EGL038 Dogma 95: Das Fest – wie Authentizität auf der Leinwand sehr real wirken kann…
Flo startet eine neue Reihe im Eigentlich Podcast: Revolutionäre Filme und Filmbewegungen aus den 1990ern, die ihn und die Filmgeschichte maßgeblich prägten – Teil I: Dogma 95 mit "Das Fest" und "Idioten", Teil II: Hyperlink Cinema und Episodenfilm mit Pulp Fiction von Quentin Tarantino und Short Cuts von Robert Altman, 3. Teil: Asian New Wave – Filme aus Hongkong, Südkorea, Taiwan und Japan aus den 90ern. Micz stellt in seiner nächsten Episode den Dogma-Film "Idioten" von Lars von Trier vor, die wir gleich im Anschluss aufnehmen. In dieser Episode präsentieren wir zunächst das legendäre Manifest von Dogma 95, das Lars von Trier und Thomas Vinterberg am 13. März 1995 vorstellten: "The Vow of Chastity" - die zehn Keuschheitsgelübde. Das Dogma 95 Manifest fordert filmische Authentizität durch die Nutzung einfacher Techniken, Handheld-Kameras, natürlicher Beleuchtung und ohne nachträgliche Bearbeitung. Flo überrascht Micz mit der Adaption des Manifestes durch den Comiczeichner FIL mit dem Dogma Comic von Didi&Stulle, der damals in der Stadtzeitung Zitty erschien und für viel Furore sorgte. Bevor wir inhaltlich tiefer in den ersten Dogma-Film "Das Fest" von Thomas Vinterberg aus dem Jahr 1998 einsteigen, gehen auf unserer Laufstrecke rund um den Urbanhafen den Fragen nach: was ist Dogma 95, warum hat sich die Filmbewegung gegründet, was ist der Autorenfilm, woran ist Dogma gescheitert und was sind die Auswirkungen von Dogma 95. Wir entdecken in dem Zusammenhang auch mehrere Filmgenres, die wir vorher nicht kannten: Mumblecore, Mumblegore und the German Mumblecore. Manchmal wird der Ton in einigen - sehr kurzen - Passagen etwas "mumblelig", weil die zu Anfang angepriesene neue Aufnahmetechnik dann doch nicht funktionierte und wir den Ton aus einer anderen Spur mit Deep Learning Technologie recovern mussten. Bitte seht es uns nach, wir lernen auch noch dazu. Nichtdestotrotz viel Spaß beim Hören.
Shownotes
- Lauftrack zur Episode
- EGL038 | Wanderung | Komoot
- Links zur Episode
- Dogma 95 – Wikipedia
- Dogme95.dk - A tribute to the official Dogme95
- Thomas Vinterberg – Wikipedia
- Das Fest (Film) – Wikipedia
- Lars von Trier – Wikipedia
- Idioten – Wikipedia
- Hyperlink cinema - Wikipedia
- Pulp Fiction – Wikipedia
- Quentin Tarantino – Wikipedia
- Short Cuts – Wikipedia
- Robert Altman – Wikipedia
- Hong Kong New Wave – Wikipedia
- Chungking Express – Wikipedia
- Takeshi Kitano – Wikipedia
- Matrix (Film) – Wikipedia
- Computer Generated Imagery – Wikipedia
- Actionfilme der 1990er Jahre – Wikipedia
- Splatterfilm – Wikipedia
- 35 Millimeter - Quellentexte - Dogma 95 Manifest
- Normalbild – Wikipedia
- Releases · upscayl/upscayl · GitHub
- FIL
- Team Deakins: Thomas Vinterberg - Director, Screenwriter
- Ingmar Bergman – Wikipedia
- Nouvelle Vague – Wikipedia
- François Truffaut – Wikipedia
- Eine gewisse Tendenz im französischen Film – Wikipedia
- Cahiers du cinéma – Wikipedia
- Autorenfilm – Wikipedia
- Mise en Scène (Film) – Wikipedia
- Alfred Hitchcock – Wikipedia
- Jean-Luc Godard – Wikipedia
- https://de.wikipedia.org/wiki/Internationale_Filmfestspiele_von_Cannes_1998
- Digitales Kino – Wikipedia
- Breaking the Waves – Wikipedia
- Internationale Filmfestspiele von Cannes 1996 – Wikipedia
- Blair Witch Project – Wikipedia
- Mumblecore - Wikipedia
- It’s All About Love – Wikipedia
- Dicke Mädchen – Wikipedia
- Axel Ranisch – Wikipedia
- Traffic – Macht des Kartells – Wikipedia
- Flußfahrt mit Huhn – Wikipedia
- Frederiksberg Kommune – Wikipedia
- Interview with Thomas Vinterberg - Director, Screenwriter
- Den Danske Filmskole – Wikipedia
- Joaquin Phoenix – Wikipedia
- Die Jagd (2012) – Wikipedia
- Mads Mikkelsen – Wikipedia
- Sexueller Missbrauch von Kindern – Wikipedia
- Anthony Dod Mantle – Wikipedia
- Die Hamlet-Sexmaschine - DER SPIEGEL
- Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz – Wikipedia
Transcript
The Vow of Chastity
I swear to submit to the following set of rules drawn up and confirmed by DOGMA 95:
- Shooting must be done on location. Props and sets must not be brought in (if a particular prop is necessary for the story, a location must be chosen where this prop is to be found).
