"Biologisch betrachtet, verschafft aber die Mutterschaft, bezie­hungsweise die Fähigkeit zu ihr, der Frau eine ganz unbestreit­bare und nicht geringe physiologische Überlegenheit." Karen Horney 1926

Was passiert, wenn das Wolfmädchen namens *Rotkäppchen* das Über-Ich in Form der Großmutter schluckt? Das erfahrt ihr in dieser Episode, deren Ausgangspunkt Erich Fromms Interpretation des Märchens ist. Fromms Deutung gibt uns die Möglichkeit auch Karen Horney, der Neopsychoanalyse und dem Gebärmutterneid Raum zu geben. Diese Episode bezieht sich auf Erich Fromms Buch "Märchen, Mythen, Träume", das wir in Folge 33 vorstellen und in dem es unter anderem darum geht, das verlorene Verständnis für die symbolische Sprache in Mythen, Märchen und Traumdeutung wiederzuentdecken. Fromm bezeichnet diese als die einzige universale Sprache der Menschheit und vergleicht auch Traumdeutungstheorien von Freud und Jung. Doch entsteht während unseres Spaziergangs eine eigene Interpretation, in der wir Mädchen und Wolf als ein und dieselbe Person betrachten. Ein Schelm wer monströses dabei denkt.

Mitwirkende

avatar
Micz Flor
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Florian Clauß
0:00:04–0:00:04
Läuft.
Micz Flor
0:00:04–0:00:07
Warte mal, wir klatschen, wir brauchen ein bisschen Vorlauf.
0:00:15–0:00:20
Ich schneide immer den Klatscher auf. Oder nicht den Klatscher immer,
0:00:20–0:00:21
manchmal schneide ich auf.
0:00:21–0:00:25
Sag mal, gibt es eigentlich irgendjemand, der dir beim Jingle mal irgendwie
0:00:25–0:00:31
die Frage gestellt hat, Ob da wirklich immer eine Hübschraube über uns drüber fliegt?
Florian Clauß
0:00:31–0:00:35
Nee. Hat keiner bisher.
Micz Flor
0:00:36–0:00:41
Gut, also jetzt Augen auf. Wir haben vor zwei Wochen gesagt,
0:00:41–0:00:45
träumen weiter. Es geht um Träume, aber es geht vor allen Dingen auch um Märchen.
0:00:46–0:00:49
Eigentlich auch ganz schön, weil wir vielleicht die letzte Folge dann jetzt
0:00:49–0:00:52
wirklich, das kann ich jetzt noch gar nicht sagen, weil wir machen einfach weiter.
0:00:52–0:00:56
Die letzte Folge liegt jetzt vielleicht unter der Kategorie Psychotherapie.
0:00:57–0:01:03
Und diese Folge kann aus ganzem Herzen, mit bestem Wissen und Gewissen komplett
0:01:03–0:01:05
in deiner Märchenreihe landen.
Florian Clauß
0:01:05–0:01:11
Ja, das ist schön. Hallo, hier ist Flo, Florian Claus und zu meiner Linken läuft...
Micz Flor
0:01:12–0:01:12
Mitch Flohr.
Florian Clauß
0:01:14–0:01:18
Und wie Mitch schon gerade erwähnt hat, ist das die Fortsetzung von Träumen.
0:01:21–0:01:26
Und diesmal auch in praktischer Anwendung mit den Märchen. und ich habe schon
0:01:26–0:01:30
gehört, und ihr habt es auch schon gehört, Rotkäppchen mit.
0:01:31–0:01:36
Ja, jetzt können wir voll in die Analyse gehen und haben auch einen großen Baukasten
0:01:36–0:01:42
und können quasi aus dem Set Jung, Freud, Fromm auswählen, was wir uns da nehmen.
Micz Flor
0:01:43–0:01:47
Also das, oder wir machen es einfach so ein bisschen Anlehnung an den Eisenhans.
0:01:48–0:01:52
Da hattest du Sachen in der Hinterhand, die du quasi vorher schon recherchiert
0:01:52–0:01:53
oder dir plausibel schien.
0:01:54–0:02:03
Und ich hatte die Vorhand hart auf die Grundlinie geschlagen mit meinen Analysen.
0:02:03–0:02:05
Und jetzt machen wir das ähnlich. Wir machen das Rotkäppchen.
0:02:06–0:02:09
Aber ich kann das jetzt wahrscheinlich nicht so gut im Kapitel machen wie du,
0:02:09–0:02:12
weil ich das nicht so vorbereitet habe.
0:02:13–0:02:18
Ich lese einfach die Zusammenfassung von Wikipedia vor und dann gucken wir rein,
0:02:18–0:02:19
reden ein bisschen drüber.
0:02:19–0:02:22
Drüber und ich fütter dann immer hinterher erich
0:02:22–0:02:26
fromms deutung möchte ich
0:02:26–0:02:29
sagen oder analyse des märchens und
0:02:29–0:02:31
dann erfahren wir noch mal ein chat mit dem prompt was
0:02:31–0:02:40
würde freut er zu sagen ja das sollte auf alle fälle machen das immer amusing
0:02:40–0:02:46
ok ich bin gespannt leg los der inhalt von rotkäppchen laut wgp der zusammengefasst
0:02:46–0:02:49
ist wie folgt ich lasse gerade mal die leute Tschüß!
0:02:52–0:02:56
Da geht ein kleines Mädchen an uns vorbei mit rosa Gummistiefeln.
0:02:56–0:03:01
Aber nein, hier geht ein kleines Mädchen, dem seine Großmutter einst eine rote
0:03:01–0:03:04
Kappe geschenkt hatte. Es wird Rotkäppchen genannt.
0:03:05–0:03:10
Es wird von der Mutter zu der in einem Haus im Wald wohnenden,
0:03:10–0:03:14
bettlägerigen, kranken Großmutter mit einem Korb mit Leckereien,
0:03:14–0:03:16
Kuchen und Wein geschickt.
0:03:16–0:03:20
Die Mutter warnt Rotkäppchen eindringlich, es solle nicht vom Weg abgehen.
0:03:21–0:03:24
Im Wald lässt es sich auf ein Gespräch mit einem Wolf ein.
0:03:25–0:03:30
Dieser horcht Rotkäppchen aus und macht es auf die schönen Blumen an der nahen
0:03:30–0:03:35
Wiese aufmerksam, worauf Rotkäppchen beschließt, noch einen Blumenstrauß zu pflücken.
0:03:36–0:03:37
Der Warnung der Mutter zum Trotz.
0:03:38–0:03:41
Der Wolf eilt geradewegs zur Großmutter und verschlingt sie.
0:03:42–0:03:46
Er legt sich in deren Nachthemd in ihr Bett und wartet auf Rotkäppchen.
0:03:47–0:03:53
Bald darauf erreicht Rotkäppchen das Haus, tritt ein und begibt sich in bzw.
0:03:55–0:04:01
An. In ist Perot, das ist der Franzose, der das ursprünglich aufgeschrieben hat.
0:04:04–0:04:09
Und bei an sind die Gebrüder Grimm. Also bald darauf erreicht Rotkäppchen das
0:04:09–0:04:13
Haus, tritt ein und begibt sich in Großmuttersbett in der original französischen
0:04:13–0:04:18
Version oder an Großmutters Bett in der Version bei den Gebrüdern Grimm.
Florian Clauß
0:04:18–0:04:22
Wenn du das jetzt gerade so unterscheidest, hat das eine Bedeutung?
Micz Flor
0:04:27–0:04:31
Ja, irgendwie schon, Retrospekt schon.
Florian Clauß
0:04:31–0:04:36
Es geht darum, dass in tatsächlich heißt, sie legt sich in das Bett zur Großmutter.
0:04:36–0:04:38
Und an heißt, sie tritt heran.
Micz Flor
0:04:40–0:04:43
Mut wundert sich Rotkäppchen über die Gestalt seiner Großmutter,
0:04:43–0:04:46
erkennt aber den Wolf nicht, bevor es ebenfalls verschlungen wird.
0:04:49–0:04:52
Bei Perrault, dem Franzosen, endet das Märchen hier.
0:04:54–0:04:58
Großmutter und Rotkäppchen werden bei den Gebrüdern Grimm vom Jäger aus dem
0:04:58–0:05:00
Bauch des schlafenden Wolfes befreit.
0:05:01–0:05:05
Dem Wolf werden stattdessen Steine in den Bauch gefüllt. Wegen des Gewichts
0:05:05–0:05:07
der Steine kann der Wolf nicht fliehen und stirbt.
0:05:08–0:05:12
In einer italienischen Version, die falsche Großmutter befreit sich Rotkäppchen
0:05:12–0:05:15
durch seine eigene Schlauheit und flieht, der Wolf stirbt anschließend.
0:05:15–0:05:19
Also bei Gebrüdern Grimm, und darauf beziehen wir uns jetzt auch, ist es so,
0:05:19–0:05:23
dass der Schluss ist quasi, Großmutter und Rotkäppchen werden bei den Brüdern
0:05:23–0:05:26
Grimm vom Jäger aus dem Bauch des schlafenden Wolfs befreit,
0:05:26–0:05:30
dem Wolf werden stattdessen Steine in den Bauch gelegt, und wegen des Gewichts
0:05:30–0:05:33
der Steine kann der Wolf nicht fliehen und stirbt, bzw.
0:05:33–0:05:37
Ich kenne auch irgendwie eine Version, wo er so Durst hat von den Steinen,
0:05:37–0:05:40
trinkt und Kenn ich auch, genau, das wollte ich gerade noch sagen.
0:05:40–0:05:44
Das ist wahrscheinlich dann irgendwie noch Europa, Schallplatte oder Kalender.
0:05:46–0:05:52
Ja, und jetzt wäre natürlich, jetzt weißt du mal wie sich das anfühlt,
0:05:52–0:05:53
wenn man da sowas hingeknallt kriegt.
0:05:54–0:06:00
Und meine Frage an dich, was denkst du, das kleine Mädchen, dem seine Großmutter
0:06:00–0:06:03
eine rote Kappe geschenkt hatte, wird Rotkäppchen genannt.
0:06:03–0:06:09
Es wird von der Mutter zu dem Haus im Wald wohnenden, bettlägerigen,
0:06:09–0:06:12
kranken Großmutter mit einem Korb mit Leckereien geschickt.
0:06:13–0:06:16
Was ist so, wenn du jetzt einfach mal so frei assoziierst?
0:06:18–0:06:23
Du hast ja schon gesagt, wir können jetzt irgendwie verdrängte Triebe denken,
0:06:23–0:06:28
wir können Archetypen oder quasi so kulturelle Artefakte, die dadurch schimmern, denken.
0:06:28–0:06:32
Wir können in diesem Fall wenig denken,
0:06:32–0:06:35
dass es sich um ein Individuum handelt, was einfach eine, oh wow,
0:06:35–0:06:44
hier ist ein Ast abgebrochen, um eine erstellte Traumgeschichte handelt.
0:06:44–0:06:48
Also es geht ja hier schon um eine Form von kollektives Märchen und Mythen.
0:06:48–0:06:52
Es ist nicht der eigene Traum, den wir jetzt analysieren, wo wir jetzt assoziativ
0:06:52–0:06:56
irgendjemand fragen können, sondern wir müssen mit dem Material arbeiten, was wir haben.
0:06:58–0:07:03
Und wie können wir dann irgendwie erleben, ob das wahr ist oder nicht.
0:07:03–0:07:06
Das ist dann ein bisschen, was ich auch bei dem Eisenhans gesagt habe,
0:07:06–0:07:07
dieser Begriff der Hermeneutik.
0:07:07–0:07:14
Wir deuten quasi den Text, so wie in der letzten Folge hier zu dem Thema Fromm
0:07:14–0:07:19
auch dann das Jona im Bauch des Fisches gedeutet hat.
0:07:22–0:07:27
Und wir deuten den Text und dann können wir vielleicht so Momente erleben,
0:07:27–0:07:30
Das kennt man ja aus, wenn man so einen Film bespricht, dass man auf einmal,
0:07:30–0:07:34
es kribbelt so, es ergreift irgendwie, da kann was dran sein.
0:07:35–0:07:40
Das ist eigentlich der einzige Messstab, den wir haben, weil plausibel ist viel zu schwer.
Florian Clauß
0:07:41–0:07:44
Also es gibt kein richtig und falsch, sondern es gibt dann einfach,
0:07:44–0:07:46
wenn es kribbelt, dann ist es okay.
Micz Flor
0:07:46–0:07:48
Das ist ein Spiel. Wir sitzen jetzt quasi...
Florian Clauß
0:07:48–0:07:49
Das macht Spaß.
Micz Flor
0:07:49–0:07:50
Es ist genau...
Florian Clauß
0:07:50–0:07:54
Aber du, wie gehen das jetzt so satzweise durch? Oder...
Micz Flor
0:07:54–0:07:55
Weiß ich gar nicht genau.
Florian Clauß
0:07:55–0:08:01
Also wir gehen jetzt einfach das durch. Du hast jetzt gerade so diese Ausgangssituation
0:08:01–0:08:04
nochmal vorgelesen aus der Zusammenfassung.
Micz Flor
0:08:05–0:08:05
Ja.
Florian Clauß
0:08:07–0:08:09
Und wirfst mir jetzt den Ball rüber, dass ich dazu was...
Micz Flor
0:08:11–0:08:18
Ja, jetzt mal eben genau mit der Brille eines Deutenden oder eines analytischen,
0:08:18–0:08:21
also einer Traumanalyse oder Märchendeutung wohl eher.
0:08:22–0:08:24
Was fällt dir da so ein?
Florian Clauß
0:08:24–0:08:30
Ich muss nochmal kurz Begrifflichkeiten, die du ganz, ganz am Anfang der letzten Folge erwähnt hast.
0:08:30–0:08:35
Und die fand ich sehr handgreiflich, weil das eine war so, was dann quasi die
0:08:35–0:08:39
kausalen Zusammenhänge innerhalb eines Traumes dann mit beschreibt.
0:08:39–0:08:46
Dann gibt es das eine ist dann so eher assoziativ und das dritte war,
0:08:46–0:08:49
kannst du das noch mal kurz, damit man...
Micz Flor
0:08:49–0:08:53
Also es gab diese drei Symbolebenen, das war die konventionelle,
0:08:53–0:08:58
der Tisch, die Sprache, da geht es um sowas, was man irgendwie abgemacht hat.
0:08:58–0:09:00
Da hatten wir beim Eisenhans, glaube ich, auch so ein bisschen drin,
0:09:00–0:09:03
als wir zum Schluss eben über diese Flaggen und die Armeen und sowas gesprochen
0:09:03–0:09:06
haben, wo wir beide so das Gefühl hatten, Das ist alles plausibel,
0:09:06–0:09:09
aber irgendwie ist das nichts, was einen so tief ergreift, sondern vielleicht
0:09:09–0:09:12
hat die Farbe der Ritter irgendwie eine historische Bedeutung.
Florian Clauß
0:09:12–0:09:15
Also konventionell.
Micz Flor
0:09:15–0:09:16
Genau.
Florian Clauß
0:09:16–0:09:19
Es geht um die Symbolik, konventionelle Symbolik.
Micz Flor
0:09:19–0:09:25
Dann die zufällige Symbolik, das ist das, was so idiosynkratisch ist, was für dich gilt.
Florian Clauß
0:09:25–0:09:25
Genau, die individuelle.
Micz Flor
0:09:26–0:09:29
Dieser Park hast du in der letzten Folge erklärt, da bist du viel gejoggt.
0:09:29–0:09:35
Wenn du hier durchläufst mit mir, dann erlebst du etwas, für was der Park steht.
0:09:35–0:09:39
So ein Lebensabschnitt, Tageszeit, vielleicht bestimmte Jahreszeiten.
0:09:40–0:09:42
Vielleicht hast du dich mal hier verletzt, vielleicht hast du dich hier verliebt.
0:09:42–0:09:47
Also dieser Park bedeutet für dich ein Symbol für etwas, was aber nur für dich gilt.
0:09:48–0:09:52
Und dann gibt es die universelle Symbolik. Das sind solche großen Bilder wie
0:09:52–0:09:57
das Feuer, das Wasser, die Sinnflut, das Schiff vielleicht.
0:09:58–0:10:01
Diese Sachen, die einen einladen, das vielleicht auch mit Jung zu verbinden, mit Jungsarchetypen.
0:10:02–0:10:07
Aber Fromm grenzt sich davon ab. Er sagt, das Universale ist nichts,
0:10:07–0:10:11
was wahrhaftig von uns transzendental spricht durch den Traum,
0:10:11–0:10:15
sondern selbst die Sonne, die ja so richtig archaisch-universal zu sein scheint,
0:10:15–0:10:17
kann kulturelle Unterschiede auffassen.
0:10:18–0:10:21
Und das andere waren halt eben die Manifesten und die latenten Inhalte.
0:10:23–0:10:26
Märchentraum, Mythen, Inhalte. Die Manifesten sind die Geschichten,
0:10:26–0:10:28
der Plot in gewisser Weise.
0:10:29–0:10:33
Und die Latenten sind die Dinge, die unten drunter liegen. Und man kann ja sich
0:10:33–0:10:36
sehr gut vorstellen, dass die Geschichte...
0:10:37–0:10:40
Also einfach ein Plot, das kennt man so eher aus dem Film, wir sind ja auch
0:10:40–0:10:44
eigentlich ein Filmpodcast, ein Plot kann einfach schlecht umgesetzt sein,
0:10:44–0:10:47
sowohl in der Kameraarbeit, mit den Schauspielern, wie auch immer,
0:10:47–0:10:48
da funktioniert der einfach nicht.
0:10:48–0:10:54
Und der gleiche Dialog, gleiche Länge, gleiches Timing kann da besser funktionieren als da.
0:10:54–0:11:00
Und da passiert irgendwie was, was nicht eben nur in diesem Manifestengeschichtsthema
0:11:00–0:11:03
drin ist, sondern das ist das Latente, da steckt noch irgendwie was dahinter.
0:11:03–0:11:06
Das ist vielleicht die Performance, das Performance-Thema.
0:11:07–0:11:11
Das sind Dinge, die halt nicht alleine über den Plot machbar sind.
0:11:11–0:11:13
Du kannst es nicht konstruieren.
Florian Clauß
0:11:13–0:11:17
Ich glaube, das ist so ein ganz gutes Vokabular, mit dem man dann erst mal so
0:11:17–0:11:21
arbeiten kann. Okay, die Auftakt-Szene zu Rotkäppchen, würde ich sagen.
Micz Flor
0:11:21–0:11:25
Das Manifesto, wenn wir das jetzt nehmen, ist halt, die Mutter schickt Rotkäppchen
0:11:25–0:11:32
in den Wald zur Großmutter mit einem Korb mit Kuchen und Wein und sagt, verlasse nicht den Weg.
Florian Clauß
0:11:32–0:11:40
Ja, also jetzt so rein konventionell ist das ja erst mal so ein valides Set.
Micz Flor
0:11:42–0:11:45
Genau, das ist die Geschichte. Es geht los.
0:11:46–0:11:52
Wir werden mitten reingeschmissen und wir haben auf so einer Märchenebene,
0:11:52–0:11:55
würdest du wahrscheinlich auch sagen, du hattest es ja ganz gut beschrieben,
0:11:55–0:12:01
wie bei Grimm auch diese Märchen alle so katalogisiert sind in unterschiedlichen
0:12:01–0:12:04
Kategorien, wo die reinfallen. Ich weiß nicht, wo Rotkäppchen hingehört.
0:12:05–0:12:08
Ich hab's sogar irgendwie mal mehr rausgeschrieben.
0:12:10–0:12:13
Ich kann's nicht so schnell sehen. Ähm,
0:12:13–0:12:16
und da ist es so, dass zum Beispiel der Wald oder so was, das wäre dann vielleicht
0:12:16–0:12:18
für eine Märchensprache,
0:12:18–0:12:23
so wie der Tisch als Wort dem Gegenstand Tisch verweist, kann's ja sein,
0:12:23–0:12:27
dass in so einer Märchensymbolik steht der Wald für irgendetwas,
0:12:27–0:12:29
steht der Korb für irgendetwas. quasi das konventionelle.
Florian Clauß
0:12:32–0:12:38
An der Ebene, die da für mich sich auch reinlesen lässt, ist quasi so ein Generationsvertrag.
0:12:39–0:12:46
Das heißt, da sind wir wieder in den indigenen Kulturen, die Jungen sorgen für die Alten.
0:12:46–0:12:50
Das ist ja auch nicht immer selbstverständlich, aber es ist ja so,
0:12:50–0:12:56
es geht von der Mutter, es geht von der Tochter über die Mutter zur Großmutter.
0:12:57–0:13:02
Das heißt, wir haben hier drei Generationen und die irgendwie zusammenhalten, ja.
0:13:03–0:13:08
Also die sind erstmal in so einem Konsensraum drin, ne. Wobei...
Micz Flor
0:13:08–0:13:13
Und Fürsorge eben, das Kuchen und Wein ist dann schon auch eine Form der transgenerationalen
0:13:13–0:13:17
Politik, möchte man fast sagen. Also man sorgt sich umeinander.
Florian Clauß
0:13:18–0:13:23
Genau, man sorgt sich umeinander, man verkostet den anderen und...
0:13:26–0:13:30
Sorgen auch in dem Ausspruch, komm nicht vom rechten Weg ab,
0:13:30–0:13:35
komm nicht vom rechten Weg ab, hatte ich jetzt gerade so, also bleib auf der
0:13:35–0:13:40
Linie, bleib straight, ja, das ist ja so der Klassiker, ne?
0:13:47–0:13:59
Und man weiß ja, dass quasi Menschen im Adolescentenalter natürlich ganz viel Grenzen testen.
0:14:00–0:14:06
Grenzen testen, gucken, wie geht's weiter, wie weit, und auch eben Vergnügen haben.
0:14:08–0:14:11
In gewissen Überschreitungen und auch experimentieren und so weiter.
0:14:12–0:14:16
Und das ist wahrscheinlich dann nochmal so ein Pass auf, Kind,
0:14:16–0:14:20
dass du auf der Linie bleibst, ja? Ja, so ähm...
0:14:24–0:14:28
Ja, also ganz banal ist das so, ne. Gleichzeitig kann man sagen,
0:14:28–0:14:35
die Verantwortung, die sich jetzt auch von der einen Generation auf die andere überträgt,
0:14:35–0:14:42
das heißt, es ist vielleicht auch ein initialer Akt, dass die Mutter jetzt auch
0:14:42–0:14:47
ihr Kind dazu anleiten kann, die Großmutter zu versorgen.
0:14:47–0:14:54
Sie bekommt eine Verantwortung übertragen, kriegt den Korb und soll dafür sorgen.
0:14:54–0:14:57
Also gleichzeitig ist das auch...
Micz Flor
0:14:57–0:15:00
Ganz kurz, ich unterbreche dich nicht, sondern wir sind ganz kurz bei der Tour.
0:15:00–0:15:03
Wir gehen jetzt zurück über diese Brücke, die wir damals angekommen sind.
0:15:04–0:15:05
Ist das Zufall oder ist das...
Florian Clauß
0:15:05–0:15:09
Ne, das ist nicht Zufall. Das ist tatsächlich hier Rundlauf.
0:15:10–0:15:14
Also das heißt, wir gehen jetzt über die Brücke zurück. Die Brücke ist so eine kleine Schneise.
0:15:15–0:15:19
Wir könnten sonst nur hier über die größere Straße, deswegen gehen wir hier
0:15:19–0:15:21
den gleichen Weg über die Brücke.
0:15:24–0:15:29
Aber die nördlichen Wege, die wir das letzte Mal durch den Park gelaufen sind,
0:15:29–0:15:31
gehen wir eher so die südlichen Wege zu.
0:15:32–0:15:33
Aber wir sind ungefähr immer auf Sichtweite.
Micz Flor
0:15:34–0:15:36
Weil es so ein schmaler Grundstreifen ist.
Florian Clauß
0:15:36–0:15:39
Genau.
Micz Flor
0:15:39–0:15:41
Ein Reenactment der Berliner Mauer.
Florian Clauß
0:15:41–0:15:43
Ja, wie die Rummelsburger Wucht,
0:15:43–0:15:48
Nord-Süd-Seite und den Schärfegrad des Chiemschuhs hatten wir alles.
