EGL093 Tokyo Godfathers: Satoshi Kons Weihnachtsfilm zwischen Wunder und Wirklichkeit in den Hinterhöfen von Tokio

HANA "Ich bin ein kleines Missgeschick Gottes. Ganz tief in meinem Herzen bin ich eine Frau." GIN "Frauen können Kinder kriegen." HANA "Ganz genau. Wunder gibt es immer wieder. Stell dir vor, so was wie der Jungfrau Maria könnte auch mir passieren"

Micz und Flo haben sich zur Vorweihnachtszeit übers Wochenende zu einem Podcast-Retreat ins Brandenburger Land nördlich von Berlin zurückgezogen. Passend zur Weihnachtszeit schauen wir uns den Anime „Tokyo Godfathers“ von Satoshi Kon an und besprechen ihn am nächsten Tag auf einer Wanderung in Krummensee. „Tokyo Godfathers“ hat Flo schon vor über 20 Jahren berührt, als der Film 2003 herauskam, und ist ein perfekter Weihnachtsfilm mit allen prägenden Merkmalen des Genres: Er spielt am Weihnachtsabend im verschneiten Tokio, es geht um Wunder, ein verlorenes Kind und den Zusammenhalt von Familie. Held:innen der Geschichte sind die drei Obdachlosen: Hana, eine Transfrau, Gin, ein Alkoholiker und Miyuki, einem Teenager-Mädchen, das von zu Hause abgehauen ist. Sie sind auf der Suche nach der Mutter eines Babys, das sie im Müll gefunden haben, und wachsen dabei weit über ihre Grenzen hinaus. Der Film zeigt Mut und Barmherzigkeit im Randmilieu der Gesellschaft und benennt dabei Themen, die nicht nur in Japan tabuisiert sind: Alkoholismus und Spielsucht, Wochenbettdepression und Todgeburt, Gewalt an Obdachlosen und mangelnde Akzeptanz von Transsexuellen. Er schafft eine hohe emotionale Verbundenheit mit den Figuren, die Satoshi Kon wie echte Darsteller:innen inszeniert. Mit wenigen Strichen und zugleich karikaturesken Zeichnungen gelingt ihm eine starke Identifikation mit den Hauptfiguren. Satoshi Kon ist 2010 im Alter von 46 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben. Sein Œuvre ist weit über Japan hinaus bekannt. Er inspirierte Regisseure wie Christopher Nolan und Darren Aronofsky mit seinen Filmen. Wie auch Akira Kurosawa greift Satoshi Kon westliche Ideen in seinen Werken auf. Insbesondere die Psychoanalyse und Traumdeutung Sigmund Freuds finden bei Kon künstlerischen Ausdruck. „Tokyo Godfathers“ kann wohl von der Dramaturgie und Erzählung als der "normalste" von Satoshi Kon gelten. Wunder spielen zwar eine Rolle, aber immer so, dass sie auch ein Zufall sein könnte, ein ganz kleiner Zufall, der aber in der Realität passieren kann. Auf unserer Wanderung durch Krummensee Richtung Haussee können wir auch einen Weg nicht passieren, eine Absperrung mit dem Hinweis "Jagd auf diesen Wegen" veranlasst uns zum Umdrehen. Wir laufen stattdessen zum Krummer See. Dort treffen wir zwar auf keine weiteren Absperrungen, aber Micz bleibt für den Rest der Wanderung beunruhigt – auch wegen eines Pick-ups, der uns entgegenkommt. Der Fahrer mit Schirmkappe und breiten Nacken grüßt uns zwar freundlich, doch als wir dem Auto nachschauen, sehen wir auf der Ladefläche mehrere Rehe. Am Ende der Episode stehen wir an einem Hochsitz und scherzen darüber, ob die Folge überhaupt noch veröffentlicht wird – und ob man im Abspann vielleicht schon einen Schuss hört...

Shownotes

Mitwirkende

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Florian Clauß
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Micz Flor

