, mit sehr viel Alkohol und auch allen anderen Dingen. Das passte mir sehr gut, mit ihr war ich dann auch sofort zusammen. Das war Cleo Kretschmer, und dann habe ich mit ihr Filme gedreht.
Cleo Kretschmer über die Anfangszeit mit Klaus Lemke
Ich durfte nie mit ans Set. Und ich war in der ganzen Zeit eigentlich ziemlich einsam, habe zu Hause gehockt und war eifersüchtig. (…) Dann habe ich so lange genervt, bis er gesagt hat: „Okay, wenn du ein Drehbuch schreibst, mache ich einen Film mit dir.“ Und er hat wie beim Pferdehandel eingeschlagen. BR2 Podcast 9.7.2022, Position 18:39
Lemke über den Film „Rocker“
Rocker geht darum, was wirkliche Liebe ist. Wirkliche Liebe ist nicht, dass man jemanden liebt. Wirkliche Liebe ist, dass man jemanden liebt, der es vielleicht gar nicht verdient. Wo man allen Grund hat den nicht zu lieben. YouTube Upload: 30 Juni 2015, Position: 26:00 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Wir kamen nie mit der deutschen Sprache zurecht, weil Deutsch einfach beschissen klang – gegen all das, was wir immer hörten, und gegen die Musik der Rolling Stones. (…) Für mich kam das richtige Ding, als ich plötzlich richtige Jungs kennengelernt habe – ich meine, richtige Jungs aus St. Pauli, eben Rocker, die sich einen Dreck um uns geschert haben, die ihr Ding gemacht haben. Das war eine Offenbarung. Und allein, wie die redeten, war zum ersten Mal so, dass man das sozusagen der Sprache Mick Jaggers entgegenhalten konnte. Das war Arbeitssprache vom Feinsten. Jede Sache bedeutete drei verschiedene Dinge – das war ganz, ganz bombig, wie die redeten. (…) Und zum ersten Mal war ich stolz auf Deutsch. BR2 Podcast 9.7.2022, Position ca.14:00
Lemke über Baader, mit dem er in einer Münchner Kommune lebte
Baader war auch hier oben immer im „Bungalow“ drin. Wollte unbedingt zum Film. YouTube Upload: 30 Juni 2015, Position: 26:29 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Baader mochten wir gerne (…) In diesem kleinen Türkendeutsch, in dem wir unsere ganze Filmgeschichte gelernt haben, saß Baader hinten. Und Baader hat sogar gelernt, Filme einzulegen und vorzuführen. Er hat sich manchmal nachts bestimmte Filme alleine angeschaut. Er war ein wirklicher Filmfanatiker. BR2 Podcast 9.7.2022
Aber Baader hatte so einen merkwürdigen Münchner Badischen Akzent. Und den haben wir nicht genommen eigentlich. Damals, als wir diese ersten Filme gedreht haben. (…) Und so ist Baader eigentlich notgedrungen, da er nicht zum Film kam, Terrorist geworden, um wirklich irgendwas zu machen im Leben. Und ich habe mit dem zusammengewohnt im selben Haus. Und die haben die ganze Zeit über Mädchen geredet, die sie nicht hatten. Und haben Karl Marx gelesen, den sie nicht verstanden. Und wir haben immer lustig Filmchen gemacht. Und einen habe ich auch über die gemacht, der heißt Brandstifter. YouTube Upload: 30 Juni 2015, Position: 26:29 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Ich habe mich damals schon eigentlich mehr für die Opfer interessiert. Oder: ich hatte damals eigentlich mehr Gefühle für die Opfer als für die Täter. Denn die Täter hatten wirklich kein Gefühl für ihre Opfer. Das hat mich wirklich schockiert. YouTube Upload: 30 Juni 2015, Position: 29:00 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Lemke über Berlin, München und Film
Filmfest München 2014, Die Hamburg-Filme: Klaus Lemke im Gespräch mit Christoph Gröner
