EGL016 Konrad Zuse: der Künstler unter den Ingenieur:innen?
Konrad Zuse wäre fast Schauspieler geworden und hielt seine Familie nach dem Krieg finanziell mit Landschaftsmalereien über Wasser. Gegen Ende seines Schaffens plante er eine Werkstatt zu bauen, "die imstande ist, sich selbst wieder zu konstruieren". Und nicht nur das: die Werkstatt "verkleinert sich wieder usw. bis eine Fabrik entsteht, die unter Mikroskop arbeitet". Bekannt wurde er als Ingenieur, der 1941 den ersten programmgesteuerten und frei programmierbaren Computer der Welt vorstellte. Das war Zuses dritter Computer, der Z3. Schon 1937 hatte er mit dem Z1 einen komplett mechanischen(!) Computer gebaut, mit Laubsäge und im Wohnzimmer seiner Eltern, der allerdings damals nicht offiziell geprüft und anerkannt wurde. Den Nachbau des Z1 und Z3 besuchen wir im Technikmuseum Berlin nachdem wir eine halbe Episode lang über Zuses Leben, Maschinen und Ideen gesprochen haben. Dabei blicken wir blicken unter anderem auf Zuses künstlerische Seite, Innovation durch Langeweile und Quantemechanik als Hürde im Plan eine universelle und sich selbst replizierende mechanische Werkstatt zu fertigen. Wir kommen zum Schluss: da ist viel Künstler in Zuses Denken.
Shownotes
- Laufroute
- EGL016 | Wanderung | Komoot
- Links zur Episode
- Archivradio - Geschichte im Original · Konrad Zuse - Die Erfindung des Computers · ARD Audiothek
- horst-zuse homepage: Z3 Details des Nachbaus
- Horst Zuses Z3 Teil 1: Vorführung - YouTube
- Horst Zuses Z3 Teil 2: Interview - YouTube
- Der mechanische Rechner Z1 von Konrad Zuse - YouTube
- Vortrag anläßlich des VCF Berlin 2022 - YouTube
- Gedenktafel für die ZUSE Z3 in Berlin-Kreuzberg
- Z1 - mechanischer Rechner von Konrad Zuse aus dem Jahre 1937
- Z2 - Prototyp eines Rechners von Konrad Zuse zum Test der Relaistechnik
- Z3 - der erste funktionsfähige Computer der Welt
- Konrad Zuse auf Wikipedia
- Plankalkül - von Konrad Zuse entwickelte höere Programmiersprache
- "Zuses Wohnzimmer" von Philipp Schönthaler
- Plankalkül: The First High-Level Programming Language and its Implementation, Raul Rojas, Cüneyt Göktekin, Gerald Friedland, Mike Krüger
- Selbstreproduzierende Maschinen. Konrad Zuses Montagestraße SRS 72 und ihr Kontext - Nora Eibisch
- The future of quantum biology | Royal Society 2019
- Nature's subway: Quantum tunneling in enzymes
- Plants are way more energy efficient than we thought - Futurity
- Energy efficiency of photosynthesis
- Das Universum – der erste Quantencomputer | wissenschaft.de 2017
- The universe as quantum computer, Seth Lloyd, 2013
- Could Our Universe Be 2-Dimensional? Black Holes Offer A Clue
- Our reality could be a three-dimensional projection of a two-dimensional world, where time travel is really possible.
- The Holographic Universe Explained
- Wormhole simulated in quantum computer could bolster theory that the universe is a hologram 2022
- A qubit is a basic unit of quantum information -- the quantum version of the classic binary bit physically realized with a two-state device
- 2017 Der Computerpionier Konrad Zuse als Erfinder und Visionär (Nora Eibisch)
- The "Technological Germ Cell" by Konrad Zuse
- Die Große Wissenschaftsshow | Mit Zuse in die Zukunft - der Beginn des Computerzeitalters
- Konrad Zuse's Computer, presented by the Hünfeld`s Museum
Transcript
Konrad Zuses Lebenswerk ließe sich vereinfacht als Triptychon aus Mechanik, Elektrotechnik und Biologie darstellen.