0:15:49–0:16:03
Gut, also das Mädchen bekommt eben die Aufgabe und gleichzeitig in dem bewussten Wissen der Mutter,
0:16:03–0:16:07
das ist jetzt eine Behauptung, dass damit Gefahren verbunden sind,
0:16:07–0:16:10
dass was passieren kann auf dem Weg.
0:16:11–0:16:13
Deswegen der Rat, komm nicht vom Weg ab.
0:16:18–0:16:21
Ist ja so ein Loslassen-Prozess, das kennt man ja selber, ne?
0:16:21–0:16:27
Wenn die Kinder dann in einem gewissen Alter sind, dann kann man auch nicht immer hinterher sein.
0:16:28–0:16:33
Man muss eben lernen, das da auch loszulassen, Vertrauen haben,
0:16:33–0:16:36
dass die das selber ganz gut organisiert bekommen.
0:16:36–0:16:43
Das ist so, glaub ich, auch noch mal so ein Schritt, dann auch die Rolle als
0:16:43–0:16:48
der erziehende Part quasi langsam aufzulösen zu so einem,
0:16:56–0:16:57
Kind-Eltern-Beziehung. Ein bisschen weit ...
Micz Flor
0:16:57–0:17:00
Nee, ich find das ein ganz schönes Bild.
0:17:00–0:17:05
Ich bin ja bei dir so mit dem freien Denken. Weil ansonsten bin ich ja die Stimme
0:17:05–0:17:08
von Erich Fromm, dessen Text ich dann quasi dem dagegenhalte.
0:17:08–0:17:12
Oder danebenhalte. Da fand ich das Bild, was du gerade gesagt hast,
0:17:12–0:17:13
auch ganz schön. Dass man ...
0:17:17–0:17:21
Die Mutter ist dann einfach natürlich so in einer gewissen Form auch unsichtbar,
0:17:21–0:17:24
die spielt ja auch keine so große Rolle mehr, die sagt einfach los.
0:17:25–0:17:29
Und dass dann dieses Kind, dieses Mädchen bis zur Großmutter,
0:17:29–0:17:32
dass es einfach den Lebensweg beschreitet.
0:17:32–0:17:39
Also es geht los und geht dann auf dem rechten Weg und wird dann irgendwann zur Oma.
Florian Clauß
0:17:40–0:17:43
Also dass man das jetzt quasi in so einer zeitlichen Dimension,
0:17:43–0:17:47
dieses Altern dann da reinlesen kann.
Micz Flor
0:17:47–0:17:50
Ja, dass es so ist. Also das ist der Weg des Lebens. Du gehst jetzt den Weg
0:17:50–0:17:54
des Lebens und dann wirst du irgendwann in einer alleinstehenden Hütte im Wald,
0:17:54–0:17:58
die Rente ist zwar sicher, aber du kannst viele große Sprünge nicht machen,
0:17:58–0:18:01
wirst krank und wirst dann irgendwann vom Wolf gefressen.
0:18:03–0:18:04
So weit geht dann die Analogie nicht.
Florian Clauß
0:18:04–0:18:10
Ja gut, aber könnte man insofern auch sagen, weil Am Anfang heißt es ja noch
0:18:10–0:18:22
Mutter-Tochter und dann aber die direkte Präsenz von der Tochter zur Großmutter
0:18:22–0:18:23
ist ja auch immer unterbrochen.
0:18:24–0:18:30
Also nachdem eben der Wolf schon zugeschlagen hat. Ja, also die sind nie so
0:18:30–0:18:31
richtig in einem Raum drin.
Micz Flor
0:18:35–0:18:39
Willst du mal hören, was Erich Fromm sagt?
Florian Clauß
0:18:39–0:18:40
Gerne, ja.
Micz Flor
0:18:41–0:18:43
Das Rotkäppchen ist ein Symbol der Menstruation.
Florian Clauß
0:18:44–0:18:47
Ja, gut, das wollte ich auch noch ... Klar, das ist natürlich ...
0:18:47–0:18:55
Das ist alles, was auch quasi bei Kikis Delivery Service von Studio Ghibli natürlich
0:18:55–0:18:56
ist, die Menstruation, ja.
0:18:57–0:19:02
Das ... ja, klar. Und die Fruchtbarkeit, dieser ganze Zyklus, steht auch dahinter.
Micz Flor
0:19:04–0:19:09
Das kleine Mädchen, von dessen Abenteuer wir hören, ist eine reife Frau geworden
0:19:09–0:19:11
und sieht sich jetzt mit ihrer Sexualität konfrontiert.
0:19:13–0:19:18
Die Warnung, nicht vom Weg abzugehen und das Glas nicht zu zerbrechen,
0:19:18–0:19:23
ist eine deutliche Warnung vor den Gefahren der Sexualität und dem Verlust der
0:19:23–0:19:28
Jungfräulichkeit. Jungfräulichkeit. Ist irgendwie so beide.
Florian Clauß
0:19:29–0:19:30
Ja, das ist so banal.
Micz Flor
0:19:30–0:19:35
Das ist gleichzeitig banal, aber auch irgendwie, also es erpackt einen dann
0:19:35–0:19:39
schon irgendwie. Du hast ja so, wie du reagiert hast, so ging es mir auch.
Florian Clauß
0:19:40–0:19:45
Also ich wollte es jetzt nicht gleich so aussprechen. Ich wollte nicht Gleich
0:19:45–0:19:47
wieder so die Vagina, so wie du.
Micz Flor
0:19:47–0:19:52
Ja, stimmt. Der Wald, genau, im Wald geht's.
Florian Clauß
0:19:52–0:19:52
Die Vagina.
Micz Flor
0:19:54–0:19:56
Wild, Wald, ist ja alles gesagt. Genau.
Florian Clauß
0:19:56–0:19:57
Next!
0:20:01–0:20:02
Okay, war's das?
Micz Flor
0:20:02–0:20:10
Nee? Jetzt kommt dieser Wolf rein, der im Original dem Mädchen nahelegt,
0:20:10–0:20:12
auch eine Blume zu pflücken. Das will ja die Großmutter.
0:20:13–0:20:17
Das macht sie dann auch, findet es eine super Idee, obwohl man ihr das alles
0:20:17–0:20:20
verboten hatte, mit dem Wolf zu sprechen. Der rennt dann los Richtung Haus.
0:20:22–0:20:28
Ja, also was ist der Wolf in dieser ... Deutung, die du hattest anfangs?
0:20:30–0:20:31
Welche Rolle spielt der Wolf?
Florian Clauß
0:20:32–0:20:33
Naja, ich meine, er ist ja auch
0:20:33–0:20:39
schon so... Also er ist ja erstmal ja natürlich die Bedrohung bei Wolf.
0:20:40–0:20:45
Es ist ja quasi die Gefahr, auf der einen Seite.
0:20:47–0:20:55
Aber gleichzeitig schafft er ja auch so eine Brücke zur Freude, zum Spaß.
0:20:55–0:21:01
Ja, was dann sicher wieder so mit der Sexualität dann thematisch zusammengerückt werden kann.
Micz Flor
0:21:01–0:21:04
Du meinst in Richtung Blumen, ne?
Florian Clauß
0:21:04–0:21:09
Genau, Blumen. Also das heißt, er ist ja dann auch in irgendeiner Form so,
0:21:09–0:21:12
ja, was interessieren die Blumen, ja.
0:21:12–0:21:16
Aber irgendwie fängt er ja an, dann auch zu instrumentalisieren,
0:21:16–0:21:23
das Mädchen, indem er sagt, hier, guck mal, Blumen, das macht dir vielleicht Spaß.
0:21:23–0:21:29
Also das heißt, er lenkt sie ja ab vom Weg her,
0:21:29–0:21:40
wenn man jetzt dann auch diese Deutung von rechten Weg und dann eben mit der
0:21:40–0:21:43
Sexualität in den Zusammenhang bringt, Dann, ähm...
0:21:48–0:21:53
Könnte man ja meinen, dass der Wolf in dem Moment seinen Vorteil irgendwo auch
0:21:53–0:22:00
sieht und eben sich über das Mädchen hermacht, ja?
0:22:00–0:22:06
Und das ist halt so ein komischer Shift in diesem Märchen. Da sagt der,
0:22:06–0:22:10
ja guck mal hier, Blumen und geht zur Großmutter. Warum?
0:22:15–0:22:20
Also wenn man das jetzt so ein bisschen auch quasi dann den Eisenhans,
0:22:20–0:22:25
jetzt von dir interpretiert, da rein holt, dann könnte man ja vielleicht sagen,
0:22:25–0:22:29
das Mädchen oder Wolf ist eine Person.
Micz Flor
0:22:30–0:22:34
Ja, total spannend, habe ich nämlich lustigerweise, als du ins Stolpern kamst
0:22:34–0:22:36
oder nicht ins Stolpern,
0:22:36–0:22:41
sondern eher so leicht erzürnt warst, was soll das eigentlich,
0:22:41–0:22:44
habe ich genau den gleichen Gedanken gehabt, erst mal alles auf die gleiche
0:22:44–0:22:45
Bühne stellen, was dann passiert.
0:22:45–0:22:49
Und dann würde man, das klingt ein bisschen freudianisch, dann würde man natürlich
0:22:49–0:22:55
sagen, die Mutter schickt das Kind zwar los, aber natürlich sind Mutter und
0:22:55–0:22:59
Großmutter in einer Sache sehr vereint, nämlich sie sind das Über-Ich, das soziale Wünschte.
0:23:01–0:23:05
Es ist natürlich eine Form von Kümmern, Fürsorge Man möchte das nur das Beste
0:23:05–0:23:08
für das Kind und gleichzeitig ist es in dem Moment dann so,
0:23:08–0:23:13
wenn der Wolf und das Mädchen eins sind, ist natürlich das Spannende,
0:23:13–0:23:17
dass der Wolf die Blumen sieht als Teil des Mädchens.
0:23:18–0:23:23
Den Film hast du mir empfohlen, den habe ich noch nicht fertig gesehen,
0:23:23–0:23:29
wo der Typ irgendwie so sieben unterschiedliche Charaktere spielt.
0:23:30–0:23:32
Kannst ist das nicht von dem gleichen auch der.
0:23:36–0:23:39
Glas gemacht hat ja genau
0:23:39–0:23:43
das ist der ich glaube der
0:23:43–0:23:50
dritte teil von von der trilogie ja ich habe vergessen wie der hieß du hast
0:23:50–0:23:53
mir den ich habe den jahr der war schon echt sehr beeindruckend ich habe den
0:23:53–0:23:57
nicht fertig gemacht ein bisschen bedrängt aber das wäre ja dann sowas der wolf
0:23:57–0:24:03
ist genauso da wie das mädchen beides ist wahr und an dieser rotkäppchen Menstruation, Pubertät.
0:24:03–0:24:07
Und dann ist der Wolf, der auch das Mädchen ist, frisst die Großmutter.
0:24:07–0:24:10
Das heißt, der macht jetzt über ich aus. Der macht meinem Freund hier anstrengend
0:24:10–0:24:16
dieses gesellschaftliche sollste, darfste nicht und sowas. Das frisst er einfach auf.
0:24:17–0:24:21
Rein in die Blumen, gleichzeitig die Mutter auf, äh die Großmutter auffressen.
Florian Clauß
0:24:21–0:24:24
Also ist der dann nicht so, ne, ist er einfach dann irgendwie Yippie die Heide
0:24:24–0:24:29
blüht und scheiß drauf. Ich mach, was mir gefällt.
Micz Flor
0:24:30–0:24:32
Ja, finde ich total gut. Ich glaube, wir sind jetzt schon besser,
0:24:32–0:24:34
als was Erich Fromm da noch zu bieten hat.
0:24:35–0:24:39
Wobei, nachher hat er noch einen super Twist, den ich ganz toll finde,
0:24:39–0:24:41
wo es nochmal so eine andere psychoanalytische Schule.
0:24:42–0:24:47
So das sexuelle Begehren des Wolfs wird durch den Anblick des Mädchen geweckt,
0:24:47–0:24:51
sagt er. Natürlich sagen wir das nicht. Wir sagen, das ist eine Person. Aber das sagt er.
0:24:52–0:24:58
Er versucht, es zu verführen. Sieh mal die schönen Blumen, die ringsumher stehen.
0:24:58–0:25:01
Warum schaust du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht,
0:25:01–0:25:05
wie die Vögler ihn so lieblich singen. Also versucht es zu verführen.
0:25:06–0:25:12
Und im Märchen im Original schlägt dann Rotkäppchen die Augen auf und befolgt den Rat des Wolfs.
0:25:13–0:25:16
Zitat aus dem Märchen, geriet immer tiefer in den Wald hinein.
0:25:19–0:25:24
Es macht dann laut Fromm, wir haben den Text jetzt nur verkürzt gelesen,
0:25:31–0:25:34
es rationalisiert quasi sein Tun, indem es sich selber einrät,
0:25:34–0:25:38
es tut ja nichts Unrechtes, die Großmutter wird sich bestimmt über die Blumen freuen.
0:25:40–0:25:45
Und da kommt dann eben dieses, was wir im Märchen auch manchmal haben,
0:25:45–0:25:50
Eben diese erhobene Zeigefinger oder die Rute, die sagt, dass das Abweichen
0:25:50–0:25:52
vom geraden Weg der Tugend schwer bestraft wird.
0:25:52–0:25:56
Also es droht jetzt schon irgendwie. Ja.
Florian Clauß
0:25:56–0:26:03
Und wie ist jetzt, also er erweckt, also das Mädchen, Anblick des Mädchens erweckt
0:26:03–0:26:04
die sexuelle Lust beim Wolf.
Micz Flor
0:26:04–0:26:04
Ja.
Florian Clauß
0:26:04–0:26:08
Und er sagt, sieh mal, was ist dann die Symbolik da?
Micz Flor
0:26:08–0:26:12
Ja, also was wir jetzt natürlich haben, ist der latente Trauminhalt wäre dann,
0:26:12–0:26:18
Märcheninhalt wäre dann im Rahmen von dieser Verdichtung zu sagen, Wolf und Kind sind eins.
0:26:18–0:26:25
In diesem menstruierenden Mädchen sind sexuelle Lüste, die in den Märchen so
0:26:25–0:26:28
dargestellt werden, dass der Wolf, das ist ein gutes Beispiel für Verdichtung,
0:26:28–0:26:30
was du ja am letzten Mal auch gefragt hast.
0:26:30–0:26:35
Jetzt haben wir ein Beispiel. In unserer Interpretation sind Wolf und Mädchen eins.
0:26:35–0:26:41
Dass wir verdichten, dieses Motiv, dieses eine Kind ist gleichzeitig fressendes,
0:26:41–0:26:46
zerfleischendes Ungeheuer in seiner Lust, aber auch unschuldiges,
0:26:46–0:26:50
kleines Mädchen, das immer noch so selber internalisierte Über-Ich-Aspekte hat
0:26:50–0:26:54
und sagt, na ja, genau, das habe ich verstanden, aber ich versuche ja egal die
0:26:54–0:26:56
Argumentation von Fromm dann nachzuvollziehen.
0:26:56–0:27:00
Der bleibt dann bei dem, nicht Latenza, bei dem Manifesteninhalt.
0:27:00–0:27:08
Wir haben diesen Wolf als Akteur im Märchen und der Wolf, also das kommt dann später.
Florian Clauß
0:27:08–0:27:13
Ja, aber warum fällt der dann nicht über sie her? Warum macht er das halt?
0:27:13–0:27:15
Warum geht er den Umweg zur Großmutter?
0:27:15–0:27:17
Also, ist es da vielleicht...
0:27:19–0:27:26
Also, will er erst mal was essen, bevor er dann Sex hat, oder?
Micz Flor
0:27:26–0:27:32
Mhm. Ja, also, Erich Fromm macht dann, glaub ich, sogar einen Witz in seinem Text.
0:27:32–0:27:36
Weil nachdem dann der Wolf die Großmutter und das Rotkäppchen gefressen hat,
0:27:36–0:27:41
dann schreibt Fromm, als er seinen Appetit gestillt hat, schläft er ein.
0:27:41–0:27:45
Das ist so ein sehr männliches ... Mhm.
Florian Clauß
0:27:45–0:27:47
Raucht er ein und schläft ein.
Micz Flor
0:27:47–0:27:50
Schlafen ja ok
0:27:50–0:27:54
ok also wir bleiben jetzt noch immer wir sagen
0:27:54–0:27:57
jetzt wolf und
0:27:57–0:28:01
rotkäppchen eine person wir bleiben dabei ja also
0:28:01–0:28:06
da würden wir jetzt denke ich ein bisschen an deine märchen da mit den fuchsschwänzen
0:28:06–0:28:11
wir sind dann so ein bisschen hinten raus natürlich in der situation in der
0:28:11–0:28:17
der wolf das rotkäppchen auch schluckt das heißt die unschuld verliert und ganz wolfe wird?
Florian Clauß
0:28:18–0:28:19
Nein, die Großmutter.
Micz Flor
0:28:19–0:28:23
Der erste Großmutter verschluckt das Über-Ich quasi in sich,
0:28:23–0:28:26
natürlich in sich aufnimmt, aber gleichzeitig auch irgendwie...
0:28:27–0:28:29
Oh, interessant, wir haben noch eine kleine Wendung.
0:28:29–0:28:36
Der Wolf verschluckt das Über-Ich und integriert es, aber nicht verschluckt
0:28:36–0:28:40
auch nur das Rotkäppchen, wird dann in diesem Moment halt ganz Monster,
0:28:40–0:28:42
so direkt nach der Menstruation.
Florian Clauß
0:28:44–0:28:45
Warum nach der Menstruation?
Micz Flor
0:28:46–0:28:50
Weil da einfach die Natur durchschießt. Also sie sprießt und fließt.
Florian Clauß
0:28:53–0:28:55
Aber die Menstruation ist doch genau
0:28:55–0:28:59
das Zeichen dafür, dass eben die Fruchtbarkeit nicht aufgegangen ist.
0:29:01–0:29:06
Also die Menstruation ist ja quasi das Ergebnis, dass eben nicht die Natur sich weiter...
Micz Flor
0:29:07–0:29:10
Ah, okay. Nee, ich hatte das ja als Lebensabschnitt gesehen,
0:29:10–0:29:13
quasi nach der Pubertät. Damit eröffnet sich dann diese...
Florian Clauß
0:29:13–0:29:16
Also jetzt nicht nach dem Akt des Menstruierens? Nein, ich hatte genau...
Micz Flor
0:29:16–0:29:20
Das ist ein menstruierendes Mädchen jetzt. Das heißt, es ist fruchtbar.
0:29:22–0:29:26
Und der Wolf, der das Mädchen auch ist, der schluckt das Überich,
0:29:26–0:29:31
schluckt dann auch sein kindliches Ich und ist dann in diesem Moment aber dann
0:29:31–0:29:32
auch irgendwie einschlafbereit.
0:29:33–0:29:39
Das Überich wirkt langsam wie so ein aspirierendes Komplex,
0:29:39–0:29:42
und setzt sich, weil er ist jetzt hier alle,
0:29:42–0:29:46
also wir gehen jetzt hier ein bisschen all in, er ist jetzt alle Agenten auf
0:29:46–0:29:53
der Bühne, das heißt auch der Jäger, gesellschaftliches Regulativ,
0:29:53–0:29:56
das watscht ihn hier dann irgendwie ab.
0:29:56–0:30:00
Oder sie, ist ja eigentlich das Mädchen, das heißt in dem Moment kommt dann
0:30:00–0:30:09
ein Mann auf die Bühne, ein Jäger, der dem Wolf sagt, Ne, so geht das nicht.
0:30:10–0:30:14
Coole Wendung, also du hast mir die Augen geöffnet, was dieses Märchen angeht.
0:30:14–0:30:18
Ich muss jetzt leider kurz zurückgehen und hier einen Umweg gehen, damit wir deiner...
0:30:18–0:30:22
Es wird eine kurze Folge, aber total aufregend. Ich bin ganz tief ergriffen.
Florian Clauß
0:30:22–0:30:24
Du freust mich auch gar nicht mehr.
Micz Flor
0:30:27–0:30:30
Na gut, was soll ich jemanden fragen, der Candy Crush neben mir spielt?
0:30:30–0:30:31
Nein, stimmt ja gar nicht.
0:30:34–0:30:42
Ich bin schon Level 5000. Jetzt machen wir hier Pause auf Flo's Deutung und
0:30:42–0:30:45
gucken noch mal kurz, was Fromm sagt, weil es ist ein spannender Diskurs,
0:30:45–0:30:47
auch innerhalb der Psychoanalyse.
0:30:47–0:30:54
Und zwar, welche Rolle spielt der Mann und wie wird die Sexualität dargestellt?
0:30:56–0:31:01
Der Mann wird als rücksichtsloses, listiges Tier und der Geschlechtsakt als
0:31:01–0:31:03
kannibalisches Handlung geschildert.
Florian Clauß
0:31:03–0:31:05
Aber wo ist denn der Geschlechtsakt?
Micz Flor
0:31:06–0:31:09
Naja, das ist das, die Großmutter fressen und das Kind fressen.
Florian Clauß
0:31:09–0:31:14
Also das heißt, er macht da halt auch irgendwie so in so einer Kategorie Sex,
0:31:14–0:31:18
die man normalerweise auf irgendwelchen Internetseiten, Portalen findet.
Micz Flor
0:31:20–0:31:25
Also er geht jetzt weiter und sagt halt so, dass er sagt, Frauen,
0:31:25–0:31:28
die Männer lieben und sich an der Sexualität erfreuen, teilen diese Ansicht nicht.
0:31:31–0:31:36
Aber der Hass und das Vorurteil gegen die Männer treten am Schluss der Geschichte nur deutlicher hervor.
0:31:37–0:31:45
Das heißt, er sieht das jetzt als eine, also es sind drei Frauen,
0:31:45–0:31:48
die Großmutter, die Mutter und die Tochter.
0:31:49–0:31:54
Und dem gegenüber steht halt der Wolf als kannibalische,
0:31:54–0:32:01
lustvolle und rücksichtslosige, tierische Geschlechtsakt, Sexualitätsinvasion,
0:32:01–0:32:04
Ich weiß nicht, wie man das nennen möchte.
0:32:05–0:32:07
Und der Jäger, der ist wie so ein bisschen so eine Randfigur,
0:32:07–0:32:10
ist auch ein Mann, aber der wird ja nicht weiter spürbar. Der ist eher so eine Rolle.
0:32:12–0:32:16
Und er sagt jetzt halt, dass das so ein Bild ist von der männlichen Sexualität,
0:32:16–0:32:18
vor dem halt gewarnt wird. Und vor allen Dingen auch Frauen,
0:32:18–0:32:23
die selber keinen Spaß an der Sexualität haben, unterstellt er jetzt hier,
0:32:23–0:32:24
ist nicht meine Meinung.
0:32:25–0:32:29
Die haben so ein Männerbild. Also sag ich jetzt mal komplett verkürzt und das
0:32:29–0:32:30
ist nicht meine Meinung.
0:32:31–0:32:36
Jetzt wird es aber spannend und dann kommen wir indirekt wieder zurück auf das, was du sagst.
0:32:38–0:32:41
Jetzt ist die Frage, was passiert denn mit dem Wolf? Und er sagt hier,
0:32:41–0:32:43
fragt dann, wie wird der Wolf lächerlich gemacht?
0:32:45–0:32:50
Es wird geschildert, wie er versucht, die Rolle einer schwangeren Frau zu spielen,
0:32:50–0:32:52
die lebende Gewesen, die er im Leib hat.
0:32:52–0:32:57
Rotkäppchen steckt Steine, das Symbol der Unfruchtbarkeit, in seinen Bauch und
0:32:57–0:32:59
der Wolf bricht zusammen und stirbt.
0:33:00–0:33:03
Jetzt sind wir ein bisschen durcheinander. Ich glaube, wahrscheinlich in der
0:33:03–0:33:07
Version, die Erich Fromm vorliegt, ist das Rotkäppchen nicht verschlungen.
0:33:09–0:33:12
Ach nee, Quatsch, das wird befreit, rausgeschnitten und dann kommen Steine rein.
0:33:12–0:33:15
Ja, ja, genau. Also Rotkäppchen macht das aber.
0:33:15–0:33:18
Ich glaube aber, die Jäger sind eigentlich beteiligt in der Version,
0:33:18–0:33:19
die ich irgendwie verändert habe.
Florian Clauß
0:33:19–0:33:20
Ja, die kenne ich auch, ja.
