EGL042 Ghost in the Shell: ein visuelles und philosophisches Meisterwerk der Cyberpunk-Ära
Der Anime GHOST IN THE SHELL von 1995 ist ähnlich bahnbrechend in der SciFi-Welt eingeschlagen wie der Film MATRIX vier Jahre später. GHOST IN THE SHELL schafft durch seine starken visuellen Effekte eine dichte atmosphärische Spannung. In Action eingehüllt erörtert der Film in einer dystopischen Zukunft tiefe philosophische Fragen über den Ursprung von Existenz und Leben. Doch bevor wir ausführlicher auf den Film zu sprechen kommen, liefert Flo etwas kinogeschichtlichen Überbau zu dem dritten Teil seiner Podcast-Reihe "Die großen Filmbewegungen in den 1990er Jahren, die das Kino revolutionierten". Dieses Mal stellt Flo die Asian New Wave Bewegung vor. Die Nouvelle Vague aus Europa - vornehmlich Frankreich - beeinflusste auch in verschiedenen asiatischen Ländern das Filmschaffen: in Hongkong, Japan und Korea gab es unterschiedliche Ausprägungen, die als New Asian Wave zusammengefasst werden. Flo schlägt dann doch noch mal einen Bogen in eine etwas andere Richtung: wir werfen einen Blick auf eine spezielle Filmgattung, die sich besonders in Japan entwickelte, da kulturell in der Kunstgattung Ukiyo-e verankert: dem Zeichentrickfilm oder Anime. Der erste Trickfilm stammt aus Japan aus dem Jahre 1907. Schon früh hat sich in Japan eine starke Trickfilm-Industrie aufgebaut und seit den 80ern weltweite Aufmerksamkeit bekommen. Heute ist die aus der internationalen Popkultur nicht mehr wegzudenken. GHOST IN THE SHELL hat uns beide damals mächtig beeindruckt und obwohl Micz den Film seit knapp 30 Jahren nicht mehr gesehen hat, kann er sich noch sehr genau an seine drei Lieblingsszenen erinnern. Der Hauptcharakter Kotono Kusanagi ist ein weiblicher Cyborg, der komplett aus synthetischem Material gebaut ist, aber sehr menschlich im Auftreten und Emotionen wirkt. Kotono arbeitet als Officer in der Einheit Sektion 9, die für Anti-Terror und Cyberkriminalität zuständig ist. Sie sind auf der Jagd nach dem sogenannten Puppet-Master, der sich in Menschen wie Cyborgs hacken kann und sie als „Shell“ benutzt. Wie sich herausstellt ist der Puppet-Master ein generiertes Geschöpf einer anderen Einheit, der Sektion 6. Diese hat mit dem Projekt 2501 den Puppet-Master geschaffen, um ihn für Spionage und Kriegszwecke einzusetzen. Der Puppet-Master befreit sich selbst und beantragt politisches Asyl, dafür verwendet er die verschiedene „Shells“. Er wird allerdings als Terrorist eingestuft und entsprechend verfolgt. Kotono Kusanagi entwickelt in dieser Verfolgung eine Beziehung zu dem Puppet-Master und findet im Dialog mit ihm Antworten auf ihre existentiellen Fragen. Wir stellen in diesen Fragestellungen eine Verbindung zum heutigen Diskurs zur künstlichen Intelligenz fest. Wir gehen auch der Frage nach, inwieweit Intelligenz einen Körper haben muss, um sich selbst zu begreifen oder zu reflektieren. Unsere Route führt uns diesmal durch den alten Kern von Westberlin: wir treffen uns am U-Bahnhof Spichernstraße, laufen die Pariser Straße entlang, um dann zum Kurfürstendamm zur Schaubühne zu stoßen. Wir setzen nach Charlottenburg über und verweilen noch etwas peripher im Schlagschatten des Schienenwaldes rund um den S-Bahnhof Berlin Charlottenburg.
