"Wir haben mit der Vergangenheit abgeschlossen, aber die Vergangenheit nicht mit uns."

Bevor wir uns tiefer mit dem Film "Magnolia" von 1999 beschäftigen stellt Flo als zweiten Teil der Reihe "Filmbewegungen der 90er, die das Kino revolutionierten" das Genre des Hyperlink-Cinemas vor. Das beschreibt die Art von Episodenfilmen, die die Kontinuität von klassischen Erzählungen aufbrechen, indem multilineare Geschichten von verschiedenen Figuren und Charaktergruppen präsentiert werden. In solchen Filmen können Räume auftauchen oder sich Charaktere treffen, die vorher in eigenen unabhängigen Erzählsträngen entwickelt wurden. Aus der Vielzahl von Handlungssträngen wird ein ganzes Handlungsnetz aufgebaut. Hierin finden sich auch soziologische Betrachtungsweisen, die das Hyperlink-Cinema auszeichnet. Wir spekulieren darüber, ob Serien dieses Kino-Genre verdrängt haben oder ob durch die Gagen der hochrangigen Schauspieler:innen diese Art von Filmen nicht mehr produziert werden konnten. Im zweiten Teil der Episode stellt Flo den Film Magnolia von Paul Thomas Anderson vor. Die Geschichte spielt innerhalb eines Tages in Los Angelos. Im Zentrum stehen um die 10 Figuren, die sich zwei Ensemblesträngen zuordnen lassen, die parallel und unabhängig voneinander im Film aufgebaut werden. In beiden Strängen steht sterbender Patriarch im Mittelpunkt, der sich, den Tod vor Augen, mit seiner Familie aussöhnen möchte. Darum reihen sich mehrere miteinander verflochtene Geschichten und Charaktere, deren Leben durch Zufall und Schicksal auf überraschende Weise miteinander verbunden sind. Wir sind uns einig, dass dies vor allen Dingen durch die großartigen Schauspielerinnen und Schauspieler getragen wird. Viele Szenen von dem Film bleiben im Kopf hängen. Auch das fulminante Ende des Films geht nicht mehr aus dem Kopf: ein Regen aus Fröschen prasselt auf LA in den frühen Morgenstunden nieder, ein unerklärliches Phänomen, das alle Geschichten der einzelnen Figuren zu einem vorläufigen Ende führt. Das Ende unserer Tour hat uns zur Warschauer Brücke geführt, wo wir noch kurz über die Veränderung dieses Ortes und den neuen Amazon-Tower resümieren.

Shownotes

Mitwirkende

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Florian Clauß
Erzähler
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Micz Flor

Transcript

Micz Flor
0:00:13–0:00:19
Jo, hallo, hier ist der Mitch, neben mir läuft der Flo, Flojann,
0:00:19–0:00:24
ja genau, und wir laufen redend, und wir sind laufend am reden,
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das ist eigentlich Podcast.
0:00:28–0:00:34
Es ist kalt, ich zitter ein bisschen vor Aufregung, weil Flo hat ein Thema mitgebracht,
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was mich vor Aufregung zittern lässt.
0:00:37–0:00:42
Ich freue mich sehr drauf und ich habe es aber schon gehört von ihm und ich
0:00:42–0:00:45
zitter aber auch, weil es wirklich winterlich kalt geworden ist in Berlin.
0:00:46–0:00:48
Möchtest du noch was einleitendes sagen?
Florian Clauß
0:00:48–0:00:52
Das ist das Schneefall. Ich habe tatsächlich mich entschieden,
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nicht mit dem Fahrrad zu kommen,
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sondern zu laufen, weil die die Straßen sind glatt und aber ich finde es total
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schön, wenn man so läuft.
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Einen wird warm. Ich habe lange Unterhosen an.
0:01:09–0:01:14
Also wir sind frisch erholt. Das heißt, wir haben gerade was gegessen.