Micz Flor
0:33:21–0:33:25
So, und das ist so ein Kniff in Richtung Karen Horney.
0:33:29–0:33:34
Das ist eine deutsche Psychoanalytikerin, die dann aber auch in Amerika,
0:33:34–0:33:40
die leider nicht sehr alt geworden ist, aber die in Amerika dann auch ihre Arbeit fortgesetzt hat,
0:33:40–0:33:45
die hat gegenüber der kompletten versammelten Männerschaft,
0:33:45–0:33:48
die die Psychoanalyse begründet haben, einmal diese Behauptung aufgestellt,
0:33:48–0:33:51
die ich kongenial finde, um alles mal zu hinterfragen,
0:33:51–0:33:56
und sagt halt, dieser Penisneid,
0:33:56–0:34:00
den die Mädchen angeblich hätten vor Männern, die halt so einen Penis haben,
0:34:00–0:34:03
die den so rumwedeln können, im Stehen pinkeln und so weiter,
0:34:03–0:34:10
Dieser Penis-Knight ist eigentlich, da sind wir beim richtig schönen eigentlich-Twist, Abwehr.
0:34:15–0:34:20
Des Gefühls, den Frauen unterlegen zu sein, weil nur Frauen können Leben gebären,
0:34:20–0:34:21
Männer können das nicht.
Florian Clauß
0:34:21–0:34:23
Naja, das ist der klassische Gebärmutterkomplex.
Micz Flor
0:34:24–0:34:28
Und das ist diese Sache, die halt dann in den 20er Jahren, auch die Neopsychoanalyse,
0:34:28–0:34:38
der Karen Horney auch mit aktiv ist, also dem auch zugerechnet wird, kam das halt so rein.
0:34:38–0:34:42
Und das webt er hier rein, dass er halt sagt, da wird der Mann lächerlich gemacht,
0:34:42–0:34:46
indem der dann irgendwie diese Steine reinkriegt. Und damit geht gar nichts mehr.
0:34:47–0:34:55
Das ist einfach nur ein lächerlicher Versuch, der Frau irgendwie ähnlich zu werden.
Florian Clauß
0:34:55–0:35:00
Naja, also ich meine, das fängt ja schon vorher an, weil ich habe mich ja schon
0:35:00–0:35:09
als Kind immer wieder gefragt, wie kann das sein, dass der Rolf mehr Pokémon-Karten hat als ich.
0:35:12–0:35:14
Nein, das ist der Wolf.
Micz Flor
0:35:14–0:35:18
Ich kann es dir sagen, weil wenn du den Wolf rückwärts liest, dann ist das...
Florian Clauß
0:35:18–0:35:24
Da! Mr. Follower.
0:35:24–0:35:31
Okay, warum der Wolf jemanden so konsumieren kann, dass er ihn nicht zerbeißt,
0:35:31–0:35:33
sondern als Ganzes schluckt.
0:35:33–0:35:37
Und das ist, finde ich, halt so... Das hat mich total beschäftigt.
0:35:38–0:35:44
Aber, wenn man jetzt quasi diesen Interpretationsansatz, dann ist ja quasi die einzige Methode...
0:35:52–0:35:57
Dass eben ein Mann dann etwas Lebendiges im Leibe hat, das als Ganzes zu verschlucken.
0:35:58–0:36:03
Das ist ja dann so ein bisschen so dieser Schlüsselmoment bei dem Film.
Micz Flor
0:36:06–0:36:06
Alien.
Florian Clauß
0:36:07–0:36:14
Alien auch, genau, Alien auch, aber ich dachte jetzt eher an den asiatischen Film. Aber...
Micz Flor
0:36:15–0:36:16
Sag mal, welchen?
Florian Clauß
0:36:16–0:36:23
Das ist dieser ultra brutale Rache-Film, wo der dann mit einem Hammer rumläuft.
Micz Flor
0:36:23–0:36:25
Ah ja, koreanisch ist der.
Florian Clauß
0:36:26–0:36:30
Koreanisch, genau. Und da gibt es auch diesen Schlüsselmoment,
0:36:30–0:36:36
wo er dann einen lebendigen Tintenfisch verschluckt und du siehst,
0:36:36–0:36:42
wie das Zentakel aus seinem Mund um ihn herum auf den Backen das zu tasten beginnt.
0:36:43–0:36:49
Das war jetzt so diese konditionierte Methode, um ihm dann die Erinnerung wieder zurückzubringen.
0:36:52–0:36:55
Und da fängt es ja dann schon an mit dem Verschlucken. Da muss er nicht die
0:36:55–0:36:58
Steine haben. Also die Steine sind die Negation von... Er ist es,
0:36:58–0:37:01
diese Simulation von Schwangerschaft.
0:37:01–0:37:05
Ja, das finde ich eigentlich ziemlich stark, das Bild. Ja, schwanger zu werden.
0:37:06–0:37:13
Wenn man das jetzt so in diesem... Von uns in der Präterzionsansatz ist alles eine Person.
0:37:13–0:37:19
Dann ist es ja auch vielleicht dann so ein Akt eben so Sexualität zu haben ohne schwanger zu werden.
Micz Flor
0:37:20–0:37:24
Ja oder das ist halt das, was ich spannend finde, weil ich weiß nicht,
0:37:24–0:37:32
ob Albert Einstein oder Karl Jaspers ja oder sagt, bei unterschiedlichen Erklärungsansätzen
0:37:32–0:37:35
für ein Phänomen oder so, dann ist das Einfachste das Wahrscheinlichste.
0:37:36–0:37:40
Und ich finde halt bei dem Ansatz und dann, Wenn wir die auf eine Bühne stellen,
0:37:40–0:37:44
dann haben wir eine ganz kurze Geschichte, in der halt das Kind auf den Weg...
0:37:46–0:37:51
Und auf diesem Weg, nach der Menstruation, kommt der Anteil Wolf auch irgendwie reinkommt.
0:37:53–0:37:58
Der Anteil Wolf ist dann irgendwie auch einfach so mächtig, dass er das Über-Ich wegschluckt.
0:37:59–0:38:05
Und im Endeffekt dann sogar das kindliche Kind wegschluckt. Die Folge ist nur,
0:38:05–0:38:07
wenn man das so macht, dass man halt schwanger wird.
0:38:07–0:38:11
Und wenn man schwanger wird, dann geht das böse aus. Das ist dann eben auch
0:38:11–0:38:13
wieder ein latenter Inhalt.
0:38:13–0:38:17
Du hast dann dieses Stein im Bauch, passt bloß auf. Ja, der Wolf hat dann natürlich
0:38:17–0:38:19
die Steine im Bauch, aber der Wolf ist ja dann das Mädchen.
Florian Clauß
0:38:19–0:38:28
Ja, aber dann ist es wie in der Sache, dass der Jäger quasi der Arzt ist,
0:38:28–0:38:29
der die Abtreibung vornimmt.
0:38:31–0:38:37
Also könnte man dann so weiter spinnen, ja, aber ist ja auch ein legitimes Mittel.
Micz Flor
0:38:38–0:38:42
Ist ein legitimes Mittel, genau. Du hattest aber auch mal mit diesem einen Künstler...
Florian Clauß
0:38:42–0:38:43
Das ist quasi Pro-Abtreibung, Rotkäppchen.
Micz Flor
0:38:43–0:38:47
Du hast doch mit diesem einen Künstlern Weimer auch mal so ein interaktives
0:38:47–0:38:51
Online-Videoprojekt gemacht, das auch eben um Abtreibung ging, oder?
Florian Clauß
0:38:52–0:38:58
Also um historische Methoden zur Abtreibung, da gab es diesen eines Gewächs,
0:38:58–0:39:05
also einen Baum, der auch immer in irgendwelchen Gärten von Fürstenhöfen gefunden wurde,
0:39:06–0:39:10
und der damals wahrscheinlich als Abtreibungsmittel eingesetzt wurde.
0:39:11–0:39:16
Und natürlich, weil die Fürsten, also in den Häusern der Fürsten,
0:39:16–0:39:20
wurde halt rauf und runter getrieben. Und da musste natürlich auch damit entsprechend
0:39:20–0:39:21
vermütet oder abgetrieben werden.
Micz Flor
0:39:22–0:39:25
Also mit dem rauf und runter, das ist natürlich jetzt ein aggressiver Akt gegenüber
0:39:25–0:39:28
der Geschichte, weil das wissen wir jetzt nicht, das vermuten wir.
0:39:29–0:39:34
Allerdings ist es gleichzeitig, diese Pflanze ist halt ein ganz tolles Beispiel
0:39:34–0:39:38
für dieses Schopenhauer, Freud, Nietzsche-mäßige Denken.
0:39:38–0:39:44
Es ist dann halt nicht die Aufklärung, sondern am Hof gibt es dann wirklich
0:39:44–0:39:52
im Garten so Pflanzen, wo man Tee macht und das hilft dann, dass quasi die Menstruation kommt.
Florian Clauß
0:39:52–0:39:55
Ja, es ist auch nur ein Interpretationsansatz.
0:39:56–0:40:01
Es war eher so eine künstlerische Belegung als wirklich eine historische.
Micz Flor
0:40:02–0:40:04
Ich glaube, es gab schon eine historische Geschichte.
Florian Clauß
0:40:04–0:40:06
Es gab nicht so viele Geschichten, aber es ist glaube ich...
Micz Flor
0:40:07–0:40:09
Hörster und ein Mädchen am Markt oder so was...
Florian Clauß
0:40:10–0:40:15
Ja, ja, es war so... Ja spannend, also spannend, ja.
0:40:18–0:40:26
Dieser Twist, den du grade so von der Frau, die sich dann gegen diese psychoanalytische
0:40:26–0:40:28
Männerwelt dann aufgelehnt hat ... Ähm ...
Micz Flor
0:40:28–0:40:31
Das ist von Fromm. Aber das ist eben auch ...
Florian Clauß
0:40:31–0:40:34
Und das ist der Twist, den du vorher angekündigt hast.
Micz Flor
0:40:34–0:40:37
Ja, das fand ich halt ganz schön, nee, das war das. Ich fand das irgendwie ganz
0:40:37–0:40:40
schön, dass er das noch mal eingebaut hat, eben dieser Mann,
0:40:40–0:40:47
der halt lächerlich ist, wenn er halt irgendwie versucht, Steine auszutragen, mehr kann er nicht.
0:40:47–0:40:51
Dass das irgendwie da auch mit angelegt ist, dass Männer...
Florian Clauß
0:40:52–0:40:55
Und das andere, was ich mich als Kind, entschuldige, dass ich unterbreche,
0:40:55–0:40:58
aber was ich als Kind als Kind als Kind, also mein ganzes Verschlucken,
0:40:58–0:41:02
und das andere, was ich mich auch immer gefragt habe, wie können die den Wolf
0:41:02–0:41:04
quasi den Bauch aufschneiden, ohne dass er es merkt?
Micz Flor
0:41:06–0:41:07
Das hat mich auch beschäftigt.
Florian Clauß
0:41:07–0:41:11
Ich glaube, das beschäftigt jedes Kind. Aber das ist dann vielleicht,
0:41:11–0:41:15
wenn man jetzt in dieser Symbolik-Ebene arbeite,
0:41:15–0:41:24
dass es dann sowas Reintun, also es ist ja was, also was drüberstehend ist,
0:41:24–0:41:26
also eine assoziative Symbolik.
0:41:28–0:41:36
Ja spannend, ja mit, also vielen Dank für diese inspirierende Folge. Macht Spaß und so.
Micz Flor
0:41:37–0:41:39
Wir machen ganz viele Märchen. Nur noch Märchen.
Florian Clauß
0:41:40–0:41:44
Wir gucken, ob das anderen, unseren Zuhörerinnen auch Spaß macht.
0:41:45–0:41:50
Dann würde ich sagen, wenn du jetzt nichts noch hinzuzufügen hast.
0:41:50–0:41:53
Ich finde es jetzt gerade rund.
Micz Flor
0:41:53–0:41:59
Wir machen jetzt hier Schluss. Den etwas kurzen Querweg, den wir gelaufen sind,
0:41:59–0:42:01
könnt ihr auf der Webseite sehen.
0:42:01–0:42:09
Eigentlich-podcast.de Und ja, mal gucken. Weißt du schon, was die nächste Folge wird?
Florian Clauß
0:42:10–0:42:13
Nee, ich kann noch nicht sagen, was die nächste Folge wird.
Micz Flor
0:42:14–0:42:15
Wir sind so tagesaktiv.

Mehr

"Spieglein, Spieglein an der Wand..."

Wir begeben uns mal wieder in die Welt der Märchen. Flo hat das Märchen Sneewittchen der 1. Fassung von 1812 aus dem KHM (Kinder- und Hausmärchen) der Gebrüder Grimm mitgebracht. Flo hat das Märchen vorher eingesprochen, weil im Laufen Vorlesen nicht zu seinen Kernkompetenzen gehört. Wir hören uns das an, während wir über den samstäglichen Kreativ- und Fressmarkt am Maybachufer spazieren. Unsere Route führt uns am Kanal am Weigandufer entlang zur Neuköllner Kolonie "Freiheit". Wir sprechen über die Unterschiede von der 1. und letzten Fassung von Schneewittchen (KHM 6. Auflage 1850). Micz hat da einiges vorbereitet, was aus einem psychoanalytischen Blickwinkel sehr spannend ist. Wir kommen auch auf die narzisstische Persönlichkeit der Mutter / Stiefmutter zu sprechen und steigen tiefer in eine Narzissmus-Betrachtung ein. Flo hebt die Kulturgeschichte des Spiegels hervor und die astronomischen Aspekte des Märchens Schneewittchen. Die sieben Zwerge stellen mit Schneewittchen eine kosmologische Ordnung dar, wie die Planeten mit der Erde auf der Eklipse um die Sonne wandern. Eine böse Entität stört diese Raum- und Zeiteinheit, das muss wiederhergestellt werden. Wir steigen auch kurz in die Welt der Farben in diesem Märchen ab, die Farben Weiß, Rot, Schwarz machen die komplette dramatische Erzählung aus, wobei Weiß für die Unschuld, das Reine, das Gute steht und Schwarz für das Böse und Vergängliche. Rot verbindet die Anziehung, den Aufbruch, das (sexuell) Attraktive, die Leidenschaft und das Leben, was eben diese Ordnung von Schwarz und Weiß stören kann. Letztlich kommen wir auf gesellschaftlich erwartete Rolle der Frau zu sprechen, die Schneewittchen einnehmen muss, um von den Zwergen und dem Prinzen akzeptiert zu werden. Sie muss vor allen Dingen schön sein und haushälterische Tätigkeiten übernehmen. Selbst wenn sie vom Apfel beißt und in einem todesähnlichen Zustand verharrt, ist sie so schön, dass der Prinz sie überall hin mitträgt wie eine Instakachel im Smartphone. Flo spricht noch über die Geschichte der Fotografie und Selfie-Culture. Am Ende sind sich Flo und Micz einig, dass das Märchen Schneewittchen unglaublich viele Interpretationsansätze bietet und in der Komplexität und Ambivalenz einen sehr verdienten Platz in der Popkultur gefunden hat.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Florian Clauß
Erzähler
avatar
Micz Flor

Transcript

Florian Clauß
0:00:00–0:00:01
Machst du denn die Einleitung?
Micz Flor
0:00:01–0:00:07
Natürlich.
Florian Clauß
0:00:07–0:00:08
Ich bin Flo.
Micz Flor
0:00:08–0:00:12
Du bist Flo, ich bin Mitch. Du bist heute dran mit dem Thema.
0:00:13–0:00:15
Ich weiß auch schon, was es ist, das hast du mir vorher verraten.
0:00:15–0:00:16
Ich freue mich sehr drauf.
Florian Clauß
0:00:18–0:00:20
Sprichst du schon in echt ein?
Micz Flor
0:00:21–0:00:26
Ja, so bin ich. Ganz zart. Zart. Nee, so bist du normalerweise nicht.
0:00:26–0:00:30
Du musst doch erst mal die Zuhörerinnen und Zuhörer auch begrüßen.
0:00:31–0:00:34
Hallo, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
0:00:35–0:00:41
Mein Name ist Mitch und neben mir läuft Flo, der heute ein Thema vorbereitet
0:00:41–0:00:42
hat, was ich auch schon kenne.
0:00:44–0:00:48
Und wo ich mich auch sehr drauf freue. Bin mal gespannt. Also ich weiß,
0:00:48–0:00:50
was es ist. Ich kann mir vorstellen, wie es läuft.
0:00:50–0:00:53
Ich noch nicht genau womit Flo dann so um die Ecke kommt.
0:00:53–0:00:55
Das ist ja wie immer wahrscheinlich sehr gut vorbereitet.
0:00:58–0:01:02
Wir sind jetzt auch wieder an einem schönen sonnigen Tag. Das Wetter ist ja
0:01:02–0:01:04
mal so mal so aktuell unterwegs.
0:01:06–0:01:08
Und was ist denn unsere Tour heute?
Florian Clauß
0:01:09–0:01:15
Ja, also ich dachte wir knüpfen an an unseren Entstehungsmythos die Corona Walks.
0:01:15–0:01:24
Wir haben uns ja hier in Kreuzberg dann getroffen und sind runter Richtung Neukölln den Kanal entlang.
0:01:24–0:01:27
Also wir werden erst den Landwehrkanal und ich weiß nicht wie der Kanal dann
0:01:27–0:01:31
heißt. Der geht dann ab vom Landwehrkanal an diesem Dreiländereck.
0:01:34–0:01:38
Berg Neukölln zusammentreffen und mal gucken, wie weit es uns treibt.
0:01:39–0:01:42
Dann werden wir Richtung, ja wahrscheinlich bis zur Sonnenallee,
0:01:42–0:01:46
parallel zur Kiefholzstraße, so ein bisschen eine Kleingartensiedlung erkunden.
0:01:47–0:01:52
Die kenne ich noch nicht, aber wir streifen natürlich auch unsere vorherigen
0:01:52–0:01:58
Podcastaufnahmen in Kanto. Werden wir an einem Punkt quasi mitnehmen.
Micz Flor
0:02:01–0:02:09
Deine Folge, eine der frühen folgen und ja wir haben jetzt eigentlich podcast
0:02:09–0:02:16
episode 34 und für die die sich wundern warum wir so eine tour beschreiben wir
0:02:16–0:02:19
sind bei eigentlich minus podcast.de,
0:02:20–0:02:24
auch im netz auffindbar vielleicht ist jemand zum ersten mal dabei und kennt
0:02:24–0:02:31
die geschichte noch nicht Wir haben unseren Slogan, der ist Laufen beim Reden und laufend reden.
0:02:33–0:02:36
Wir sind einfach unterwegs und lassen unseren Gedanken freien Lauf,
0:02:36–0:02:37
haben aber immer ein Thema.
0:02:37–0:02:42
Einer bereitet das immer ein bisschen vor und die ganzen Tracks werden als GPS
0:02:42–0:02:48
auch dann auf eigentlich-podcast.de online bereitgestellt.
0:02:48–0:02:53
Also wer Lust hat, kann sich das dann quasi Sogar eigentlich umschnallen,
0:02:53–0:02:56
mitlaufen, zuhören, so als ob wir nebenher laufen.
Florian Clauß
0:02:56–0:02:59
Ja, irgendwann machen wir mal so eine öffentliche Eigentlichtour.
0:02:59–0:03:04
Da kriegt jeder so ein kleines Mikrofon, äh, kleines Headset mit Funkverbindung
0:03:04–0:03:06
und dann laufen wir vorweg.
0:03:06–0:03:11
Und hinter uns die Traube an Menschen und an Zuhörerinnen und Zuhörer,
0:03:11–0:03:19
die dann von uns quasi auf den Spaziergang ein bisschen bespielt wird. Naja, vielleicht.
Micz Flor
0:03:19–0:03:21
Zukunftsmusik.
Florian Clauß
0:03:21–0:03:26
So was möchte ich gerne machen. Jetzt kommen wir hier unter dem Haus, direkt am Kottchen.
0:03:28–0:03:31
Und hier geht ein Durchgang. Wir gehen jetzt hier dahinten durch,
0:03:31–0:03:34
da gibt es so diesen Spielplatz. Kennst du den, Mitch?
Micz Flor
0:03:34–0:03:38
Ja, ja, hier die Gegend kenne ich sehr gut. Wir sind jetzt an der Bücherei.
0:03:39–0:03:43
Dahinter ist der Spielplatz in diesem großen Gebäude.
0:03:43–0:03:47
Und ich glaube, ich habe das schon mal gesagt, es gibt einen Dokumentarfilm,
0:03:47–0:03:48
der lief hier auch in Berlin in
0:03:48–0:03:57
ein paar Kinos über die Entstehung von diesem UFO-ähnlichen Wohnrondell,
0:03:57–0:03:59
was da am Kotti gelandet ist.
0:04:00–0:04:03
Und den könnten wir vielleicht auch mal, wir sind ja eigentlich ein Film-Hotcast,
0:04:03–0:04:05
den könnten wir vielleicht uns mal angucken und besprechen.
Florian Clauß
0:04:05–0:04:10
Ja, eigentlich Film-Hotcast. Wir kommen jetzt auch hier gleich in der Unterführung. Ups!
Micz Flor
0:04:12–0:04:13
Das ist der Spielplatz.
Florian Clauß
0:04:15–0:04:21
Kommen wir auch an ein Imbiss vorbei, wo eine Schlüsselszene von Herr Lehmann
0:04:21–0:04:23
gespielt hat. Das ist doch hier.
Micz Flor
0:04:23–0:04:26
Ja, das ist der genau. Aber der ist inzwischen, ich weiß nicht,
0:04:26–0:04:29
ob er einen Besitzer gewechselt hat, aber auf jeden Fall hat er sich total umgebaut.
0:04:29–0:04:32
Gerade neulich bin ich da vorbei und da wurde der Boden neu gemacht.
0:04:34–0:04:37
Der heißt auch, glaube ich, wirklich inzwischen anders und ist komplett ausgetauscht.
0:04:37–0:04:41
Aber der war noch ziemlich lange nach dem Film in genau dem Zustand.
Florian Clauß
0:04:42–0:04:48
Wir gehen jetzt die Reichenberger Straße lang und ich habe tatsächlich auch
0:04:48–0:04:50
heute habe ich was vorbereitet.
0:04:50–0:04:53
Ja, ich habe was vorbereitet, da können wir nochmal reinholen.
0:04:53–0:04:55
Ich habe ein Märchen mitgebracht und ein Märchen,
0:04:55–0:05:04
das ist glaube ich so eines der Märchen ist, was am meisten so rezipiert wurde,
0:05:04–0:05:07
was viel Popkultur ausgelöst hat. Es ist Schneewittchen.
Micz Flor
0:05:10–0:05:13
Schneewittchen, wie ich weiß. Ja, das weißt du. Und jetzt machen wir uns das alle gemeinsam an.
Florian Clauß
0:05:14–0:05:17
Und ja, gleich, ich wollte nur noch das nochmal so einordnen,
0:05:17–0:05:19
weil wir kennen aus anderen Folgen von eigentlich...
0:05:21–0:05:26
Diese Kategorisierung. Natürlich ist es auch ein Märchen,
0:05:26–0:05:34
was die Gebrüder Grimm dann in ihrem sehr berühmten Buch Kinder und Hausmärchen der Gebrüder Grimm,
0:05:34–0:05:43
das abgekürzt KHM heißt, also Kinderhausmärchen, das hat da in diesem Kontext
0:05:43–0:05:47
den Index, muss ich mal gucken, 53 Schnellwittchen.
0:05:49–0:05:57
Und wir kennen noch einen anderen Index. Das ist der sogenannte Kategorien-Dings da, ne?
Micz Flor
0:05:57–0:06:00
Also welche Art von Märchen ist das?
Florian Clauß
0:06:00–0:06:02
Genau, also wie es eingeordnet wird, das ist der Arne-Thomson-Uther-Index.
0:06:04–0:06:10
Der setzt sich halt aus den Sprachforscher, die quasi Arne-Thomson und Uther,
0:06:10–0:06:12
jeweils drei verschiedene, die haben diesen Index aufgebaut.
0:06:13–0:06:16
Und was der zum Ziel hatte, ist eben dann so eine europäische Vergleichbarkeit herzustellen.
0:06:20–0:06:27
Und die Brüder Grimm haben das eben, ihre Version, so verdichtet in diesem einen Buch.