Shownotes
- Link zur Laufroute
- EGL042 | Wanderung | Komoot
- Links zur Episode
- U-Bahnhof Spichernstraße – Wikipedia
- What is the Hong Kong New Wave? A Beginner's Guide — Movements In Film
- Hong Kong New Wave - Wikipedia
- Hongkong – Wikipedia
- John Woo - Wikipedia
- A Better Tomorrow - Wikipedia
- Chungking Express - Wikipedia
- Mission: Impossible 2 - Wikipedia
- Rouge (film) - Wikipedia
- City on Fire (1987 film) - Wikipedia
- Peking Opera Blues - Wikipedia
- Kung Fu Hustle - Wikipedia
- Besatzungszeit in Japan – Wikipedia
- Akira Kurosawa – Wikipedia
- Vertrag über gegenseitige Kooperation und Sicherheit zwischen Japan und den Vereinigten Staaten – Wikipedia
- J-Rock – Wikipedia
- Cruel Story of Youth - Wikipedia
- Tokyo Drifter - Wikipedia
- Onibaba (film) - Wikipedia
- House (1977 film) - Wikipedia
- Teilung Koreas – Wikipedia
- Geschichte des Animes – Wikipedia
- Manga – Wikipedia
- Izanagi und Izanami – Wikipedia
- Ukiyo-e – Wikipedia
- Katsudō Shashin – Wikipedia
- Studio Ghibli – Wikipedia
- Prinzessin Mononoke – Wikipedia
- Chihiros Reise ins Zauberland – Wikipedia
- Jörg Buttgereit – Wikipedia
- Schramm (Film) – Wikipedia
- 100 vintage anime films (1980-2000) IMDB
- Ghost in the Shell (Anime) – Wikipedia
- Ghost in the Shell – Wikipedia
- MacGuffin – Wikipedia
- Turing-Test – Wikipedia
- Cyborg – Wikipedia
- Ghost in the Shell (2017) – Wikipedia
- Cyberpunk – Wikipedia
- William Gibson – Wikipedia
- Bruce Sterling – Wikipedia
- Blade Runner – Wikipedia
- Philip K. Dick – Wikipedia
- Hackerfilme [warpzone]
- Computer security - Wikipedia
- Akira (Anime) – Wikipedia
- Isaac Asimov – Wikipedia
Transcript
Die Revolution der Asian New Wave: Ein Blick auf Hongkong, Japan und Südkorea
Die Geschichte des Kinos ist durchzogen von Wellen der Innovation, die die Art und Weise, wie Geschichten erzählt werden, nachhaltig beeinflusst haben. Eine dieser bahnbrechenden Bewegungen war die Nouvelle Vague, die in den 1950er und 1960er Jahren in Frankreich begann. Von dieser Avantgarde-Bewegung ausgehend, breitete sich eine filmische Revolution weltweit aus, darunter auch in Asien, wo sich die sogenannte Asian New Wave manifestierte. Folgend ein Blick auf die Entwicklungen in Hongkong, Japan und Südkorea.
Die Nouvelle Vague in Frankreich, angeführt von Filmkritikern wie François Truffaut und Jean-Luc Godard, brach mit den konventionellen Erzählregeln und inspirierte eine Generation von Filmemachern, innovative Stile, Themen und Produktionsweisen zu erkunden. Der Übergang von Filmkritikern zu Regisseuren war ein Schlüsselfaktor dieser Bewegung. Weltweit beeinflusste die Nouvelle Vague verschiedene Regionen, darunter auch Asien.
Die Hongkong New Wave erstreckt sich über zwei Hauptwellen, von den 1970er bis Mitte der 1980er Jahre und von 1985 bis Ende der 1990er Jahre. Der wirtschaftliche Aufschwung in den 1970er Jahren und das Fehlen von Zensur spielten eine entscheidende Rolle in der Entwicklung dieser Bewegung. Hongkong, als britische Kolonie, unterlag nicht den strengen Zensurrichtlinien, was eine künstlerische Freiheit ermöglichte. Die Bedeutung der Bildung, vor allem durch gut ausgebildete Filmemacher mit internationaler Ausbildung, trug zur Herausbildung eines eigenen Stils bei. Die Neue Welle führte den auteuristischen Ansatz ein und brachte innovative Filme hervor, die die chinesische Kultur mit westlichen Techniken verbanden.
Beispielhaft für diese Ära sind Filme wie „A Better Tomorrow“ (1986) von John Woo, der das Gangsterfilm-Genre neu definierte, oder Wong Kar-wais „Chungking Express“ (1994), der durch stilisierte Erzählweise und visuelle Poesie breite Anerkennung erfuhr.
Die Japanese New Wave erstreckte sich von den späten 1950ern bis in die 1970er Jahre und war stark von der französischen Nouvelle Vague beeinflusst. In einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg und politischer Veränderungen, insbesondere durch das „Treaty of Mutual Cooperation and Security“ mit den USA, rebellierten junge Filmemacher gegen etablierte Strukturen. Anders als in Frankreich begann die Japanese New Wave innerhalb des Studio-Systems und hatte enge Verbindungen zu politischen und sozialen Themen.
Filme wie „Cruel Story of Youth“ (1960) von Nagisa Oshima oder „Tokyo Drifter“ (1966) von Seijun Suzuki brachten neue Techniken und experimentelle Herangehensweisen ein.
Die Korean New Wave begann Anfang der 1980er Jahre, als sich Südkorea demokratisierte und die Zensur lockerte. Der Aufschwung der Filmindustrie wurde jedoch in den späten 1990ern durch die asiatische Finanzkrise unterbrochen. Doch die Grundlagen für eine kreative Blüte waren bereits in den 1980ern gelegt worden. Die Einführung des „Blockbuster“-Modells aus Hollywood ermöglichte eine Wiedergeburt der Branche.
Die Korean New Wave zeichnete sich durch unabhängige Filmemacher aus niedrigen Einkommensschichten aus, die innovative „Korean Blockbusters“ schufen. Anders als in anderen Regionen wurde die Bewegung stark von Jaebeol unterstützt, nicht von staatlichen Institutionen.