Micz Flor
0:01:15–0:01:22
Ja, ist ja lecker. Und wer uns auf der Webseite folgt, der sieht auch unsere Tracks.
0:01:22–0:01:26
Wir zeichnen die mal auf, wenn wir durch die Stadt laufen und weiß dann auch,
0:01:26–0:01:27
wo wir gerade essen waren.
Florian Clauß
0:01:28–0:01:37
Genau, wir sind in dieser Folge bei Folge 40 und ich hätte ja vorletzte Folge,
0:01:37–0:01:41
meine Folge 38 angekündigt, dass ich für mich ein Dreiteiler,
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welche Kinoerlebnisse der 90er haben mich so begeistert und in der ersten Welle
0:01:47–0:01:50
der Begeisterung bist du ja mitgeschwommen.
Micz Flor
0:01:51–0:01:53
Genau, Und jetzt Mumblecore.
Florian Clauß
0:01:54–0:01:59
Genau, Mumblecore. Und ich habe das fest vorgestellt, es geht um Dogma. Es ging um Dogma 95.
0:02:00–0:02:05
Der Übertitel meiner Reihe war Kinobewegungen der 90er, die das Kino revolutionierten.
0:02:07–0:02:14
Und du hast dann Idioten von Lars von Trier darüber refariert und auch kühne Thesen angestellt.
0:02:15–0:02:21
Und diese Episode wollte ich über den Episodenfilm machen.
0:02:22–0:02:29
Und habe auch schon gesagt, in diesem Zusammenhang gibt es eine Genrebezeichnung, die ich vorher,
0:02:30–0:02:33
ähnlich wie Mumblecore, nicht gehört habe, aber
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mit der ich mich ein bisschen beschäftigt habe hast du die noch im kopf
0:02:36–0:02:39
die hyper hyper link
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ist oder hyper link hyper link cinema gesteige
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ich gleich mit ein paar erklärungen zu ein als
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ein bisschen filmtheorie obendrauf ja
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und am beispiel welche episoden für mit der 90er so spontan ein du das hatten
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wir schon vor zwei folgen das war dann Robert Altmann zum Beispiel oder Magnolia
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zum Beispiel oder Hyperlink.
0:03:10–0:03:14
Pulp Fiction ist natürlich der Vertreter.
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Aber tatsächlich muss man sagen, also ich werde diese Folge über Magnolia machen,
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berichten dann und wir gucken dann an, was Hyperlink Cinema in echt bedeutet.
0:03:25–0:03:32
Und man muss aber sagen, dass der Film, der der Begriff Hyperlink erst so im
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Nachhinein in den Nullerjahren geschaffen wurde von einer Filmkritikerin.
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Und dass Magnolia und Robert Altman, also Shortcuts und auch Pulp Fiction,
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denn erst im Nachhinein so interpretiert wurden als Hyperlink Cinema.
Micz Flor
0:03:49–0:03:50
Und Lola Rendt.
Florian Clauß
0:03:51–0:03:54
Lola Rendt ist auch eine, aber vor allen Dingen in den Nullerjahren.
Micz Flor
0:03:54–0:03:56
War ich Lola Rendt wirklich eine? Eher nicht, oder?
Florian Clauß
0:03:56–0:03:59
Ja, in dem Zusammenhang wird genannt,
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aber es trifft nicht unbedingt alle Charakteristika des Begriffes.
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Die klassischen Vertreter von Hyperlink-Cinema sind,
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Babel, hatten wir auch schon mal genannt, von Iñárritu, ich kann den Namen nicht
0:04:22–0:04:23
so richtig gut aussprechen,
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dann Traffic von Söderberg, wird auch häufig genannt in Zusammenhang,
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und es gibt noch einige andere von Hyperlink.
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Und was macht Hyperlink aus? Ja,
0:04:38–0:04:44
also es ist wahrscheinlich auch so eine Bewegung, die nur zu einer gewissen
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Zeit sich so formieren konnte, ja, weil zu dieser Zeit waren die Bedingungen reif,
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dass sich das auch so ausdrücken konnte, ne.
