EGL066 Roadmovies I: Civil War
Mit dieser Episode starten wir eigentlich eine neue Podcast-Reihe: Roadmovies! Ein Genre, das uns schon immer fasziniert hat. Dem wollen wir näher auf die Spur kommen, doch zunächst stellen wir einige Filme dieses Genres der letzten 4 Dekaden vor. Roadmovies erzählen Geschichten von äußeren und inneren Reisen, an denen die Charaktere wachsen. Sie werden oft episodenhaft erzählt, die sich an den einzelnen Stationen der Reise orientieren. Roadmovies entwickelten sich als Subgenre des Westerns und legten den Grundstein für New Hollywood. Als ersten Vertreter der neuen Reihe "Roadmovies" hat sich Flo einen aktuellen Film ausgesucht: "Civil War" aus dem Jahr 2024 unter der Regie von Alex Garland. Flo stellt den Briten Alex Garland mit einigen Eckdaten vor: bekannt geworden als Autor, erste Verbindungen zum Film mit Danny Boyles "The Beach", der Garlands Buch verfilmte. Weitere Zusammenarbeit mit Boyle, u.a. "28 Days Later", für den Alex Garland das Drehbuch schrieb. Erste eigene Regiearbeit mit "Ex machina" (2015). Es folgten einige Spielfilme und mit "Devs" (2021) eine Serienproduktion, in der auch Schauspieler:innen mitwirkten, mit denen Garland immer wieder zusammenarbeitet. "Civil War" ist eine Mischung aus Roadmovie und Kriegsfilm. Im Mittelpunkt stehen zwei Kriegsfotografinnen, die eine altgedient, die andere ganz jung. Der Film spielt in Amerika in einer dystopischen nahen Zukunft, in der Bürgerkrieg herrscht. Wir erzählen den Film ausführlich nach. Flo geht dann auf die Geschichte der Fotografie während des Amerikanischen Bürgerkriegs von 1861 bis 1865 ein und zeigt die technischen und kulturellen Entwicklungen in der Fotografie und wie diese das Verständnis und die Darstellung des Krieges beeinflusst haben. Während wir die Kernthesen von Garlands Werk erkunden, denken wir darüber nach, wie die Hauptfiguren die moralischen Herausforderungen und ethischen Implikationen transportieren, die mit dem Festhalten und Präsentieren von Wahrheit und Realität verbunden sind. Verbunden sind wir auch mit unserem Track, der Laufstrecke, die uns von der Jannowitzbrücke bis zur Landsberger Allee durch den Volkspark Friedrichshain geführt hat. Wir haben auf diesem Weg einige unserer Vorgänger-Episoden gekreuzt und das entsprechend kommentiert.
Shownotes
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Transcript
Roadmovies
Das Genre des Roadmovies stellt ein zentrales Subgenre des modernen Kinos dar, welches sowohl narrative als auch philosophische Elemente miteinander verknüpft. Historisch betrachtet, etablierten sich Roadmovies in den 1960er Jahren als Gegenbewegung zu den rigiden Konventionen des klassischen Hollywood-Kinos sowie als Ausdruck des gesellschaftlichen Wandels dieser Ära. Filme wie „Easy Rider“ (1969) fungierten als Symbol dieses Aufbruchs, indem sie die Suche nach Freiheit und Individualität in den Vordergrund stellten.
Roadmovies sind durch eine episodische Erzählweise, weite Landschaftsaufnahmen sowie die symbolische Bedeutung von Straßen und Fahrzeugen gekennzeichnet. Inhaltlich kreisen Roadmovies um Fragen der Selbstfindung, Gesellschaftskritik sowie den Wunsch nach einem Ausbruch aus normativen Strukturen. Die Generierung von Spannung erfolgt dabei häufig durch Zufallsbegegnungen sowie den Umgang der Protagonisten mit fremden und oft feindseligen Umwelten. Das Genre markiert nicht nur einen Wechsel der filmischen Ästhetik, sondern auch einen sozialen Kommentar, mit dem der sogenannte „American Dream“ hinterfragt und kritisch reflektiert wird.
Alex Garland und Civil War
Alex Garland hat sich in den vergangenen Jahren als eine der bedeutende Stimmen des modernen Kinos etabliert. Garland ist insbesondere für seine Filme „Ex Machina“ (2014) und „Annihilation“ (2018) bekannt, in denen er wiederholt Genregrenzen überschreitet und psychologische, philosophische sowie technologische Themen verwebt. Seine Werke loten die versteckten Abgründe der menschlichen Natur aus und zeichnen sich durch eine präzise visuelle Gestaltung sowie eine tiefgründige thematische Komplexität aus.
Mit „Civil War“ (2024) hat Garland einen weiteren bemerkenswerten Beitrag geleistet, indem er Elemente des Roadmovies mit denen des Kriegsfilms kombiniert. In seiner Herangehensweise bleibt Garland unkonventionell. Anstatt sich allein auf monumentale Schlachten oder militärische Strategien zu konzentrieren, integriert er die Dynamik eines Bürgerkrieges in die individuellen Erfahrungen von Leid und die Suche nach Identität. Diese Vorgehensweise verleiht dem Film „Civil War“ einen erzählerischen Reichtum, der sowohl universelle als auch persönliche Perspektiven in den Vordergrund rückt.
