EGL084 Sigmund Freud: seine „Outsider“ Biographie im Filmessay
Wir sprechen über Sigmund Freud und den Film „Outsider. Freud“ direkt, nachdem wir das dokumentarische Filmessay im Moviemento gesehen haben. Der Film interessiert sich weniger für die bekannten Theorien und Meinungen rund um Psychoanalyse, sondern für die inneren Widersprüche, das biografische Einbetten und die visuelle Übersetzbarkeit der Theorien. Mit Briefauszügen, Interviews und historischem Material sowie mit einer traumartigen Bildsprache nähert sich der Film dem Menschen Freud. Als ungeplante dritte Folge zu den Eigentlich-Podcast Episoden 78 und 80, stellen wir gegen Ende Jungs "Das Rote Buch" und Freuds "Die Traumdeutung" nebeneinander. Regisseur Yair Qedar hat in Animationen ungedeutete Träume Freuds vorgestellt. Archivaufnahmen stellen Bezüge zwischen Innenwelt und Zeitgeschichte her. Ganz besonders ist die Rekonstruktion von Freuds Behandlungsraum in Wien anhand von über hundert Detailfotos.
Shownotes
- Link zur Laufstrecke
- Laufstrecke dieser Episode auf komoot
- Links zur Episode
- Ersatzstadt Video: Autoschilderstadt hinter dem Friedhof
- Sigmund Freud: Die endliche und die unendliche Analyse| Projekt Gutenberg
- Diplomatische Vertretung des Heiligen Stuhls: Apostolische Nuntiatur
- Der Marathon-Mann
- Drei Kränkungen der Menschheit nach Freud
- Yair Qedar | Wikipedia
- Film Review and Interview by Hannah Brown, 2025
- "Outsider. Freud" Trailer | YouTube
Transcript
Verwandte Episoden
Wir kommen gerade aus dem Kino. Movimento, Berlin. Der Film: Outsider. Freud von Yair Qedar. 66 dichte Minuten, die weniger über die Psychoanalyse lehren, als die Menschen Sigmund Freud vorzustellen. Wir reden beim Gehen, wie eigentlich immer im Eigentlich Podcast, durch die Stadt, dieses Mal durch Kreuzberg. Auf der Karte sieht die Tour wie ein Zeichen der Unendlichkeit aus, deren Weg uns in gleichen Teilen durch die Lebenden wir die Toten, entlang des Friedhofs, führt.
Qedars Film nähert sich Sigmund Freud nicht als Monument, sondern als Mensch – verletzlich, körperlich, alternd, zwischen Rauchen und Schmerzen, zwischen Nazis und Katholizismus. Kein Biopic, kein Theoriepanorama. Vielmehr ein Fragmentbild, ein Mosaik aus Fotografien, Dokumenten, Stimmen, die nicht erklären, sondern begleiten und Fragen stellen.
Freud wird hier als Außenseiter beschrieben – im Titel, aber auch jenseits davon. Als Jude im Wien des frühen 20. Jahrhunderts, als Intellektueller im Exil, als Denker, der sich zwischen Wissenschaft, Kunst und Mythos bewegte. Qedar lässt ihn wandern: durch Räume, durch Zeiten, durch Bedeutungsfelder. Seine Couch ist kein neutraler Ort, sondern eine Bühne der inneren Landschaften. Der Film zeigt den Raum in der Berggasse 19 nicht nur als Praxis, sondern als verdichteten Symbolraum – überfüllt mit archäologischen Objekten, mit Göttern, Ahnen, Toten.
Eine Forscherin des Freud Museums Wien spricht wie von einem Tunnel, durch der in die Analyse führt – dunkelrot, eng, gefasst von stummen Figuren, die aus anderen Zeiten zu kommen scheinen. Masken, Fragmente, Totems. Alles blickt zurück. Nichts ist zufällig. Die Inszenierung dieses Raums ist mehr als Ästhetik – sie ist selbst Theorie, selbst Deutung. In diesem Setting wird das Gespräch zur Ritualhandlung, zum Übergang. Zeit verschränkt sich: Antike und Moderne, Mythos und Gegenwart, Erinnerung und Verdrängung.
Wir sprechen über das Setting der Psychoanalyse – nicht als klinisch-sauberen Raum, sondern als dichten Text, als Gewebe aus Kulturgeschichte und Subjektivität. Freud, wie Qedar ihn zeigt, war weniger Architekt klarer Begriffe als Suchender, Leser, Sammler. Seine Theorie ist in dieser Lesart keine geschlossene Lehre, sondern ein Schichtenmodell, ein palimpsestisches Denken: Das Unbewusste nicht als Ding, sondern als Bewegung, als Echo, als Spur.






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