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Natürlich ganz rein semantisch bezieht sich Hyperlink, Hyperlink Cinema,
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auf die Hypertext Markup Language.
Micz Flor
0:05:09–0:05:10
Ist das wirklich so?
Florian Clauß
0:05:10–0:05:15
Das bezieht sich auf diesen Begriff, aber mit Hyperlink, also HTML,
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das ist so die Sprache von dem Protokoll www.
0:05:20–0:05:26
Also auf der Sprache werden Netzseiten aufgebaut.
Micz Flor
0:05:26–0:05:28
HTTP als Protokoll.
Florian Clauß
0:05:30–0:05:36
Ja, also www als das World Wide Web, wo sich die Verbreitung dann gefunden hat.
0:05:37–0:05:44
Und Hyperlink ist, wenn man so möchte, diese Verknüpfung zwischen den einzelnen
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Seiten, die nicht mehr linear aufgebaut sind, sondern durch Links miteinander verknüpft werden.
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Und das ist so das, was Hyperlink im Kontext von dem World Wide Web gebracht
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hat, auch eine andere Textualität geschaffen hat, eine andere Narrationsform.
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Und das findet sich so in theoretischen Ansätzen auch in diesem Hyperlink-Cinema.
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Das bedeutet, dass es nicht mehr nur die Geschichte von einer Person ist,
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die erzählt wird oder von einer Personengruppe, sondern dass sich ...
0:06:24–0:06:30
Viele narrative Stränge parallel aufbauen. Und dass diese narrativen Stränge
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irgendwie miteinander verknüpft sind,
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ohne dass sich jetzt derjenige, der Protagonist eines Erzählstrangs darüber so im Klaren ist.
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Also, das heißt, sie können parallel passieren, diese Stränge,
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und sind für sich auch mehr oder weniger aber in einer Form,
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in einem Ort, in einem Thema miteinander verknüpft.
0:06:53–0:06:56
Also ein bisschen diese postmoderne Entwicklung.
Micz Flor
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Aber ist das wirklich dann da zum ersten Mal erschienen oder gibt es dann in
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dem Text, den du gerade referierst?
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Beispiele von, ich natürlich nicht,
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aber ich denke jetzt an sowas wie Citizen Kane zum Beispiel,
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wo ja auch irgendwie episodenhaft über ein Leben hinweg immer wieder Dinge erscheinen
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und man sucht nach diesem Begriff Rosebud und versucht,
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das ist natürlich nicht das, aber es ist für mich,
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zumindest eine Spur, die mir andeutet, dass so komplexe Geschichten,
0:07:30–0:07:33
die episodenhaft ineinander geschachtelt sind,
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jetzt nicht erst in den 1990er Jahren entstanden sind.
Florian Clauß
0:07:37–0:07:39
Nein, natürlich nicht. Also diese Formen...
Micz Flor
0:07:39–0:07:41
Coole Wampe, ist das ein Hyperlink-Cinema?
Florian Clauß
0:07:41–0:07:46
Nee, diese Formen, also es geht zurück auf den 70er-Jahre-Film von Altmann,
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wo auch so eine Verschachtelung drin ist.
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Und wenn du Rashamon zum Beispiel betrachtest.
Micz Flor
0:07:51–0:07:51
Ja, klar.
Florian Clauß
0:07:51–0:07:56
Ist auch eine episodenhafte Erzählung, aber es geht um diesen Zeitgeist des
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miteinander Verknüpfens. Und das ist, glaube ich, so.
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So muss man das dann auch sehen und vor allen Dingen...
Micz Flor
0:08:03–0:08:07
Also eher dann auch ein kultureller Hintergrund als ein dramaturgisches Verweben.
0:08:07–0:08:11
Geht es dann wirklich auch um so ein Verständnis von Verbindung?
Florian Clauß
0:08:11–0:08:15
Es ist ein Verständnis von Verbindung, eine Art, Geschichten zu erzählen,
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beziehungsweise auch eben diese...