Transcript

Micz Flor
0:00:00–0:00:02
Läuft schon. Weißt du, welche Folge das jetzt ist?
Florian Clauß
0:00:02–0:00:03
93.
Micz Flor
0:00:03–0:00:04
93.
Florian Clauß
0:00:04–0:00:05
Eine nach deiner.
Micz Flor
0:00:06–0:00:12
Ah, vor Weihnachten. Hallo, willkommen zu Podcast Episode 93.
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Aufgenommen, die jetzt in der nahen Zukunft immer wieder mal kommen.
0:00:22–0:00:26
Und wer auf unserer Webseite sich die Tracks anschaut, kann dann auch schon,
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abschätzen, in welcher Gegend wir da waren.
0:00:30–0:00:34
Wir, das sind Flo, hallo, und Mitch und wir machen Podcasts,
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in denen wir laufend reden und beim Laufen reden.
0:00:37–0:00:43
Die Touren dazu könnt ihr, wie eben schon gesagt, auf unserer Webseite eigentlich-podcast.de
0:00:43–0:00:45
auch alle einsehen. Wer will, kann die mal nachlaufen.
0:00:46–0:00:48
Thema heute, vorbereitet von Flo.
Florian Clauß
0:00:49–0:00:50
Von uns beiden.
Micz Flor
0:00:50–0:00:56
Von uns beiden, genau. Ja, ich habe mich auch, also ich habe mich hineingefühlt, sage ich mal.
Florian Clauß
0:00:56–0:01:01
Ja, wir haben auch vielleicht das zu Ergänzungen auch thematisch verknüpft.
0:01:02–0:01:04
Wir haben nämlich, wir sind in der Vorweihnachtszeit.
0:01:05–0:01:11
Wir haben gerade an der Bushaltestelle uns verkabelt und dann auf der lauter
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kleinen Anzeigen von Adventsmarkt in Krummsee.
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Wir sind nämlich hier am Krummsee, Das ist nördlich von Berlin,
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vor Berneuchen und wir wollen jetzt einmal um den Haussee laufen.
0:01:24–0:01:29
Das ist nämlich, eigentlich heißen hier alle Seen Hausseen, die irgendwie zum Dorf gehören.
0:01:29–0:01:34
Und dann zum Krummersee, was wir festgestellt haben, dass der Krummersee nicht
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Krummsee heißt, sondern Krummersee, der ist so ein bisschen weiter südlich von Krummensee.
0:01:39–0:01:44
Genau, das ist unsere Tour hier in der Einöde von Brandenburg.
0:01:44–0:01:48
Genau das Richtige, um so ein Podcast-Retreat zu machen.
Micz Flor
0:01:48–0:01:53
Auf jeden Fall. Das Wetter ist kühl und klar. Morgens neblig.
Florian Clauß
0:01:54–0:01:58
Alles wie in einer Glasglocke. Wir sind gestern Abend angekommen,
0:01:58–0:02:01
konnten noch mit dem ABC-Ticket rausfahren.
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Und alles war ganz neblig. Und ich finde, beim Nebel ist wie so ein...
0:02:07–0:02:11
Schallschutz, der um die Ohren gelegt wird. Da ist alles so gedämpft und wir
0:02:11–0:02:14
sind dann im Dunkeln auch um den See gefahren.
0:02:15–0:02:20
Nur mit so ein bisschen Taschenlampe und Fahrradlicht und ganz viel Nebel.
0:02:21–0:02:26
Also atmosphärisch hier, ja. Ich mache nochmal Bilder. Ihr könnt auch die Bilder sehen.
0:02:26–0:02:30
Also ja, Mitch hat ja schon gesagt, wer uns nicht kennt, wir laufen beim Reden
0:02:30–0:02:35
und laufend reden oder so ähnlich, Wir sind jetzt schon bei Folge 93, Mitch.
0:02:35–0:02:39
Und das war auch so ein bisschen Anlass für unser Podcast-Retreat.
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Die Folge 100. Zeit zum Reflektieren.
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Zeit zum Nachdenken. Wo kann sich noch eigentlich Podcast weiterentwickeln?
0:02:50–0:02:51
Neue Routen kennenlernen.
0:02:51–0:02:54
Und ja, ein bisschen besinnlich halt.
Micz Flor
0:02:54–0:02:57
Immer weiter, immer mehr. Noch länger, noch schneller.
0:02:59–0:03:04
Der Haussee hier in Krummensee. Wir hatten ja die Folge über den Haussee in
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Seefeld, wo der Spiegel zwei Meter abgefallen ist. Aber hier sieht es nicht so aus, oder?
Florian Clauß
0:03:09–0:03:12
Ich weiß es nicht. Ich glaube, die Seen haben sich auch erholt.
Micz Flor
0:03:12–0:03:16
Also hier kann es nicht viel höher gelaufen sein. Wir sind direkt am Ufer und
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da ist dann so hier was aufgemauert.
0:03:19–0:03:21
Also ich habe nicht das Gefühl, dass das hier so.
Florian Clauß
0:03:21–0:03:25
Eingebrochen ist. Ja, das sieht so aus. Vielleicht ist der auch einfach tiefer,
0:03:25–0:03:28
weil der See im Seefeld ist recht flach.
Micz Flor
0:03:28–0:03:31
Das ist wirklich eine Pfütze. Und hier, also wenn man hier fährt,
0:03:31–0:03:36
von der Bundesstraße Richtung Krummsee, dann kommt man auch an so ein bisschen
0:03:36–0:03:41
fast schon was, vielleicht würde man eher sagen Verwerfung als Gebirge,
0:03:41–0:03:43
aber man hat so Furchen drin.
0:03:43–0:03:48
Teilweise sind dann die Felder so ganz steilen Kippen zusammengeschoben.
Florian Clauß
0:03:48–0:03:52
Wir haben ja unter einer, was du hier schon gerade als Referenz benannt hast,
0:03:53–0:03:58
einstelligen Podcast-Episode über die Szenen in Brandenburg, die austrocknen.
0:03:59–0:04:02
Und da hatten wir auch gesagt, das hier ist der Banima-Gletscher,
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der mal durchgelaufen ist. Deswegen sind die Landschaften so verfolgt.
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Deswegen gibt es auch Steigerungen und Senkungen. Das ist quasi die eine Gletscherschneise,
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die parallel zu Berlin hier mal so...
Micz Flor
0:04:14–0:04:16
Und da gibt es teilweise eben auch noch diese Riesen-Findlinge hier,
0:04:16–0:04:23
die dann in diesem Sandgebiet Und auch über die Jahrtausende,
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Jahrzehnt, Tausende durch das Wasser teilweise auch so runtergezogen wurden.
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Und dann gibt es, ich habe das vergessen, wie die heißen, eben diese Löcher
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teilweise mitten in Feldern. Das sieht man auch noch.
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Das hatte ich auch mal in einer Folge mit Ali Hacke live, als wir durch Berlin gelaufen sind.
Florian Clauß
0:04:37–0:04:43
Erwähnt, als wir über die Neolithischen Zeiten gesprochen haben. Das waren noch Zeiten.
0:04:44–0:04:46
Dass ich das irgendwie auch...
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Da ging es auch um Stonehenge und so weiter, dass ich das irgendwie auch verstehen
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kann, dass die Leute dann völlig perplex waren, als die halt so einen Riesenstein
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bei sich da auf dem Feld gefunden haben.
0:04:59–0:05:05
Und dann natürlich an was Übernatürlichen glauben mussten, weil wer hat diesen Stein dahin gelegt?
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Da war ja überhaupt keine historische, so eine wissenschaftliche Erklärung möglich,
0:05:12–0:05:16
sondern der Stein war auf einmal da und kein Wunder, da müssen wir halt irgendwie was draus bauen.
0:05:16–0:05:18
Wir holen andere Steine her, die groß sind.
Micz Flor
0:05:19–0:05:21
Oder es ist halt einfach so, wie es ist. So ging es mir als Kind.
0:05:21–0:05:26
Ich habe da früher einfach dann, gab es dann diese Asterix-Oblex-Hinkelstein-Dinger
0:05:26–0:05:27
und die stehen dann überall rum.
0:05:28–0:05:30
Und ich habe gedacht, das ist halt so, das ist halt Erde und Sand.
0:05:30–0:05:31
Und manchmal sind große Steine.
Florian Clauß
0:05:31–0:05:32
Ja, genau.
Micz Flor
0:05:32–0:05:34
Man muss einen ja auch nicht wirklich aus der Welt schmeißen.
Florian Clauß
0:05:35–0:05:39
Heute das Thema. Wir wollen ja uns auch so ein bisschen weihnachtlich einstimmen
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und haben das auch gestern Abend getan.
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Aber du meintest, du willst mir noch eine Frage stellen, bevor es losgeht.
0:05:44–0:05:46
Oder gehört die auch schon zum Thema?
Micz Flor
0:05:46–0:05:49
Nein, du kannst das Thema ankündigen und dann stelle ich dir nochmal die Frage.
Florian Clauß
0:05:50–0:05:55
Okay, also wir wollen uns diese Folge mit Weihnachtsfilmen beschäftigen.
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Aber speziell mit einem Weihnachtsfilm, den ich sehr, sehr mag,
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den Mitch dann, glaube ich, gestern zum ersten Mal gesehen hat,
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aber der mich schon immer berührt hat, den ich auch das letzte Mal vor ewig
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langer Zeit gesehen habe.
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Und zwar geht es um Tokyo Godfathers von Satoshi Kon, ein Anime-Film,
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der sehr weihnachtlich ist.
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Und darüber möchten wir sprechen und das mit euch teilen, wie man so sagt.
Micz Flor
0:06:26–0:06:29
Genau. Und eine Sache, die wollte ich mit dir vorneweg kurz besprechen.
0:06:30–0:06:34
Und zwar, wie nennen wir die Charaktere? Weil ich kann mir diese Namen nicht merken.
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Und ich hatte überlegt, weil es gibt ja diese eine Person, die sich selbst in
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der deutschen Sankt-Konsignation als Tunte auch bezeichnet, aber die...
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Am Anfang irgendwann einmal so diesen Spruch sagt, so, ach, ganz tief im Herzen bin ich eine Frau.
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Und vielleicht können wir das einfach als Aufhänger nehmen und können über die
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Charaktere, es sind drei, die da zusammenkommen, wird Flo gleich in der Einladung
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erzählen, können wir vielleicht sagen, es ist der Mann, die Frau und das Mädchen oder das Kind.
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Wäre das für dich denkbar, weil es ja ein bisschen auch mit diesem christlichen
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Motiv, was da so teilweise reingezogen ist, d'accord gehen würde?
Florian Clauß
0:07:15–0:07:20
Ja, klar, können wir so machen. Aber ich fand jetzt zum Beispiel da die Charaktere
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gar nicht so schwierig, die man sich auch merken kann, weil der Mann ist Gin,
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also er ist Alkoholiker, deswegen Gin.
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Ja, die Trans-Person ist Hanna und das Kind ist Miyuku.
Micz Flor
0:07:39–0:07:39
Miyuku.
Florian Clauß
0:07:40–0:07:48
Das ist die Familie Tokio-Gottfathers. Da sind zwei Sachen drin in diesem Titel.
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Eine ist Tokio und das andere ist Gottfathers.
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Also im Gottfathers kann man auch sagen, die heiligen drei Könige oder Königinnen.
Micz Flor
0:07:58–0:08:00
Ja, oder Paten.
Florian Clauß
0:08:00–0:08:06
Paten, genau, die Paten. Eine richtige Stunde. Natürlich, das klassische Narcos-Paten.
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Gottfald. Aber Satoshi Kon ist ein Animationszeichner, der nicht so viele Filme
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gemacht hat, weil er früh gestorben ist, mit 46 Jahren an Bauchspeicheldusenkrebs.
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Aber in seiner kurzen Schaffenszeit hat er doch sehr bemerkenswerte Werke hinterlassen.
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Die auch vornehmlich mit einer Produktionsfirma produziert wurden, nämlich Madhouse.
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Satoshi Kon hat Anfang der 90er seine Zeichenkarriere begonnen.
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Er selber, also wenn man seine Beschreibung in der Kindheit,
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wenn man die sich anschaut, ist so ein typisch japanisches Kind,
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was sich durch Insekten sammeln auszeichnet.
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Ah, okay. Das war ja auch lustig, weil das ist tatsächlich, Insekten sammeln
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scheint sehr verbreitet zu sein. Das ist mir auch bei einigen so.
Micz Flor
0:09:04–0:09:09
Das ist bei Gibli nicht auch so, dass das kleine Kind so rumläuft und so Zikaden
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sammelt und auch so einen Köscher hat oder so. Ja, das ist bei Tattoo.
Florian Clauß
0:09:14–0:09:14
Oder?
Micz Flor
0:09:14–0:09:15
Genau, ja, ja.
Florian Clauß
0:09:15–0:09:19
Stimmt, ja, ja. Gut, lass mal gucken, ob da ein Weg eingezogen ist.
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Nicht, dass wir dann wieder hier, guck mal, ah ja, hier, hier,
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den kann man gehen. Also wir sind jetzt vor der Karte.
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Das heißt, wir können hier und dann den Dammweg hier rumgehen.
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Oder wir können mal gucken, ob wir hier durchkommen.
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Aber da ist ein Fluss. Wahrscheinlich müssen wir wirklich hier weggekommen.
Micz Flor
0:09:36–0:09:40
Also hier weiß ich nicht, ob wir da drüber kommen. Wir können es probieren. Seehof runtergehen.
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Hier sind auch die alten Sachen. Also Krummsee ist sehr klein.
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Hatte früher einen Seehof, eine Bogenschießanlage.
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Es gibt immer noch hier ein Restaurant, den Pilzhof.
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Ein bisschen Promotion, ganz selbstlos. einfach um auch die Infrastruktur ein
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bisschen aufrechtzuerhalten.
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Aber diese Karten, die hier in den Dörfern stehen, die sind teilweise schon
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sehr alt, ich weiß nicht von wo, auch wenn die noch gut erhalten aussehen.
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Wo diese viele von den Sachen, die da verzeichnet sind, gar nicht mehr existieren.
Florian Clauß
0:10:07–0:10:11
Aber ich habe also auch in einigen Arthouse-Filmen japanischen gesehen,
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dass dann irgendwelche Charaktere dann Insekten sammeln. Das kommt immer wieder vor.
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Also er hat sich selber als ein Außenseiterkind bezeichnet.
Micz Flor
0:10:19–0:10:21
Ich habe auch Insekten gesammelt als Kind.
Florian Clauß
0:10:21–0:10:24
Ich habe auch Insekten gesammelt. Vielleicht ist es auch so ein bisschen so
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nerdy Stuff, weißt du, so die Nerdkinder, die anfangen irgendwie...
Micz Flor
0:10:28–0:10:32
Rückwirkend, so brutal. Man muss die alle auch irgendwie umbringen,
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weil ich habe die dann ja auch umgebracht. Und so habe ich nie groß drüber nachgedacht.
Florian Clauß
0:10:36–0:10:39
Ich konnte die nicht umbringen. Also ich habe die gesammelt,
0:10:39–0:10:41
aber dann halt so ein Terrarium gebaut.
Micz Flor
0:10:42–0:10:44
Das hatte ich auch mit Stabheuschrecken. Und auch teilweise,
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die konnte man irgendwo kaufen.
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Glaube ich, musste ich ja irgendwo gekauft haben. Stimmt, ich hatte auch Terrarien,
0:10:49–0:10:51
dann Schnecken gehalten, Stabheuschrecken gehalten.
Florian Clauß
0:10:52–0:10:55
Aber getötet habe ich die, glaube ich, nicht. Oder ein bisschen,
0:10:55–0:10:58
aber ich habe mich dann immer schlecht gefühlt und wollte es dann doch nicht.
0:10:59–0:11:07
Also er war als Junge auch sehr intelligent, er hat gute Schulnoten geschrieben
0:11:07–0:11:13
und hat sich dann aber fast beiläufig für das Anime-Zeichnen,
0:11:13–0:11:17
also für das Manga-Zeichnen dann interessiert und das als seinen beruflichen
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Werdegang dann auch eingeschlagen.
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Weil er beim Zeichnen, so hat er das gesagt, dass er nie ermüdet.
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Er hat eine unglaubliche Kraft. Man merkt das dann auch in seinen Filmen und
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ich will auch so weitgehend zu sagen, dass es wirklich eine Handschrift ist, die man da bei ihm merkt.
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Zum einen stilistisch, zum anderen auch von den Themen.
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Er hat auch,
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Ähnlich wie Kurosawa dann in den 50ern, hat er auch einige Stoffe,
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die dann sehr westlich sind, mit aufgenommen.
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Also in Perfect Blue oder Paprika kommen auch viele Zitate zu.
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Freud, die gespiegelte Persönlichkeit und so verschiedene Anleihen aus der Psychoanalyse.
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Deswegen dachte ich, dass du, aber du kennst die anderen Filme glaube ich nicht, oder?
Micz Flor
0:12:10–0:12:12
Nee, ich habe das, das hattest du dir glaube ich auch schon erzählt,
0:12:13–0:12:17
aber ich finde, das ist so ein eigenes Genre, das Trailer gucken auf YouTube.
Florian Clauß
0:12:17–0:12:19
Ich weiß nicht, ob du das nachvollziehen kannst. Ja, klar, genau.
Micz Flor
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Mach das manchmal so 45 Minuten Trailer, Best Sci-Fi Films of Coming Year oder so.
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Und da gab es dann irgendwie 15 Top-Manga-Films oder so.
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Und da war auch Perfect Blue, Paprika und so. Und da kannte ich die irgendwie so als Trailer.
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Und teilweise habe ich dann auch noch Reviews geguckt, die die so hoch gelobt
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haben. Aber dann habe ich es auch schon wieder fallen gelassen.
Florian Clauß
0:12:40–0:12:42
Paprika, das lohnt sich auch wirklich,
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den mal anzuschauen, weil der viel mit so Traumwelten, also generell ist Satoshi
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Kon arbeitet viel mit Traumwelten,
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mit Parallelwelten und wo auch die Charaktere dann nochmal eine andere Identität
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bekommen und auch so mehr zu sich selbst finden oder über sich herausfinden.
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Man sagt, dass Tokyo Godfathers tatsächlich eher ein Film ist,
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wo alles in der realen Welt spielt.
0:13:12–0:13:18
Da gibt es jetzt keine Sequenzen, die irgendwie in einem Traum oder irgendwas spielen.
Micz Flor
0:13:18–0:13:21
Ja, ich würde gleich sagen, mit Hinblick auf worum es da geht.
0:13:21–0:13:24
Es hat so Weihnachtswunderzeit.
0:13:25–0:13:29
Dass es wichtig ist, dass es eine realitätsbezogene Welt spielt,
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damit diese ganzen Wunder auch als Wunder erkannt werden.
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Es gibt eine ganze Reihe von kleinen Hinweisen, dass da doch etwas Übernatürliches passiert.
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Und das ist natürlich verstärkt, wenn man einfach so in urbanen Settings ist,
0:13:42–0:13:46
wo dann auf einmal was passiert, was sehr, sehr unwahrscheinlich ist.
0:13:46–0:13:49
Möglich, aber vielleicht doch ein Wunder.
Florian Clauß
0:13:49–0:13:53
Ja, genau. Und dann kommen wir genau zu dieser Definition von Wunder.
0:13:53–0:13:57
Weil, wie du sagst, es ist alles sehr, sehr unwahrscheinlich.
0:13:57–0:14:04
Das heißt, alles, was da aber passiert, ist noch irgendwo mit naturwissenschaftlichen
0:14:04–0:14:08
oder gesellschaftlichen Regeln dann auflösbar.
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Es ist nichts, was dann tatsächlich übernatürlich wirkt.
0:14:12–0:14:14
Da kommen wir gleich nochmal zu.
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Aber eigentlich so ein bisschen wie bei Magnolia, diese Einleitung von,
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also der Film von Thomas Anderson.
Micz Flor
0:14:21–0:14:22
Da regnet es Frösche.
Florian Clauß
0:14:22–0:14:29
Da regnet es Frösche, genau. Aber diese Verkettung an Ereignissen,
0:14:29–0:14:34
die auf einmal so extrem kleine Wahrscheinlichkeiten und Situationen auslösen,
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die eigentlich nicht sein können.
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Wie der Taucher, der im Baum gefunden wird.
0:14:38–0:14:46
Solche Sachen. Damit beginnt der Film. Und das finde ich auch eine Weltsicht,
0:14:46–0:14:50
die irgendwo auf der einen Seite poetisch ist,
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auf der anderen Seite aber auch ohne übernatürliches Einwirken dann passieren kann.
0:14:57–0:15:00
Der Titel, vielleicht nochmal diese Paten, wir hatten es schon gesagt,
0:15:00–0:15:05
Heilige Familie, Heilige Drei Könige, Epiphanie kommt da mit rein.
0:15:06–0:15:10
Das ist die eine Seite Gottfathers, die andere Seite ist, dass Satoshi Kon auch,
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mit diesem Film Tokio so ein Denkmal setzen wollte.
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Ganz viel Animationsarbeit fließt tatsächlich auch in die Stadtlandschaft Tokio.
0:15:23–0:15:28
Also man sieht die Häuser, die Schlucht. Also man spürt es quasi,
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dass Tokio damals von Anfang der 2000er ist.
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Und ich finde es auch toll inszeniert in dem Film.
Micz Flor
0:15:35–0:15:38
Ja, hat mich auch ein bisschen daran erinnert, wo du es sagst.
0:15:38–0:15:41
Das wusste ich nicht, dass es war, aber ich hatte so ein bisschen auch Manhattan
0:15:41–0:15:44
von Woody Allen im Kopf, der ja auch sagte, damit so ein bisschen,
0:15:45–0:15:48
ja eigentlich in allen Filmen, aber da eben vor allen Dingen auch sein,
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also New York, Manhattan einzufangen.
0:15:51–0:15:56
Und das hatte ich da bei dem Film jetzt wirklich von den Bildern auch.
0:15:56–0:16:00
Es waren immer so Detailausschnitte, die darauf hingewiesen haben,
0:16:00–0:16:03
ach ich bin jetzt irgendwie an der Straße, die an einem Park ist.
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Es war nie so total, dass man wirklich so einen Überblick hatte,
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abgesehen von den beiden Türmen, wo sie dann hin mussten.
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Aber es war wirklich so, dass diese kleinen Ansichten, diese Megastadt,
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inzwischen über 40 Millionen Einwohner, glaube ich,
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die Megastadt so runtergebrochen hat, auf sehenswerte Settings.
0:16:24–0:16:26
Das war wirklich schön gemacht, ja.
Florian Clauß
0:16:26–0:16:32
Und es ist auch die Liebe von Satoshi Kon zu Tokio, die sich damit ausdrückt.
0:16:32–0:16:35
Und wir steigen in dem Film am Weihnachtsabend ein.
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Es wird quasi auch ein christlicher Chor singt.
0:16:40–0:16:44
Weihnachten muss man sagen, in Tokio, also in Japan, es wird gefeiert,
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es gibt Christen, das ist aber eine kleine Menge auf die Bevölkerung von Japan betrachtet.
0:16:50–0:16:56
Weihnachten ist ein Fest, das man kennt. Da geht es vor allen Dingen um Nächstenliebe
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und Schenken, das wird so ein bisschen auch tradiert.
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Und dass Tokio da ist eben,
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voll verschneit am Weihnachtsabend, also auch so, das ist ein ganz,
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ganz typisches Merkmal für Weihnachtsfilme.