0:06:28–0:06:33
Und das ist eigentlich so ein unglaublich populäres Buch geworden.
0:06:33–0:06:34
Also es hat sich verbreitet.
0:06:35–0:06:40
Die Märchen waren ja vorher so ein bisschen lose, irgendwo in den jeweiligen Erzählkulturen.
0:06:42–0:06:46
Und ja, da kam ein Geburt der Grimm, haben das eben zusammengesammelt,
0:06:46–0:06:49
kategorisiert, haben dann auch einen wissenschaftlichen Ansatz entwickelt und
0:06:49–0:06:52
haben halt dieses Buch rausgebracht, was dann zur Folge hatte,
0:06:52–0:06:54
dass diese Märchen unglaublich verbreitet wurden.
0:06:55–0:06:57
Weil eben zur Zeit des Buchdrucks...
0:06:58–0:07:01
Das war sehr beliebt und das heißt, die Märchen wurden da so bekannt.
0:07:01–0:07:03
Ja, das ist nochmal so kurz zur Einordnung.
Micz Flor
0:07:03–0:07:07
Das war wahrscheinlich dann so wie das Streaming-Service, das jetzt für Filme
0:07:07–0:07:11
machen, war dann damals eben das gedruckte Buch für Märchen.
0:07:11–0:07:15
Man konnte die halt irgendwie kaufen, verschenken und hatte die dann quasi zu
0:07:15–0:07:20
Hause, hat die aufgeschlagen und hat dann damals noch gelesen, was man heute guckt.
Florian Clauß
0:07:20–0:07:24
Genau, also genau, das wollte ich nochmal so in dem Kontext der Mediengeschichte
0:07:24–0:07:26
nochmal so ein bisschen platzieren.
0:07:27–0:07:33
Ich möchte auch noch mal der ATU-Index von dem Märchen Schneewittchen ist 709
0:07:33–0:07:36
und es gibt diese sieben,
0:07:36–0:07:43
also die hunderte Nummer klassifiziert das auch so ein bisschen und die 700
0:07:43–0:07:49
bis 749 steht quasi im ATU für andere übernatürliche Geschehnisse.
0:07:52–0:07:59
Jetzt wollte ich noch mal die Nachbarn von Schneewittchen vorlesen, was da auftaucht.
0:07:59–0:08:06
Das ist zum Beispiel ATU 706, das Mädchen ohne Hände, dann die keusche Nonne,
0:08:06–0:08:12
der Vater, der seine Tochter heiraten wollte. 707 ist die drei goldenen Kinder,
0:08:12–0:08:14
das Wunderkind und 709 dann schließlich Schneewittchen.
0:08:15–0:08:18
Und 709a ist die Schwester von neun Brüdern.
Micz Flor
0:08:20–0:08:24
Okay, das ist interessant, weil man denkt, man kennt halt die Gebrüder Grimm,
0:08:24–0:08:30
aber ich kenne halt wirklich nur die Sachen, die dann auch in irgendwelchen
0:08:30–0:08:33
öffentlich-rechtlichen Produktionen rauf und runter kommen.
Florian Clauß
0:08:34–0:08:40
Ja, man hat das natürlich schon so ein bisschen aggregiert und ich möchte nicht die offizielle,
0:08:40–0:08:50
Die letzte Ausgabe von dem KM kam 1853 raus, das war die siebte Auflage und
0:08:50–0:08:52
ich möchte aber jetzt die Version von Schneewittchen.
0:08:55–0:09:00
Dann nicht Schmittchen, sondern Sneewittchen. Also das wird nicht ausgesprochen.
0:09:00–0:09:07
Snee ist die niederdeutsche Bezeichnung von Schnee in der ersten Fassung,
0:09:07–0:09:10
also im ersten KHM-Buch von 1812, die ihr mitbringt.
0:09:13–0:09:20
Und dafür, weil ich jetzt, da sie im Laufen vorlesen ist nicht so meine Kernkompetenz
0:09:20–0:09:26
habe ich das wieder eingesprochen und das hören wir uns jetzt erst mal an. Ja, Mitch?
Micz Flor
0:09:27–0:09:29
Ich freue mich drauf. Schneewittchen, Schneeweißchen.
Florian Clauß
0:09:29–0:09:37
In der ersten Auflage von 1812 von den Gebrüdern Grimm.
0:09:38–0:09:42
Es war einmal mitten im Winter und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel.
0:09:42–0:09:48
Da saß eine schönige Königin an einem Fenster. Das hatte einen Rahmen von schwarzem Ebenholz und nähte.
0:09:49–0:09:52
Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der
0:09:52–0:09:57
Nadel in den Finger und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee.
0:09:57–0:10:02
Und weil das Rote in dem Weißen so schön aussah, so dachte sie,
0:10:02–0:10:08
hätte ich doch ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie dieser Rahmen.
0:10:08–0:10:12
Und bald darauf bekam sie ein kleines Töchterlein, so weiß wie der Schnee,
0:10:12–0:10:18
so rot wie das Blut und so so schwarz wie Ebenholz, und darum ward es Sneewittchen genannt.
0:10:18–0:10:23
Die Königin war die schönste im ganzen Land und gar stolz auf ihre Schönheit.
0:10:23–0:10:27
Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle Morgen und fragte,
0:10:27–0:10:31
»Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«
0:10:31–0:10:36
Da sprach das Spieglein allzeit, »Ihr, Frau Königin, seid die schönste Frau im Land.«.
0:10:37–0:10:40
Und da wusste sie gewiss, dass niemand schöner war auf der Welt.
0:10:41–0:10:46
Aber wuchs heran, und als es sieben Jahre alt war, war es so schön,
0:10:46–0:10:50
dass es selbst die Königin an Schönheit übertraf, und als diese ihren Spiegel
0:10:50–0:10:54
fragte, »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«,
0:10:55–0:10:58
sagte der Spiegel, »Frau Königin, ihr seid die Schönste hier,
0:10:58–0:11:02
aber Schneewittchen ist noch tausendmal schöner als ihr.« Wie die Königin den
0:11:02–0:11:07
Spiegel so sprechen hörte, war sie blass vor Neid, und von Stund an hasste sie das Schneewittchen.
0:11:08–0:11:12
Und wenn sie es ansah und gedacht, dass durch seine Schuld sie nicht mehr die
0:11:12–0:11:15
Schönste auf der Welt sei, kehrte sich das Herz herum.
0:11:16–0:11:20
Da ließ ihr der Neid keine Ruhe, und sie rief einen Jäger und sagte zu ihm,
0:11:20–0:11:24
Führ das Schneewittchen hinaus in den Wald, an einen weit abgelegenen Ort,
0:11:24–0:11:29
da sticht's tot, und zum Wahrzeichen bring mir seine Lunge und seine Leber mit,
0:11:29–0:11:31
die will ich mit Salz kochen und essen.
0:11:32–0:11:37
Der Jäger Er nahm das Snewittchen und führte es hinaus. Wie er aber den Hirschfänger
0:11:37–0:11:42
gezogen hatte und ihm zustechen wollte, da fing es an zu weinen und bat so sehr
0:11:42–0:11:45
er mögt ihm sein Leben lassen, es wollte nimmermehr zurückkommen,
0:11:45–0:11:47
sondern in den Wald fortlaufen.
0:11:48–0:11:52
Den Jäger erbarmte es, weil es so schön war, und gedachte, die wilden Tiere
0:11:52–0:11:54
werden es doch bald gefressen haben.
0:11:54–0:11:57
Ich bin froh, dass ich es nicht zu töten brauche.
0:11:57–0:12:02
Und weil gerade ein junger Frischling gelaufen kam, stach er den nieder,
0:12:02–0:12:06
nahm Lunge und Leber heraus und brachte es als Wahrzeichen der Königin mit.
0:12:06–0:12:12
Die kochte sie mit Salz und aß sie auf und meinte, sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen.
0:12:13–0:12:16
Schneewittchen aber war in dem großen Wald mutterselig allein,
0:12:16–0:12:21
sodass ihm recht Angst war und es fing an zu laufen und zu laufen über die spitzen
0:12:21–0:12:23
Steine und durch die Dornen den ganzen Tag.
0:12:24–0:12:27
Endlich, als die Sonne untergehen wollte, kam es zu einem kleinen Häuschen.
0:12:28–0:12:31
Das Häuschen gehörte sieben Zwerge, die waren aber nicht zu Hause,
0:12:31–0:12:33
sondern in das Werkwerk gegangen.
0:12:34–0:12:37
Schneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich.
0:12:37–0:12:42
Da stand ein Tischlein mit sieben kleinen Tellern, dabei sieben Löffelein,
0:12:42–0:12:46
sieben Messerlein und Gäbelein, sieben Becherlein und an der Wand standen sieben
0:12:46–0:12:47
Bettlein nebeneinander.
0:12:47–0:12:52
Frischgedeckt. Sneewittchen war so hungrig und durstig, aß von jedem Teller
0:12:52–0:12:56
ein wenig Gemüse und Brot, trank aus dem Gläschen einen Tropfen Wein und weil
0:12:56–0:12:59
es so müde war, wollte es sich schlafen legen.
0:13:00–0:13:04
Da probierte sie die sieben Bettlein nacheinander aus, keins war ihm aber recht,
0:13:04–0:13:08
bis auf das siebte, denn das legte sich hinein und schlief ein.
0:13:08–0:13:12
Wie es Nacht war, kamen die sieben Zwerge von ihrer Arbeit heim und steckten
0:13:12–0:13:17
ihre sieben Lichtlein an. Da sahen sie, dass jemand in ihrem Haus gewesen war.
0:13:17–0:13:20
Der erste sprach, wer hat auf mein Stühlchen gesessen?
0:13:20–0:13:24
Der zweite, wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Der dritte,
0:13:24–0:13:26
wer hat von meinem Brötchen genommen?
0:13:26–0:13:31
Der vierte, wer hat von meinem Gemüsechen gegessen? Und der fünfte,
0:13:31–0:13:34
wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen. Der sechste.
0:13:35–0:13:39
Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten? Der siebende. Der hat aus meinem Dächerlein getrunken.
0:13:41–0:13:45
Danach sah er sich herum und sagte, Wer hat in mein Bettchen getreten?
0:13:45–0:13:48
Der zweite, Ei, in mein Bettchen hat auch jemand gelegen.
0:13:48–0:13:52
Und so alle weiter bis zum siebten. Wie der nach seinem Bettchen sah,
0:13:52–0:13:55
da fand er das Sneewittchen darin liegen und schlafen.
0:13:55–0:13:59
Da kamen die Zwerge alle gelaufen und schrien vor Verwunderung und holten ihre
0:13:59–0:14:02
sieben Lichtlein herbei und betrachteten das Sneewittchen.
0:14:03–0:14:07
Ei, du mein Gott, ei, du mein Gott, riefen sie, was ist das schön?
0:14:07–0:14:12
Sie hatten große Freude an ihm, weckten es aber nicht auf und ließen es in dem
0:14:12–0:14:16
Bettlein liegen. Der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen,
0:14:16–0:14:18
bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum.
0:14:19–0:14:26
Als nun Sneewittchen aufwachte, fragten sie es, wer es sei und wie es in ihr Haus gekommen wäre.
0:14:26–0:14:30
Da erzählte es ihm, wie seine Mutter es habe umbringen wollen,
0:14:30–0:14:34
der Jäger ihm aber das Leben geschenkt, und wie es den ganzen Tag gelaufen und
0:14:34–0:14:36
endlich zu diesem Häuslein gekommen sei.
0:14:36–0:14:41
Da hatten die Zwerge Mitleiden und sagten, wenn du unseren Haushalt versehen
0:14:41–0:14:46
und kochen, nähen, betten, waschen, stricken willst, auch alles ordentlich und
0:14:46–0:14:49
reinig halten, sollst du bei uns bleiben und es soll dir nichts fehlen.
0:14:50–0:14:53
Abends kommen wir nach Hause und da muss das Essen fertig sein.
0:14:54–0:14:58
Am Tage aber sind wir im Bergwerk und graben Gold, da bist du für dich alleine.
0:14:59–0:15:02
Hüt' dich vor der Königin und lass' niemanden herein.
0:15:03–0:15:07
Die Königin aber glaubte, sie sei wieder die Allerschönste im Land,
0:15:07–0:15:11
trat morgens vor den Spiegel und fragte, »Spieglein, Spieglein an der Wand,
0:15:11–0:15:14
wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«,
0:15:14–0:15:19
Da antwortete der Spiegel aber wieder, »Frau Königin, ihr seid die Schönste
0:15:19–0:15:23
hier, aber Snewittchen über den Sieben Bergen ist noch tausendmal schöner als ihr.«
0:15:23–0:15:28
Wie die Königin das hörte, erschrak sie und sah wohl, dass sie betrogen wurde
0:15:28–0:15:31
und der Jäger Snevitzing nicht getötet hatte.
0:15:32–0:15:36
Weil aber niemand als die sieben Zwerglein in den sieben Bergen war,
0:15:36–0:15:40
da wusste sie gleich, dass es sich zu diesen gerettet hatte,
0:15:40–0:15:44
und nun sahen sie von Neulen nach, wie sie es umbringen könnte,
0:15:44–0:15:50
denn solange der Spiegel nicht sagte, dass sie wäre die schönste Frau im ganzen
0:15:50–0:15:51
Land, hatte sie keine Ruhe.
0:15:51–0:15:55
Da war ihr alles nicht sicher und gewiss genug, und sie verkleidete sich selber
0:15:55–0:15:59
als alte Krämerin, färbte ihr Gesicht, dass auch kein Mensch sie erkannte,
0:15:59–0:16:01
und ging hinaus vor das Zwergenhaus.
0:16:01–0:16:06
Sie klopfte an die Tür und rief, »Macht auf, macht auf, ich bin eine alte Krämerin,
0:16:06–0:16:10
die gute Ware feil hat.« Snewittchen guckte aus dem Fenster, »Was habt ihr denn?«,
0:16:11–0:16:14
»Schnürriem, liebes Kind«, sagte die Alte und holte einen hervor,
0:16:14–0:16:18
der noch von gelber und roter und blauer Seide geflochten war.
0:16:18–0:16:22
»Willst du den haben?« »Aja«, sprach Snewittchen und dachte,
0:16:22–0:16:24
die gute alte Frau kann mich wohl hineinlassen.
0:16:24–0:16:29
»Die meint's redlich«, regelte also die Türe auf und handelte sich den Schnürriem.
0:16:30–0:16:35
Aber wie bist du schlampig geschnürt, sagte die Alte, komm, ich will dich einmal besser schnüren.
0:16:36–0:16:39
Schneewittchen stellte sich vor ihr, da nahm sie den Schnürriemen und schnürte
0:16:39–0:16:44
und schnürte so fest, dass ihm der Atem verging und es für tot hinfiel.
0:16:45–0:16:49
Danach war sie zufrieden und ging fort. Bald darauf war es Nacht,
0:16:49–0:16:52
und da kamen die sieben Zwerge nach Haus, die erschraken recht,
0:16:52–0:16:56
als sie ihr liebe Schneewittchen auf der Erde liegen fanden, als wäre es tot.
0:16:57–0:17:02
Sie hoben es in die Höhe, da sahen sie, dass es so fest geschnürt war,
0:17:02–0:17:07
schnitten den Schnürringen in zwei, da atmete es erst und dann war das wieder lebendig.
0:17:08–0:17:12
Das ist niemand gewesen, als die Königin, sprachen sie, die hat dir das Leben
0:17:12–0:17:15
nehmen wollen, hüte dich und lass kein Menschen herein.
0:17:16–0:17:18
Die Königin aber fragte den Spiegel.
0:17:19–0:17:22
Spiegel, Spiegel, an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?
0:17:22–0:17:25
Der Spiegel antwortete, Frau Königin, ihr seid die schönste,
0:17:25–0:17:29
aber Schneewittchen bei den sieben Zwergchen ist tausendmal schöner als ihr.
0:17:29–0:17:33
Sie erschrak, dass ihr Blut, dass das Blut ihr all zum Herz lief,
0:17:33–0:17:36
da sie sah, dass Schneewittchen wiederlebendig geworden war.
0:17:37–0:17:41
Danach sahen sie den ganzen Tag und die Nacht, wie sie es doch noch fangen wollte
0:17:41–0:17:46
und machte einen giftigen Kamm, verkleidete sich in eine andere Gestalt und ging wieder hinaus.
0:17:46–0:17:49
Sie klopfte an die Tür, das Schnewittchen aber rief, ich darf niemanden hier
0:17:49–0:17:53
reinlassen. Da zog sie den Kamm hervor und als das Schnewittchen den Blinken
0:17:53–0:17:59
sah und es auch jemand ganz Fremdes war, so machte es doch auf und kaufte den Kamm ab.
0:18:00–0:18:04
Komm, ich will dich auch damit kennen, sagte die Krämerin, aber kaum starkt
0:18:04–0:18:08
der Kamm dem Schneewittchen in den Haaren, da fiel es nieder und war tot.
0:18:09–0:18:13
Nun wirst du liegenbleiben, sagte die Königin, und ihr Herz war leicht geworden und sie ging heim.
0:18:14–0:18:18
Die Zwerge aber kamen zur rechten Zeit, sahen, dass was geschehen und zogen
0:18:18–0:18:22
den giftigen Kamm aus den Haaren und da schlug Schneewittchen die Augen auf
0:18:22–0:18:27
und es war wieder lebendig und versprach den Zwergen, es wolle gewiss niemanden mehr hereinlassen.
0:18:28–0:18:32
Die Königin aber stellte sich vor den Spiegel, Spieglein, Spieglein an der Wand,
0:18:32–0:18:35
wer ist die schönste Frau im ganzen Land. Der Spiegel antwortete,
0:18:35–0:18:40
Frau Königin, ihr seid die schönste hier aber Snewittchen bei den sieben Zwergchen
0:18:40–0:18:42
ist tausendmal schöner als ihr.
0:18:43–0:18:47
Wie das die Königin hörte, zitterte sie und bebte sie vor Zorn.
0:18:47–0:18:51
So soll das Newidtchen noch sterben, wenn und wenn es mein Leben kostet.
0:18:52–0:18:56
Dann ging sie in ihre heimlichste Stube, und niemand durfte vor sie kommen,
0:18:56–0:19:00
und da machte sie einen giftigen, giftigen Apfel, äußerlich war er schön und
0:19:00–0:19:03
rotbäckig, und jeder, der ihn sah, bekam Lust dazu.
0:19:04–0:19:09
Darauf verkleidete sie sich nun als Bauersfrau, ging vor das Werkhaus und klopfte an.
0:19:10–0:19:13
Siewittchen guckte und sagte, ich darf keinen Menschen einlassen,
0:19:13–0:19:15
die Zwerge haben mir das beim Leibe verboten.
0:19:16–0:19:19
Nun, wenn ihr nicht wollt, sagt die Bäuerin, kann ich euch nicht zwingen,
0:19:19–0:19:24
meine Äpfel will ich auch schon loswerden, da einen will ich euch zur Probe schenken.
0:19:25–0:19:29
Nein, ich darf auch nichts geschenkt nehmen, die Zwerge wollen es nicht haben.
0:19:29–0:19:33
Ihr mögt euch wohl fürchten, da will ich den Apfel in zwei schneiden und die
0:19:33–0:19:36
Hälfte essen, da den schönen roten Backen sollt ihr haben.
0:19:37–0:19:42
Der Apfel war aber so künstlich gemacht, dass nur die rote Hälfte vergiftet war.
0:19:42–0:19:50
Da saß Schneewittchen, das die Bäuerin selbst davon aß, und seine Gelüste danach ward immer größer.
0:19:50–0:19:54
Da ließ es sich endlich die andere Hälfte durchs Fenster reichen und bis hinein.
0:19:54–0:19:58
Kaum aber hatte sie ein bisschen den Mund, so fiel es tot zur Erde.
0:19:59–0:20:02
Die Königin aber freute sich, ging nach Haus und fragte den Spiegel.
0:20:02–0:20:05
»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«
0:20:05–0:20:09
Da antwortete er, Ihr, Frau Königin, seid die schönste Frau im Land.
0:20:10–0:20:15
Nun habe ich Ruhe, sprach sie, da ich wieder die schönste im Land bin und Sneewittchen
0:20:15–0:20:17
wird diesmal wohltot bleiben.
0:20:18–0:20:22
Die Zwerglein kamen abends aus den Bergwerken nach Haus, da lag das Newittchen
0:20:22–0:20:28
auf dem Boden und war tot. Sie schnürten es auf und sahen, dass sie nichts Giftiges
0:20:28–0:20:32
in den Haaren fänden, es half auch nichts, sie konnten es nicht wieder lebendig machen.
0:20:32–0:20:36
Sie legten es auf eine Bahre, setzten sich alle sieben da ran,
0:20:36–0:20:40
weinten und weinten drei Tage lang, dann wollten sie es begraben.
0:20:40–0:20:45
Da sahen sie aber, dass es noch frisch und gar nicht wie ein Toter aussah und
0:20:45–0:20:48
dass es auch seine schönen roten Backen noch hatte.
0:20:48–0:20:52
Da ließen sie ein Sarg von Glas machen, legten es hinein, dass man es recht
0:20:52–0:20:56
sehen konnte, schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf und seine
0:20:56–0:21:00
Abstammung, und einer blieb jeden Tag zu Hause und bewachte es.
0:21:00–0:21:04
So lag es ein Wittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und verweste nicht,
0:21:04–0:21:09
war noch so weiß wie als Schnee, so rot als Blut, und wenn es die Äuglein hätte
0:21:09–0:21:15
auftun können, wären sie so schwarz wie eben Holz, denn es lag, als wenn es das schlief.
0:21:16–0:21:20
Einmal kam ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und wollte darin übernachten,
0:21:20–0:21:25
und wie er in die Stube kam und Snewittchen in dem Glassack liegen sah,
0:21:25–0:21:30
auf das die siebten Lichtlein so recht ihren Schein warfen, konnte er sich nicht
0:21:30–0:21:34
satt sehen an seiner Schönheit und und las die goldene Inschrift und sah,
0:21:34–0:21:36
dass es eine Königstochter war.
0:21:36–0:21:41
Da bat er die Zwerglein, sie sollten ihm den Sarg mit den toten Snidwittchen
0:21:41–0:21:43
verkaufen, die aber wollten um alles Gold nicht.
0:21:43–0:21:51
Da bat er sie, sie mögten es ihm schenken, er könne nicht leben, ohne es zu sehen.
0:21:52–0:21:56
Und er wolle es so hoch halten und ehren, wie sein Liebstes auf der Welt.
0:21:57–0:22:01
Da waren die Zwerglein mitleidig und gaben ihm den Sarg. Der Prinz aber ließ
0:22:01–0:22:05
ihn in seinem Schloss tragen und ließ ihn in die Stube setzen.
0:22:05–0:22:09
Er selber saß den ganzen Tag dabei und konnte die Augen nicht abwenden.
0:22:10–0:22:13
Und wenn er ausmusste und konnte Schneewittchen nicht sehen,
0:22:13–0:22:18
war der traurig. Und er konnte auch kein Bissen essen, wenn der Sarg nicht neben ihm stand.
0:22:18–0:22:22
Die Diener aber, die beständig den Sarg herumtragen mussten,
0:22:22–0:22:26
waren bös darüber, und Eidam machte einmal den Sarg auf, hob Snewittchen in
0:22:26–0:22:31
die Höhe und sagte, »Um so ein totes Mädchen willen, werden wir den ganzen Tag
0:22:31–0:22:35
geplagt«, und gab ihm mit der Hand einen Stumpf in den Rücken.
0:22:36–0:22:40
Da fuhr ihm der garstige Apfelkruz, den es abgebissen hatte,
0:22:40–0:22:43
aus dem Hals, und Snewittchen war wieder lebendig.
0:22:44–0:22:47
Da ging es zu dem Prinzen, der nicht wusste, was er für Freude tun sollte,
0:22:47–0:22:52
als sein liebes Snewittchen lebendig war, und sie setzten sich alle zusammen
0:22:52–0:22:53
an die Tafel und aßen in Freude.
0:22:54–0:22:59
Auf den anderen Tag war die Hochzeit bestellt und Snewittchens gottlose Mutter war auch eingeladen.
0:23:00–0:23:03
Wie sie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und sprach, spieglein,
0:23:03–0:23:06
spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?
0:23:06–0:23:11
Da antwortete er, Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber die junge Königin
0:23:11–0:23:13
ist tausendmal schöner als ihr.