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Also wenn du das jetzt in einem postmodernen Kontext betrachten möchtest,
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diese Auflösung von Geschichte. dass die Narration jetzt nicht mehr von vorne
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bis hinten geht, sondern die Frage von was ist Wahrheit.
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Also dass ganz viele multinarative Ansätze dann auch so gleichwertig sein können.
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Das heißt ja in der Postmoderne hast du da eben auch so diese Auflösung von
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diesem Kern von Gradlinigkeit, der sich da drin wiederfindet.
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Und das ist glaube ich zu der Zeit so neu, dass ich das so formieren kann.
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Und dann ist es noch mal so diese Sache von Globalisierung.
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Du hast eine Globalisierung, also viele Themen, die dann auch das Hyperlinks
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sind, immer Syriana wird auch immer genannt von...
Micz Flor
0:09:05–0:09:07
Ja, ich finde aber auch Babel ist das ja schon.
Florian Clauß
0:09:07–0:09:12
Babel, ja. Also diese Globalisierung, das heißt der weltweite Markt,
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der entstanden ist, überhaupt die Welt rückt näher zusammen durch das Internet.
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Eben dieser ganze Aufbau von Containerschiffen, dieser globale Markenstrom,
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Warenstrom, der auch entsteht.
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All das sind wirtschaftliche und gesellschaftliche Impacts, die dann auch zu
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dieser Erzählform auch irgendwie so beigetragen hat.
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Und wenn du Pulp Fiction hier anguckst, da ist auch dieses Aufbrechen von Zeitraum,
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Kontinuum. Das heißt, es werden noch Erzählstränge später erzählt,
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nachdem jetzt zum Beispiel John Travolta umgebracht wurde.
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Also es ist halt so diese Verknüpfung von Zeit und Raum, die sich da so auflöst.
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Und das hat sich jetzt so in diesem Hype-Hyperlink-Cinema ausgeprägt.
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Und ich glaube, das ist in der Zeit wirklich neu. Natürlich hast du immer Episodenfilm
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und so weiter, aber so in dieser Dichte ist es neu.
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Und ich würde auch noch sagen, es gibt so verschiedene Auspräsungsmerkmale.
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Einer davon ist dieser unglaublich breit aufgestellte Cast.
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Du hast ja beim Hyperlink Cinema, hast du ja Schauspieler.
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Und wenn du dir Magnolia anguckst, wer da alles mitspielt. Das ist ja nicht
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so wie bei anderen Filmen oder bei Pulp Fiction oder wenn wir jetzt noch mal so,
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also es sind alles sehr renommierte Darstellerinnen und Darsteller.
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Es sind so A-Schauspieler, die da das Ganze tragen.
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Das heißt, du musst in diesem Kosmos, dadurch, dass so viele Geschichten parallel
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erzählt werden, brauchst du natürlich auch entsprechend starke Charaktere und
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Schauspieler, die das auch tragen können.
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Und deswegen sind, ich würde jetzt mal so als These raushauen,
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dass Hyperlink Cinema, also dass diese Filme auch mit einem ganz starken Cast arbeiten.
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Und wahrscheinlich kriegst du diesen Cast jetzt heutzutage nicht mehr so zusammen, ohne...
Micz Flor
0:11:14–0:11:16
Christopher Nolan zu sein.
Florian Clauß
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Ja, oder ja, dann machen sie alle, weil er vor gut will, ja.
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Aber ohne unglaublich viel einfach für die Gagen zu zahlen.
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Also ich meine Magnolia mit Tom Cruise, Julian Moore und wer da alles noch so mitspielt.
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Also es ist ja ein Movie-Cast, der dahinter steht.
Micz Flor
0:11:35–0:11:38
Ja und vor allen Dingen und das macht es finde ich so besonders,
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dieses Gefühl, dass man sonst, wenn Tom Cruise im Film ist, dann kennt man die
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anderen auch noch, aber die sind so drumherum drapiert.