0:17:09–0:17:15
Das ist halt meistens um die Weihnachtszeit spielt, aber fast immer irgendwo Schnee vorkommt.
0:17:16–0:17:21
Und die drei Obdachlosen, die finden beim Durchwühlen von Müll,
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finden die ein Baby, was dann ausgesetzt unter der Decke lag und sie nehmen
0:17:27–0:17:31
es auf und Hanna, die Transfrau.
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Die findet sich auch gleich in dieser Rolle als Mutter und sieht sich da so
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als diejenigen, die das Kind beschützen möchte und dem eigentlichen,
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der eigentlichen Besitzerin wieder zurückgeben möchte.
0:17:47–0:17:53
Also das ist quasi der Ausgangspunkt für die Suche einer Odyssee durch Tokio,
0:17:54–0:17:57
die Suche nach der Mutter von diesem Kind.
0:17:57–0:18:07
Jin, der Alki-Typ, der fetzt sich dann immer mit dem Kind, mit der Jugendlichen, Miyuku.
0:18:07–0:18:12
Die streiten sich immer und es ist sehr charikaturesk.
0:18:13–0:18:18
Also generell kann man sagen, dass die ganze Art zu zeichnen,
0:18:18–0:18:25
also diese Charaktere, die Mimik in den Gesichtern, die schon sehr expressiv beinimmt.
0:18:25–0:18:30
Und das war auch ein künstlerischer Aspekt von Satoshi.
0:18:30–0:18:35
Kon nämlich die Gesichter so expressiv herauszuarbeiten.
0:18:35–0:18:40
Also er wollte wirklich mit den Figuren echte Charaktere schaffen,
0:18:40–0:18:46
also richtige Schauspielerinnen, die dann halt auch Emotionalität in den Gesichtern.
0:18:46–0:18:50
Und damit ist ja auch teilweise, wird das ja so ins Fratzenhafte überzogen.
0:18:50–0:18:54
Ich habe mich so, das wird dann ja so universal, dass du halt denkst,
0:18:54–0:18:59
das könnte auch so ein Zillebild sein von den Gesichtern, von den Charakteren.
0:18:59–0:19:06
Aber ich finde es super toll getroffen, weil man findet total die Identifikation mit denen.
Micz Flor
0:19:06–0:19:12
Ja, es gibt diese eine Szene dann gegen Schluss wie so eine Art Showdown in deren Triangulierung,
0:19:13–0:19:21
also Vater-Mutter-Kind-Triangulierung, wo dann der Mann Jin seine Tochter trifft.
0:19:21–0:19:22
Jetzt nehme ich ein bisschen was von weg.
0:19:23–0:19:31
Und die dann eine sehr rührende Szene haben, die auch sehr feinfühlig gezeichnet ist, sag ich mal.
0:19:32–0:19:37
Und dann sehen wir auf einmal Hannah, die Frau, die dann da hinten steht und
0:19:37–0:19:39
wo dann das Gesicht grimassenhaft verzogen wird.
0:19:40–0:19:42
Ich kann mich nicht genau erinnern, aber es sind fast wie Stills,
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eher als wie flüssige Bewegung, wo die halt total wütend ist und da jetzt irgendwie
0:19:48–0:19:51
alles auch irgendwie entwertet und so.
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Und dann sind auch die Furchen und
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die Schatten im Gesicht ganz überzogen dargestellt, so dass man es merkt.
0:19:58–0:20:02
Nicht, dass es wirklich ein ganz anderer Stil ist, aber das fand ich war so
0:20:02–0:20:03
eine Szene, die es noch mal gut
0:20:03–0:20:07
Und das Streich, was du gerade gesagt hast, es gibt manchmal diese sehr expressiven
0:20:07–0:20:09
Verzerrungen in den Bildern.
Florian Clauß
0:20:09–0:20:13
Also ich finde das auch getroffen und auch gerade in diesem Kontrast.
0:20:13–0:20:19
Also der Stil wechselt, manchmal ist es total so übertrieben fresken, maskenhaft.
0:20:19–0:20:22
Und dann ist es wieder so doch sehr weich.
0:20:22–0:20:25
Also es wechselt dann je nach emotionaler Stimmung.
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Vielleicht nochmal so kurz zu der Biografie der einzelnen Figuren.
0:20:29–0:20:33
Die taucht dann auch in der Erzählung, in den Geschichten in verschiedenen Varianten auf.
0:20:34–0:20:38
Das sind einmal die Geschichten, die sie sich untereinander erzählen.
0:20:38–0:20:44
So zum Beispiel Jin, der sagt, er wäre ein bekannter Radfahrer geworden und
0:20:44–0:20:49
musste halt für die OP seiner Tochter dann Geld sich finanzieren.
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Dann hat er auf einen dubiosen Typen gesetzt, der ihm dann halt das Geld dann
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aus der Tasche gezogen hat und ist dann seiner Tochter gestorben,
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weil er die Oma so nicht mehr zahlen konnte.
0:21:02–0:21:05
Und seine Frau ist eine kurze Zeit später gestorben,
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bis ich dann herausstelle, die richtige Geschichte ist, dass er ein Fahrradhändler
0:21:09–0:21:15
war und dass er in Wettschulden war, Alkoholiker geworden ist und dann aus Scham
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seine Familie verlassen hat. Also Scham kommt ganz viel vor.
0:21:18–0:21:22
Und das, was ich halt auch diesen Film so hoch anrechne, und das,
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was, glaube ich, in der Zeit kaum Filme gemacht haben, diese Außenseiter so dargestellt haben.
0:21:29–0:21:34
Diese Außenseiter, die so erstmal obdachlos, auf der einen Seite dann aber auch
0:21:34–0:21:37
Randgruppen, natürlich Obdachlosigkeit und Alkoholismus fällt oft zusammen.
0:21:38–0:21:43
Aber auch dann diese Transfrau Hanna, das war damals noch nicht so eine Figur,
0:21:43–0:21:45
die man halt irgendwo anders auch so gesehen hat.
0:21:45–0:21:50
Es gab so ein paar Transfilme zu der Zeit, aber die waren jetzt nicht so verbreitet.
0:21:50–0:21:52
Also das war sehr mutig.
Micz Flor
0:21:53–0:21:58
Das weiß ich nicht. Also da kann ich nichts zu sagen, weil ich überhaupt, da habe ich kein...
0:22:00–0:22:02
Möglichkeit, das irgendwie so abzuschätzen.
Florian Clauß
0:22:02–0:22:06
Na, zumindest ist es auch für japanische Verhältnisse, wo Obdachlosigkeit eigentlich
0:22:06–0:22:09
gesellschaftlich, ich glaube, das ist nur gesperrt für Autos.
Micz Flor
0:22:10–0:22:12
Wald und Wege gesperrt, heute Jagd.
Florian Clauß
0:22:13–0:22:16
Ach so. Dann sollten wir nicht hier hingehen.
Micz Flor
0:22:16–0:22:18
Nee, dann müssen wir uns an die Straßen halten.
Florian Clauß
0:22:18–0:22:18
Aha.
Micz Flor
0:22:19–0:22:20
Bis zum Tor gehen und so.
Florian Clauß
0:22:20–0:22:23
Hier können wir da wieder hochgehen und dann müssen wir zum Krummen,
0:22:23–0:22:26
dann können wir das Haus jetzt canceln.
0:22:26–0:22:31
Naja, also ich glaube, für so japanische Verhältnisse ist es ungewöhnlich,
0:22:31–0:22:35
dass die Protagonisten in dem Milieu dann so angesiedelt sind und so spielen.
0:22:35–0:22:41
Es gibt Erzählungen, also du findest, glaube ich, auch in Japan nicht irgendwo
0:22:41–0:22:45
im Straßenbild, findest du auch nicht Obdachlosigkeit.
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Das gibt es halt in Japan nicht so offiziell. Und die sind dann irgendwo versteckt.
0:22:52–0:22:55
Und meistens sind das ja auch solche, also die Die schämen sich dann halt auch
0:22:55–0:22:59
und zeigen sich nicht. Es ist ein anderer Umgang damit gesellschaftlich.
Micz Flor
0:23:00–0:23:05
Da sehen wir in der Eröffnungsszene aber, weil du meintest, diese Kirchenszene,
0:23:05–0:23:06
oder ich weiß gar nicht genau, wo das ist,
0:23:07–0:23:10
da hatte ich aber das Gefühl, dass das wirklich was ist, was aus dieser christlichen
0:23:10–0:23:15
Hilfehaltung heraus gerade extra für Obdachlose gemacht wurde.
Florian Clauß
0:23:15–0:23:16
Ach so.
Micz Flor
0:23:16–0:23:20
So kam mir das vor. Ich hatte gar nicht das Gefühl, dass das eine Gemeinde war,
0:23:20–0:23:23
wo ein paar Obdachlose waren. aber es fühlte sich eher so an,
0:23:23–0:23:26
als ob da ganz viele waren, die,
0:23:27–0:23:31
Die hingen auch eher so rum, oder? Das waren jetzt ja keine Kirchen mit Bänken,
0:23:31–0:23:32
sondern die saßen ja einfach so auf dem Boden.
Florian Clauß
0:23:33–0:23:36
Nee, das hatte ich schon so wahrgenommen, dass da Bänke waren.
0:23:36–0:23:39
Aber das stimmt, du hast recht. Das war auf jeden Fall dann so eine Straßenküche,
0:23:39–0:23:42
so eine Straßenküchenszene, wo sie dann verkostigt wurde.
0:23:42–0:23:45
Also wahrscheinlich war das von so einer christlichen Gemeinde dann einfach
0:23:45–0:23:48
auch so eine Nächstenliebe-Veranstaltung zu Weihnachten.
Micz Flor
0:23:49–0:23:51
Eine von diesen Nächstenlieben-Veranstaltungen.
Florian Clauß
0:23:51–0:23:57
Genau, du kennst die doch, die Christen. Genau, und Hannah, also die Geschichte eben von Jin,
0:23:57–0:24:04
Hannas Geschichte ist so, dass sie in so einem Club, Strip-Club oder Trans-Club
0:24:04–0:24:10
dann rausgeflogen ist oder auch geflüchtet ist, weil sie da einen Gast...
Micz Flor
0:24:10–0:24:13
Ja, ich glaube, das war so eine Travestie-Show, würde man vielleicht sagen.
0:24:13–0:24:16
Also es hat jetzt nichts von Strippen und nicht von,
0:24:16–0:24:19
das war jetzt auch kein Flinter-Treffen oder so, sondern es war,
0:24:19–0:24:25
glaube ich, wirklich so eine Kabarett-ähnliche Bar, in der dann eine Travestie-Show
0:24:25–0:24:28
zu sehen war. Man sieht es dann später so als Bild.
Florian Clauß
0:24:28–0:24:29
Man sieht es später, aber es gab
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halt auch die Damen, die dann halt in den Tischen von den Herren saßen.
0:24:35–0:24:40
Und man sieht dann auch die Rückblende, wie dann eben Hannah gestört wurde von
0:24:40–0:24:45
einem Gast in ihrer Performance und sie den halt vermöbelt hat und dann abgehauen ist.
Micz Flor
0:24:46–0:24:49
Ja, und ihre Mutter leitete das...
0:24:49–0:24:51
Wie würde man sagen, Etablissement?
Florian Clauß
0:24:51–0:24:55
Ich weiß es gar nicht, ob es tatsächlich ihre leibliche Mutter ist oder ob sie
0:24:55–0:25:01
dann nicht so als Puffmutter, wie man so sagt, das dann halt so geleitet hat.
0:25:01–0:25:04
Also ich habe es jetzt nicht als ihre leibliche Mutter wahrgenommen.
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Miyuku ist ein 14-jähriges Mädchen.
Micz Flor
0:25:09–0:25:12
Merkt man das im Film oder hast du gesagt, dass die 14 Jahre ist?
Florian Clauß
0:25:12–0:25:15
Nein, das habe ich gelesen, aber es ist auf jeden Fall ein Teenie-Girl.
0:25:16–0:25:20
Das merkt man, glaube ich, schon. die von zu Hause weggerannt ist,
0:25:20–0:25:25
weil sie dann im Affekt ihren Vater einen Messerstich versetzt hat.
0:25:27–0:25:32
Und sie rennt auch aus Scham weg. Also Scham spielt da schon eine große Rolle,
0:25:33–0:25:38
dass du in so einer Position von Obdachlosigkeit kommst, weil du dich dann nicht
0:25:38–0:25:42
mehr so, weil du dich von deiner Familie, von deinem sozialen Umfeld schämst.
Micz Flor
0:25:42–0:25:46
Ja, losing face, das Gesicht verlieren. Also der Vater, der das Alkoholiker
0:25:46–0:25:50
mit Wettschulden abhaut, weil er sich schämt vor seiner Familie.
0:25:50–0:25:52
Die Tochter schämt sich vor ihren Eltern.
0:25:53–0:26:00
Und Hannah schämt sich ja auch für ihr Impulsdurchbruch, möchte man sagen.
0:26:00–0:26:04
Dass sie da ihre aggressiven Impulse da so ausgelebt hat.
0:26:05–0:26:12
Und dann verlässt man seinen Kontext, um diese Scham nicht, keine Ahnung,
0:26:13–0:26:16
durchzuarbeiten, loszuwerden. erklären zu müssen.
Florian Clauß
0:26:17–0:26:22
Die Obdachlosen, also die drei, haben auch dann so eine notdürftige Behausung,
0:26:23–0:26:27
also so Zelte aufgebaut, die dann innen drin mit Decken und so ein bisschen
0:26:27–0:26:30
heimelig dann auch schon ausgestaltet sind.
0:26:31–0:26:36
Aber das ist so deren Unterkunft und wie es aussieht, hängen die halt zu dritt immer ab.
0:26:36–0:26:41
Und wie das Baby jetzt so in diese Dreiergemeinschaft kommt,
0:26:41–0:26:46
das ist dann quasi wie so eine Art von Katalysator, wo die Geschichte losgeht.
0:26:46–0:26:52
Und wo die sich dann halt auch als Familie dann,
0:26:53–0:26:59
beziehungsweise wo dann diese innere Reise der Charaktere auch losgeht.
Micz Flor
0:26:59–0:27:02
Aber es ist halt auch das erste Wunder irgendwie.
0:27:03–0:27:08
Die streiten sich gerade und prügeln sich fast, das Mädchen und der Mann.
0:27:09–0:27:13
Und dann hören die auf einmal Kinderschreie und wühlen sich dann durch solche,
0:27:14–0:27:15
was ist das, Müllbeutel oder so?
Florian Clauß
0:27:15–0:27:16
Ja.
Micz Flor
0:27:16–0:27:21
Und dann kommen sie halt und sehen dahinter, dass jetzt ein kleines Kind da
0:27:21–0:27:23
abgelegt wurde oder ein kleines Wunder.
Florian Clauß
0:27:23–0:27:28
Wie ich schon gesagt habe, die wollen dann eben die Mutter finden von dem Baby.
0:27:29–0:27:35
Dann beginnt eigentlich dieser Film und so richtig kann man den nicht erzählen.
0:27:35–0:27:40
Das ist halt so das Interessante, weil da so viel passiert und so viele,
0:27:41–0:27:43
also man merkt das so gar nicht beim Gucken wirklich.
0:27:44–0:27:47
Und dann wird man wieder, ah okay, jetzt sind sie da. Ja, ja.
0:27:49–0:27:54
Also, wir können ja ganz grob mal drüber gehen, über die Handlung.
Micz Flor
0:27:55–0:27:58
Wir können ja erstmal zusammenfassen machen, dann auch mal so Panik-Mein-Namen.
0:27:58–0:28:02
Zusammenfassend wäre für mich, es sind diese drei Obdachlosen-Charaktere,
0:28:02–0:28:06
die das kleine Kind finden, die dann darüber reflektieren,
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weil eine will es behalten, die andere will es gleich zur Polizei bringen.
0:28:10–0:28:14
Sie entscheiden sich dann irgendwie gemeinsam, die Eltern zu suchen,
0:28:14–0:28:15
um das Kind zurückzubringen.
0:28:17–0:28:22
Und auf dieser Suche kommen sie aber letztendlich zuerst an die Falschen.
0:28:23–0:28:27
Und dann gibt es sozusagen nochmal einen zweiten Showdown, wo sie zuerst denken,
0:28:27–0:28:29
jetzt ist es Kind bei der Mutter.
0:28:29–0:28:31
Und dann stellt sie aber raus, das war gar nicht die Mutter,
0:28:31–0:28:33
sondern die hat das im Krankenhaus geklaut.
0:28:33–0:28:39
Und dann kommt es nochmal im zweiten Schritt zur Auflösung, Happy Ends.
0:28:40–0:28:45
Und dazu ist auch noch zu sagen, dass auf dieser Reise alle drei obdachlosen
0:28:45–0:28:49
Charaktere auch immer wieder eine echte Person aus ihrem Leben treffen.
0:28:49–0:28:54
Du hast es schon gesagt, die Tochter von Jin, die nennt sie Mutter von Hannah.
0:28:55–0:28:57
Deshalb dachte ich, das ist halt der echte Bezug.
0:28:57–0:29:00
Bei dem Mädchen ist es dann, dass sie ihren Vater trifft. Einmal sieht sie ihn
0:29:00–0:29:03
zwischendurch und dann zum Schluss trifft sie ihn wirklich auch.
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Und das sind alles dann irgendwie auch so Teil von diesen kleinen Wundern,
0:29:07–0:29:11
die in dieser Metropolis fast unmöglich erscheinen.
Florian Clauß
0:29:11–0:29:16
Genau, und dann auch teilweise die Figuren mehrmals treffen in irgendwelchen
0:29:16–0:29:17
unterschiedlichen Kombinationen.
0:29:17–0:29:21
Und wenn du dir dann, wie gesagt hast, Tokio mit 40 Millionen Einwohnern,
0:29:21–0:29:24
dann halt irgendwie die Figuren mehrmals treffen.
0:29:24–0:29:26
Die statistische Wahrscheinlichkeit ist halt irgendwie...
Micz Flor
0:29:26–0:29:28
Gut, die bewegen sich natürlich immer nur in einem Teil davon.
0:29:28–0:29:32
Ob es jetzt 140 Millionen sind oder zwei Millionen, ist da wahrscheinlich wurscht,
0:29:32–0:29:33
weil die zu Fuß unterwegs sind.
0:29:33–0:29:37
Aber es ist trotzdem unerwartet.
Florian Clauß
0:29:37–0:29:42
Naja, es ist bewusst angelegt und ich glaube, das will der Film uns dann halt
0:29:42–0:29:44
auch in diesen Zwischenblicken dann so erzählen.
0:29:44–0:29:47
Das ist halt immer kleine Wunder passieren.
0:29:47–0:29:52
Eigentlich fast in jeder Szene ein kleines Wunder passiert. Also der Film hüpft
0:29:52–0:29:59
dann halt auch über gesellschaftliche Unterschiede, über Milieus.
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Sie werden dann auch von einem Gangsterboss, dessen Leben sie retten,
0:30:04–0:30:06
werden sie dann halt auch aufgenommen.
0:30:07–0:30:11
Dann sind zum Beispiel, das finde ich auch interessant, Friedhöfe sind für Obdachlose
0:30:11–0:30:13
dann quasi so eine Nahrungsquelle.
Micz Flor
0:30:13–0:30:15
Ja, das wusste ich auch nicht, aber es ist naheliegend.
Florian Clauß
0:30:15–0:30:20
Ja, das ist total naheliegend, weil auf den Friedhöfen in Japan häufig dann
0:30:20–0:30:25
eben Nahrungsmittel für die Gestorbenen ausgelegt werden.
0:30:25–0:30:31
Und ganz oft, ich kenne das auch aus China, dass dann halt so alkoholische Getränke
0:30:31–0:30:35
wie Schnaps und Wein an den Gräbern dann halt steht.
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Und das war dann halt für die dann wirklich so eine Entdeckung,
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hier Friedhof, wir sind gerettet, als die ja den größten Hunger haben.
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Gin sich dann halt irgendwie so eine Schnapsflasche reinpfeifen kann.
Micz Flor
0:30:46–0:30:49
Und dann eben auch da selbst ein Wunder passiert, dass sie dann wirklich auch
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Milch und Windeln für das Baby finden.
Florian Clauß
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Stimmt, ja genau, weil nämlich auf einem Grab dann die Windeln und die Milch
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steht. Da suchen sie nämlich das.
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Das Baby heult, aber das Baby ist so im Hintergrund.
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Die Versorgung, also diese Grundversorgung ist gewährleistet,
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das heißt, sie schaffen es zu wickeln, weil Jin selber noch seine Erfahrungen
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im Wickeln mit seiner Tochter hat.
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Sie schaffen das dann halt auch entsprechend mit der Milch und dem Wasser.
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Dann muss Miyoko losgehen und Wasser besorgen für die Milch.
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Es wird dann auch sehr liebevoll gesorgt um das Kind.
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Also das heißt, die Fürsorge bringen die Obdachlosen eben dann mit.
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Und das schweißt sie natürlich als Familie zusammen, aber gleichzeitig fragmentiert
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das auch in dieser Odyssee.
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Immer wieder werden irgendwelche Figuren gespaltet.
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Also das heißt, von der Familie dann halt rausgenommen. Die werden dann,
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keine Ahnung, Gin baut dann auch zusammen.
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Ein Unfall? Oder wie ist das noch?
Micz Flor
0:31:50–0:31:51
Die Gin wird zusammengeschlagen.
Florian Clauß
0:31:51–0:31:56
Ja, wird zusammengeschlagen. Sie werden immer wieder mit ihrer Herkunft als
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Obdachlose konfrontiert mit der Gesellschaft.
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In der U-Bahn rumpfen alle.
Micz Flor
0:32:02–0:32:04
Ja, da halten sich die Nase zu.
Florian Clauß
0:32:04–0:32:08
Weil die so stinken, aber die stinken auch so. Oder es gibt eine Szene,
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wo Gin dann einen alten Mann, der dann auch Obdachloser ist und im Sterben liegt
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und ihm den letzten Wunsch erfüllt.
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Und dann kriegt er noch mal dieses Päckchen von ihm mit. Und weißt du,
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was in diesem Päckchen ist?
Micz Flor
0:32:23–0:32:26
Nee, das ist gut, dass du sagst. Das habe ich gar nicht mehr verfolgt.
Florian Clauß
0:32:26–0:32:29
Das hast du nicht mehr verfolgt. Da sind die Lose drin.
Micz Flor
0:32:30–0:32:33
Ah, diese 1, 1, 1, 1. Das sieht man dann zum Schluss.
Florian Clauß
0:32:33–0:32:39
Genau, es gibt zum Schluss ein Wunder, was sie mit Geld überschüttet.
0:32:39–0:32:43
Es gibt eine sehr seltene Gewinnzahl.
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Das ist, wie Mitch gerade schon gesagt hat, die 1, das Glückslos.
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Diese Losnummer oder dieses Los bekommt dann Gin von diesem sterbenden Obdachlosen
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noch einen letzten Wunsch. Der letzte Wunsch ist, ich will besoffen sterben.
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Gin hat dann noch die Flasche vom Friedhof dabei und dann freut er sich und
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kann halt dann so sterben.
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Dann kommen dann im nächsten Schnitt halt so ein paar Jugendliche,
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die halt Obdachlose zusammenschlagen wollen und vermöbeln Gin.
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Der kommt ins Krankenhaus, Das wird eingeliefert und gleichzeitig sind dann
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auch wieder Miyuko und Hanna auf einmal im Krankenhaus, weil,
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Und jetzt ist es wieder so, hä, ich kriege die Geschichte nicht mehr zusammen.
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Warum sind die im Krankenhaus, Mitch? Kannst du dich noch erinnern?
Micz Flor
0:33:26–0:33:29
Ja, aber nachdem er vermöbelt wird, wird er nicht im Krankenhaus eingeliefert,
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sondern wird von diesem Engel gefunden.
Florian Clauß
0:33:31–0:33:31
Nein, stimmt.
Micz Flor
0:33:31–0:33:34
Und in diesem Etablissement mit der Mutter. Und deshalb treffen sie dann auf
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die Mutter da wieder zusammen.
Florian Clauß
0:33:37–0:33:42
Genau. Und das ist noch mal so die letzte Zufluchtsort, den Hannah dann mit
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dem Kind doch in Erwägung zieht, eben diese Bar, wo sie rausgegangen ist, dahin zurückzukehren.
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Und sie wird aber total herzlich eben von der Mutter aufgenommen.
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Und alle haben sich Sorgen gemacht.
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Genau, da liegt Gin auf einmal von den anderen Damen des Hauses verarztet auf der Couch.
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Also auch wieder eine wunderbare Zusammenführung.
Micz Flor
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Ja, die wurden da auseinandergerissen. Also jetzt sind wir doch so im Detail des Films wieder drin.
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Aber es wird vielleicht deutlich, dass man wirklich das Gefühl hat,
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es sind unfassbar interessante kurze Kapitel und kleine Bilder,
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die aber schwer so auf der Perlenkette hintereinander zu machen sind, aber es war so, dass sie,
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wurde nicht das Mädchen mit dem Kind entführt von dem Täter,
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der versucht hat, den Stinksboss zu erschießen, das war so ein Bandenkrieg.
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Und die landete dann in einer, glaube ich, spanisch sprechenden Familie.
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Die sich irgendwie für die Mutter konnte dann, die gerade selber ein Kind hatte,
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konnte auch das kleine Findelkind dann noch mit stillen.
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Und dann hatten wir so ein Mädchen-Moment irgendwie, wo sie sich nebeneinander
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Fotos angeguckt haben und so ein bisschen gequatscht haben, obwohl sie gar nicht
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miteinander reden konnten.
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Und von dort musste dann alles wieder zusammengeführt werden.
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Und das war dann auf der einen Seite, Chin wurde verprügelt.
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Tot, guckt er hoch und sieht einen Engel. Also das Engelsmotiv kommt immer wieder auch.
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Die Katze hat ja auch Engelsflügel von der Tochter oder von dem Mädchen der
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drei und das kommt immer wieder mal rein.
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Hannah geht dann, aber wie, wie ist, ja, okay, also man verharrt,