- The sound must never be produced apart from the images or vice versa. (Music must not be used unless it occurs where the scene is being shot).
- The camera must be hand-held. Any movement or immobility attainable in the hand is permitted. (The film must not take place where the camera is standing; shooting must take place where the film takes place).
- The film must be in colour. Special lighting is not acceptable. (If there is too little light for exposure the scene must be cut or a single lamp be attached to the camera).
- Optical work and filters are forbidden.
- The film must not contain superficial action. (Murders, weapons, etc. must not occur.)
- Temporal and geographical alienation are forbidden. (That is to say that the film takes place here and now.)
- Genre movies are not acceptable.
- The film format must be Academy 35 mm.
- The director must not be credited.
Furthermore I swear as a director to refrain from personal taste! I am no longer an artist. I swear to refrain from creating a “work”, as I regard the instant as more important than the whole. My supreme goal is to force the truth out of my characters and settings. I swear to do so by all the means available and at the cost of any good taste and any aesthetic considerations.
Thus I make my VOW OF CHASTITY
Copenhagen, Monday 13 March 1995
On behalf of DOGMA 95
Lars von Trier, Thomas Vinterberg
https://web.archive.org/web/20091114042542/http://www.35millimeter.de/inhalte/quellentexte.php?id=6
Die Dogma 95-Bewegung, von den dänischen Regisseuren Lars von Trier und Thomas Vinterberg Ende der 1990er Jahre ins Leben gerufen, wurde durch das „Dogma 95 Vow of Chastity“ Manifest formalisiert, das eine Reihe von Regeln und Einschränkungen festlegte, um einen als rein und unverfälscht betrachteten Stil des Filmemachens zu fördern. Die Bewegung zielte darauf ab, eine radikale Rückkehr zu den Wurzeln des Filmemachens zu fördern, weg von der Überproduktion und dem technologischen Glanz, um die Authentizität und Einfachheit der Geschichten zu betonen.
Die Kritik an Dogma 95 wurzelt in seiner Abgrenzung sowohl vom Auteurs-Kino der 60er Jahre als auch vom damaligen Hollywood-Kino. Die Autorenkino-Bewegung, wie die Nouvelle Vague, hatte eine Zeitlang funktioniert, brachte jedoch keine nachhaltige Veränderung, da die zentrale Stellung des Autors das Kino als dekadent und bourgeois empfand. Dogma 95 entstand aus der Unzufriedenheit mit dem damaligen Mainstream-Filmemachen, das als übermäßig kommerziell und technisch anspruchsvoll empfunden wurde.
Die Bewegung betonte die Rückkehr zu den Grundlagen des Filmemachens, um Authentizität und menschliche Erfahrung in den Vordergrund zu stellen. Inmitten der Dominanz von Spezialeffekten und großem Budget im Mainstream-Filmemachen, suchte Dogma 95 nach Wegen, Filme zu schaffen, die sich auf die Geschichte und die Charaktere konzentrieren, anstatt auf aufwändige visuelle Effekte oder stilisierte Inszenierungen.
Die Herausforderung für Filmemacher bestand darin, strenge Regeln und Einschränkungen zu befolgen, um künstlerische Kreativität und Experimente zu fördern. Die Bewegung wandte sich gegen den Autorenfilm und schuf eine Schaffensrichtlinie, bei der kein eindeutiger Stil eines Autors entstehen konnte. Die Komponenten Regie, Kamera und Drehbuch waren lose gekoppelt und sollten im Filmemachprozess nicht hierarchisch organisiert sein.
Jedoch war Dogma nicht frei von Kritik. Die Bewegung war zu erfolgreich und wurde zu einer Marke, die den Fokus auf den Autor wieder ins Zentrum rückte. Das Festsetzen auf das 35mm Normalbild im Manifest schloss Filmschaffende aus, die im unabhängigen Filmsektor mit digitalen Mitteln arbeiteten. Dies führte zu einer Diskrepanz zwischen den Idealen von Dogma und den Entwicklungen in der Filmindustrie.
In der Retrospektive wird Dogma 95 als ein Experiment betrachtet, das dazu beigetragen hat, die Aufmerksamkeit auf das Wesentliche des Filmemachens zu lenken. Es hat jedoch auch seine Grenzen und Schwächen offenbart, was zu einer Vielzahl von Weiterentwicklungen wie dem Mumblecore-Genre und anderen experimentellen Ansätzen geführt hat. Trotz seines Scheiterns, als es zu erfolgreich wurde und seine eigenen Prinzipien untergrub, bleibt Dogma 95 ein wichtiger Meilenstein in der Filmgeschichte, der die Diskussion über Authentizität und Kreativität im Filmemachen weiter vorantreibt.
Schreibe einen Kommentar