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Und bei Magnolia, da sind eigentlich jetzt keine
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hierarchien spürbar die sich
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ableiten ließen von der vom paycheck
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also das ist jetzt nicht so angelegt dass man
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sagt okay das ist ein tom cruise film das geht gar nicht sondern
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ja das wäre dann der erste schritt was für ein film ist das ist kein tom cruise
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film sondern was ist das für ein film wer hat man sie geführt wenn es heraus
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ja lasst es bevor man In Maggiore einsteigen noch ein paar abschließende Worte zu Hyperlink Cinema.
Florian Clauß
0:12:20–0:12:25
Also wir haben verschiedene Charaktergruppen, deren Geschichte erzählt wird
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und worum es da letztendlich geht.
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Auch so ein bisschen, was wir hier mit dem Podcast machen.
Micz Flor
0:12:32–0:12:33
Ja, laufend reden.
Florian Clauß
0:12:34–0:12:39
Aber wir laufen im Reden, das heißt, wir zeichnen auch irgendwo unsere Spuren
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des Laufens mit der Sprache zusammen, mit dem Reden zusammen,
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projizieren wir ja so auf den Wegen, die wir dann zusammen laufen.
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Das ist ja so ein kognitives Mapping, was passiert.
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Und ich glaube, dass es so auch bei so diesem Hyperlinks-Cinema,
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möchte so eine gewisse soziologische Studie auch machen.
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Das kann man so, wir filmen auch, gucken wir uns nochmal genauer bei Magnolia
0:13:06–0:13:09
an, aber es geht schon darum,
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so ähnlich wie in der räumlichen Analyse in den Sozialwissenschaften,
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dass du so irgendwo rein piekst und dir guckst, wie entstehen jetzt hier die
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Verbindung über eine gewisse Zeit, über eine gewisse Örtlichkeit und was passiert
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da für eine Geschichte in dieser Verbindung von Raum,
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Zeit und eben dem Erlebten, was der Darsteller, was der Charakter in dieser Geschichte erlebt.
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Und das ist so ein bisschen dieses, ja man ist auf der einen Seite Beobachter, guckt von außen,
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ist auch irgendwo mit in diesen Charakteren mit aber gleichzeitig durch diese
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parallelen Geschichten, durch diese parallele Erzählung,
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kommst du immer wie in eine andere Schiene rein und du siehst dann eben so ein
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Sammelsurium und verschiedenen Blickwinkeln, die aber nur im Kopf von dem Betrachter
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oder von den Filmschaffenden entstehen,
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aber nicht so sehr aus der Perspektive der Charaktere selber,
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weil die hängen in ihren Konflikten drin.
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Also es ist meistens so, dass sehr dramatische Konflikte bei den Charakteren dann im Kopf...
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Und dass so eigentlich dieses Panorama sich entfaltet. Aber es gibt ein übergeordnetes
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Thema von High-Balling-Cinema.
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Das ist bei Altmann, hatten wir ja schon in den letzten Folgen festgestellt,
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das ist ja das Erdbeben, was dann alle auf einmal so zusammenbringt.
Micz Flor
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Ja, das ist auch interessant, weil natürlich diese Idee von so klassischen Lord
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of the Rings, Hero Story, also diese,
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Diese Etappen, die dann der eine Charakter durchläuft und sich dabei entwickelt
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und dann wieder ankommt am gleichen Ort und doch wieder ein anderer ist,
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die sind natürlich eben wieder so aufgebaut, dass es um eine Person geht, der man folgt.
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Und bei diesem Film ist es ja wirklich so, dass es diese Linearität nicht gibt.
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Auch in der Beobachtung ist man immer selber dabei, eher horizontal sich auszuweiten
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und auch immer wieder fast schon kriminologische neue Fakten über ein Bild zu erfahren,
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was natürlich ein Film ist, ein bewegtes Bild, aber trotzdem eher so,
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als ob man immer wieder mehr Dinge über das Ewig Gleiche erfährt.