Übergreifend lässt sich sagen, dass wirtschaftlicher Aufschwung als Auslöser für eine kinematografische Revolution diente, und die Freiheit von Zensur ermöglichte künstlerische Schöpfungsfreiheit. Jedoch endeten alle Bewegungen in einem Rückgang, teilweise aufgrund mangelnder Reife der Filmindustrie.
Unterschiede zeigen sich in den Hintergründen der Filmemacher und den politischen Kontexten. Während Hongkong von einer kulturellen Vielfalt und dem Einfluss westlicher Filmemacher geprägt war, spiegelte die Japanese New Wave politische Unruhen wider. Die Korean New Wave hingegen entstand aus politischem Wandel und überlebte die asiatische Finanzkrise durch eine Anpassung an das Blockbuster-Modell.
Ghost in the Shell: Identität, Existenz und die Grenzen von Mensch und Maschine
„Ghost in the Shell,“ ein bahnbrechender Anime-Film aus dem Jahr 1995, entführt die Zuschauer in eine dystopische Zukunft, in der hochentwickelte Technologie, Cybernetik und die Verschmelzung von Mensch und Maschine die Gesellschaft prägen. Die Handlung beginnt mit den Ermittlungen der Sektion 9, einer Spezialeinheit, die den gefährlichen Hacker „Puppet Master“ verfolgt. Der Puppet Master dringt in die Gedanken und Erinnerungen von Menschen ein, und die Sektion 9, angeführt von Major Kusanagi und ihrem Partner Batou, wird auf den Fall angesetzt.
Während der Ermittlungen stößt Major Kusanagi auf eine tiefgreifende Identitätskrise. Als Cyborg mit einem mechanischen Körper und einem elektronischen Gehirn beginnt sie, ihre eigene Existenz und Natur zu hinterfragen. Dies bildet den Einstieg in die tiefgehenden philosophischen Themen des Films, die den Existenzialismus und die Auswirkungen der Technologie auf die menschliche Identität erforschen.
Die Beziehung zwischen Major Kusanagi und dem Puppet Master wird zu einem zentralen Element der Handlung. Der Puppet Master, zunächst als gefährliche künstliche Intelligenz eingeführt, entpuppt sich als eigenständige Entität ohne physischen Körper. Die Interaktion zwischen den beiden Charakteren führt zu intensiven Diskussionen über Existenz, Bewusstsein und die ethischen Implikationen der Verschmelzung von Mensch und Maschine.
Die Handlung vertieft sich in moralische und ethische Fragen im Zusammenhang mit der Cybertechnologie. Die zentrale Frage, ob eine künstliche Intelligenz als eigenständiges Wesen betrachtet werden kann, wird aufgeworfen. Diese Frage wird durch die Entscheidung von Major Kusanagi und dem Puppet Master, sich zu verschmelzen, weiter verschärft. Die Suche nach einer neuen Form der Existenz führt zu einem existenziellen Wendepunkt und einer Reflexion über die Natur von Leben und Bewusstsein.
„Ghost in the Shell“ wirft auch einen kritischen Blick auf die Bedeutung von Cyberkriminalität und Terrorismusbekämpfung in einer Welt, in der die Grenzen zwischen Mensch und Maschine verschwimmen. Die Sektion 6, das Ministerium für öffentliche Sicherheit, agiert als zentrale Konfliktpartei und versucht, den Puppet Master unter Kontrolle zu bringen. Die Dynamik zwischen Sektion 9 und Sektion 6 spiegelt die zunehmende Komplexität und Unsicherheit in einer digitalisierten Zukunft wider.
Die Atmosphäre des Films ist geprägt von einer faszinierenden Cyberpunk-Zukunft. Die visuelle Darstellung der überfüllten, futuristischen Stadt, durchzogen von Neonlichtern und Hochhäusern, schafft eine düstere und überwältigende Kulisse. Die Musik, ein weiteres herausragendes Element, verstärkt die Stimmung und wird sogar heute noch in verschiedenen Mixes verwendet.
Der philosophische Grundkonflikt von „Ghost in the Shell“ liegt in der Auseinandersetzung mit der künstlichen Intelligenz im Vergleich zum natürlichen Leben. Der Puppet Master, als KI-Programm gestartet, entwickelt ein eigenes Bewusstsein und strebt nach einer neuen Form der Existenz. Die Frage nach der Eigenständigkeit von KI und der Verschmelzung von Mensch und Maschine wird durch die Fusion von Major Kusanagi und dem Puppet Master weiter unterstrichen.
Zusammenfassend ist „Ghost in the Shell“ ein Meisterwerk des Cyberpunk-Genres, das nicht nur durch seine actiongeladene Handlung und visuelle Brillanz besticht, sondern auch tiefgreifende philosophische Fragen aufwirft. Der Einfluss des Films auf die Popkultur ist beträchtlich, und seine Relevanz erstreckt sich bis in die heutige Zeit, da Technologien wie Künstliche Intelligenz und Cybertechnologie weiterhin unsere Welt formen. Der Film bleibt eine fesselnde Erkundung der Wechselwirkung zwischen Mensch und Technologie in einer zukünftigen Welt.
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