EGL017 Peter Behrens und die Waldsiedlung Lichtenberg
Peter Behrens gilt als Erfinder des Corporate Designs und als Vorreiter des Industriedesigns. Bei AEG wurde er 1907 zum künstlerischen Beirat berufen und gestaltete vom Briefpapier über das Logo bis hin zu Fabrik- und Verwaltungsgebäuden. Besondere Bedeutung erlangte das von ihm geführte Architekturbüro, dort arbeiteten 1908 unter anderem Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe und Le Corbusier quasi gleichzeitig. Peter Behrens war eigentlich Künstler und Architekt. Die gesellschaftliche Rolle von Architektur reflektierte er zur Zeit des endenden 1. Weltkrieges in seiner Schrift "Vom sparsamen Bauen". Dort entwickelte er eine Antwort auf die soziale Frage im Wohnungsbau. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts galt der Bau von Arbeiterwohnungen bei renommierten Architekten nicht viel. Aber das sich veränderte Stadtbild im Zuge der Industrialisierung brachte eine Reihe von Problemen mit sich, die auf politischer und gesellschaftlicher Ebene Antworten erwarteten. Teilweise waren in einigen Gebieten Berlins über 80% der Arbeiter:innen an Tuberkulose erkrankt aufgrund der schlechten Lebens- und Wohnbedingungen. Mit dem Ende des 1. Weltkriegs kommen die enormen wirtschaftlichen und durch den Geburtenrückgang und die hohe Zahl an Opfern und Invaliden gesellschaftlichen Belastungen hinzu. Mit der sich bereits 1917 abzeichnenden und 1920 umgesetzten Erweiterung des Stadtgebietes "Groß-Berlin" wächst Berlin um das 10-fache seiner bisherigen Fläche und ist nach London und New York mit knapp 4 Millionen die bevölkerungsreichste Stadt der Welt. In diesem Zuge sind zahlreiche Siedlungsprojekte entstanden, um Infrastruktur und Wohngebiete zu entwickeln. Peter Behrens Schrift "Vom sparsamen Bauen" von 1918 fasst seine Erfahrungen aus den bisherigen Wohnbausiedlungen zusammen und entwickelt Ideen, um möglichst hochwertigen, kostengünstigen und sozial verträglichen Siedlungsbau zu betreiben. Die erste praktische Anwendung nach Veröffentlichung der Schrift findet sich in der Waldsiedlung Lichtenberg in der Wuhlheide zwischen der Köpenicker Chaussee und Karlshorst gelegen. Hier entstanden in den Jahren von 1919 bis 1920 117 Wohnungen, die sich auf schlichte, einfache Einfamilienreihenhäuser und Vierfamilienhäuser mit Gärten und kleinen Stallgebäuden verteilten. In dieser Eigentlich-Episode besuchen wir die noch heute gut erhaltene Waldsiedlung Lichtenberg und schauen uns die Prinzipien des sparsamen Bauens direkt vor Ort an.
Shownotes
- Laufroute
- EGL017 | Wanderung | Komoot
- Links zur Episode
- Peter Behrens – Wikipedia
- AEG – Wikipedia
- Groß-Berlin – Wikipedia
- Waldsiedlung Lichtenberg – Wikipedia
- Max Taut – Wikipedia
- Bruno Taut – Wikipedia
- Walter Gropius – Wikipedia
- Ludwig Mies van der Rohe – Wikipedia
- Le Corbusier – Wikipedia
- Vom sparsamen Bauen [Elektronische Ressource] : Ein Beitrag z. Siedlungsfrage
- Regine Broch - Peter Behrens´ Wohnungsbaukonzepte 1910-1920 - Von der repräsentativen Industriesiedlung zur kostengünstigen Kleinsiedlung :: Publikationsserver
- Waldsiedlung Berlin-Lichtenberg (S. 320)
Transcript
Wir erschliessen uns die Waldsiedlung Berlin-Lichtenberg vom Hegemeisterweg aus der Wuhlheide kommend. Dabei erzählt Flo einiges zur Stadtgeschichte Berlins in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Durch die Industrialisierung und dem Krieg geprägt befand sich Berlin in einem massiven Wandel. Auch bei Peter Behrens Schaffen hat sich in diesen Jahren gewandelt. Dies wird ausführlich in der Dissertation von Regine Broch „Wohnungsbaukonzepte 1910-1920 – Von der repräsentativen Industriesiedlung zur kostengünstigen Kleinsiedlung“ beschrieben:
Somit handelt es sich bei Behrens ́ Beschreibung der „Monumentalkunst“ um eine bereits abgeschlossene Phase, die der Architekt hinter sich lassen muss, um den neuen Zeitgeist zu erfassen. Für die angebrochene Zeit wird die „Verdichtung der Qualität“ zur wegweisenden Prämisse. Der Architekt beschließt damit seinen künstlerischen Wandel und definiert seine Ziele neu. Eine völlige Abkehr von der Industrialisierung ist damit jedoch nicht impliziert. Sie findet vielmehr eine relativierte Basis, die die wirtschaftlichen und praktischen Vorteile abwägt und deshalb ohne überhöhte Stilisierung der Architekturformen auskommt. Behrens ́ Ideal der Industriekultur wird zu diesem Zeitpunkt „geerdet“, das heißt zum Ausgangspunkt zurückgeführt. Das Wohnungsproblem der Nachkriegszeit konnte nach Auffassung des Architekten jedenfalls nicht ohne das industriell gefertigte Produkt, einheitlich genormte Baustoffe und den Einsatz von Maschinen gelöst werden. Vor allem seine Veröffentlichung „Vom Sparsamen Bauen“ im Jahr 1918 verdeutlicht in diesem Zusammenhang Behrens ́ relativiertes Verhältnis zur Industrie und konzentriert sich ganz auf den kostengünstigen Kleinwohnungsbau nach Kriegsende.
Regine Broch: Peter Behrens ́ Wohnungsbaukonzepte 1910-1920 Von der repräsentativen Industriesiedlung zur kostengünstigen Kleinsiedlung, Seite 93/94,
Wir sind den verschiedenen Gruppenhäusern auf der Spur und schauen uns die Gärten zu den Häusern an. Wir stellen am Ende fest, dass wir auf unseren Eigentlich Wanderungen schon durch einige Siedlungsprojekten in Berlin gekommen sind: Hufeisensiedlung, Europacity, Fliegerviertel.
Wahnsinn, Flo, du hast diesmal ja einen halben Roman geschrieben! #kudos