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ich weiß jetzt nicht mehr, wie das Mädchen da dazugekommen ist zu Hannah.
Florian Clauß
0:35:21–0:35:25
Ja, ich glaube, wir müssen noch mal einen wichtigen Punkt sagen,
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nämlich in diesem Korb, wo das Baby drin lag, da gab es auch einen Schlüssel.
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Zu einem Schließfach. Und das ist so, nämlich da finden die die ganzen Hinweise zu der Mutter.
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Und da finden sie auch einen Stapel von Bildern.
Micz Flor
0:35:39–0:35:40
Der angeblichen Mutter.
Florian Clauß
0:35:40–0:35:43
Der angeblichen Mutter, wo so zwei Türme abgebildet sind.
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Und die rennen dann auch von einem Schließfach ins nächste, weil die finden
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dann auf einmal in dem einen Schließfach dann wieder einen anderen Schlüssel
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zum nächsten Schließfach und beklagen sich schon, dass die die ganze Zeit Geld
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für dieses Schließfach hier reinwerfen müssen.
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Und so finden sie halt lauter Fragmente von der Familie oder von der Mutter
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mit ihrem Mann und können so quasi, wir müssen jetzt hier durch den Schlamm.
Micz Flor
0:36:09–0:36:11
Meinst du, hier ist keine Jagd auf der Seite?
Florian Clauß
0:36:12–0:36:13
Nein, wenn das jetzt nicht gesperrt ist.
Micz Flor
0:36:14–0:36:18
Naja, es ist halt irgendwie eher so ein Matschweg jetzt. Vielleicht hat sich
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keiner die Mühe gemacht, den zu sperren.
Florian Clauß
0:36:23–0:36:25
Hast du nicht deine Neonweste dabei?
Micz Flor
0:36:26–0:36:26
Was?
Florian Clauß
0:36:26–0:36:28
Hast du nicht deine Neonweste dabei?
Micz Flor
0:36:29–0:36:30
Ja, keine Ahnung.
Florian Clauß
0:36:30–0:36:34
Deine Anti-Jagdweste. Bitte schieß mich nicht.
0:36:36–0:36:39
Schieß mich lieber. Genau.
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Und so sind sie quasi auf der Suche nach diesen zwei Türmen,
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die eben im Hintergrund von einem Bild, wo die beiden abgebildet sind,
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auf dem Balkon. und finden tatsächlich auch das Haus.
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Nur das Haus ist total abgerissen, als dann Jin den Schlüssel in die Tür steckt,
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wo dann nur noch die Tür dann quasi als Rahmen steht.
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Und er eintritt und meint so, er passt, der Schlüssel. Also es ist quasi so
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ein bisschen auch so ein Kriminal.
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Das ist dann halt von einer Station zur Nächste, so ein Kriminalfilm.
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Das ist hinweisen, gucken und weiter.
Micz Flor
0:37:15–0:37:19
Ja, es ist so ein bisschen abstrus, weil wenn du ganz rauszoomst,
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dann bräuchten die gar nicht so viel rumrennen, weil irgendwann die Auflösung
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des Ganzen wird zum Schluss sein,
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dass im Fernseher dieses Kind gezeigt wird, es sei entführt worden im Krankenhaus.
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Und das ist ein Hinweis, den hätten sie überall gesehen.
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Ihre Tour war dafür gar nicht notwendig.
Florian Clauß
0:37:37–0:37:38
Ja, das stimmt.
Micz Flor
0:37:38–0:37:42
Und in gewisser Weise haben sie es verschlimmbessert, als sie dann die Falschmutter finden.
Florian Clauß
0:37:42–0:37:43
Genau.
Micz Flor
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Aber in dieser Tour, die sie gemacht haben, sonst gäbe es den Film gar nicht,
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Dazwischen passieren eben immer wieder kleine Wunder.
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Und Detektivarbeit, die wechseln sich immer so ab, finde ich.
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Also die strengen sich an, diesen Ort zu finden. Im Hintergrund sind eben zwei
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Häuser, wie so Twin Towers zu sehen.
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Und dann versuchen sie, den Ort zu finden, von wo aus das Foto gemacht wurde.
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Das ist dann die Detektivarbeit, die sie leisten. Aber dass sie überhaupt mit
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dem Schlüssel dahin kommen oder dass dann da sich wieder ein Hinweis auf was anderes findet.
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Oft ist es halt so wundersam, dass überhaupt was passiert.
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In einer Szene werden sie fast von einem Krankenwagen totgefahren,
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der in ein Café reinrauscht, in dem sie gerade noch drin waren.
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Aber sie sind dann, weil ein Gast sie verprügeln wollte, aus dem Café rausgegangen.
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In dem Moment rauscht es hinter denen.
Florian Clauß
0:38:32–0:38:38
Der Kassierer ist dann gefolgt. Und alle gucken dann sich so um und dachten, okay, ich gehe da mal.
Micz Flor
0:38:38–0:38:43
Das sind so diese Sachen, finde ich. Zwischendrin haben wir immer dieses Wechselspiel
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zwischen Detektivarbeit, die ja auch für so einen Film spannend ist,
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wie so ein Roadmovie, kommt dann der nächste Clou, der nächste Clou,
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der nächste Clou, so ein Whodunit.
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Und auf der anderen Seite aber auch das Fantasy-Element, das Fantastische,
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das Wunder der Christmas-Zeit.
Florian Clauß
0:39:01–0:39:06
Und du hast natürlich diese starke emotionale Verbundenheit mit den Figuren,
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weil Hannah in ihrer Expressivität, die mag man einfach dann als Charakter.
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Gin, also man mag alle drei, aber gleichzeitig sind die auch nicht so zugänglich.
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Sie sind halt nicht so superschön oder so tolle Charaktere, sondern sie sind
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halt so mit allen Ecken und Kanten.
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Ja, und das finde ich halt toll, dass der Film es schafft, dass man die dann
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halt auch so emotional so mag.
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Und ich glaube, das ist ganz wichtig, dass du in so einem Weihnachtsfilm auch,
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Figuren hast, mit denen du dich halt so emotional ganz stark verbindest.
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Und das schafft der Film, ja.
Micz Flor
0:39:38–0:39:40
Ja, und es ist so ein bisschen auch,
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In der Dynamik, das Mädchen fragte dann immer Hanna an zwei,
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drei Punkten, ob sie denn nicht in Jin verliebt sei eigentlich.
Florian Clauß
0:39:51–0:39:51
Ja, stimmt.
Micz Flor
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Das kommt dann irgendwie auch noch so mit dazu. Und was ich vorhin sagte,
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wo Hanna so dann so aufkarikiert,
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aufklärerisch, agitiert im Krankenhaus diese Szene zunichte macht zwischen Jin und seiner Tochter.
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Da spielt es auch so ein bisschen mit, finde ich. Ist das jetzt eine Form von
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möglicher Eifersucht, dass Gin jetzt über seine Tochter vielleicht wieder in
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die Familie kommt und das bleibt unklar.
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Aber die Dynamik zwischen denen ist auf alle Fälle auch ein ganz wichtiger Teil.
Florian Clauß
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Ja, genau. Hanna, das ist das, was ich vorhin verwechselt habe,
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aber Hanna ist ins Krankenhaus gekommen, weil sie dann so einen schwächer Anfall hat.
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In diesem Krankenhaus findet dann Gin seine Tochter, die als Krankenschwester
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arbeitet und hat auf einmal wieder Kontakt zu seiner Familie.
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Und Hanna wird in ihrer Schwäche auf einmal wieder zu einer unglaublichen zetternden
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Person, die dann auch sagt, okay, die hat ihren Schwächeanfall überwunden jetzt.
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Und dann ziehen sie weiter und vielleicht kann man das dann,
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du hast es ja auch schon gesagt, Nämlich in einer Szene finden dann Hana und
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Miyuku die richtige Mutter,
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wie sie sich gerade die Brücke herunterstürzen will.
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Und guck mal hier, die Rehe. Da sieht man das Ergebnis der Jagd.
Micz Flor
0:41:15–0:41:17
Oh, wir sind also wirklich im Jagdgebiet.
Florian Clauß
0:41:19–0:41:21
Aber es war eigentlich abgesperrt mit.
Micz Flor
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Und die haben uns gegrüßt. Die haben uns nicht zurückgegangen.
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Wir sind vielleicht auch ein Leckerli.
Florian Clauß
0:41:31–0:41:34
Das wäre dann so ein bisschen wie Blair Witch Project, wenn man den Podcast
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auf einmal in so eine Jagd abkippt.
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Blair Brandenburg Project.
Micz Flor
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Dieses Finale ins zweite Finale, oder Showdown ins zweiten Showdown in der Zeit,
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weil sie finden die Mutter, die aber interessanterweise auch schon einem komisch
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vorkommt. Die finden sie fast zufällig.
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Hannah und das Mädchen laufen über eine Brücke.
Florian Clauß
0:41:59–0:42:01
Fast zufällig ist gut gesagt bei dem.
Micz Flor
0:42:02–0:42:04
Und während sie über die Brücke gehen, sieht man im Hintergrund,
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wie eine Frau hochklettert und sich umbringen will. Und dann halten sie die
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zurück, reißen die runter.
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Und dann ist auch so eine Hannah-Situation. Und die Frau, die da springen wollte,
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sieht dann auf einmal das Kind und dann ...
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Erkennt sie ihr Kind und die anderen erkennen, dass sie ihr Kind erkennt.
Florian Clauß
0:42:22–0:42:26
Ja, weil sie die Bilder von ihr die ganze Zeit dann auch haben und gucken.
Micz Flor
0:42:26–0:42:31
Und dann ist es so auch wieder ein Wunder, wie das zusammenkommt.
0:42:31–0:42:35
Und sie wollte sich umbringen, weil sie das, das wurde vorher als Motiv auch
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ein paar Mal erwähnt, dass die Mutter sich vielleicht umbringen will,
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weil sie ihr Kind verloren hat.
Florian Clauß
0:42:39–0:42:41
Genau, weil sie ihr Kind verloren hat. Aber was man dann erfährt,
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ist tatsächlich, und das ist auch wieder so ein Randthema,
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ein Tabuthema, was halt nicht oft in Filmen dann thematisiert wird,
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nämlich, dass sie eine Totgeburt hatte und dann irgendein Kind genommen hat,
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weil sie es nicht verkraftet hat.
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Gleichzeitig ist sie auch vom Zeichenstil so krass, finde ich.
Micz Flor
0:43:02–0:43:06
Das wollte ich nämlich sagen, sie ist sehr blass, sehr grau und in dem Moment,
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wo sie dann das Kind bekommt, hat man so das Gefühl, irgendwas stimmt da nicht.
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Das ist schon sehr gut gemacht, weil Man kann sich nicht gut damit anfreunden,
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dass die das Kind dann hat. Dann will sie ihm die Brust geben.
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Das Kind will die Brust auch nicht auf so einem Spielplatz. Das ist alles grau und schwierig.
Florian Clauß
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Ja, und parallel dazu findet Jin halt den Mann zu der Frau.
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Ja, der dann aber auch so, also so eine Animation wie so Uncanny Valley.
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Man hat immer so, irgendwas ist komisch bei den Figuren.
Micz Flor
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Ja, genau. Das Gesicht ist irgendwie, da stimmen die Proportionen nicht.
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Es formt sich immer, aber ganz subtil.
Florian Clauß
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Ganz subtil, fand ich auch. So ein bisschen hat mich das auch an die,
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weiß ich nicht, an Otomo, der Akira gezeichnet hat, mit dem auch Satoshi Kon
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den Film Memories, das ist so ein Kurzfilm,
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da hat er eine Geschichte quasi von Otomo gezeichnet.
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Also er war auch so ein bisschen in Otomos als jemand, der ihn dann auch mit groß gemacht hat.
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Ja, und der hat auch solche, bei den Selbstmörderparadies, ich weiß nicht, ob du das...
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Die Geschichte kennst, das ist auch von Otomo an früher, wo dann halt so in
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diesen japanischen Hochhäusern dann so ein alter Mann, der ganz viel so Zeug
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an das Rollstuhl spielt.
Micz Flor
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Das sind Dreiteile oder so.
Florian Clauß
0:44:24–0:44:25
Das habe ich gesehen.
Micz Flor
0:44:25–0:44:25
Ja super.
Florian Clauß
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Und da sind auch immer so diese Figuren, die mit ganz wenig Strichen dann auf
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einmal so eine ganz komische Stimmung erzeugen können und so eine Unruhe haben.
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Genau, und er findet den dann und dann kommt es eigentlich zu so einer finalen
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Verfolgungsszene, weil dann ihnen klar wird, das ist nicht die Frau.
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Das kriegen dann auch Hanna und Miyuko mit im Fernsehen und sehen dann halt,
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dass sie nicht die Frau ist von dem Kind.
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Und dann gibt es diese Verfolgungsszene, die auch unglaublich spektakulär ist,
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wo sie dann mit einem Taxi, Jin mit einem Fahrrad, dann die Frau hat dann einen
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Laster genommen mit dem Kind zusammen,
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wo sie dann halt durch Tokio rasen und in so einen Tower reinfahren Und dort
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dann auf dem Dach kommt es quasi zu dieser Schlüsselszene,
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wo dann tatsächlich die Frau mit dem Kind dann sich entscheidet,
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in die Tiefe zu stürzen und die drei Obdachlosen dann im Hintergrund befinden.
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Sie retten, ja, also noch gerade so am Abgrund festhalten und es eskaliert immer
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weiter, dann fliegen sie noch so auf so ein Zwischendeck, ja,
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und dann aber springt die Frau, also sie lässt sich tatsächlich nicht von dem Sprung abbringen, ja.
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Sie springt quasi, wird zurückgehalten, das Baby fällt, Hannah stürzt sich hinterher
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und dann kommt dieser magische Moment, ja.
Micz Flor
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Ja, wieder magisch, ja.
Florian Clauß
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Und der magische Moment, wo dann eine riesen Fahne dann quasi von so einem Windstoß,
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man sieht dann aus der Perspektive, das Wind ist.
Micz Flor
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In einer Hand hält sie das Kind, in der anderen Hand hält sie sich an dieser Fahne fest.
Florian Clauß
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Genau, aber der Windstoß kommt erstmal an und weht diese Fahne hoch und dann
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kann Hannah quasi diese Fahne ergreifen und dann ist der Film ganz still und hat so ein ganz...
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Heiligen Momenten. Man sieht dann im Hintergrund in der Straßenflucht zwischen
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den Häuserfronten die Sonne aufgehen.
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Es wird dann quasi auch von der Sonne erleuchtet.
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Langsam in einem ganz stillen Moment mit Hilfe der Fahnen als Segel gleitet
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sie dann zur Straße herunter und wird ganz sanft dann so abgesetzt.
Micz Flor
0:46:35–0:46:42
Und es ist auch ganz still, wirklich, weil die Tonspur ist auf Null in dem Moment. Da ist kein Ton.
Florian Clauß
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Und das ist wirklich so ein toller Moment an dem Film, der dann halt nochmal
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so alles zusammenbringt und das ist halt so auch das Wunder.
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Genau, dann wird auch nebenbei noch die Superglückszahl ausgerufen und Miyuku
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findet ihren Vater wieder.
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Der Vater hat nämlich ermittelt, bei dem Ehepaar, die das Kind eben vermisst
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haben, Also die dann auch auf dieser Geburtenstation lagen, wo die eine dann
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eben das Kind entführt hat.
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Und es kommt dann wieder ganz viel zusammen.
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Miyoko, man sieht dann halt schon so, dass der Vater, dass die sich die ganze
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Zeit gesorgt haben um Miyoko und wollen, dass es ihr gut geht.
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Und das ist auch wieder so eine Art von Zusammenführung, Familienzusammenführung.
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Und ja, es ist ein super Happy End irgendwo. Ja, das ist nämlich auch ein wesentliches
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Merkmal von Weihnachtsfilm Happy End.
Micz Flor
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Selbst bei Bruce Willis in Die Hard, wo alles schief gehen könnte,
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aber es findet alles eine gute Auflösung.
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Der Film nicht natürlich da aufhört, wo man dann nicht weiß,
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wie es jetzt weitergeht mit Gin und seiner Tochter oder nicht.
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Er hört genau in dem Moment auf, wo alles gut ist.
Florian Clauß
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Ja, muss er auch nicht weitererzählen, weil ich glaube, die Botschaft hat er
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schon jetzt so rübergebracht.
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Also es ist halt eine frohe Botschaft.
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Ja, und es geht um Werte wie Familie, Zusammengehörigkeit, Nächstenliebe und
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natürlich, was er auch gemacht hat, alle Charaktere in diesem Film sind gewachsen.
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Jin ist von einem Alkoholiker zu einer verantwortungsvollen Person geworden,
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der dann halt auch quasi so maßgeblich dann mit dem Rad, ja,
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wie er dann diese Verfolgungsjagd hatte, also wo er dann tatsächlich so diese
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Radrennfahrerkarriere dann… Ja.
Micz Flor
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Stimmt, das ist mir vorher gar nicht so eingefallen.
Florian Clauß
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Also irgendwie kommt jeder wieder mit seinen,
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mit seinen Qualitäten da zum Vorschein. Und Hannah als die Retterin halt, als die Madonna,
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als diejenige, die halt das Kind, also sie ist ja dann quasi auch mehr oder
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weniger die Jungfrau Maria, weil das wurde auch so ein bisschen thematisiert
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in dem Film, dass sie als, sie würde ja auch, sie könnte, es wäre ihr Kind,
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sie fühlt sich so als Frau, sie könnte ja auch ein Kind bekommen.
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Ja, aber natürlich ist die ganze Weihnachtsgeschichte auf eine Jungfrauengeburt.
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Ja, warum soll nicht auch eine Transperson dann halt auch...
Micz Flor
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Ja, das ist ja das Argument, sagt Jesus, all das, das ist ja angeblich unmöglich
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und ein Wunder, dann kann mir das ja auch passieren.
Florian Clauß
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Genau. Das ist jetzt der Krummsee übrigens. Ich habe es mir irgendwie romantischer vorgestellt.
Micz Flor
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Wir laufen hier, ich bin so ein bisschen angespannt und versuche Schüsse zu
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hören oder nicht. in der Jagd-Saison hier rumlaufen.
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The show must go on. Und das ist auch nicht der Weg, der denkt,
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oh, da vorne ist auch noch ein Feuer.
Florian Clauß
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Da werden jetzt schon die Rehe geräuchert.
Micz Flor
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Wenn wir gleich geräuchert.
Florian Clauß
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Mich hat jetzt auch beim Wiedersehen der Film schon sehr berührt.