0:23:14–0:23:19
Als sie das hörte, erschrak sie, und es war ihr so Angst, dass sie es nicht
0:23:19–0:23:24
sagen konnte. Doch trieb sie der Neid, dass sie auf der Hochzeit der jungen
0:23:24–0:23:29
Königin sehen wollte, und wie sie ankam, sah sie, dass es eine Wittchen war.
0:23:29–0:23:33
Da waren eisernen Pantoffeln im Feuer glühend gemacht. Sie musste sie anziehen
0:23:33–0:23:36
und darin tanzen, und ihre Füße wurden jämmerlich verbrannt,
0:23:36–0:23:40
und sie durfte nicht aufhören, bis sie sich zu Tode getanzt hatte.
0:23:41–0:23:44
Ja, das war das Märchen von 1812.
0:23:49–0:23:55
Bevor wir jetzt einsteigen, ganz kurz, siehst du, kannst du dir aus dem Kopf,
0:23:55–0:24:01
kannst du da die andere Fassung erinnern und den Hauptunterschied zu dieser
0:24:01–0:24:03
ersten Fassung benennen?
Micz Flor
0:24:06–0:24:09
Ja, das ist sogar eine der Sachen, die ich vorbereitend hatte,
0:24:09–0:24:14
weil wir springen ja quasi um dieses Märchenthema so ein bisschen rum und ich
0:24:14–0:24:19
habe gemerkt, dass ich diesmal anders darin vorgehe als das letzte Mal.
0:24:19–0:24:26
Wir hatten ja in meiner letzten Folge, sollte es ja eigentlich schon um Rotkäppchen gehen.
0:24:27–0:24:34
Das haben wir dann aber gesplittet. Die letzte Folge war eben diese Traum-Mythen-Thematik
0:24:34–0:24:40
von Erich Fromm mit einer Unterscheidung von der Art und Weise,
0:24:40–0:24:44
wie zum Beispiel Traumdeutung bei Freud, bei Jung oder bei Fromm,
0:24:44–0:24:49
was dann eher so ein bisschen schon in die Richtung von Neopsychoanalyse-Gestalttherapie
0:24:49–0:24:51
geht, sich unterscheidet.
0:24:53–0:24:56
Und das Lustige ist jetzt, das haben wir dann quasi Rotkäppchen in der nächsten Folge.
0:24:58–0:25:01
Und ich fühle mich jetzt aber schon ein bisschen weiter in diesem Märchenthema.
0:25:01–0:25:06
Da habe ich zum Beispiel mal drauf geguckt, was waren denn so die Veränderungen
0:25:06–0:25:12
alleine in den Fassungen von den Gebrüdern Grimm.
0:25:16–0:25:18
Genau zu machen, könnte ich das kurz vorlesen.
Florian Clauß
0:25:19–0:25:22
Ja, gerne. Du hast ja auch was vorbereitet mit.
Micz Flor
0:25:22–0:25:26
Ja, ich wusste ja, was es ist, dann hab ich gedacht, probier ich mal was anderes.
0:25:27–0:25:31
Ich hab zwei Sachen vorbereitet. Ich hab dann auch eben als Weiterführung von
0:25:31–0:25:38
dem, was das nächste Mal kommt, nämlich Freud, Jung und Fromm,
0:25:38–0:25:42
hab ich dann Bettelheim diesmal als psychodynamischen ...
0:25:43–0:25:46
Natürlich Analytiker eben, der dann auch eine Deutung hat. Das wollte ich dann
0:25:46–0:25:48
später auch noch hier reinbringen.
0:25:49–0:25:56
Also ich berufe mich jetzt auf die Frau Katrin Allersang-Gestrebter,
0:25:56–0:26:05
die eine ihrer PhD 2009 in Wien Arbeit abgelegt hat.
0:26:06–0:26:12
Und da hat sie eben einen Abschnitt gerade zum Thema dieses Märchens und was
0:26:12–0:26:13
da so sich verändert hat.
0:26:14–0:26:21
Und sie schreibt da, 1908 bis 1957 gab es wohl mindestens sechs Versionen von dem Ganzen. Ja.
0:26:25–0:26:27
Wenn ich mich recht erinnere, das habe ich jetzt nicht aufgeschrieben,
0:26:27–0:26:31
war es sogar ein jüngerer Bruder von den beiden, die der Autoren von diesem
0:26:31–0:26:35
Kinder- und Hausmärchenbuch sind, der die erste Fassung aufgeschrieben hat,
0:26:35–0:26:36
die dann umgeschrieben wurde.
0:26:36–0:26:42
Und Wilhelm Grimm hat diese Urform dann seinen Idealvorstellungen so angepasst.
0:26:43–0:26:47
Er hat da zum Beispiel, wenn man so durch diese Veränderung geht,
0:26:47–0:26:52
ein bisschen auch geschaut, Das Schneewittchen,
0:26:52–0:26:56
die dann Schneewittchen hieß, aber die wohl in der ganz frühen Version Schneeweißchen
0:26:56–0:27:03
sogar noch hieß, die hat immer mehr in diesen Formen dann so eine typisch bürgerliche
0:27:03–0:27:07
Tugend für Frauenverhalten angenommen.
0:27:07–0:27:09
Die war dann eben sehr keusch, fast asexuell.
0:27:09–0:27:13
Als sie bei den Zwergen war, muss bei den Zwergen ja auch diese bürgerlichen
0:27:13–0:27:14
Sachen irgendwie lernen.
0:27:17–0:27:23
Damit sie bei den Zwergenwirt bleiben darf, muss sie halt im Prinzip naiv sein,
0:27:23–0:27:28
unschuldig, schön, lieb, fromm, arbeitsam, christlich, muss den Haushalt führen, all diese Sachen.
0:27:28–0:27:32
Das war generell das Motiv für dieses junge Mädchen, Schneewittchen,
0:27:32–0:27:33
wie es dann zum Schluss hieß.
0:27:35–0:27:40
Und das sind eben so diese beliebtesten Klischees weiblicher Helden aus dieser Zeit,
0:27:40–0:27:48
die dann Und das finde ich wichtig, nicht unterschiedliche Fassungen aus unterschiedlichen
0:27:48–0:27:53
Ländern, sondern wirklich innerhalb der Revisionen von Grimm, von den Geburten Grimm.
0:27:55–0:27:59
Schneewittchen selbst hat sich ein bisschen verändert. Die war wohl am Anfang
0:27:59–0:28:04
eine junge Frau und wurde dann aber wieder ein Kind, oder wurde Kind genannt in späteren Versionen.
0:28:04–0:28:08
Aber es gab vor allen Dingen eine Fassung, wahrscheinlich die allererste,
0:28:08–0:28:14
die muss noch vor deiner gewesen sein wo schneewittchen ursprünglich gelbe haare
0:28:14–0:28:23
hatte und gar keine schwarzen haare das war wohl oder eben ebenholz schwarz wie der fenster rahmen,
0:28:24–0:28:28
Dann ist es so, dass der Vater jetzt in deiner Version ja auch schon nicht mehr
0:28:28–0:28:32
existent ist. Da nimmt man dann an, dass der Jäger irgendwie die Rolle des Vaters
0:28:32–0:28:36
ist. Es gibt auch eine analytische Deutung, die sagt, der Spiegel ist der Vater.
0:28:36–0:28:38
Der guckt sich die Frauen an und beurteilt so.
0:28:40–0:28:46
Und also heute in der gängigen Version ist der Vater eigentlich mehr oder weniger abwesend.
0:28:48–0:28:53
Aber in früheren Versionen ist es wohl so, dass der sogar noch damit beauftragt
0:28:53–0:28:56
war, auch den Sarg zu finden. So zumindest hier die Doktorandin.
0:28:58–0:29:03
Und die Rolle der Mutter hat sich auch verändert. Es war anfangs eben eine Mutter
0:29:03–0:29:04
bei deiner Version auch noch.
0:29:04–0:29:11
Wurde dann später aber ersetzt. Und zwar 1819 wurde, starb die Mutter und die
0:29:11–0:29:16
Stiefmutter, also die neue Frau, war dann die Böse sozusagen.
0:29:16–0:29:20
Das ist, könnte man vielleicht sogar gleich mal so sagen, ein bisschen,
0:29:20–0:29:27
da wird das ein bisschen harmonischer gemacht. Also, dass die Mutter wirklich
0:29:27–0:29:30
sogar kannibalistisch gegenüber ihrer eigenen Tochter vorgeht,
0:29:30–0:29:31
ist vielleicht einmal ein bisschen hart.
0:29:32–0:29:35
Und wenn es die Stiefmutter ist, vielleicht verkaufen sich dann mehr Bücher.
0:29:35–0:29:39
Und deshalb ändert sich natürlich dann auch ein bisschen die Thematik,
0:29:39–0:29:42
weil es geht ja nicht mehr um Mutter-Tochter-Konflikt, sondern dann kommt der
0:29:42–0:29:44
Spiegel und die Schönheit mehr in den Vordergrund.
0:29:45–0:29:49
Grund. Sobald es dann die Stiefmutter ist, geht es natürlich um eine Familiendynamik,
0:29:49–0:29:52
aber so diese klassische Generationskonflikt ist da nicht mehr drin,
0:29:52–0:29:54
sondern eben dieses Schöne.
0:29:55–0:29:59
Der Sarg, der ursprüngliche Glassarg, den du auch noch drin hast,
0:29:59–0:30:01
der diente wohl auch um die Verwesung auszuhalten.
0:30:04–0:30:07
Später war es dann wohl auch so, dass das Schneewittchen einfach auch ohne Sarg
0:30:07–0:30:09
schön blieb. Die war so schön, die war einfach nicht mehr verwesbar.
0:30:12–0:30:14
Und die Rettung hat sich wohl auch geändert.
0:30:16–0:30:19
Es gab, da bin ich mir jetzt aber nicht sicher, ich glaube, das waren wirklich
0:30:19–0:30:25
andere Varianten des Schneewittchen, Schneeweißchen, Schneewittchen-Märchens,
0:30:25–0:30:30
wo Ärzte versuchen, sie wieder zu beleben.
0:30:30–0:30:34
Es gibt aber auch wohl eine Fassung,
0:30:34–0:30:40
wo die die Zwerge selber mit einem Hämmerchen versuchen, Schneewittchen wieder
0:30:40–0:30:45
zu beleben und das fand ich dann ganz schön,
0:30:45–0:30:50
deshalb möchte ich da die Doktorandin zitieren, die dann schreibt,
0:30:50–0:30:55
dass es so ist, dann kann die Endversion nicht ohne den handelsüblichen Prinzen auskommen,
0:30:55–0:30:59
der in nekrophiler Manier das scheintote Mädchen mit sich nehmen will,
0:30:59–0:31:04
wobei diesem nach einem durch Stolpern hervorgerufenen Rutsch des Sarges der
0:31:04–0:31:08
Apfelbutzen und damit die Ursache des Zustands wieder aus dem Hals fährt.
0:31:09–0:31:15
Der hat also dann neben dem Kannibalistischen, hat sie dann eben auch nochmal
0:31:15–0:31:16
gesagt, so Durch diesen Eko-Fahrer.
0:31:17–0:31:21
Prinz einfach unbedingt diesen Leichnam mitnehmen möchte.
0:31:22–0:31:26
Das Ende der Königin hat sich wohl auch verändert. In der einfachsten Fassung
0:31:26–0:31:28
fällt sie vor Schrecktod um.
0:31:29–0:31:34
Und die, die du auch vorgelesen hast, die auch in dem Europa-Märchen,
0:31:34–0:31:38
das war so meine Kindheit, die Schallplatten,
0:31:38–0:31:41
wo beide Seiten dann Märchen drauf waren, da ist es auch so,
0:31:41–0:31:47
dass sie dann, das hat mich immer sehr gegruselt, tanzte sie dann mit den glühenden
0:31:47–0:31:50
Schuhen, bis sie tot umfiel.
0:31:51–0:31:52
Das war jetzt bei deiner Fassung auch.
Florian Clauß
0:31:52–0:31:53
Ja.
Micz Flor
0:31:54–0:31:58
Dann gibt es noch eine kleine Änderung in den ursprünglich handschriftlichen Aufzeichnungen.
0:32:02–0:32:07
Was bei dir auch noch mit drin ist, ist, dass bei den Zwergen sie von jedem
0:32:07–0:32:09
Tellerchen ein bisschen was isst.
0:32:09–0:32:15
In späteren Versionen ist sie bei den Sachen so, dass sie dann nicht von allen was isst.
0:32:16–0:32:19
Dann sucht sie genau aus, was für sie passt und was nicht.
0:32:20–0:32:23
Das gilt auch für das Bett. Da geht sie nicht in alle Betten,
0:32:23–0:32:27
sondern sucht scheinbar nur das eine, wo sie dann sagt, okay, das nehme ich.
Florian Clauß
0:32:28–0:32:35
Genau, also die Zwerge, wo sie nicht überall nascht und ins Bett steigt und so weiter.
Micz Flor
0:32:36–0:32:39
Das Allerletzte, was dann wirklich andere Versionen des Märchens sind,
0:32:39–0:32:40
fand ich aber noch ganz interessant.
0:32:40–0:32:44
Die Zwerge sind in anderen europäischen Versionen der Erzählung auch mal Diebe,
0:32:44–0:32:50
Räuber, Riesen oder Elfen. In Finnland wohl eine Mordbande, die sie als Schwester
0:32:50–0:32:53
adoptieren, was es auch im Dänischen und Schwedischen gibt.
0:32:54–0:33:00
Und die Zwerge gibt es wohl in einer Schweizer Fassung, richtig als rätische
0:33:00–0:33:06
Erzählung, Wo sie dann demokratisch abstimmen, ob sie Schneewittchen aufnehmen oder nicht.
0:33:06–0:33:09
Und dann aber auch Forderungen stellen.
0:33:10–0:33:15
Und sie drohen dem Mädchen dann nach dem Besuch der Krämerin zum ersten Mal,
0:33:15–0:33:20
dass wenn sie jetzt nicht gehorcht, dass sie beim nächsten Mal in der Pfanne gebraten wird.
0:33:20–0:33:25
Das waren jetzt so die Sachen, die ich da aus dieser Doktorarbeit rausgefuselt habe.
Florian Clauß
0:33:29–0:33:31
Und warum habe ich das gemacht?
Micz Flor
0:33:31–0:33:37
Weil ich glaube ich, nachdem wir zuerst mit deinen Märchen so angefangen haben,
0:33:37–0:33:40
einfach mal so aus dem Bauch zu deuten, dann hatten wir diese,
0:33:43–0:33:48
in meinem letzten Spaziergang diese Rotkäppchendeutung, die jetzt allerdings
0:33:48–0:33:50
erst in zwei Wochen dann wirklich im Podcast auftaucht.
0:33:54–0:34:01
Und in all diesen Deutungsansätzen geht es ja immer so ein bisschen eben so
0:34:01–0:34:02
dieser Wunsch ins Mythische,
0:34:02–0:34:08
ins ganz Frühe, ins Archetypische, wie Jungs sagen würde, so zurückzugehen,
0:34:08–0:34:09
wie durch so ein Tor des Märchens.
0:34:10–0:34:12
Und da habe ich dann irgendwie gedacht, okay, das will ich aber mal wissen,
0:34:12–0:34:17
Weil ich wusste, auch von deiner Erzählung schon, dass die Gebrüder Grimm ihre
0:34:17–0:34:19
Sachen auch immer wieder rausgebracht haben.
0:34:19–0:34:25
Und das war ja früher auch bei Buchversion wirklich so,
0:34:25–0:34:28
dass dann oft, wenn das Ganze wieder gedruckt wurde, es halt umgeschrieben,
0:34:28–0:34:35
das war selbst bei The Origin of Species, war das wohl so, dass es da mit jedem
0:34:35–0:34:37
neuen Auflage eigentlich eine völlig neue Buchversion gehabt mit neuem.
0:34:38–0:34:41
Also es war anders als heute, wo die Dinge so eingefroren werden.
0:34:41–0:34:44
Was wir auch in diesem Index hören, den du hast.
0:34:44–0:34:47
Da hat es mich einfach mal interessiert zu gucken, was haben die denn da so umgeschrieben?
0:34:48–0:34:53
Und was würde das denn tun für unseren Wunsch, durch dieses Märchen wie durch
0:34:53–0:34:57
ein Fenster zu blicken auf das urgeschichtliche, sagenhafte,
0:34:57–0:34:58
mythische Menschliche?
Florian Clauß
0:34:58–0:34:59
Ja.
Micz Flor
0:34:59–0:35:04
Das fand ich eigentlich ganz interessant, dass es halt dann auch da schon Tendenzen
0:35:04–0:35:07
gab, alles ein bisschen bürgerlicher und abgeschwächter aufzuschreiben.
0:35:08–0:35:12
Wie es dann halt wirklich in die Zeit passt, leicht wirklich auch Bücher verkaufen wollte.
Florian Clauß
0:35:12–0:35:17
Genau, und weil es auch eben im Titel Kinder und Hausmärchen trägt.
0:35:19–0:35:23
Ja, danke nochmal für diese Herausarbeitung der Unterschiede.
0:35:23–0:35:28
Es ist jetzt doch etwas etwas akademischer geworden, als ich jetzt so vermutet
0:35:28–0:35:31
habe. Aber zwei, du weißt, im Prinzip, es sind viele Kleinigkeiten,
0:35:31–0:35:32
die sich geändert haben.
0:35:34–0:35:41
Aber zwei Punkte, die ich auch noch mal herausheben wollte. Das eine ist eben,
0:35:41–0:35:45
dass die leibliche Mutter Schneewittchen tötet.
0:35:49–0:35:53
Das ist, glaube ich, so ein ganz massiver Unterschied. Und das andere ist,
0:35:53–0:35:59
wie sich dieses Apfelstückchen in dem Hals von Schneewittchen löst.
0:36:00–0:36:06
In der letzten Fassung ist es so, dass einer der Diener stolpert und den Sarg
0:36:06–0:36:12
tragend und dann eben das Schneewittchen aus dem Sarg geworfen wird und dabei
0:36:12–0:36:14
sich das Stückchen löst.
0:36:14–0:36:20
Diese Fassung ist so, dass die Diener so ein bisschen geplagt werden von dem
0:36:20–0:36:25
Prinzen, der die ganze Zeit Schneewittchen dahin getragen haben möchte, wo er ist.
0:36:25–0:36:29
Und einer von den Dienern macht halt diesen Scherz, Schneewittchen,
0:36:29–0:36:34
da wollen wir dich rumtragen und haut ihr dann so auf den Rücken und dabei löst
0:36:34–0:36:34
sich das Abbestückchen.
0:36:35–0:36:40
Eine ganz andere Motivation, aber das finde ich nochmal so, ich finde diese
0:36:40–0:36:45
erste Fassung fast besser als die letzte. So würde ich jetzt mal, was ich da kenne, ja.
0:36:46–0:36:52
Zur ersten Fassung, dass die Mutter, also dass es die leibliche Mutter ist und
0:36:52–0:36:53
nicht die böse Stiefmutter,
0:36:53–0:36:57
weil es gibt dann auch eine, auch von Jungen eine Deutung,
0:36:57–0:37:02
Archetyps der Stiefmutter, die dann so aufgeladen wird, die kommt dann auch
0:37:02–0:37:07
erst später rein, mit der Implementierung, Installierung der bürgerlichen Familie,
0:37:07–0:37:10
wo sich das auch anders auflöst und die Stiefmutter.
0:37:11–0:37:16
Als dass das Böse, das Schwarze dann so bedeckt wird,
0:37:16–0:37:22
ist das ihre leibliche Mutter und da habe ich nochmal ein bisschen geguckt,
0:37:22–0:37:29
was gibt es denn da tatsächlich für Mythen, wo die leibliche Mutter ihre Kinder
0:37:29–0:37:32
tötet und ein bekannter,
0:37:32–0:37:42
eine bekannte griechische Die Tragödie ist Medea, die zusammen mit Jason, Jason, Kinder hat.
0:37:43–0:37:48
Sie muss ihre Familie verlassen. Sie wird dann auch von Jason betrogen.
0:37:48–0:37:53
Und aus Rache, Eifersucht und Verzweiflung tötet sie ihre Kinder.
0:37:53–0:38:01
Also die Motivation, das krasseste Mittel, was irgendwie eine Mutter anwenden
0:38:01–0:38:05
kann, ist, ihre eigenen Kinder zu töten in dieser griechischen Tragödie.
0:38:05–0:38:09
Es ist aber irgendwie psychologisch nachvollziehbar, dass sie an so diesen Verzweiflungspunkt
0:38:09–0:38:14
kommt, wo sie ihre Kinder tötet. Es gibt eine Filmadaption mit ihr aus den 90ern,
0:38:14–0:38:18
ich weiß nicht genau von wem, die das ganz eindringlich auch schildert.
0:38:21–0:38:24
Diese Verzweiflungstat als letzte Tat, eigentlich auch gegen sich selbst gerichtet,
0:38:24–0:38:28
dann eben zu diesem Schritt zu kommen. Diese ganze Motivation finden wir überhaupt
0:38:28–0:38:30
nicht bei Schneewittchen in dieser Variante.
0:38:31–0:38:36
Schneewittchen wird geboren, dann gibt es keine Mutter-Kind-Liebebeziehung,
0:38:36–0:38:38
wird überhaupt nicht ausgewalzt.
0:38:40–0:38:44
Insofern finde ich das gar nicht mal so, wie soll ich sagen,
0:38:44–0:38:49
so rein erzähltechnisch einen großen Affront,
0:38:49–0:38:55
eine Schwiegermutter einzuführen, weil diese psychologische Bindung von Tochter
0:38:55–0:39:02
und Mutter spielt keine Rolle in der Entwicklung des Märchen.
Micz Flor
0:39:03–0:39:08
Das stimmt, aber ich denke die Bewertung des Verhaltens, Also das hast du ja
0:39:08–0:39:11
vorhin schon gesagt bei Medea und das ist ja auch bei uns.
0:39:12–0:39:18
Der Kaukasische Kreidekreis ist ja auch so ein Motiv, wo zwei Frauen behaupten,
0:39:18–0:39:20
das kleine Kind, das Baby gehört ihnen.
0:39:20–0:39:26
Und dann sagt der weise, ja, Richter nicht, aber der, der die Entscheidung finden
0:39:26–0:39:29
soll, sagt halt, okay, dann schneiden wir das einfach in der Mitte durch.
0:39:29–0:39:32
Hat jeder die Hälfte, dann ist es gerecht. Dann sagt die eine,
0:39:32–0:39:36
nein, dann soll sie das Kind haben. Dann gibt er der Mutter das Kind,
0:39:36–0:39:40
die die ist, die das Kind natürlich nicht zerteilen möchte.
0:39:42–0:39:46
Da steckt ja dann so ein bisschen drin, eben beim Medea oder Kaukasischen Kreidekreis,
0:39:46–0:39:53
dass diese Mutter natürlich alles tun wird, um ihr Kind zu schützen und zu pflegen
0:39:53–0:39:55
und zu halten und zu nähern.
0:39:55–0:39:59
Und wenn die an einen Punkt kommt, wie beim Medea, wo sie die Kinder umbringt,
0:39:59–0:40:02
dann muss da wirklich schon alles kaputt sein innerlich, seelisch.
0:40:03–0:40:10
Und wenn beim Kaukasischen Kreidekreis dem Kind Schaden angedroht wird,
0:40:10–0:40:12
dann ist es auch die Mutter, die sagt, nein, um Himmels Willen,
0:40:12–0:40:17
dann bin ich hier raus. Auf jeden Fall soll das Kind in dem Fall sogar ganz bleiben.
0:40:19–0:40:26
Und das ist dann schon ein Unterschied. Also nicht in der Entwicklung der Charaktere für das,
0:40:26–0:40:35
was sie sind, sondern für die emotionale Annahme, die man für diese Rolle dann
0:40:35–0:40:37
irgendwie hat. Da finde ich, macht schon großen Unterschied.
Florian Clauß
0:40:37–0:40:46
Das stimmt. Ein Punkt, der mir jetzt auch auffällt, ist eben diese nicht erzählte
0:40:46–0:40:50
Mutter-Kind-Liebe macht das andere Motiv sehr, sehr viel stärker,
0:40:50–0:40:50
nämlich die Eigenliebe.
0:40:51–0:40:54
Die Eigenliebe der Mutter durch den Spiegel. Das ist so ein bisschen,
0:40:54–0:40:56
und da möchte ich jetzt aber auch tiefer einsteigen.