Berlin ist etwas, was München eben nicht ist. Berlin ist eine wirkliche Großstadt. Eine Großstadt zeichnet sich dadurch aus, dass das persönliche Leben und das Leben der ganzen Stadt, nichts anderes ist als von einer Katastrophe sich in die nächst größere bedenkenlos zu retten. (…) Das geht immer so weiter. Das ist aber auch der einzige Weg (…) Es gibt nur einen Weg: nur nicht denken, dass der liebe Gott es richtet. Und nur nicht ein schlechtes Gewissen haben, sondern sofort noch eins drüber.\ Und das ist auch die Dramaturgie aller großen Filme. Denn Film ist nichts anderes als in eine Situation reinkommen und irgendwie versuchen aus der wieder rauszukommen. Es gibt nur einen Weg aus einer Situation rauszukommen, in die nächst üblere. Und das durchstehen.\ Die Sache mit dem Verzeihen des lieben Gottes ist toll in Bayern. Aber das hilft nicht mehr für ein modernes Leben. Ein modernes Leben ist kein Kreuzworträtsel, das sich am Schluss einfach zusammenfügt. (…) Wir sind auch mit nichts anderem konfrontiert, als dieser geballten Irrationalität eines Lebens, der wir nicht mehr beikommen. Nicht mehr beikommen. Jeder von uns. Amerikaner haben das längst kapiert. Und Berlin auch. Deswegen ist Berlin eine Großstadt. Aber München hat natürlich was anderes, hat München… Ich würde sagen, äh, die schönen Mädchen.(…) München ist eine Ganztagslüge, aber eine, die sich lohnt.
Hier noch ein paar transkribierte Zitate, denen ich nur die Quelle, aber nicht die Position zuordnen kann. Ich habe das nicht noch einmal nachgelegt:
Es geht darum im Film nicht wie man eine Kamera bewegt, sondern wie man den Zuschauer bewegt.\ YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Man kann auf einer Hochschule nicht lernen, wie man etwas macht, dass der Zuschauer einsteigt, dass man ihn verführt und dass man ihn am Schluss entlässt. Und im Kopf ist immer noch ein bisschen der Film drin. Und dann geht sein wahres Leben wieder los und wie sich das vermischt. Und plötzlich hat man was erlebt, was vollkommen einmalig ist.\ YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Das ist worum die ganze Welt geht, dass wir für kurze Momente plötzlicher Ekstase aus dem rauskommen, was wir nun leider sein müssen den ganzen Tag. YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Mit Film kann man länger verrückt sein als mit Drogen oder Alkohol. YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Egal, mit wem man einen Film macht – selbst jeder professionelle Schauspieler ist im Prinzip enttäuscht von dem, was er auf der Leinwand sieht. Weil es nicht er ist, sondern ich bin es. Ich mache nichts anderes, als mich in die Leute hineinzubeamen. Und letztendlich bin ich es, der da vor der Kamera spielt – durch diese Person hindurch. YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Was ich drehe, das sind Erfindungen, die ich mir morgens ausdenke und nachmittags realisiere. Aber ich realisiere sie nicht mit irgendwelchen Marionetten oder Schauspielern, die genau das machen, was ich sage. Sondern das, was meine Leute zu dem sagen, was ich drehen will, ist unvorhersehbar. Und wenn sie es nicht drehen wollen, dann drehe ich es auch nicht. YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Wenn man so authentisch Filme dreht, wie ich, gibt es einen Moment, wenn man lange genug durchhält, dreht sich der Film von selbst. Die Leute merken selbst, in welche Rolle sie da reinflutschen. Und je mehr sie das selbst merken, desto mehr kann ich wieder raus. YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
Ich habe zuerst ihren wirklich großen und fabelhaften Busen gesehen, und in so einem Fall bin ich sowieso von vornherein begeistert. Wie bei Dolly Dollar – die hatte einen noch größeren Busen. Aber das war ein bayerisches Kind, und dieses Mal war es ein norddeutsches, diese Sara Lisa …, die Verkäuferin bei H&M war. Ich habe ziemlich lange auf ihren Busen geschaut, und wenn die Mädchen dann nicht nervös werden, taugen sie meistens auch was für’s Kino.\ Gefragt über die Entdeckung von Saralisa Volm für den Film Finale (2006) YouTube Upload: 30 Juni 2015 | muenchen.tv https://youtu.be/7YhadcX–ew
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