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Und ich finde den nach wie vor als Weihnachtsfilm, wenn ihr noch nicht,
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also wenn ihr schon alle Weihnachtsfilme dieses Jahr geguckt habt,
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diesen kennt ihr jetzt auch.
Micz Flor
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Wir sind immer wieder, wir versuchen immer wieder kürzer zu erklären,
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aber dann ziehen wir doch alles durch.
Florian Clauß
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Ja, ich glaube, wir sind jetzt aber auch nicht so tief reingegangen.
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Wir haben so Fragmente berichtet und ich glaube, so ist das auch,
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was man von dem Film erinnert.
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Also der ist, glaube ich, so, wenn man den guckt, den kann man einfach super
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gucken zur Weihnachtszeit.
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Also unbedingt schauen und der Film hat auch...
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Eine Vorlage, eine westliche, eine Western-Vorlage tatsächlich. Und zwar von 1948.
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Three Godfathers. Da kommt auch Godfather quasi im Titel vor.
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Und da geht es auch um so, ich habe den nicht gesehen, aber das,
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was ich früher gelesen habe,
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um so drei Cowboys, die irgendwo in der Wüste dann halt ein Kind finden und
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dann eben auch auf so eine Reise geschickt werden.
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Satoshi Kon hat zusammen mit jemandem das Drehbuch geschrieben innerhalb von drei Monaten.
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Also er ist auch eine sehr starke Person, was jetzt das ganze Drehen von Drehbuch
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über Storyboard, also er ist sehr bestimmt in der Umsetzung.
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Das kann man sich auch vorstellen. Also das ist aber auch einer,
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der jetzt nicht im Gegensatz zu Studio Ghibli, wo ganz andere Budgets da sind, ne?
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Also die Filme von Satoshi Kon kommen immer mit recht wenig Budget.
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Ich glaube, der Film hat, ich weiß gar nicht, aber der war irgendwie so...
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Wie, wie viel? Aber der ist sehr wenig. Also ich glaube, es waren fast zwei
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Millionen, ist der ausgekommen in einer Produktionszeit von zwei Jahren.
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Also relativ schnell auch für Anime, von der ersten Idee bis hin zum fertigen Film.
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Und ist in Japan auch rausgekommen, sollte so ein Kassenschlager werden.
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Ich weiß gar nicht, wie er dann in Japan angekommen ist, ob es tatsächlich zum
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Kassenschlager geworden ist.
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Aber in dem Oeuvre von Satoshi Kon ist es so auch der zugänglichste,
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der normalste, wird gesagt, Film.
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Weil die anderen sind schon sehr speziell von den Geschichten.
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Zum Beispiel ist auch in dem Film Paprika, ich glaube es ist Paprika,
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dass der dann auch von Christopher Nolan gesehen wurde und diese ganze Inception-Idee,
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Also dieses Traum, ein Traum kommt halt aus diesem Film.
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Also es wird halt nachgesagt, dass Christopher Nolan das geklaut hätte.
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Aber man sagt eher, dass es eine Inspiration ist für Christopher Nolan.
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Ja klar, kann jeder machen, was er will. Aber es zeigt auch erstmal den Stellenwert von Satoshi Kon.
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Ja, er hat aufgrund seiner...
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Ich meine, einen kleinen Filmauswahl, aber doch sehr stark und auch nicht großartig
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vom Budget, hat er doch irgendwie eine unglaubliche Fame so im Nachhinein.
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Oder auch schon während er, also ich kann mich noch daran erinnern,
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dass ich auch tatsächlich von seinem Tod gehört habe und dann auch echt betroffen war.
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Es war wirklich so, es gibt wenig zeitgenössische Personen, wenn die sterben,
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dass man dann so eine Anteilnahme hat.
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Und bei Satoshi kann ich mich noch daran erinnern, dass er 2010 gestorben,
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dass ich da wirklich auch erschüttert war.
Micz Flor
0:53:39–0:53:44
Also ich habe den Film zum ersten Mal gesehen. Ich finde es irgendwie interessant,
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weil der ist ein Weihnachtsfilm, wird er überhaupt nicht kitschig.
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Ich würde sagen sogar, dass so ein kitschiges Emo-Gefühl ist das,
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was da am wenigsten vorkommt. Er ist lustig.
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Er ist dramatisch, wenn nicht sogar melodramatisch, was ja durch Hannah auch
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irgendwie so ein bisschen angelegt ist.
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Die am Anfang dann auch ihre ganzen inneren Projektionen der Weihnachtszeit
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und die reigende Biografie auf das Kind.
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Oh Gott, wenn dieses Kind nur einen Tag geliebt werden kann,
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dann hat sich alles erreicht.
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Bevor wir sie zur Polizei geben, ich werde sie lieben.
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Das hat sie verdient, jeder Mensch hat. Also sie ist sehr dramatisch.
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Dann ist halt viel Comedy auch drin und was du gesagt hast ist wirklich, es ist halt kein,
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fotorealistischer Film es ist halt gezeichnet, aber trotzdem ist dieses Tokio,
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was da gezeigt wird man möchte sehr gerne irgendwie mit dieser Stadt verbunden
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sein die da gezeigt wird also ich mach meinen Daumen hoch für Weihnachtsfilm man muss auch sagen.
Florian Clauß
0:54:45–0:54:50
Dass der Sound also die Musik, die auch damit produziert wurde ein,
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Komponist, jetzt habe ich auch den Namen nicht präsent, aber der auch häufiger
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mit Satoshi Kon zusammengearbeitet hat.
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Und das ist halt wirklich auch so eine Art von Schunkelmusik.
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Also sehr japanisch, so ein bisschen verzerrt, aber am Ende tanzen dann auch
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im Abspann die Hochhäuser in Tokio.
Micz Flor
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Ja, so ein bisschen so Karaoke-Atari-Musik.
Florian Clauß
0:55:16–0:55:21
Also man hat dann gleich einen Ohrwurm und das schaffen auch einige.
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Anime-Produktionen, die dann halt wirklich einen großartigen Soundtrack haben.
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Und bei Paprika ist es zum Beispiel, da gibt es eine Sequenz,
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die ist episch, wo dann halt auch so ein Marsch dann im Traum und dann so eine
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ganze, so eine Truppe von allen möglichen Traumwesen dann durch den Traum marschiert.
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Und dazu die Musik, die ist großartig.
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Also nur, das gibt es ja auch irgendwo als YouTube, kann man sich mal angucken. das ist wirklich toll.
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Also wirklich, Satoshi Con, unbedingt gucken, Empfehlung.
Micz Flor
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Ich habe das Gefühl, dass wir da noch mehr von hören werden,
0:55:59–0:56:02
was sei jetzt für dich selber, glaube ich, ein bisschen in ein...
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Du hast von Oeuvre gesprochen, ich habe das Gefühl, du wirst noch mehrere davon
0:56:05–0:56:07
vielleicht reinziehen.
Florian Clauß
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Also ich war ja auch neulich Gast bei einem anderen Podcast,
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das habe ich, glaube ich, noch nicht erwähnt hier in diesem Podcast, und zwar bei Rewrite.
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Und wir haben über die Filmserie, die Zeichentrickserie, auf Netflix kommt die Pantheon gesprochen.
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Also hier auch, wer sich das anhören möchte, Rewrite Pantheon.
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Und ist es eine amerikanische Produktion? Ja, ich wollte damit sagen,
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Rewrite macht auch viele Podcasts über andere Animes und so weiter.
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Und einer davon ist auch Paprika, also den kann man sich da auch anhören.
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Also ich glaube, was nochmal für uns interessant wäre, wenn wir das uns näher
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angucken, dann wäre das fast dein Thema, weil ganz viel eben von diesen freudianischen
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Theorien da mit drinnen stecken.
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Und das wäre dann mal interessant, wie du das dann halt als Psychotherapeut
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dann auch so auf die Figuren guckst und auf die Entwicklung.
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Weil teilweise wird schon gesagt,
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dass Millennium Actress eigentlich dann so eine Art von Bergmann-Film sein kann,
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wo auch dieses Beagle-Motiv, diese Zerbrochenheit der Figuren durch Reflexion
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und durch Persona ist dann die Referenz von Bergmann,
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dass das dann so gezeigt wird.
Micz Flor
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Das sagst du jetzt natürlich auch vor dem Hintergrund, weil der Regisseur selber
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gesagt hat, seine Storys und so, die darf man sich gerne auch mal psychologisch
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deuten oder psychoanalytisch deuten.
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Das war ja sowas, wo er scheinbar das eingebaut hat und in gewisser Weise dann,
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auch wenn er sowas dann öffentlich kundtut...
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Irgendwie auch einlädt, gesehen zu werden. Das kann man mal machen.
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Also klar, dann gucke ich mir die mal an. Aber ich kann es jetzt nicht vorher
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sagen, ob ich da irgendwie einen Geistesblitz finde, in dem ich dann denke,
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wow, hey, Flo, wir müssen diesen Film jetzt besprechen.
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Ich habe dem, um es mit Zizek zu sagen, precise opposite Moment gefunden.
Florian Clauß
0:58:11–0:58:14
Ja, vielleicht ist es dann wieder so ein Ding, das wir zusammen machen können.
0:58:15–0:58:18
Und dann gucken wir uns das Paprika zusammen an und können das dann mal auf
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diese Motive untersuchen.
Micz Flor
0:58:20–0:58:23
Und Paprika ist auch eine gute Brücke, weil ich habe ein bisschen Hunger. Du auch?
Florian Clauß
0:58:24–0:58:25
Ja.
Micz Flor
0:58:27–0:58:32
Wir kommen jetzt, glaube ich, langsam. Wir sind immer noch hier am Krummensee.
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Die Tour aus Krummensee. Aber ich glaube, wir kommen jetzt mit der Folge langsam zum Ende, oder?
Florian Clauß
0:58:37–0:58:42
Ja, mit der Spur nicht. Wir sind jetzt gerade am weitesten Punkt.
0:58:42–0:58:45
Am weitesten? Ja, wir müssen eine ganze Ecke zurück.
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Aber mit der Folge sind wir am Ende. Ich hätte noch überlegt,
0:58:50–0:58:54
ob man da irgendwie nochmal so in diese Kulturgeschichte von Weihnachtsfilmen einsteigen möchte.
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Ich weiß noch, als wir auch mal vor Jahren, das waren halt schon fast Jahrzehnte,
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hier mal draußen waren und zurückgefahren sind, da kommt man immer auf der Rückfahrt durch Marzahn.
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Und da gibt es ja diese Eastside Gallery in Marzahn. und dann haben wir da mal
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zusammen auch noch irgendwie beim Asiaten gegessen und sind durch Mediamarkt
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oder was wie es damals hieß, rumgegangen da hast du Medimax, glaube ich,
0:59:21–0:59:26
keine Ahnung da hast du mir einen Weihnachtsfilm,
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geschenkt, den ich dann halt auf DVD, wo das noch tatsächlich...
Micz Flor
0:59:31–0:59:32
War die der Weihnachtself!
Florian Clauß
0:59:32–0:59:33
Genau!
Micz Flor
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Ich weiß nicht, ob das immer noch gilt, aber das war wirklich lange,
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lange Zeit mal ein All-Time-Favorite- Weihnachtsfilm Ich finde ihn ganz, ganz toll.
Florian Clauß
0:59:42–0:59:46
Und ich dachte, wir könnten vielleicht nochmal über unsere Weihnachtswirmerfahrung...
Micz Flor
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Kann ich dir einen komischen Fun-Fact erzählen?
Florian Clauß
0:59:48–0:59:49
Ja.
Micz Flor
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Ich habe irgendwo noch vier DVDs davon.
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Ich kann dir auch sagen, warum. Weil ich den nämlich nochmal verschenken wollte im Jahr drauf.
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Den auf Ebay gesucht habe. Und da gingen die DVDs, obwohl das schon DVD on its
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way out war, gingen die für 40, 50, 60 Euro weg.
Florian Clauß
1:00:07–1:00:07
War es?
Micz Flor
1:00:08–1:00:08
Ja, total.
Florian Clauß
1:00:11–1:00:12
Zu Weihnachtszeit ging es.
Micz Flor
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Genau, zur Weihnachtszeit. Und dann habe ich nach Weihnachten waren die dann bei 5, 6, 7 Euro.
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Da habe ich gedacht, Moment, mach, da hole ich mir mal vier. Und zu Weihnachten...
Florian Clauß
1:00:23–1:00:28
Bitcoins, genau. Wertlose, Bodycoins. Bodycoins.
Micz Flor
1:00:29–1:00:33
Und die vier habe ich jetzt, jetzt muss ich das schnell nochmal probieren,
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ob das überhaupt noch geht, weil es gibt ja kaum noch DVD-Spieler.
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Aber das war damals mein Project.
Florian Clauß
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Money Project. Wir sind auch in irgendeiner Kiste bei dir, vier DVDs.
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Und da steht das Erbe für meine Kinder.
Micz Flor
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Es heißt DVD.
Florian Clauß
1:00:58–1:01:04
Sehr gut. Ich habe, glaube ich, den Film gesehen, aber so richtig connecten konnte ich dann nicht.
Micz Flor
1:01:04–1:01:10
Ja, das ist dann vielleicht für nächstes Jahr Buddy. Ich kann gerne über den Film sprechen.
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Das Motiv dieses Films ist, dass ein Menschenkind am Nordpol als Wichtel oder
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wie die auch immer in dem Deutschen heißen, also dem Weihnachtsmann die Spielzeuge
1:01:22–1:01:24
bauen, aufgezogen wird.
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Irgendwann dann aber checkt, weil es dreimal so groß ist wie alle anderen,
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dass es vielleicht doch nicht genau dahin gehört.
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Und dann nach Manhattan kommt und seinen Vater findet, nachdem es den Ziehvater
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zur Rede gestellt hat und der hat einen Tipp gemacht. Und dann ist halt dieses,
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Erwachsene Kind, Will Ferrell, in Manhattan und benimmt sich halt wie ein Kind,
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das nur Weihnachten kennt.
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So, das ist der Plot.
Florian Clauß
1:01:52–1:02:00
Ja, okay, aber es ist ja auch so klassisch, dass irgendwie so Kind in Erwachsenen und Familie.
Micz Flor
1:02:00–1:02:04
Und der Erwachsene, den alle sehen, der halt dann immer auch Sachen sagt,
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die eigentlich nur Kinder sagen dürften. Und deshalb die ganze Zeit auch so
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soziale Grenzen überschreitet.
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Und Will Ferrell ist halt einfach auch schon sehr, sehr lustig.
Florian Clauß
1:02:15–1:02:19
Ja, da muss ich nochmal eine Seitenbemerkung auch machen, weil das ist mir auch
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aufgefallen, wie großartig das gespielt wurde, nämlich wo dann auch Kinder in,
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Erwachsenenkörpern nämlich bei Alien Earth bei Alien Earth gibt es dann halt so die sogenannten Den.
Micz Flor
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Musst du ja eh auch nochmal besprechen Ist das eine.
Florian Clauß
1:02:35–1:02:39
Vorausschau auf 2026? Body-Horror hatte ich das mal erwähnt.
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Also es gibt dann quasi diejenigen, die dann ihren Mind, also ihren Geist,
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dann halt in einen künstlichen Körper...
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Überspielen können. Und das sind
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Kinder, die dann im Sterben liegen oder Todeskrankheiten oder sowas haben.
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Und die werden dann halt von so einem Multimilliardären, der dann diese Körper
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entwickelt hat und die dann auch owned, mehr oder weniger, werden die dann halt
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in einem Projekt dann halt so, das ist halt so eine Gruppe, ne?
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Und die spielen dann halt so Gestik und Mimik von Kindern.
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Das ist echt super. Da gibt es zwei Typen, die die ganze Zeit sich so ein bisschen
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als Freunde gefunden haben und dann aber auch so die ganze Zeit kappeln.
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Und dann so, oh Mann, komm schon.
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Im Hintergrund kriecht dann halt so ein irgendein Alien oder so ein anderer
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Parasit aus dem Weltall.
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Kriecht ihn halt dann irgendwie so. Die sind auch so unverwundbar,
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weil dann halt die Aliens nicht, die gehen eher auf Biomaterial.
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Fällt mir jetzt nur spontan ein. Hat nichts mit einem Weihnachtsfilm zu tun.
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Aber andere Weihnachtsfilme, Die Hard, hast du ja auch schon erwähnt,
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ist auch immer der Classic.
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Weil der auch zur Weihnachtszeit, aber Aber der Schnee fehlt auch am Ende, oder?
Micz Flor
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Ja, ich glaube erst am Ende. Das ist dann sozusagen der Teppich über das ganze Desaster. Home Alone.
Florian Clauß
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Home Alone, richtig. Kevin allein zu Hause. Ist auch, glaube ich,
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ein ganz beliebter Weihnachtsfilm.
Micz Flor
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Und im deutschen Sprachraum drei Haselnüsse für einen Aschenbrotel.
Florian Clauß
1:04:05–1:04:11
Ja, genau. Da kommst du halt in diese ganzen ARD-Mediathek-Märchenfilme. Das ist die eine Klasse.
Micz Flor
1:04:11–1:04:12
Das kannst du nicht über einen Kamm scheren.
Florian Clauß
1:04:12–1:04:18
Das sind ja diese tschechischen Filme, die dann, wir hatten das glaube ich auch
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mal bei Schneewittchen erwähnt, in der Folge, als ich über Schneewittchen gesprochen habe. Selfie-Culture.
Micz Flor
1:04:26–1:04:29
Ja, Schneewittchen, wir haben keinen Schnee hier.
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Und jetzt haben wir nochmal hinten wieder aufgemacht, frei assoziiert für andere Filme schon.
1:04:36–1:04:38
Jetzt wollen wir das schließen, die Folge.
Florian Clauß
1:04:39–1:04:40
Ja, jetzt machen wir die Tür zu.
Micz Flor
1:04:40–1:04:43
ZuhörerInnen eine...
1:04:43–1:04:47
Wer feiert eine fröhliche Weihnacht und einen guten Rutsch zu wünschen?
1:04:48–1:04:52
Wer nicht feiert, eine frohe Weihnachtszeit zu wünschen?
1:04:53–1:04:56
Die nächste Folge ist dann schon 2026.
Florian Clauß
1:04:57–1:05:02
Oder? Die nächste Folge wird am 01.01.2026 sein.
Micz Flor
1:05:02–1:05:06
Guck mal, jetzt sind wir aber direkt hier in der Schusslinie von so einem Hochsitz.
1:05:06–1:05:08
Da ist auch ein Hochsitz direkt vor uns.
Florian Clauß
1:05:08–1:05:13
Aber der war nicht abgesperrter Weg. Wir sind safe.
Micz Flor
1:05:13–1:05:19
Aber uns kam ein Auto entgegen mit toten Rehen hinten drauf.
Florian Clauß
1:05:19–1:05:20
Ja, die haben uns aber gegrüßt.
Micz Flor
1:05:20–1:05:21
Die Rehe.
Florian Clauß
1:05:23–1:05:23
Hallo.
Micz Flor
1:05:25–1:05:29
Ja, aber guck mal, da ist ein Sitz und da drüben ist ein Sitz und die müssen
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gegen Deckung schießen. Gut, die müssen gleich da rüberschießen.
Florian Clauß
1:05:32–1:05:34
Es gibt überall Hochsitze in Brandenburg.
Micz Flor
1:05:34–1:05:37
Ja, aber wenn ein Jagdwochenende ist, ist es nochmal was anderes,
1:05:37–1:05:40
als wenn man irgendwie nochmal an irgendeinem Tag spazieren geht.
Florian Clauß
1:05:40–1:05:44
Ja, aber das ist so reguliert, die Jagd. Wenn die hier unterwegs wären,
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dann müssen die das absperren.
Micz Flor
1:05:46–1:05:46
Okay.
Florian Clauß
1:05:47–1:05:49
Es ist ein unglaublich reguliertes Geschäft.
Micz Flor
1:05:50–1:05:56
Also hoffen wir, dass es 2026 eine Folge von uns gibt. Am 01.01.
Florian Clauß
1:05:56–1:05:58
Ja, wenn wir den Schuss übernehmen.