0:40:57–0:41:05
Ich glaube, wir können jetzt nicht in dieser Folge dann so in eine psychologischen
0:41:05–0:41:09
Interpretationsansätze gehen in dieses Märchen.
0:41:09–0:41:12
Deswegen würde ich auch jetzt vorschlagen, dass wir uns nur so die Sachen rauspicken,
0:41:12–0:41:16
die uns da irgendwo auch beschäftigen oder wo wir es zu sagen möchten,
0:41:16–0:41:22
aber eben nicht irgendwie da eine Vollständigkeit von diesen Märchen als Interpretation zu liefern.
0:41:22–0:41:25
Und eine Sache ist natürlich, die mich da total interessiert,
0:41:25–0:41:28
ist die Mediengeschichte, die jemand erzählt wird.
Micz Flor
0:41:28–0:41:29
Die Mediengeschichte?
Florian Clauß
0:41:29–0:41:32
Die Mediengeschichte wird erzählt, ja. Dann
0:41:32–0:41:38
gibt es noch eine kosmologische oder eine astronomische Komponente des Märchens
0:41:38–0:41:49
in den Figuren der Zwerge und deswegen habe ich dir das auch vorher so ein bisschen
0:41:49–0:41:51
auch erzählt oder dich gefragt,
0:41:51–0:41:57
ob du dich mit vorbereiten möchtest, nämlich dieses Motiv von Narzis,
0:41:57–0:42:02
Narzissmus, in Form des Spiegels, in Form der Mutter. Ähm...
0:42:07–0:42:11
Und es gibt dann diese mystischen, magischen Zahlen, die uns wieder begegnen,
0:42:11–0:42:16
wo wir auch das letzte Mal bei Eisenhans gesagt haben, die gibt es aber.
0:42:17–0:42:21
Das ist die 3 und die 7. Die kommen ja in ganz unterschiedlichen Varianten vor.
0:42:22–0:42:26
Und vielleicht nur das am Anfang, die Zutaten einer guten Geschichte,
0:42:26–0:42:31
das finde ich auch so ganz gut. Das habe ich, glaube ich, auf Wikipedia gelesen zu Schneewittchen.
0:42:32–0:42:38
Es sind die Wittchen, nämlich wir haben schwarz, wir haben weiß und wir haben rot.
0:42:39–0:42:45
Und was ist schwarz? Schwarz ist dann das Böse und die Dunkelheit wird repräsentiert.
0:42:47–0:42:52
Weiß ist dann auf der anderen Seite die Unschuld und die Reinheit, das es verkörpert.
0:42:53–0:42:58
Und rot ist das Leben, die Leidenschaft und aber auch die Gefahr, die symbolisiert wird.
0:42:59–0:43:04
Und eigentlich hast du da so diese drei Grundkomponenten, um irgendwie eine
0:43:04–0:43:05
gute Geschichte daraus zu stricken.
0:43:05–0:43:09
Also, wenn du dir anguckst, so Geschichten, es gibt was Böses,
0:43:09–0:43:15
es gibt was Reines, es gibt dazwischen das Leben, und diese drei Zutaten vermengen
0:43:15–0:43:18
sich, und es gibt dann eine Geschichte, die hinten rausfällt,
0:43:18–0:43:19
die wir erzählen können.
Micz Flor
0:43:19–0:43:23
Ganz kurz, eine Frage, weil bei Eisenhans war es ja so, dass es diese drei Ritter
0:43:23–0:43:25
in unterschiedlichen Farben gab.
0:43:27–0:43:31
Ich weiß nicht mehr, was die Farben waren, aber da war ich zumindest so ein
0:43:31–0:43:35
bisschen ratlos und dachte, na gut, das ist vielleicht einfach irgendwas aus
0:43:35–0:43:39
der Zeit der Entstehung des Märchens, was dann eine politische Bedeutung hatte oder so.
0:43:40–0:43:44
Aber waren das auch die Farben weißer Ritter, schwarzer Ritter, roter Ritter?
Florian Clauß
0:43:45–0:43:52
Ich bin mir nicht sicher, ob es ein weißer Ritter war. Das waren der Rapper,
0:43:52–0:43:56
der Schimmel, also das waren die Farben der Pferde.
0:43:57–0:44:00
Also schwarz, weiß und aber rot.
Micz Flor
0:44:00–0:44:01
Dann der Fuchs.
Florian Clauß
0:44:01–0:44:06
Fuchs, genau. Ja, doch, das waren, glaube ich, genau. Das waren die, ja, die kommen wieder.
Micz Flor
0:44:07–0:44:10
Da haben wir wieder ein Code geknackt. Wir haben ihn geknackt und wissen nicht
0:44:10–0:44:14
genau, warum. Aber wir nehmen, alles hat damit zu tun, dass alles da ist.
0:44:14–0:44:17
Da ist das Böse, das Unschuldige und das leidenschaftlich Blutig.
Florian Clauß
0:44:21–0:44:27
Und dann zu der Zahl sieben, also in dem Zusammenhang die sieben Zwerge,
0:44:27–0:44:32
es gibt dann die sieben Berge, also hinter den sieben Bergen,
0:44:32–0:44:37
wo die sieben Zwerge, das ist ja quasi eine Raumzeitbeschreibung.
0:44:39–0:44:42
Also es ist hinter den Bergen, sieben Berge, sieben Gebirge,
0:44:42–0:44:47
weil ja auch so das hessische Siebengebirge ist damit auch so vielleicht gemeint,
0:44:47–0:44:51
also das ist ja nicht so klar, du hast ja schon gesagt, Es kommt aus verschiedenen
0:44:51–0:44:54
Teilen von Europa, die dann zusammengezogen werden.
0:44:54–0:44:57
Aber es war so ein bisschen Siebengebirge, könnte man meinen,
0:44:57–0:44:58
dann Siebenzwerge und so weiter.
0:44:58–0:45:06
Aber die Zahl Sieben hat in dem Zeitalter, also so in der ersten Hälfte des 19.
0:45:07–0:45:09
Jahrhunderts, dann natürlich eine kosmologische Entsprechung.
0:45:12–0:45:14
Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet?
Micz Flor
0:45:14–0:45:15
Die sieben.
0:45:17–0:45:23
Vielleicht hat man damals sieben der Planeten gefunden gehabt?
Florian Clauß
0:45:23–0:45:25
Richtig, genau. Es beschreibt die Ekliptik.
0:45:28–0:45:34
Die Ekliptik, und zwar werden die Gestirne oder die Himmelskörper,
0:45:34–0:45:36
Mond und Sonne mit einberechnet.
0:45:38–0:45:41
Aber wir haben Mars, Venus, Jupiter, Saturn und Merkur.
0:45:49–0:45:53
Und diese sieben Planeten stehen auch immer für die einzelnen Wochentage.
0:45:55–0:45:56
Das ist ja auch so.
0:45:59–0:46:04
Tage und so in der in dem Interpretations also ganz viel Märchen haben auch
0:46:04–0:46:08
immer wieder so eine astronomische Bedeutung.
0:46:08–0:46:14
Da werden bestimmte Konstellationen werden beschrieben, die auch so ein Allgemeinwissen
0:46:14–0:46:17
waren, die immer wieder vorkommen in der Konstellation.
Micz Flor
0:46:18–0:46:21
Was du gesagt hast natürlich auch interessant vor dem Hintergrund,
0:46:21–0:46:26
dass wenn man diese Jungsche Idee von Da öffnet sich was in so eine Art von
0:46:26–0:46:31
fast schon metamenschlichem, archetypischem Gesamt.
0:46:32–0:46:34
Nicht nur Wissen, sondern Sein.
0:46:35–0:46:39
Wenn das Sieben wirklich mit diesen Gestirnen zu tun hat und wenn natürlich
0:46:39–0:46:42
dann noch manche gar nicht entdeckt waren, dass es weder die technischen Mittel
0:46:42–0:46:47
gab, noch das Verständnis, wo gucken wir denn jetzt noch hin.
0:46:49–0:46:53
Dann könnte man ja sagen, okay, das Mädchensnewittchen, das Märchensnewittchen
0:46:53–0:46:58
muss irgendwie zumindest umgeschrieben worden sein.
0:46:58–0:47:02
Alles, was die Zahl 7 hat im Märchen, muss irgendwie in der Form entstanden
0:47:02–0:47:08
sein, nachdem man mit unserem Erdentrabanten noch sechs weitere Himmelskörper
0:47:08–0:47:09
in unserem Sonnensystem entdeckt hat.
Florian Clauß
0:47:09–0:47:12
Ja, vielleicht. Ja, also vielleicht ist das dann so.
0:47:13–0:47:17
Es ist auf jeden Fall, ich glaube, es ist auch ein ganz altes Wissen.
0:47:17–0:47:21
Also ich glaube, das Wissen geht auch so mit der Selbsthaftigkeit und mit dem
0:47:21–0:47:26
Getreideanbau und so weiter einher.
0:47:26–0:47:32
Dass du dann natürlich viel mehr auf den Himmel achten musst,
0:47:32–0:47:37
um zu gucken, die Jahreszeiten, um bestimmte Abfolgen auch identifizieren zu können.
0:47:38–0:47:43
Und diese Ekliptik, die Ekliptik ist ja das, was sich so in einem scheinbar statischen Universum,
0:47:43–0:47:47
Von wegen, die Sterne ändern sich ja jetzt nur nach Position der Erde,
0:47:47–0:47:50
aber in dem statischen Universum ist die Ekliptik,
0:47:50–0:47:54
also die Ekliptik ist quasi die Achse im Himmel,
0:47:54–0:48:01
wo die Sonne langläuft und mit der Sonne, weil sich ja das ganze planetare System
0:48:01–0:48:05
ja in einer Scheibe bewegt, mit wenig Abweichung auch die ganzen Planeten mit langlaufen.
0:48:08–0:48:14
Das heißt, wenn wir jetzt in der Himmelsnacht einen Planeten wie Venus,
0:48:14–0:48:18
was auch gerade wieder hell leuchtet, beobachten, dann wissen wir,
0:48:18–0:48:20
da läuft auch die Sonne und der Mond lang.
0:48:22–0:48:25
Und das ist so eine gewisse, es gibt so eine Zeittaktung.
Micz Flor
0:48:25–0:48:27
Ist unser Mond auch in dieser Ebene?
Florian Clauß
0:48:27–0:48:31
Ja, der ist auch in der Ebene, aber wie gesagt mit etwas Abweichung,
0:48:31–0:48:35
aber weil natürlich eine gebundene Rotation um die Erde, der dann auch in dieser Ebene läuft.
Micz Flor
0:48:36–0:48:43
Aber bei Uranus ist es doch so, dass die Monde nicht in der gleichen Ebene kreisen, oder?
Florian Clauß
0:48:43–0:48:46
Ja, weil Uranus, glaube ich, auch gegen seine eigene Achse rollt.
0:48:46–0:48:50
Also da gibt es wahrscheinlich irgendwie so... Also der dreht sich nicht um
0:48:50–0:48:53
sich selbst, sondern der rollt quasi auf seiner Bahn. Und da muss irgendein
0:48:53–0:48:56
Ereignis stattgefunden haben, das ihn total durcheinandergeworfen hat.
0:48:57–0:49:00
Deswegen weicht der so ein bisschen ab in der... Aber wie gesagt,
0:49:00–0:49:04
das ist jetzt kein Maßstab Getreues.
0:49:05–0:49:13
Also es gibt Varianten eben durch gewisse Abweichungen in den Ellipsen der einzelnen Planetenbahnen.
0:49:15–0:49:19
Damit wird eben eine Zeittaktung beschrieben. Und das Repetitive,
0:49:19–0:49:23
was die Zwerge dann auch so durchmachen, wer hat von meinem Tellerchen gegessen?
0:49:24–0:49:28
Das ist ja quasi die Abfolge der Wochentage. Deswegen wird das auch so ein bisschen
0:49:28–0:49:31
nervig, weil jeder Zwerg irgendwie was sagt.
0:49:31–0:49:37
Aber es geht, glaube ich, ganz klar darum, um so ein Ordnungssystem herzustellen,
0:49:37–0:49:42
was jetzt einmal eine Universumskonstante ist.
0:49:43–0:49:49
Und in dieser Interpretation von der kosmologischen Ansicht ist dann Schneewittchen die Erde.
0:49:50–0:49:56
Und dann haben wir wieder so diese Grundkonstellationen von Universum irgendwo
0:49:56–0:49:58
in dieser Geschichte abgebildet.
0:49:59–0:50:02
In dieser Beziehung von Schneewittchen zu den sieben Zwergen.
0:50:04–0:50:10
Also diese Konstellation, dieser Rhythmus, dieses Zusammenwirken ist so festgeschrieben,
0:50:10–0:50:14
dass jetzt nichts von außen diese Ordnung stören darf.
0:50:15–0:50:18
Also ein bisschen wie bei Oppenheimer, was wir auch gesagt haben.
0:50:18–0:50:25
Diese Krishna Geschichte, also diese indische, war das Krishna? Wie heißt es nochmal?
Micz Flor
0:50:25–0:50:26
Shiva war das, glaube ich.
Florian Clauß
0:50:26–0:50:32
Shiva, genau. Shiva, die Zerstörerin und die Gebärerin, also die dann auch dafür
0:50:32–0:50:38
zuständig ist, eben diesen Kosmos in der Struktur auch beherrschen zu können,
0:50:38–0:50:41
also zu zerstören und aber auch zu erschaffen.
0:50:41–0:50:44
Das ist ja so dieses ... Und da ist diese ...
0:50:45–0:50:51
Diese, die Mutter als diejenigen, die sie diese göttliche Ordnung irgendwo auch
0:50:51–0:50:55
zerstören kann, diese Verbindung, dieses ...
0:50:56–0:51:00
Spielt da diese Rolle, ne? Sie kommt dann immer wieder rein und versucht,
0:51:00–0:51:03
Schneewittchen, also die Erde, aus der Bahn zu werfen.
Micz Flor
0:51:03–0:51:04
Ah, okay.
Florian Clauß
0:51:04–0:51:08
Und dann kommen halt die ganzen anderen und bauen sie wieder auf, so düt-düt-düt-düt.
0:51:10–0:51:17
Also jetzt mal so ganz frei assoziiert, aber das steckt da auch mit drin,
0:51:17–0:51:19
möchte man interpretieren.
Micz Flor
0:51:21–0:51:23
Naja, ist spannend, weil das ja wirklich dann um die...
0:51:23–0:51:27
Also was ich nämlich gerade noch gedacht habe, ist mit dem,
0:51:27–0:51:30
was ich aus dieser Doktorarbeit genommen habe,
0:51:30–0:51:36
die Rolle von Schneewittchen, die dann immer bürgerlicher wurde,
0:51:36–0:51:42
quasi keusch und brav und so, dass das in die Geschichte hineingeschrieben wurde.
0:51:43–0:51:46
Und als er das mit den Wochentagen erzählt, das dachte ich, ach,
0:51:46–0:51:50
sehr interessant. Und das Märchen selbst hat dann auch noch einen didaktischen
0:51:50–0:51:52
Wert, dass die Kinder die Wochentage lernen.
0:51:53–0:51:59
Auf zwei Ebenen. Im Märchen drin lernt man durch Beobachtungslernen,
0:51:59–0:52:00
wie man sich zu verhalten hat.
0:52:01–0:52:04
Und wenn man das Märchen immer wieder hört, irgendwann verbindet man mit dem
0:52:04–0:52:07
Gäbelchen, mit dem Tellerchen, so für die einzelnen Wochentage.
Florian Clauß
0:52:07–0:52:10
Richtig. Ja, ja, nee, doch, durchaus. Diese Komponente ist da auch mit drin.
0:52:10–0:52:14
Würde ich jetzt nicht abstreiten. ein bisschen so ein...
0:52:15–0:52:19
Der mich da irgendwie so ein bisschen angefixt hat. Die andere Geschichte,
0:52:19–0:52:20
was ich schon gesagt habe, ist die Mediengeschichte.
0:52:22–0:52:26
Mediengeschichte haben wir da mit konnotiert, nämlich der Spiegel.
0:52:28–0:52:34
Der Spiegel an der Wand. Und da möchte ich auch nochmal ein bisschen ausholen
0:52:34–0:52:41
und wieder auf eine Folge von Geschichten aus der Geschichte referenzieren oder nennen.
0:52:42–0:52:45
Ja, das ist nämlich die Folge über die Geschichte des Spiegels,
0:52:45–0:52:50
also eine Kulturgeschichte, die sehr spannend ist.
0:52:51–0:52:54
Ganz kurz zusammengefasst, also Spiegel waren in der Geschichte,
0:52:54–0:53:01
wenn man jetzt auch vor der Zeitenwende schaut, dann eher immer so eine königliche Geschichte, d.h.
0:53:04–0:53:06
Die Herrscher, also auch die Pharaonen jetzt im alten Ägypten,
0:53:06–0:53:11
hatten dann auch die entsprechenden Mittel, um sich dann als spiegelndes Material
0:53:11–0:53:13
zu beschaffen und sich dann auch anzugucken.
0:53:13–0:53:18
Also dieser Spiegel als Relikt taucht immer wieder in der Geschichte auf,
0:53:18–0:53:19
in irgendwelchen Bildern.
0:53:21–0:53:22
Bis dann tatsächlich so eine.
0:53:31–0:53:33
Größerflächige Spiegelproduktion dann tatsächlich passieren konnte,
0:53:33–0:53:36
musste auch erstmal entsprechend die Industrie und so weiter aufgebaut werden.
0:53:37–0:53:39
Und das war dann so im Mittelalter, hat sich das so formiert.
0:53:40–0:53:45
Also das Wissen, wie man Spiegelflächen gewinnen kann, wie Glas gewonnen wird
0:53:45–0:53:49
und so weiter, das war vor allen Dingen in Wedelig dann verbreitet.
0:53:50–0:53:55
Und ja, zu Zeit des... Also früher gab es halt immer so kleinere Spiegel.
0:53:55–0:54:00
Und dann irgendwann kamen halt diese großen Spiegel auf, wo man sich dann in
0:54:00–0:54:02
der kompletten Gestalt sehen konnte.
0:54:02–0:54:06
Und das war natürlich für den Abel, für die Astrokratie und für die Königs-
0:54:06–0:54:11
und Kaiserfamilien war das natürlich sehr reizvoll, weil man sich dann halt
0:54:11–0:54:14
quasi so als Hofstaat spiegeln konnte in der Ganzkörpergestalt.
0:54:15–0:54:21
Und das war mit Ludwig XIV., der dann in Versailles zum Beispiel auch so den
0:54:21–0:54:23
größten Spiegelsaal errichtet hat.
0:54:23–0:54:30
Das war so eine Modeerscheinung, die dann in allen möglichen Höfen kopiert wurde.
0:54:31–0:54:35
Und weil die Spiegel sehr teuer waren, gab es dann auch eben so eine Spionage,
0:54:35–0:54:38
das erzählt Geschichten aus der Geschichte, wie dann eben diese Produktion dieser
0:54:38–0:54:43
Spiegel verläuft, weil die mussten alles quasi aus Italien einkaufen und irgendwann
0:54:43–0:54:45
haben die Franzosen ihre eigene Spiegelproduktion aufgebaut.
0:54:46–0:54:49
So, aber das ist natürlich, was du sagst, dieses...
0:54:50–0:54:54
Bild der Gesellschaft, die sich dann in den Spiegel wiederfindet,
0:54:54–0:54:57
die sich auch irgendwie manifestiert durch den Spiegel.
0:54:57–0:55:01
Der Spiegel ermöglicht auf der einen Seite eine Selbstreflektion,
0:55:01–0:55:05
sich selber zu schauen, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit,
0:55:05–0:55:10
und da haben wir diesen Mythos des Nazis, diese Eigenliebe zu entwickeln.
0:55:11–0:55:16
Also das heißt, es hat dann auch immer eine autoerotische Komponente,
0:55:16–0:55:18
in einer psychologischen Erklärung.
0:55:20–0:55:23
Vielleicht kannst du da noch mal einsteigen und da weitermachen.
Micz Flor
0:55:24–0:55:25
Ja, also der ...
0:55:28–0:55:33
Dieses Wort Narziss, das ist ein Narziss, das ist jetzt so ein bisschen ...
0:55:34–0:55:37
Sehr weit verbreitet, ne? Das ist jetzt quasi, da steht meistens dafür,
0:55:37–0:55:42
so die Narzissen, die sind nicht wirklich beziehungsfähig,
0:55:42–0:55:45
nicht wirklich liebesfähig, die sind zwar charmant und smart,
0:55:45–0:55:49
aber die sind irgendwie auch kalt, also das sind so Sachen,
0:55:49–0:55:52
die ähnlich wie Traumatisierungen, mein Gott,
0:55:52–0:55:56
ich bin traumatisiert von meinem Twitter-Account oder sowas,
0:55:56–0:55:59
oder von dem, was da gerade mit Twitter passiert, das sind alles so Sachen,
0:55:59–0:56:07
die eben aus einer psychiatrischen, ich möchte nicht sagen medizinischen,
0:56:07–0:56:09
aber es sind halt so Worte, die jetzt auch dann,
0:56:09–0:56:14
weithin genutzt werden, in einer Form, die nicht unbedingt dem entspricht,
0:56:14–0:56:18
was da auf einer klinischen Ebene zugesagt wird.
0:56:20–0:56:26
Das Urbild, wie du schon gesagt hast, Narcissus ist eben ein ein Jüngling,
0:56:26–0:56:32
der das Spiegelbild im Wasser entdeckt und sich dann so da hineinverliebt ist von sich selbst.
Florian Clauß
0:56:32–0:56:35
Also es ist sehr populär wissenschaftlich geprägt. Also ich glaube,
0:56:35–0:56:42
das, was dann tatsächlich in diesem klinischen Kontext verwendet wird,
0:56:42–0:56:43
ist nochmal eine andere Bedeutung.
0:56:43–0:56:50
Jeder meint irgendwie, dieses Wort Narzisst so verwenden zu können in der Bedeutung,
0:56:50–0:56:53
ja. Aber das ist, glaube ich, auch eben sehr populär wissenschaftlich.
Micz Flor
0:56:53–0:57:01
Ja, also man könnte vielleicht auch so, man würde vielleicht von drei Typen sprechen.
0:57:01–0:57:04
Das eine ist dann eben dieser exaltierte Narzisst,
0:57:04–0:57:07
der auch gemeinhin eben in Beziehung
0:57:07–0:57:11
als der gesehen wird der halt ja der
0:57:11–0:57:18
dann irgendwie hinter der Fassade doch gefühlskalt ist der entweder hochnäsig
0:57:18–0:57:22
ist oder einfach nur wirklich arrogant der sich selbst sehr hoch einschätzt
0:57:22–0:57:26
und der andere sehr niedermachen kann der trotzdem charismatisch und erfolgreich
0:57:26–0:57:31
ist das zweite wäre dann das Gegenteil was dann so ich wollte sagen Volksmut,
0:57:31–0:57:34
weil wir bei Märchen sind, aber was so allgemein gar nicht so richtig gesehen
0:57:34–0:57:36
wird, Das ist eher als Depression.
0:57:39–0:57:45
Besprochen, wenn man so in der Populärliteratur rumguckt, das ist die Gegenseite
0:57:45–0:57:49
der gleichen narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder Persönlichkeitsorganisation.
0:57:50–0:57:54
Dass nämlich diese Überhöhung auch sehr schnell mal ins Gegenteil umschlagen
0:57:54–0:57:57
kann. Wenn man dann narzisstisch gekränkt wird, wie man sagt,
0:57:57–0:58:01
dann kann es auch ... Getränkt. Getränkt, ja.
0:58:02–0:58:07
Dann ist man schnell auch an einem Punkt, wo man wirklich dann wie so ein Soufflé
0:58:07–0:58:09
in sich zusammenfällt und sagt, ach, das ist doch alles scheiße,
0:58:09–0:58:13
ist doch gar nichts wert, ich kann nichts. Also wo man das Gegenteil irgendwie macht.
0:58:14–0:58:18
Und es gibt ja in der psychodynamischen, therapeutischen Arbeit auch dieses
0:58:18–0:58:19
Konzept der Gegenübertragung.