- Mechanik: der erste Computer der Welt, den Zuse im Wohnzimmer seiner Eltern fertigte war komplett mechanisch.
- Elektrotechnik: die Computer der Zuse KG durchlebten die rasante Entwicklung der Elektrotechnik Mitte den 20ten Jahrhunderts.
- Biologie: gegen Ende seines Arbeitslebens wollte er — von der Biologie inspiriert — sich selbst replizierende und dabei immer kleiner werdende, autonome Montagestraßen bauen, quasi Einzeller der newtonschen Welt.
Das übergeordnete Motiv in diesem Triptychon ist die Delegation repetitiver Aufgaben an Maschinen; das gilt für die Mathematik gleichermaßen wie für die materielle Welt.
Auf dem Weg zum Technikmuseum Berlin jonglieren wir mit einem künstlerischen Konrad Zuse auf der einen und den martialischen Wurzeln der Computertechnologie im zweiten Weltkrieg auf der anderen Seite. Ist Innovation immer mit Kreativität verbunden? Sind Algorithmen kriegsentscheidend und machterhaltend?
Im Technikmuseum angekommen stehen wir vor dem Nachbau des mechanischen Z1-Computers und sind geplättet von der Vorstellung wie unendlich stupide, repetitiv und langweilig es wohl gewesen sein musste die Unmengen an Teilen mit der Laubsäge auszuschneiden. Und erinnern uns, dass Zuse sinngemäß gesagt habe er sei zu faul zum Rechnen gewesen, deshalb habe er den Computer erfunden.
Vor diesem Hintergrund wird verständlicher, dass Zuse schon 1941 Ideen vorformulierte — also inmitten der repetetiven Anfertigung von Teilen für seine Computer — wie er die rekursive manuelle Tätigkeit am autonome Maschinen abtreten könne:
16.11.41
Problem der Werkstatt, die imstande ist, sich selbst wieder zu konstruieren.25.10.41
Transkribierte stenografische Notiz, Deutsches Museum, Archiv, NL 207 Signatur 0752; zitiert nach Eibisch im Video media.ccc.de 2017
Aggregat, das sich selbst in verkleinertem Maße wieder herstellen kann. Dieses verkleinert sich wieder usw. bis eine Fabrik entsteht, die unter Mikroskop arbeitet. Dieses kann man umgekehrt wieder beliebig vergrössern.
Diese Ideen bestimmten unter dem Begriff „Montagestraßen“ Konrad Zuses Spätwerk. Von 1969 bis 1974 arbeitete er an der Montagestraße SRS 72. Sie sollte zu einem Fertigungssystem führen, das immer kleinere Kopien von sich selbst erstellt.
So zauberhaft diese Idee auch sein mag, sie bleibt ein Traum, denn die unüberwindbare Hürde ist natürlich die Energieversorgung solcher Montagestraßen. Die Biologie — aber das konnte Konrad Zuse damals noch nicht wissen — bedient sich in der Welt der Quantenmechanik. Nur so lässt sich z.B. durch Photosynthese nahezu verlustfrei Sonnenstrahlen in nutzbare Energie umwandeln.
Zuses Miniatur-Montagestraßen scheinen dennoch eng mit Hypothesen der Gegenwart verbunden zu sein, wie z.B. der Frage, ob das Universum selbst nicht eigentlich ein Computer sei, mit Algorithmen und konkreten Operationen. Oder leben wir in einem „Holographic Universe“, einer mehrdimensionale Projektion von einer zweidimensionalen Fläche von Informationen, die wir als dreidimensionales Universum wahrnehmen.
Ob der fantastischen Hypothesen scheint Konrad Zuse nicht der Künstler sondern ein Künstler unter den Ingenieur:innen et al..
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