Der Film „Civil War“ spielt vor dem Hintergrund eines fiktiven Bürgerkriegs in den Vereinigten Staaten, wobei die Straßen des Landes sowohl Schauplatz als auch Metapher sind. Der Film folgt der Protagonistin Jessie, einer Kriegsfotografin, deren Reise sowohl geografisch als auch emotional geprägt ist. Während ihrer Odyssee durch die verschiedenen Konfliktzonen des Landes dokumentiert sie unermüdlich die Schrecken des Krieges, ohne dabei eine sichtbare politische oder moralische Position einzunehmen. Die Kamera fungiert für Jessie sowohl als Schutzschild als auch als Kompass.
Der dramaturgische Höhepunkt des Films entfaltet sich im Weißen Haus, wo die Grenzen zwischen Beobachtender und Akteurin verschwimmen. Die Szene vor dem Oval Office, in der Jessie den Tod ihrer Mentorin Lee und die Erschießung des Präsidenten fotografisch festhält, kann als eindringliches Beispiel für die Verschmelzung von Waffe und Kamera betrachtet werden. Diese Inszenierung wirft nicht nur die Frage auf, welche Rolle die Fotografie im Krieg spielt, sondern symbolisiert auch das „totale Aufgehen“ der Protagonistin in ihrer Profession. Dieser Aspekt zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Genre des Films.
Medien und Krieg im Diskurs
Ein wesentlicher Aspekt von „Civil War“ ist die Fokussierung auf das Thema Kriegsfotografie. Seit ihren ersten Einsätzen während des Amerikanischen Bürgerkriegs in den 1860er Jahren hat die Fotografie eine Schlüsselrolle bei der Dokumentation militärischer Konflikte eingenommen. Erstmals wurde die Kamera von Fotografen wie Mathew Brady eingesetzt, um das Grauen und die menschlichen Kosten des Krieges visuell festzuhalten. Die Bilder offenbarten der zivilen Bevölkerung ungeschönt die Brutalität des Konflikts und führten zu einer Reflexion über die ethischen Implikationen der Rolle der Medien in Kriegszeiten.
In ihrem wegweisenden Werk „Regarding the Pain of Others“ (2003) analysiert Susan Sontag die vielschichtige Wirkungskraft der Kriegsfotografie. Sontag postuliert, dass Bilder sowohl Mitleid erregen als auch abstumpfen können, da sie die Gewalt ästhetisieren und zugleich Distanz schaffen. Diese Ambivalenz findet sich auch in „Civil War“ wieder: Während Jessies Dokumentation zunächst als Akt der Wahrheitsfindung betrachtet werden kann, entwickelt sie sich zunehmend zu einem Mittel der Verstrickung in die Gewalt. Die Frage, ob eine Trennung zwischen aktivem und beobachtendem Handeln möglich ist, wird in der Figur der Jessie auf philosophischer sowie filmischer Ebene erörtert.
Die Analyse von Friedrich Kittler, einem einflussreichen Medientheoretiker des 20. Jahrhunderts, der sich mit den Technologien der Wahrnehmung und Aufschreibesysteme auseinandersetzt, kann einen Blickwinkel zur Interpretation von „Civil War“ bieten: Kittlers Konzept, dem zufolge Medien nicht nur Informationen übertragen, sondern auch die Art und Weise beeinflussen, wie wir die Realität wahrnehmen und selbst zu Handelnden werden, stellt ein wertvolles analytisches Werkzeug dar. Im Film „Civil War“ verschmelzen Kamera und Handlungsträger miteinander, sodass eine klare Trennung zwischen dokumentarischem Akt und gewaltsamer Interaktion nicht mehr möglich ist.
In seiner künstlerischen Praxis thematisiert Garland den hier beschriebenen Ansatz, indem er das Instrument der Kamera als zugleich beobachtenden und agierenden Akteur darstellt. Die Fotografien von Jessie sind nicht lediglich passive Dokumentationen, sondern vielmehr aktive Eingriffe in die Logik des Krieges. Die Kamera fungiert folglich als technologisches Medium, welches Macht definiert, indem es Entscheidungen darüber trifft, welche Elemente des Geschehens sichtbar und unsichtbar sind.
Mit „Civil War“ gelingt Alex Garland eine bemerkenswerte Synthese aus Roadmovie und Kriegsfilm. Der Film nutzt die visuellen und erzählerischen Elemente des Roadmovies, um eine Reise durch die emotionale und geografische Landschaft eines fiktiven Bürgerkriegs zu gestalten. Gleichzeitig werden existenzielle Fragen zur Rolle von Medien, Technologie und der Bilderproduktion im Kontext von Gewalt aufgeworfen.
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