0:58:20–0:58:24
Also dass du im Kontakt mit Menschen, die Hilfe suchen, die zu dir kommen,
0:58:24–0:58:29
dass du auch natürlich selber diesen Kontakt erlebst und diesen Kontakt natürlich
0:58:29–0:58:31
auch mitlebst. Natürlich auf eine andere Art.
0:58:33–0:58:36
Aber was dann gerade bei narzisstischen Störungen oft auch kommt,
0:58:36–0:58:41
ist, dass man diagnostisch nutzen kann, dass wenn man als Therapeut oder Therapeutin merkt,
0:58:41–0:58:45
ich habe das Gefühl, ich muss hier richtig was leisten,
0:58:45–0:58:49
dann ist das vielleicht sogar diagnostisch wertvoll, nochmal nachzugucken,
0:58:49–0:58:56
kann es sich da um eine narzisstische Persönlichkeitsstörung handeln oder Persönlichkeitsstruktur
0:58:56–0:58:58
handeln, weil das passiert dann oft.
0:58:58–0:59:01
Also wenn da jemand dir gegenüber sitzt, der immer nur das Beste hat,
0:59:01–0:59:04
besten Personal Trainer, das beste Auto und jetzt auch so froh ist,
0:59:04–0:59:08
dass er den besten Therapeuten gefunden hat, das setzt einen schon unter Druck.
0:59:09–0:59:12
Und die Leute lassen dann angeblich einen auch genauso schnell fallen,
0:59:12–0:59:14
stoßen einen vom Sockel, ja, entwerten.
0:59:16–0:59:20
Und das ist aber auch was, was man in der Gegenübertragung auch schon selber erleben kann,
0:59:20–0:59:23
dass man dieser Person gegenüber vor allem das Gefühl hat,
0:59:23–0:59:26
komisch, ich hatte vorhin zwei Sitzungen, ich habe nachher noch zwei Sitzungen,
0:59:26–0:59:29
da weiß ich, dass es anders ist, aber jetzt gerade habe Gefühl,
0:59:29–0:59:33
mir fällt nichts ein, mein Mund ist trocken, ich kann nix, was mache ich hier
0:59:33–0:59:35
eigentlich, jetzt fliegt alles auf, ich bin doch nur...
0:59:36–0:59:40
Das sind dann auch in der Gegenübertragung Dinge, die vielleicht...
0:59:42–0:59:49
Auch in der Aufrichterhaltung dieser auratischen Person, die einem gegenüber
0:59:49–0:59:53
sitzt, unbewusst oder vorbewusst sind.
0:59:55–0:59:59
Also die Person kommt natürlich auch nur in eine Behandlung,
0:59:59–1:00:02
wenn sie, wenn andere Leute Probleme haben.
1:00:02–1:00:07
Wenn die Frau irgendwie oder der Mann oder der Chef oder die Chefin oder die Kinder,
1:00:07–1:00:14
also irgendwas stellt diese narzisstische Persönlichkeitsorganisation auf die
1:00:14–1:00:17
Probe und dann entstehen Probleme, die aber natürlich erst im Selbstschutz nach
1:00:17–1:00:21
außen projiziert werden, weil man selber ist ja so großartig.
1:00:24–1:00:31
In der Psychodynamik ist so, dass der Begriff des Narziss eigentlich über so
1:00:31–1:00:37
pathologische Sexualverhalten im späten 19.
1:00:38–1:00:43
Jahrhundert in die Psychiatrie reinkam. Da gab es einen deutschen Arzt,
1:00:43–1:00:45
der diesen Begriff aus dem Englischen übernommen hat.
1:00:45–1:00:50
Da hieß es Narcissus-like, also so ähnlich wie Narcissus. Der hat einfach Narzisst
1:00:50–1:00:55
dann gesagt im Deutschen. Und da ging es um, du hast es ja schon angesprochen,
1:00:55–1:00:57
Autoerotik, da ging es um Masturbation.
1:00:58–1:01:04
Und das war klinisch auffallend, das war pathologisch, das war ungesund und.
1:01:09–1:01:12
Zysmus hatte darüber eine Öffnung in die Psychodynamik.
1:01:14–1:01:18
Denn als Freud dann kam und sich natürlich auch mit Sexualentwicklung sehr beschäftigt hat,
1:01:18–1:01:23
weil er hat ja viel eben über diese Triebe und das Verdrängen von Trieben,
1:01:23–1:01:30
das war ja so diese Art, wie er versucht hat, den Leib komplett zu beschreiben,
1:01:30–1:01:33
sowohl auf geistiger als auch auf körperlicher Ebene.
1:01:33–1:01:38
Und da war es so, dass in dieser ersten Entwicklungsphase, nämlich der oralen Phase,
1:01:38–1:01:42
das Kind direkt nach der Geburt einfach sehr, sehr libidinös,
1:01:42–1:01:50
also sehr ungehemmt, sehr autoerotisch auch ist und einfach alles lutscht,
1:01:50–1:01:52
sich selbst lutscht, anfasst.
1:01:52–1:01:58
Also da ist halt diese Idee von Autoerotik völlig gesund.
1:01:59–1:02:01
Freud spricht deshalb von einem primären Narzissmus.
1:02:02–1:02:06
Der hat dann eben gesagt, nee, das Autoerotische ist nicht pathologisch,
1:02:06–1:02:13
sondern es ist ein früher notwendiger Abschnitt, durch den man quasi,
1:02:13–1:02:15
in Anführungszeichen, durch muss.
1:02:15–1:02:20
Und später gibt es dann sekulären Narzissmus, das sind dann erwachsene Menschen,
1:02:20–1:02:24
die aus welchem Grund auch immer, so richtige Gründe benennt er dafür nicht,
1:02:24–1:02:35
sind diese Narzissen nicht in der Lage, ihre Libido auf- oder quasi von sich abzuziehen.
1:02:36–1:02:39
Ihre Libido, diese Selbstliebe, was du auch gesagt hast als Stichwort,
1:02:39–1:02:42
das klebt alles an denen dran.
1:02:43–1:02:48
Während die Psychoanalyse in der frühen Form, Freud selbst gesagt hat,
1:02:48–1:02:51
wir können mit diesen Narzissten, können wir gar nicht arbeiten,
1:02:51–1:02:53
weil die sind so bei sich selber,
1:02:53–1:02:59
die schaffen das gar nicht, dieses Gegenüber-System zu öffnen oder geschweige denn,
1:02:59–1:03:03
die anderen eigene Libido da drauf zu legen,
1:03:03–1:03:10
da drauf zu werfen, da dran zu kleben und deshalb können wir in der Psychoanalyse
1:03:10–1:03:15
auch in der Zusammenarbeit keine Übertragungsneurose herstellen.
1:03:15–1:03:19
Und diese Übertragungsneurose war quasi die Grundlage der frühen psychoanalytischen Arbeit,
1:03:19–1:03:22
das war die Hypothese, dass in der
1:03:22–1:03:26
Übertragungsneurose diese ganzen Beziehungsthematiken wieder auftauchen,
1:03:26–1:03:30
die zu intrapsychischen, bei Freuden auch intrapsychischen Problemen führten
1:03:30–1:03:34
und die lösen sich dann auf, wenn man eine korrigierende emotionale Erfahrung
1:03:34–1:03:36
in der übertragenen Narrose machen kann.
1:03:37–1:03:40
Narzissten konnten sich diesem Gegenüber nicht öffnen und deshalb hat...
1:03:43–1:03:46
Gesagt, dass die Leute einfach für die Psychoanalyse nicht erreichbar sind.
Florian Clauß
1:03:47–1:03:53
Im Prinzip dann auch eine Art von jetzt nicht jetzt eine krankhafte Bezeichnung
1:03:53–1:03:58
auch, aber vor allen Dingen auch, um eine Arbeitsgrundlage zu bekommen,
1:03:58–1:04:01
ja, so eine gewisse Kategorisierung von Patienten.
Micz Flor
1:04:01–1:04:05
Ja, das war eine Trennung. Wir sprechen ja heute auch noch von Borderline.
1:04:06–1:04:10
Es gibt jetzt in diesem, das hat sich ja schon neulich angedeutet,
1:04:10–1:04:15
da habe ich eine Gestalttherapie 2,
1:04:15–1:04:21
der ICD-10 als Kategorien-System, in dem eben Pathologien drin sind und da gibt
1:04:21–1:04:24
es auch Persönlichkeitsstörungen und das wurde jetzt bei dem ICD-11,
1:04:24–1:04:29
der offiziell seit letztem Jahr 2022 schon gilt, aber den noch nicht wirklich
1:04:29–1:04:36
Anwendung findet, da wurden eigentlich diese Persönlichkeitsstörungen als solche
1:04:36–1:04:39
abgeschafft, bis auf Borderline.
1:04:39–1:04:43
Dann hat man beibehalten, weil das wirklich so sehr, sehr, sehr stark beforscht
1:04:43–1:04:47
wurde und weil es da auch viel Evidenzstudien für bestimmte Behandlungsansätze
1:04:47–1:04:54
gibt, die dann eben auch weiterhin verfügbar sein sollten für Patienten mit genau dieser Störung.
1:04:54–1:04:57
Und diese Störung, das habe ich ja auch schon bei Encanto gesagt,
1:04:57–1:05:01
ist halt eben diese Einteilung neurotisch auf der einen Seite,
1:05:01–1:05:06
das kann man psychoanalytisch behandeln, psychotisch auf der ganz anderen Seite,
1:05:06–1:05:09
das sind diese drei Töchter gewesen in Encanto, auf der ersten Ebene.
1:05:10–1:05:14
Und in der Mitte Borderline, das sind Menschen,
1:05:14–1:05:18
die noch einen Realitätsbezug haben,
1:05:18–1:05:23
die Impulskontrollstörungen haben, die sich symptomatisch dadurch auszeichnen,
1:05:23–1:05:27
dass sie intensive Beziehungen führen, dass diese Beziehungen aber oft nicht
1:05:27–1:05:33
sehr lange dauern oder immer wieder auch von großen Krisen geprägt sind.
1:05:33–1:05:39
Und dieses Borderline ist quasi der Schritt ins Psychotische, dieser Durchgang.
1:05:40–1:05:46
Und für die Königin oder die Stiefmutter jetzt bei Schneewittchen,
1:05:46–1:05:48
Schneewittchen oder Schneeweißchen.
Florian Clauß
1:05:52–1:05:55
Schneeweißchen, ja, Schneeweißchen ist auch eine Form.
Micz Flor
1:05:56–1:06:01
Da wäre natürlich dann die Königin über den Spiegel,
1:06:01–1:06:05
in so einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur,
1:06:05–1:06:13
der Persönlichkeitsstörung, dass die selbst ihre eigene Tochter eher auffressen würde,
1:06:13–1:06:22
als zulassen kann, dass sie diese Beziehung irgendwie erlebt, sich dem öffnet oder so.
1:06:22–1:06:24
Das ist schlecht ausgedrückt. Aber die ist quasi am Spiegel.
1:06:25–1:06:28
Das ist das Bild dafür, dass sie bei sich selber bleibt.
Florian Clauß
1:06:28–1:06:32
Das heißt, du würdest ihr auch da tatsächlich so eine narzisstische Störung attestieren?
Micz Flor
1:06:34–1:06:40
Ja, das ist dann wieder eine Interpretationsfrage. Okay. Weil der Spiegel wird dann ...
1:06:41–1:06:44
Psychodynamisch gibt's zwei Deutungen für den Spiegel. Was du jetzt sagst,
1:06:44–1:06:48
ist halt so, in diesem klassischen Bild von Narcissus ist die mit ihrem eigenen
1:06:48–1:06:49
Spiegelbild beschäftigt.
1:06:50–1:06:53
Und wenn man dann noch anguckt, was kriegt die denn auf die Rolle,
1:06:53–1:07:01
dann legt die alles daran, ihre Tochter umzubringen, weil die Tochter ihre Grandiosität,
1:07:01–1:07:04
ihre Schönheit in Frage stellt, oder sie übertrumpfen könnte.
1:07:05–1:07:09
Und das löst in der Mutter einfach etwas aus, wo es ihr lieber ist,
1:07:09–1:07:15
die Tochter umbringen zu lassen und aufzufressen, als dass sie mit dieser Veränderung
1:07:15–1:07:18
und auch dem eigenen Werdegang, dem eigenen Leben umgeht.
1:07:18–1:07:22
Es ist also eine ganz, ganz große, ganz tiefgehende Krise, die bei ihr wirklich
1:07:22–1:07:25
Unmenschliches auslösen kann.
1:07:25–1:07:29
Das ist dann ein bisschen eben auch das, was man auch so gemeinhin in den sozialen
1:07:29–1:07:32
Medien als Narzissist irgendwie beschreibt.
1:07:32–1:07:37
Menschen, die halt von jetzt auf gleich irgendwie unberechenbar reagieren und
1:07:37–1:07:40
bei der geringsten Kritik Kritik dann irgendwie gleich zu tun.
1:07:40–1:07:47
Und um sich schlagen mit Wörtern oder auch echt. Also das wäre diese ganz konkrete Deutung.
1:07:48–1:07:52
Weil man den Spiegel wirklich wie bei Narzissus sieht, als diese Wasseroberfläche.
1:07:54–1:07:58
Es gibt halt diese beiden anderen. Das eine, hab ich ja schon gesagt, ist der Vater.
1:07:59–1:08:04
Ähm ... Ich glaub, der hieß Daf, das ist auch so eine psychoanalytische Deutung.
1:08:04–1:08:08
Die ziemlich extrem ist, der Spiegel ist der Vater.
1:08:08–1:08:12
Und da musste ich dann so ein bisschen schmunzeln, als du vorhin vorgelesen
1:08:12–1:08:17
hast, eines der Märchen der gleichen Kategorie ist auch das Märchen vom Vater.
1:08:17–1:08:21
Ich fand es halt so ein bisschen absurd,
1:08:21–1:08:24
dass es ein Märchen jetzt auf einer symbolischen Ebene sein kann,
1:08:24–1:08:28
dass der Spiegel der Vater ist und der Vater dann seiner Frau sagt,
1:08:28–1:08:33
also jetzt finde ich deine Tochter, also wirklich gerade irgendwie sieht die attraktiver aus als du.
1:08:33–1:08:36
Aus als du. Das ist eine ganz komische Familie, die da auch entsteht.
1:08:38–1:08:42
Aber es bleibt plausibel. Also irgendwie kann man da mit der Deutung was anfangen.
1:08:42–1:08:46
Und die andere Deutung, das ist eben die von Bettelheim, der sagt,
1:08:46–1:08:50
der Spiegel, das ist die Tochter. Also das Märchen wird quasi erzählt von der Tochter.
1:08:50–1:08:55
Und gerade als Beweis führt auch an, dass der Spiegel, glaube ich,
1:08:55–1:08:59
beim zweiten Mal irgendwie so was sagt, ja, die ist tausendmal schöner als du.
1:09:00–1:09:04
Und das ist dann irgendwie wie so ein pubertierendes Mädchentalk,
1:09:04–1:09:08
so meint er. Das ist dann quasi nochmal ein Hinweis, dass dieser Spiegel eigentlich
1:09:08–1:09:10
die Tochter ist, die Stimme der Tochter.
Florian Clauß
1:09:10–1:09:18
Und kann man jetzt, wenn Freud dann sagt, dass in einer gewissen Phase normal
1:09:18–1:09:21
ist, dass das so ein Ich-Bezug da ist, ja?
1:09:22–1:09:26
Kann man sagen, dass die Mutter in dieser Phase dass er irgendwie hängen geblieben ist.
Micz Flor
1:09:29–1:09:33
Also, wenn du eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hast,
1:09:33–1:09:35
da geht man eigentlich ...
1:09:38–1:09:43
Im Psychodynamischen immer davon aus, dass es sich um eine frühkindliche und
1:09:43–1:09:44
eine Bindungsstörung handelt.
1:09:44–1:09:49
Das heißt, du hast eine primäre Bezugsperson, meistens die Mutter,
1:09:49–1:09:54
die kalt, abweisend, aggressiv oder so ...
1:09:55–1:09:57
Vielleicht unberechenbar auch irgendwie war.
1:09:58–1:10:09
Und als Schutzfunktion hat das Kind dann entweder diese Überhöhung schon mitentwickelt
1:10:09–1:10:13
als Schutz oder eben aber auch eine depressive Akzeptanz der Situation.
1:10:14–1:10:17
Aber man geht dann davon aus, dass die Königin, um das zu übertragen,
1:10:17–1:10:23
dass die selber als sehr frühes Kind, also diese orale Phase,
1:10:23–1:10:26
in der das passieren würde, ist so von 0 bis erstes Lebensjahr.
1:10:26–1:10:33
Dass das die Zeit ist, in der sie auf der Bindungsebene zu ihrem primären Bezugsperson,
1:10:33–1:10:39
Personen, einfach keine angemessene Spiegelung,
1:10:39–1:10:49
Annahme, keine Emotionalität erlebt hat, sondern im Prinzip in einer kalten,
1:10:49–1:10:53
abgegrenzten, gespaltenen vielleicht sogar Beziehung war.
Florian Clauß
1:10:53–1:11:02
Ja. Aber dieses äh diese Erfahrung scheint sie ja dann nicht auch Schneewittchen erleben zu lassen,
1:11:02–1:11:10
weil Schneewittchen scheint ja erst mal so als ein normales Kind dann auch zu zu wirkt ja dann so.
Micz Flor
1:11:10–1:11:14
Ja, das ist dann eben auch wieder diese Frage von diesem Umschreiben,
1:11:14–1:11:18
das hat ihr vorhin gesagt, das hat die Mutter in deiner Version,
1:11:18–1:11:23
dann wird's die Stiefmutter und ich Ich frage mich dann, warum wurde aus der
1:11:23–1:11:24
Mutter die Stiefmutter?
1:11:24–1:11:28
Wurde die Stiefmutter da raus, weil dann zum Beispiel diese Mutter-Tochter-Beziehung
1:11:28–1:11:31
ein bisschen entschärft wird, die Dramatik?
1:11:32–1:11:36
Oder vielleicht sogar wirklich, weil das Kannibalistische dann auch so ein bisschen
1:11:36–1:11:39
entschärft wird? Vielleicht war es einfach zu krass, wenn die Mutter ihr Kind ist?
1:11:40–1:11:44
Vielleicht war es besser, wenn die Stiefmutter das Kind ist?
1:11:44–1:11:48
Irgendwie konnte man das vielleicht eher zulassen, ne? Das konnte man eher weitererzählen.
1:11:50–1:11:58
Aber diese Weitergabe, ich habe in der Vorbereitung auch noch mal so ein bisschen versucht,
1:11:58–1:12:02
deshalb hier die Europa-Märchen-Sache, ich habe es mir nicht noch mal angehört,
1:12:02–1:12:05
aber ich habe noch mal versucht, wie war das denn damals, was habe ich denn
1:12:05–1:12:06
da so erlebt, wenn ich das gehört habe.
1:12:07–1:12:12
Weil natürlich alle Interpretationen, ob jetzt kosmologisch oder psychodynamisch,
1:12:12–1:12:14
leben auch von der Plausibilität.
1:12:15–1:12:19
Und die Plausibilität ist ja dann immer auch zeitgeistig eingepackt,
1:12:19–1:12:22
kulturell eingepackt, passt das bei uns oder nicht?
1:12:23–1:12:30
Und da war das so, ich habe das wirklich vor meiner sexuellen Aufklärung,
1:12:30–1:12:33
vielleicht sogar vor der Grundschule, der ersten Grundschule,
1:12:33–1:12:38
da habe ich das gehört, da habe ich mich mit den Märchen so auf der Schallplatte beschäftigt.
1:12:38–1:12:42
Und ich weiß noch, dass die Tatsache, dass Schneewittchen bei den sieben Zwergen
1:12:42–1:12:45
ist, irgendwas daran war mir so ein bisschen mulmig.
1:12:45–1:12:49
Also das war wirklich, ich würde jetzt nicht sagen, es war sexuell aufgeladen,
1:12:49–1:12:54
aber es geht irgendwie in die Richtung. Ich hatte so das Gefühl, das ist aber komisch.
1:12:58–1:13:01
Also deshalb finde ich, das fand ich so ganz interessant, weil wenn man jetzt
1:13:01–1:13:03
zu viel reindeutet, dann verliert man das vielleicht auch wieder,
1:13:03–1:13:08
dass man dann wirklich nur auf so eine Ratio-Ebene geht und das deutet und dann
1:13:08–1:13:09
immer Anknüpfungspunkte findet.
1:13:11–1:13:15
Und ich schon, ich weiß nicht, kannst du dich daran erinnern?
1:13:16–1:13:17
Aus der Kindheit noch oder ...
Florian Clauß
1:13:18–1:13:25
Nee, nicht wirklich. aber irgendwie ja so die Zwerge waren ja schon so eine
1:13:25–1:13:31
gewisse Identifikationseinheit für Kind und dann die Vorstellung,
1:13:31–1:13:36
dass ein wunderschönes Mädchen kommt und in dem Haushalt mitwirkt,
1:13:36–1:13:37
das hat ja schon was Anziehendes.
Micz Flor
1:13:39–1:13:44
Ja, also irgendwas war damit, das heißt dieses Gefüge tut was,
1:13:44–1:13:47
was wirklich über die Wochentage hinausgeht.
1:13:50–1:13:55
Und in der psychodynamischen Spettelheims-Analyse geht es halt dann,
1:13:55–1:13:58
oder Deutung, Entschuldigung, geht es dann darum, dass,
1:13:58–1:14:00
wie du auch schon gesagt hast,
1:14:00–1:14:03
natürlich das Schneewittchen gleichzeitig unschuldig ist, ist weiß,
1:14:03–1:14:09
ist aber auch gleichzeitig an der Schwelle eben zur jungen Frau,
1:14:09–1:14:15
das ist das Rote, das ist die blutung das ist dann irgendwie wie bei rotkäppchen
1:14:15–1:14:16
auch also das ist dann diese,
1:14:21–1:14:22
einsetzende Regelblutung.
Florian Clauß
1:14:22–1:14:24
Ja, und auch vor allen Dingen die Sexualität, die sie entwickelt,
1:14:24–1:14:25
und diese Lebhaftigkeit.
1:14:27–1:14:31
Sie ist ja auch so, oh ja, dann komm mal rein. Ja. Oh, kein Problem.
1:14:33–1:14:36
Schneewittchen, denk doch mal ein bisschen weiter, ja?
Micz Flor
1:14:36–1:14:39
Ja, und das ist nämlich aber auch, wenn man sich mal überlegt,
1:14:39–1:14:43
ist dann auch wieder bei Bettelheim der Beweis für diese Hypothese,
1:14:43–1:14:47
was bringt die denn mit, diese Krämerin?
1:14:47–1:14:52
Die bringt Schnürriemen, einen Kamm, also alles Dinge, um sich schön zu machen.
1:14:54–1:14:59
Da wird doppelt das Verführerische angesprochen. Einerseits lässt sie sich von
1:14:59–1:15:03
der Kämmerin verführen mit Dingen, die sie als junge Frau darstellen können.
1:15:03–1:15:08
Und gleichzeitig ist diese Darstellung selber auch so, dass sie den Wunsch hat,
1:15:08–1:15:12
verführerisch zu werden, also sich schön zu machen. Sie würde vielleicht nicht
1:15:12–1:15:17
verführerisch als Wort verwenden, aber man merkt schon, dass sie so an der Schwelle steht.
1:15:18–1:15:20
Und die Zwerge sind in gewisser Weise an dem Punkt abgehängt.
1:15:22–1:15:27
Also das sagt Bettelheim auch, die sind quasi auf einer kindlichen Ebene stecken geblieben,
1:15:27–1:15:31
die noch vor diesem ödipalen Dreieck ist, weil Bettelheim auch sagt,
1:15:31–1:15:39
die Grundproblematik in diesem Märchen ist halt der ödipale Konflikt.
1:15:39–1:15:41
Also Tochter, Mutter, Tochter, Vater.
1:15:42–1:15:46
So, jetzt sind wir eine kurze Pause, sind wir hier angekommen an dieser Kleingartenanlage.
1:15:48–1:15:51
Die heißt Freiheit, aber die Tür ist abgeschlossen.
Florian Clauß
1:15:51–1:15:57
Abgeschlossen. Ja, ich dachte, hier kämen wir durch, aber hier scheint alles...
1:15:59–1:16:03
Abgeschlossen zu sein. Also wir müssen irgendwie anders uns durchkämpfen, Mitch.