Im Kanon von Satoshi Kon hebt sich Tokyo Godfathers (2003) von den übrigen Werken ab: keine unzuverlässigen Realitätsebenen wie in Perfect Blue, keine zeitspringende Erinnerungsmontage wie in Millennium Actress, kein barockes Traumgewitter wie in Paprika. Stattdessen eine fast klassische, linear erzählte Odyssee durch Tokyo, die in einer Weihnachtsnacht beginnt, als drei Obdachlose – Gin, Hana und Miyuki – ein ausgesetztes Baby finden. Kon verschiebt sein zentrales Thema – die Instabilität von Identität – vom Psychischen ins Soziale: Wer wird gesehen, wer verschwindet? Wer zählt als Familie, wer gilt als „weggeworfen“? Gleichzeitig ist Tokyo Godfathers ein Film, der offen mit Genretraditionen arbeitet: Zufälle häufen sich bis an die Grenze des Plausiblen, das Unwahrscheinliche fühlt sich an wie Schicksal. Gerade im Weihnachtsfilm ist das ein Vertrag mit dem Publikum: Hier darf die Welt für einen Moment so gebaut sein, dass Vergebung möglich scheint. Kon zeigt, wie Menschen handeln, wenn sie sich erlauben, an die Möglichkeit des Guten zu glauben.