Florian Clauß
0:15:26–0:15:32
Genau, es geht irgendwie so um dieses Menschliche dabei,
0:15:33–0:15:38
um dieses menschliche Drama, was sich der auch in dem einzelnen Charakter so
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entwickeln kann, aber auch um diese Austauschbarkeit dabei.
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Das heißt, jeden trifft es irgendwie in dieser Form.
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Und das ist halt so das, was Hyperlink Cinema erzählt und das ist,
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glaube ich, so dieses, was auch Magnolia ganz stark betont.
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Alle Charaktere sind irgendwie in ihren Konflikten, in ihrer Persönlichkeit,
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in ihrem Miteinander gefangen.
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Aber schaffen es nicht, sich gegenseitig da so quasi anzuschauen,
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sondern bleiben in ihrer Geschichte stecken.
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Gleichzeitig erlebt der Zuschauer eine unglaubliche Dynamik,
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weil sich diese Perspektiven ständig abwechseln.
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Und das ist, glaube ich, so das, was so eine globalisierte Welt dann mit sich
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bringt, dass die einzelnen Charaktere dann schon das Gefühl haben,
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es geht nicht weiter, es ist dramatisch, aber auf der anderen Seite ist es eine
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völlige Austauschbarkeit, die da passiert.
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Das ist nochmal, glaube ich, so ein Charakteristikum, was der Kinobewegung so angehört.
0:16:44–0:16:50
Also das werden wir uns jetzt auch gleich nochmal bei Magnolia genauer angucken, was das bedeutet.
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Ich will jetzt mal ein Zitat von einem Kritiker bringen.
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Und zwar geht es so, horizontal experience of human life,
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the spatial dimension of individual behavior and social relations as opposed
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to the vertical experience of history, tradition and biography.
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Also das heißt so, das horizontale Erleben des menschlichen Lebens bezieht sich
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auf die räumliche Dimension des individuellen Verhaltens und der sozialen Beziehungen
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im Gegensatz zum Vertikalerleben von Geschichte, Tradition und Biografie.
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Also das ist so ein bisschen so ein soziologisches Experiment,
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was im Kino da auch entsprechend visualisiert wird.
Micz Flor
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Das war ja so ein bisschen auch der Spirit, auf dem ich das gerade gesagt hatte,
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mit der Hero-Story-Versus, also wo man Luke Skywalker folgt und Harry Potter folgt,
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versus eben so eine horizontale Ausdehnung von so einem Panorama-Blick.
Florian Clauß
0:18:01–0:18:05
Panorama und dass alle Erzählstränge mehr oder weniger gleichwertig sind in
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ihrer Gewichtung. Dass du nicht anfängst, okay, das ist der Hero,
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da ist quasi die ganze Schwerkraft der Narration, die sich drumherum,
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die alle anderen Charaktere drumherum arrangiert.
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Sondern du hast jetzt wirklich so Erzählstangen, die mehr oder weniger gleichwertig nebeneinander laufen.
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Und so ein bisschen so eine geschichtliche Einordnung, du hast es ja vorhin
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gefragt, ist das jetzt neu?
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Nein, es gab es auch zum Beispiel, finde ich auch ganz interessant,
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das ist immer so mediengeschichtlich, Es gab im 18. und 19.
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Jahrhundert das Genre der It-Erzählung.
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Da wurden viele Romane aus der Perspektive von einem Gegenstand erzählt.
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Die It-Erzählung wurde erzählt wie ein Geldstück, das zwischen den Besitzern gewechselt wurde.
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Geschichten von dem Besitzern erzählt.
Micz Flor
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Das ist ja lustig.
Florian Clauß
0:19:05–0:19:08
Ja, und das ist, also das war da auch genannt.
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Es gibt wirklich so dieses It-Novel-Genre in der Literatur.
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Und wie sich das filmisch ausprägt, gibt es auch.
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Es gibt dann den Splitscreen, das haben wir bei Pipe Fiction.