Micz Flor
1:16:03–1:16:05
Wir sind gar nicht mehr am Kanal, oder?
Florian Clauß
1:16:05–1:16:07
Wir sind schon lange nicht mehr am Kanal.
Micz Flor
1:16:08–1:16:09
Das ist mir gar nie aufgefallen.
Florian Clauß
1:16:10–1:16:17
Das ist so ein kleiner verlassener Arm, der zwischen eben, ja der noch zu Neukölln
1:16:17–1:16:23
gehört hier, würde ich mal sagen, aber parallel quasi zur Kiefholzstraße läuft.
1:16:24–1:16:27
Das ist immer diese Silhouette an den Hochhäusern, Hochhäusern,
1:16:27–1:16:28
die man dann von Weitem sieht.
Micz Flor
1:16:28–1:16:33
Ja, das ist interessant. Hier kommt wirklich ganz viel Berlin zusammen.
1:16:33–1:16:41
Also diese Nachkriegs-West-Bauten, Hochhäuser, um die Leute unterzubringen,
1:16:41–1:16:43
weil der Raum ein bisschen begrenzt war innerhalb der Mauer.
1:16:43–1:16:47
Und die Kleingartenanlage, die gerade sagt, es ist genug Platz für alle da.
Florian Clauß
1:16:47–1:16:50
Ja, und vor allen Dingen, die konnte sich ja quasi, Kleingartenanlagen hatten
1:16:50–1:16:54
wir auch an der Grenze. Also am Potsdamer Platz, das war ja auch voll von Kleingartenanlagen.
1:16:55–1:16:58
Die mussten jetzt alle weichen. Hier ist noch so ein Mauerstreifen,
1:16:58–1:17:02
wo die sich dann noch so halten konnten über die ganzen 30, 40 Jahre.
1:17:02–1:17:07
Also das, ja, zur Stadtentwicklung ist das ja ein ganz interessantes Gebiet.
1:17:12–1:17:13
Okay, lassen Sie mal zurückkehren zu Schneewittchen.
1:17:17–1:17:18
So, deine letzte Anmerkung.
Micz Flor
1:17:19–1:17:22
Was in dieser psychodynamischen Deutung auch noch vorkommt,
1:17:22–1:17:27
ist, dass diese Apfel,
1:17:27–1:17:31
also diese Riemen und der Kamm zuerst,
1:17:31–1:17:34
Riemen und Kamm,
1:17:34–1:17:42
da können die Zwerge sie noch zurückholen, aber wenn sie in den roten Apfel beißt,
1:17:42–1:17:45
Nicht in irgendeinem Apfel, sondern in die rote Seite des Apfels,
1:17:45–1:17:51
also dieser Biss, der ist in dem Fall tödlich.
1:17:52–1:17:56
Erinnert mich dann auch wieder an Oppenheimer, so mit der Spritze im Apfel.
Florian Clauß
1:17:56–1:17:58
Ja, die eine Seite des Apfels.
Micz Flor
1:18:00–1:18:04
Oder Turing, der sich ja selber so umgebracht hat auch.
Florian Clauß
1:18:05–1:18:06
Hat er sich mit einem Apfel umgebracht?
Micz Flor
1:18:06–1:18:09
Ich glaube, der hat einen Apfel vergiftet, einen vergifteten Apfel gegessen.
Florian Clauß
1:18:09–1:18:10
Okay. Krass.
Micz Flor
1:18:16–1:18:19
Da beißt sie dann also den Apfel. Das ist jetzt nichts mehr,
1:18:19–1:18:22
was sie so äußerlich sich hübsch macht, sondern sie beißt zu.
1:18:23–1:18:28
Und in dem Moment können die Zwerge nichts mehr ausrichten.
Florian Clauß
1:18:29–1:18:37
Ja, weil es halt quasi kein äußerliches Mangel ist, sondern der ist ja dann internalisiert.
1:18:41–1:18:48
Und das heißt, da wird sie ja quasi zu einem Porträt, das ist auch so.
1:18:50–1:18:54
Ich wollte jetzt nochmal den Strang aufgreifen, nämlich,
1:18:54–1:19:01
was du gesagt hast mit das Schneewittchen durch diese Praktiken bei den Zwergen,
1:19:01–1:19:09
dann sich als junge Frau, also quasi als ein erwartetes Gesellschaftsbild instanziert,
1:19:09–1:19:12
um die Rolle der Frau da zu spielen.
1:19:12–1:19:16
Das ist ja so, du musst nähen, du musst waschen, du musst kochen,
1:19:16–1:19:19
du musst hübsch sein, bitte mach das und dann kannst du hier bleiben.
1:19:19–1:19:22
Das ist ja so ein ganz männlicher Blick.
1:19:23–1:19:31
Also die Frau als Accessoire, die dann geduldet wird, solange sie ihre Rolle dann ausfüllt, ja.
1:19:31–1:19:35
Das ist ja so, ne, das was dann auch und sie friert ja dann,
1:19:35–1:19:39
sie führt ja ihre Rolle weiter aus in dem Moment, wenn sie diesen Apfel schluckt
1:19:39–1:19:45
und nicht stirbt, nicht vergeht, sondern sie wird ja dann quasi in ihrer Schönheit wird sie dann fixiert.
1:19:45–1:19:48
Das ist quasi so, also wenn du jetzt in der Mediengeschichte,
1:19:48–1:19:50
das wollte ich dann auch nochmal einbringen,
1:19:50–1:19:55
der Spiegel ist so, so als quasi als das bürgerliche Relikt,
1:19:55–1:19:59
dass es auch im bürgerlichen Haushalt eingesetzt werden konnte,
1:19:59–1:20:04
fing dann an, weil dann die Produktion so günstig war, dass jeder sich einen
1:20:04–1:20:09
Spiegel leisten konnte, dass damit auch die bürgerliche Familie so fixiert wurde.
1:20:11–1:20:15
Man konnte sich selber sehen, es war nicht mehr nur die Pfütze,
1:20:15–1:20:23
sondern es war tatsächlich ein Accessoire, mit dem die Selbstreflexion dann gemacht werden konnte.
1:20:23–1:20:27
Und damit halt auch durch so ein gesellschaftliches Bild. Das heißt,
1:20:27–1:20:30
auf der einen Seite wird auch in der Kulturgeschichte des Spiegels gesagt,
1:20:30–1:20:34
dass es zu einer Emanzipation von Frauen kommt, weil sie sich so sehen konnten,
1:20:34–1:20:36
wie sie sich sehen wollen.
1:20:36–1:20:40
Gleichzeitig aber auch der männliche Blick in diesem Spiegel mit drin hängt,
1:20:40–1:20:43
nämlich genau dieses Rollenbild von der
1:20:43–1:20:46
Frau, wie sie erwartet wird in der Gesellschaft, dass die das erfüllen.
1:20:46–1:20:52
Und dieser Blick im Spiegel, der eine scheinbar objektive Instanz ist,
1:20:52–1:20:56
Weil dieses magische Relikt, was dann die Königin einsetzt, um zu wissen,
1:20:56–1:21:00
ob sie die schönste ist, ist ja so, ja, der Spiegel weiß halt auch,
1:21:00–1:21:02
dass es auch noch eine Wittchen lebt.
1:21:02–1:21:07
Also dieses Magische in dem Spiegel, der aber so eine objektivierbare,
1:21:07–1:21:11
eine objektive Instanz ist und die dann nicht lügt.
1:21:12–1:21:18
Das heißt, hier haben wir so den Spiegel als eine Art von Globalisierungseinheit.
1:21:22–1:21:26
Das heißt, der Spiegel weiß Bescheid über alle Bilder in der Welt.
1:21:26–1:21:32
Und kann das dann wieder so rausprojizieren und als Information dann der Königin geben.
1:21:33–1:21:37
Und daraufhin wird ja quasi ihre Motivation, die Tochter umzubringen, ausgelöst.
1:21:41–1:21:45
Und jetzt will ich jetzt meinen Schritt in Richtung,
1:21:45–1:21:49
was hat das heute noch für eine Bedeutung,
1:21:49–1:21:53
ist, dass natürlich irgendwo diese ganze Selfie-Culture,
1:21:53–1:21:57
diese ganzen Filter und alles Mögliche,
1:21:57–1:22:03
was man in diesen sozialen Medien als Techniken findet, um sich selber zu präsentieren,
1:22:03–1:22:09
um sich selber dann auch schöner zu machen, um so ein äußerliches Bild der Schönheit dann darzustellen.
1:22:09–1:22:15
Das ist ja so diese Selfie-Culture, das was dann die Fotografie schließt ja dann irgendwann an.
1:22:15–1:22:22
Die ersten Fotos wurden 1827 oder so gemacht und bis dann halt technische Verfahren
1:22:22–1:22:26
entwickelt wurden, die jetzt nicht irgendwie, wo man sich nicht drei Stunden
1:22:26–1:22:28
lang hinsetzen müsste, um belichtet zu werden.
1:22:28–1:22:33
Also es ging dann irgendwann so 1850, 1860 waren dann so die Fotografien,
1:22:33–1:22:35
haben dann auch irgendwann die Porträtmalerei abgelöst. Das heißt...
1:22:36–1:22:40
Die Möglichkeit, irgendwelche Bilder, gesellschaftliche Bilder zu fixieren und
1:22:40–1:22:43
so eine Schönheit auch zu fixieren.
1:22:43–1:22:48
Also Festzeit, was vorher nur im Porträtmalerei, aber dieses immer näher dran
1:22:48–1:22:54
an der Echtheit zu sein, in dem dann eben so ein Spiegelbild quasi eingefroren
1:22:54–1:22:56
wird. Und das haben wir in diesem gläsernen Sarg.
1:22:57–1:23:00
Der gläserne Sarg, der nix anderes ist als so eine Instakachel, ja?
1:23:04–1:23:08
Der Prinz verliebt sich ja auch nur in ein Spiegelbild. Du hast ja das,
1:23:08–1:23:13
was die Königin sich selber in dem Spiegel sieht, sich da selber verliebt drin.
1:23:13–1:23:17
Das ist ja nichts anderes als beim Prinzen. Der kennt ja gar nicht Schneewittchen.
1:23:17–1:23:19
Er sieht nur ihre Schönheit und verliebt sich in diese Schönheit.
1:23:20–1:23:25
Und das ist ja auch genau so eine, wie soll man sagen, das ist ja auch eine
1:23:25–1:23:28
völlige Irreführung von Liebe oder von Erkenntnis.
1:23:29–1:23:34
Weil es halt nur eine eingefrorene Kachel ist und die schleppt er überall mithin.
1:23:34–1:23:38
Ja, also das ist ja auch so ein bisschen so ein narzisstischer Gedanke von einem
1:23:38–1:23:41
Prinzen. Er lässt die überall mithin schleppen und dann finde ich wieder diese
1:23:41–1:23:46
Motivation von dem Kameradiener, der dann halt sagt, ich habe keinen Bock mehr,
1:23:46–1:23:47
die Frau überall hinzuschleppen.
1:23:48–1:23:52
Und dann mit der dann halt so rummantiert, dass es dann eben der Absech löst
1:23:52–1:23:53
und das zum Leben erweckt wird. Und dann...
Micz Flor
1:23:53–1:23:54
Das ist admin.
Florian Clauß
1:23:54–1:23:59
Das ist genau so, ja. Und dann fängt das halt wieder so von vorne an.
1:23:59–1:24:05
Und dann wird geheiratet und die böse Einheit wird dann aus der Welt entfernt,
1:24:05–1:24:09
tanzend, in glühenden... Und ich glaube, wenn du fragst, was ist mir gehäng
1:24:09–1:24:12
geblieben als Kind, dann ist mir dieses Bild schon sehr eingebrannt.
1:24:13–1:24:17
Das mit glühenden Pantoffeln zu Tode tanzen.
1:24:17–1:24:22
Das ist dann auch wieder so eine Bösartigkeit, die dann auch in so einer Rache
1:24:22–1:24:25
auch wieder so brachial ist,
1:24:25–1:24:30
wie halt die Leber zu essen von, ne, die Leber war ja woanders,
1:24:30–1:24:33
die Lunge. Und die Leber, oder?
Micz Flor
1:24:33–1:24:34
Leber und Lunge des Geschlechts.
Florian Clauß
1:24:34–1:24:39
Ja, ja, ja, ja, gut. Das ist dann wieder Prometheus, der da quasi mit anklang.
1:24:40–1:24:43
Also muss man mal gucken, für was steht eigentlich die Leber, ne?
1:24:43–1:24:48
Die Leber wird wahrscheinlich auch in dieser, in dieser Säftelehre dann irgendwo
1:24:48–1:24:51
eine Einheit haben, die dann auch irgendwie, müsste man mal gucken,
1:24:51–1:24:56
warum bei Prometheus die Leber und warum hier die Leber Und was die Lunge bedeutet.
1:24:56–1:24:59
Also ich glaube, man kann unglaublich viele verschiedene...
1:25:01–1:25:06
Folien anlegen, das Märchen finde ich nach wie vor faszinierend,
1:25:06–1:25:16
hat in der Komplexität und der Ambivalenz wieder so einen Platz in der Popkultur,
1:25:16–1:25:21
dass das auch einfach gerechtfertigt ist.
1:25:22–1:25:27
Du merkst, ich suche so langsam den Ausgang aus unserer Episode.
1:25:28–1:25:32
Ich versuche, abschließende Worte zu finden, was mir nicht gelungen ist.
Micz Flor
1:25:32–1:25:39
Bettelheim hat ja noch was anderes gesagt. Dieses Freezing, nachdem sie einen
1:25:39–1:25:42
Apfel gebissen hat, ist ja für ihn einfach wirklich der Tod.
1:25:42–1:25:45
In dem Moment ist es quasi vollzogen.
1:25:46–1:25:50
Der Geschlechtsakt ist vollzogen, auch wenn es die Mutter war, die das zugeführt hat.
1:25:50–1:25:54
Und das Kind stirbt. Und es erwacht danach dann eben die Frau.
1:25:54–1:25:55
Also wie so eine Schmetterlingsmetamorphose.
Florian Clauß
1:25:57–1:26:04
Ja gut, dann auch der Sarg quasi als Einheit für die Bildung des Imagos.
Micz Flor
1:26:05–1:26:10
Und dann kommt auf der anderen Seite kommt dann eben die Frau raus. Das war bei ihm das.
1:26:12–1:26:16
Und ja, aber ist das ein besserer Ausgang? Ich dachte, vielleicht kann ich dir helfen.
Florian Clauß
1:26:16–1:26:21
Ne, ja, auch. Aber ich würde sagen, wir sind da auch ziemlich durch.
1:26:22–1:26:30
Ich habe mir noch mal Man notiert das Spiegel als magische Einheit auch in der Tastatur.
1:26:31–1:26:36
In der ganzen Kulturgeschichte immer wieder vorkommt, dass man Spiegel verhängt,
1:26:36–1:26:40
sobald jemand gestorben ist, weil man die Angst hatte, dass dann die Seele des
1:26:40–1:26:42
Verstorbenen gefangen wird.
1:26:42–1:26:49
Der Spiegel, ähnlich wie die Fotografie, und deswegen ist diese Medienrezeption
1:26:49–1:26:51
von Fotografie und Spiegel sehr parallel.
1:26:54–1:26:58
Die Fotografie, wo man auch die Angst hatte, es kann Seelen einfrieren, verdammt.
1:26:59–1:27:02
Und da gibt es ja auch genügend Filme, die dann auch so damit spielen, ja.
1:27:03–1:27:08
Und der Spiegel, wo auch der Basilisk zum Beispiel, wenn er,
1:27:08–1:27:12
sobald er in sein eigenes Spiegelbild guckt, wird der dann, kann er bekämpft
1:27:12–1:27:14
werden, wird er eingefroren.
1:27:14–1:27:20
Ja, also der Spiegel taucht in verschiedenen Sagen und Märchen immer wieder
1:27:20–1:27:24
als so eine magische Größe auf, die...
Micz Flor
1:27:25–1:27:31
Klar, der Vampir, der sich eben nicht selber sehen kann Selbst bei Harry Potter
1:27:31–1:27:35
gibt es ja diesen Spiegel, wo Harry dann seine Eltern sieht oder sowas,
1:27:35–1:27:37
weil man sieht, was man sich wünscht.
1:27:38–1:27:40
Das ist ja auch eine Weiterführung. Also das bleibt bestehen.
1:27:43–1:27:47
Das ist dann auch wieder das narzisstische Thema, was man allgemein so ein bisschen
1:27:47–1:27:50
als schlecht, hochnäsig, arrogant hinstellt.
1:27:50–1:27:55
Aber in Wahrheit ist es natürlich so, dass jeder auch einen konstruktiven Narzissmus in sich hat.
1:27:55–1:27:59
Sich hat. Das ist in der Regel sogar allein durch die Scham,
1:27:59–1:28:03
die man so hat, schon mit angelegt, dass wir uns schön machen.
1:28:03–1:28:05
Deswegen ist es auch, dass wir nach was aussehen wollen.
1:28:06–1:28:10
Und bei Menschen, die diese Scham verloren haben und die auch keinen konstruktiven
1:28:10–1:28:11
Narzissmus mehr an sich,
1:28:11–1:28:16
also sich selber nicht mehr kleiden oder sich einfach nicht mehr kümmern um
1:28:16–1:28:20
Hygiene und so, das ist dann eher auch schon was, was man im ersten Kontakt
1:28:20–1:28:24
gleich sieht und bewertet und was dann auch und dann eher auf die Straße.
1:28:24–1:28:29
Also wenn man Narzissmus gar nicht mitbringt in so einer konstruktiven Form,
1:28:29–1:28:32
dann ist es auf alle Fälle auch schwieriger, mit Menschen in Kontakt zu treten.
1:28:32–1:28:33
Also es ist nicht alles negativ.
Florian Clauß
1:28:35–1:28:38
Ja, also nochmal zurück zu Harry Potter-Spiegel.
1:28:39–1:28:43
Ein Spiegel, der auch die Idee besteht, dass alle Reflektionen,
1:28:43–1:28:46
die in dem Spiegel dann so jemals aufgetaucht sind,
1:28:46–1:28:50
dass die dann auch irgendwo von dem Spiegel dann gemerkt werden,
1:28:50–1:28:58
dass er diese Bilder speichert oder bei Harry Potter halt quasi so Welten zeigt,
1:28:58–1:29:03
die jetzt noch nicht eingetreten sind, also dann so als so ein Propheteierungstool,
1:29:03–1:29:11
ja, also so eine Wahrsagerei wird häufig auch dann Spiegel eingesetzt als ein Relikt.
1:29:12–1:29:18
Also man Man sieht, der Spiegel ist da sehr vielfältig in der Sagenkultur.
Micz Flor
1:29:22–1:29:29
Jetzt gehen wir dann für die nächste Folge, gehen wir dann eben weiter in deine Märchenkategorien.
1:29:29–1:29:32
Da gehen wir dann von Schneewittchen zu Rotkäppchen.
1:29:34–1:29:37
Und gleichzeitig haben Sachen, die wir jetzt schon angeführt haben,
1:29:37–1:29:39
die finden dann erst einen theoretischen Hintergrund.
1:29:40–1:29:43
Werden da vielleicht erst erklärt. Und trotzdem habe ich für mich das Gefühl,
1:29:43–1:29:46
dass ich in dieser Folge jetzt schon ein bisschen weiter bin als bei Rotkäppchen,
1:29:46–1:29:51
was das Märchenthema angeht, indem ich mich ein bisschen mehr noch Erich Fromm
1:29:51–1:29:56
anschließe, der beim Märchendeutung auch sagt, es geht immer darum,
1:29:56–1:30:00
was diese Bedeutung für die Person hat, also wenn wir Traumdeutung machen.
1:30:01–1:30:05
Es geht nicht um generelle Archetypen, es geht nicht nur um verdrängte Sexualität,
1:30:05–1:30:08
sondern es geht darum, dass die Dinge auch zukunftsgerichtet sein können,
1:30:08–1:30:11
dass da Bilder entstehen können, die einem auch helfen können,
1:30:11–1:30:13
da auch konstruktive Anteile drin sein können.
1:30:13–1:30:16
Und bei Märchen, und das hast du ja auch schon mal gesagt, warum wird dieses
1:30:16–1:30:20
Märchen immer noch vervielfältigt, umgeschrieben, neu aufgelegt?
1:30:21–1:30:26
Das ist dann auch so ein bisschen ein Zeichen einfach, dass Märchen wie Träume
1:30:26–1:30:29
für die Gesellschaft funktionieren und scheinbar in der Gesellschaft das einfach
1:30:29–1:30:30
noch eine Anbindung findet.
1:30:30–1:30:35
Und das fand ich jetzt noch mal ganz spannend. Auch die Sachen,
1:30:35–1:30:39
die du gehört hast, hatte ich noch nie gehört, die du mitgebracht hast,
1:30:39–1:30:40
Kosmologie und so, fand ich die Teilchen.
Florian Clauß
1:30:40–1:30:44
Ja, ja, da gibt es halt wirklich viele Erklärungsansätze. Guck mal,
1:30:44–1:30:48
hier können wir in den Bus steigen, oder?
Micz Flor
1:30:48–1:30:50
41er. 41er, wo fährt der lang?
Florian Clauß
1:30:52–1:30:54
Sonnenallee, da haben wir Platz. Ja, dann nehmen wir den doch.
1:30:55–1:31:00
Also Mitch, das war meine Episode, wo du einen ganz maßgeblichen Teil von getragen hast.
Micz Flor
1:31:01–1:31:03
Vielen Dank für die Vorbereitung. Ich hab eine Sache vergessen,
1:31:03–1:31:07
die mach ich, bevor wir schlussendlich rein. Diese drei Formen des Narzissmus.
1:31:07–1:31:10
Das eine ist das, was man gemeinhin so als ...
1:31:14–1:31:18
Als blasierte, arrogante, vielleicht auch aggressive ... Person wahrnimmt.
1:31:18–1:31:20
Das Zweite ist die Kehrseite dessen, das Depressive.
1:31:21–1:31:25
Die Person hat keine Depression, sondern ihr Selbstwertgefühl ist implodiert,
1:31:25–1:31:30
in sich zusammengefallen, eher eine Folge von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung
1:31:30–1:31:34
ist, aber sich auf der Symptomebene im ersten Anschein als Depression äußert,
1:31:34–1:31:39
was aber trotzdem einfach anders behandelt werden müsste, wenn man genauer hinschaut.
1:31:39–1:31:44
Und das Dritte, was jetzt ein bisschen eben auch das Thema für die Stiefmutter gewesen wäre,
1:31:44–1:31:50
ist der maligne Narzisst oder Narzisstin, das ist die Persönlichkeitsstörung,
1:31:50–1:31:55
in der dann zusätzlich eben auch noch Dinge dazukommen, die dazukommen,
1:31:55–1:31:57
die dazu führen, dass diese Person einfach...
1:31:59–1:32:03
Profil, was man früher Psychopath genannt hat. Also dieses Serialkiller-Ding
1:32:03–1:32:11
so mit reinbringen, dass die dann eben smart anwesend sind, aber eben ohne moralische Bremsen.
1:32:13–1:32:17
Die dann wirklich eben auch ihre Tochter töten, bloß weil die schöner ist als sie.
Florian Clauß
1:32:17–1:32:21
Okay, das war jetzt eigentlich Podcast Episode 34.
1:32:22–1:32:26
Wir sind hier auch durch so einen periferen Teil von Neukölln gelaufen.
1:32:26–1:32:29
Ich fand es ganz spannend, auch wenn wir dann nicht durch die Kleine Garten
1:32:29–1:32:34
Zwiebeln gekommen sind, um dann hinten Richtung Köpenick weiter zu laufen.
1:32:36–1:32:40
Aber ihr könnt die Tracks sehen auf eigentlich-podcast.de, die wir gelaufen
1:32:40–1:32:43
sind. Da kriegt ihr auch mehr Informationen, Shownotes und so weiter.
1:32:43–1:32:48
Ja, wir sagen Tschüss, bis zum nächsten Mal. Ich hoffe, ihr konntet ein bisschen was mitnehmen.
1:32:49–1:32:53
Wir setzen auf jeden Fall in der nächsten Episode die Märchenreihe fort und
1:32:53–1:32:56
werden sicher auch das hin und wieder aufgreifen.
Micz Flor
1:32:58–1:33:02
Dem kann ich nichts mehr hinzufügen, nur noch ein herzliches Tschüss. Tschüss!

Mehr