Die Wärme des Films ist teuer erarbeitet. Wie bei vielen anspruchsvollen Anime-Kinofilmen der frühen 2000er war das Budget im Vergleich zu westlichen Animationsproduktionen sehr klein; in öffentlichen Quellen kursieren nur Schätzungen, aber ein Bereich von wenigen Millionen US-Dollar (bzw. einigen hundert Millionen Yen) gilt als plausibel. Jeder zusätzliche Shot, jede komplexe Massenszene, jede Korrektur spät in der Pipeline multipliziert Kosten. Und Kon ist bekannt dafür, dass er Timing, Blickachsen und Ausdruck nicht „ungefähr“ wollte. Madhouse, das Studio hinter allen großen Kon-Arbeiten, war für solche Projekte prädestiniert: künstlerische Ambition, aber auch Produktionsrealismus. Die Lösung lag bei Kon fast immer in radikaler Vorarbeit. Seine Filme sind in der Storyboard-Phase praktisch „abgedreht“; dadurch lässt sich teueres Herumprobieren in späteren Phasen vermeiden. Bei knappem Budget wird Planung zur Ästhetik. Man sieht das in Tokyo Godfathers besonders deutlich: Der Film wirkt dynamisch, doch er verschwendet kaum Einstellungen. Bewegungen sind motiviert, Ortswechsel ökonomisch, und viele „Spektakel“-Momente (Verfolgungen, Stürze, Chaos) leben von präziser Montage und klarer Raumgeometrie. Ein weiterer Produktionsvorteil: Kon setzt Komplexität selektiv. Wo es zählt – in Mimik, Reaktion, Körpergewicht, in den Übergängen von Komik zu Schmerz – ist die Animation aufwändig. Dazwischen erlaubt sich der Film Vereinfachungen, ohne dass sie als Sparmaßnahmen auffallen, weil Komposition und Rhythmus stimmen. Gerade diese Strategie macht Tokyo Godfathers so „filmisch“: die geführte Inszenierung.