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Es gibt dann auch mit Fußnoten oder dass bestimmte Textbereiche eingeblendet werden.
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Es gibt lange Kamerafahrten, wo auf einmal die Kamera zu einer anderen Charaktergruppe wechselt.
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Und dass du dann in der Bewegung, also im Raum, die Perspektive wechselst und
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das Aufbrechen eben der zeitlichen Dimension,
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wie ich das vorhin auch bei Pulp Fiction meinte, dass du die Chronologie der
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Geschichte nicht mehr chronologisch, also die Geschichte nicht mehr chronologisch
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erzählt hast, sondern dass es bestimmte Zeitebenen gibt, die sich auch abwechseln
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können, vorher, nach und so weiter.
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Farbgebung ist auch ein Punkt, oder auch Stile, hatten wir zum Beispiel bei
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Traffic auch festgestellt,
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dass der Wechsel zwischen Dogma-Style und auch so ein Hochglanzproduktion, Magazinsformat,
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dass ganz unterschiedliche Tonalitäten dargestellt werden.
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Die großen Produktionen von Hyperlinks waren dann wirklich in den Nullerjahren.
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Und man kann ja mehr oder weniger sagen, irgendwann ist es dann nicht mehr so aufgetaucht.
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Und da wäre auch meine Frage an dich. Hast du vielleicht eine These dazu,
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warum das Hyperlink Cinema dann nicht mehr so in der Form existiert,
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also dieser letzte Episodenfilm,
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ja, in der Form,
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wie es damals produziert wurde,
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Das fällt mir jetzt nicht an in den letzten 10 Jahren.
Micz Flor
0:21:06–0:21:10
Es gab diesen einen Film, der das wirklich explizit noch mal macht.
0:21:13–0:21:18
Da hieß es, glaube ich, sechs Blickwinkel im Deutschen, also acht Blickwinkel,
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wo ein Anschlag auf einen Politiker immer wieder neu erzählt wurde,
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und dann wurde das so zusammengebaut.
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Und ... das war ein Spielfilm. Ich denke, ansonsten hab ich so das Gefühl,
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dass dieser Wunsch nach so etwas dann wirklich vielleicht eher in Serien entstanden ist.
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Also, dass man immer wieder ähnliche ... Fällt mir jetzt allerdings nicht wirklich was ein.
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Aber dass das vielleicht irgendwie der Rise of the Serie das halt weggespült hat?
Florian Clauß
0:21:50–0:21:57
Ja, das wäre genau meine These dazu. Ganz genau, dass nämlich dieses epische
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Ausbreiten von verschiedenen Narrationssträngen, dass dieses Format eigentlich
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ganz klar von den Serien besetzt wurde.
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Also das hast du ja auch so, teilweise geht das ja noch viel tiefer rein.
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Die können sich ja noch viel mehr Zeit lassen, während Kinofilme ja immer noch
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mit 180 Minuten oder 183 Minuten, glaube ich, Magnolia, ist das ja schon wahnsinnig
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lange für ein Kinoformat.
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Und altmäßig auch.
Micz Flor
0:22:24–0:22:28
Ja, aber dann kann man eben sowas wie zum Beispiel, was dann Game of Thrones
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hieß, also diese Buchvorlagen, die dann auch kapitelhaft immer aus unterschiedlichsten
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Blickwinkeln die gleichen Treffen oder Besprechungen auch so erzählen von George R.
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R. Martin, das ist, finde ich, dann wirklich so eine Umsetzung auch im Filmischen,
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wo man buchstäblich auf parallelen Wegen zu den gleichen Kämpfen oder zu den gleichen Orten kommt,
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als eine Serie, die wirklich das genau aufgreift.
0:22:55–0:23:00
Also wo du wirklich unterschiedlichste Blickpunkte hast auf das gleiche Gespräch
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teilweise in den einzelnen Kapiteln, Sowohl im Film als aber auch im Buch.