Dazu kommt Kons Hang zur Recherche. Tokyo Godfathers ist auch deshalb glaubwürdig, weil er sich für „unfotogene“ Details interessiert: Hinterstraßen statt Postkartenmotive, Müllplätze statt Shoppingboulevards. Kon hat mehrfach betont, dass ihn weniger das modische Tokyo als vielmehr die Rückseite der Stadt fasziniert. Für die Produktion bedeutet das: Location-Scouting (Fotoreferenzen), genaue Beobachtung von Licht, Beschilderung, Architektur, Winteratmosphäre. Auch der Umgang mit Darstellerischem ist typisch Kon. Er dachte Figuren als „Actors“ und Animation als Schauspielregie – nur dass die Performance nicht auf dem Set entsteht, sondern in Zeichnung und Timing. Dass er teils Referenzmaterial aufzeichnete (Bewegungen, Reaktionen, Körperhaltungen), passt zu dieser Philosophie: Der expressive Moment soll nicht willkürlich wirken, sondern wie gesteigerte Wahrheit.

Der Film ist auffällig „cartooniger“ als viele Kon-Zuschreibungen erwarten lassen. Die Gesichter können gummiartig überziehen, Emotionen kippen in Slapstick, Körper werden elastisch – und im nächsten Moment ist alles wieder schwer, müde, kalt. Dieser Wechsel ist nicht bloß Tonmischung, sondern eine zeichnerische Ethik. Das Expressive ist hier ein Mittel, um Würde nicht mit Nüchternheit zu verwechseln: Die Figuren dürfen grotesk sein, ohne lächerlich gemacht zu werden. Gerade Hana profitiert davon. Kon erlaubt der Figur große, melodramatische Gesten – aber die Inszenierung steht nie gegen sie. Komik kommt aus Situation, Timing und Überforderung, nicht aus Entmenschlichung. Gleichzeitig ist Tokyo Godfathers eine Hommage an Tokyo – allerdings eine unromantische. Kon zeigt die Stadt als System von Schichten: Neon und Luxus oben, Kälte und Ausschluss unten. Die Reise der Figuren führt durch soziale Räume (Hotelhochzeit, Yakuza-Umfeld, Unterführungen, Notunterkünfte) und macht Tokyo zur moralischen Topografie. Die Stadt „prüft“ die Figuren, aber sie bietet auch Nischen von Wärme: zufällige Hilfe, temporäre Gemeinschaft, kurze Blicke von Anerkennung. In einem klassischen Stadtsinfonie-Film wäre das die Poesie der Metropole; bei Kon ist es die fragile Möglichkeit, nicht völlig zu verschwinden.

Satoshi Kon starb am 24. August 2010 mit nur 46 Jahren an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Sein unvollendetes Projekt Dreaming Machine blieb als Nachlass zurück: Kon hatte dort – so berichten Weggefährten – besonders viel in Storyboards und Konzeption gebunden. Produzent Masao Maruyama, der Kon über Jahre künstlerisch den Rücken freihielt, sprach später offen darüber, wie schwierig (und vielleicht unmöglich) es ist, einen so autorenzentrierten Film „für“ Kon fertigzustellen, ohne ihn in etwas anderes zu verwandeln. Gerade weil Kons Regie so stark in Planung, Übergängen und visueller Logik steckt, ist sein Nachlass nicht einfach ein Skript, das ein anderer inszenieren kann. Er ist eine Handschrift.

Zu dieser Handschrift gehört auch die häufige psychoanalytische Lesbarkeit seiner Filme. Kon selbst hat sinngemäß anerkannt, dass seine Werke psychoanalytisch interpretiert werden können – nicht weil er „Freud verfilmen“ wollte, sondern weil Themen wie Begehren, Verdrängung, Spaltung und Projektion strukturell in seinen Geschichten liegen. Am klarsten lässt sich das an Paprika (2006) zeigen, dem Film, in dem Traum und Wirklichkeit nicht mehr nur ineinander übergehen, sondern regelrecht kollabieren.Träume sind nicht „Botschaften in Klartext“, sondern ein Strom aus Verdichtung, Verschiebung und Metapher. Genau so montiert Kon seine Traumsequenzen: Motive springen, verbinden sich über formale Ähnlichkeiten, Figuren wechseln Identitäten, Räume verlieren Kontinuität. Was nicht integriert wird, kehrt wieder – als Störung, als Invasion der Traumlogik in die Wachwelt. Der Film als Eskalationsprinzip: Je weniger Kontrolle, desto größer die Bildflut, desto massiver die „Rückkehr“ des Verdrängten. Kon liefert aber keine „klinische“ Psychoanalyse, sondern eine filmische. Er zeigt weniger Diagnose als Mechanik – wie Innenwelten als Bilder nach außen drängen. Und er lässt die Deutung offen genug, dass psychoanalytische Lesarten möglich sind, ohne dass sie die einzigen wären. Genau darin liegt seine Modernität: Kon baut Filme, die interpretierbar sind, weil sie formal schon interpretieren – sie machen sichtbar, dass Menschen sich selbst über Geschichten und Bilder konstruieren.

Tokyo Godfathers wirkt neben Paprika wie das Gegenteil: keine Traumkaskaden, keine Bewusstseinsbrüche. Aber wenn man ihn im Lichte dieses Nachlasses betrachtet, erscheint er als komplementäres Werk. Dort, wo Paprika die inneren Bilder nach außen explodieren lässt, zeigt Tokyo Godfathers die äußere Welt als Prüfstein des Inneren. Und wo Paprika von der Gefahr des Eskapismus erzählt, erzählt Tokyo Godfathers von der radikalen Gegenbewegung: dem Schritt in Verantwortung, in Beziehung, in die Realität – selbst wenn sie kalt ist. So wird Tokyo Godfathers auch zum stillen Vermächtnisfilm. Nicht weil er „letzte Worte“ enthält, sondern weil er eine These formuliert, die Kons ganzes Werk erdet: Das Wunder ist nicht die Aufhebung der Wirklichkeit, sondern die Möglichkeit, in ihr anders zu handeln. In einer Nacht, in einer Stadt, in einem Leben, das eigentlich schon abgeschrieben war.

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