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Und die Frage wäre halt, ob das auch eine literarische Entwicklung war,
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die das dann ermöglicht hat, dass es in den 90er-Jahren hochkam. Und ich, keine Ahnung.
Florian Clauß
0:23:16–0:23:20
Ja, ich glaube, also diese Komplexität der Welt, ne?
0:23:20–0:23:23
Es ist ja so ... Ich meine, auf der einen Seite hast du den stumpfen Action-Movie,
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der dann halt so relativ niederkomplex dann irgendwelche Geschichten erzählt.
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Ja, um halt irgendwie so die Action, das Actionpotenzial da auszuloten.
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Auf der anderen Seite hast du dann natürlich diese Gewohnheiten,
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die sich so geprägt haben,
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dass du eben so eine unglaublich komplexe, aus verschiedenen Blickwinkeln,
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wie man erzählt, das hast du in den Serien dann halt so,
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also Breaking Bad ist ja auch, wenn du folgst, halt wirklich so unterschiedlichen
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Charakteren und du kannst verschiedene Tief- und Haltes, dann das Gefühl,
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dass du das ganze Soziotop dann auch ausgeleuchtet hast,
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was da sich in diesen Milieus tummelt.
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Genau, also die Serie ist sicher ein Format, was dann halt diese ähnlich wie
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auch Dogma, dann so Sehgewohnheiten dann auch aufgenommen hat,
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kann man das auch nicht mehr so unterscheiden,
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dass dann eben auch die Hyperlink Cinema dann so eine gewisse Sehgewohnheit,
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was dann den Serien übergegangen ist und auch diese Dauer, ich glaube,
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das ist auch so diese Dauer, dass du halt bestimmten Charakteren so lange folgst,
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das ist in den Serien dann auch so passiert.
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Und die andere Sache ist, glaube ich, die sind einfach, wir hatten ja schon
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gesagt, so einen Cast für so eine Geschichte, für so einen Kinofilm zusammenzubringen,
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ist, glaube ich, auch jenseits noch des Finanzierbaren.
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Also, ich glaube, es ist einfach zu teuer, jetzt so einen Film zu drehen mit
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dem entsprechenden Schauspieleraufgebot, der dann auch ins Kino dann so schafft und das auch so ...
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So entsprechende Besucherzahlen dann reinbringen.
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Wär auch noch eine These, ja?
Micz Flor
0:25:09–0:25:12
Klar, also ich glaube, dass sich das auf alle Fälle verändert hat.
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Dann die Frage, ja, ich denk jetzt ...
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Interessant ... jetzt noch mal Post-Covid-Kinoverhalten. Keine Ahnung, ob das da irgendwie ...
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Dann auch noch mal ein neuer Dreh ist dazu. Aber es ist auf alle Fälle,
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was du beschreibst, da war ja der ...
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Die Verschiebung war ja wirklich vorher, es hat das Kino verlassen und wo war
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es dann nach dem Kino? Es war scheinbar in den Serien.
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Und eine Sache, die mir noch einfällt, ich weiß nicht, ob du die mal gesehen
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hast, ich kenne das nur vom Namen nach, aber How I Met Your Mother,
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das ist ja wohl so eine Serie, wo wohl auch jedes Mal eine neue Art erzählt
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wird, wie jemand eine Frau kennengelernt hat und das dann der Tochter erklärt,
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so irgendwie, so habe ich gedacht, Aber ich weiß gar nicht, ich habe es nie gesehen.
0:26:00–0:26:04
Aber das wäre ja wirklich dann fast schon so eine ultimative Überhöhung von
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diesem Begriff. Wo gehen wir jetzt dann? Kommen wir hier weiter?
Florian Clauß
0:26:07–0:26:14
Also wir sind jetzt hier hinter dem Berghain direkt an der Stelle und kommen hier an die Ecke.
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Das ist auch so eine schöne periphäre Ecke, die mag ich sehr gerne.
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Feuerwehr. Da müssen wir aufpassen, falls hier die Tore so öffnen,
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dass wir schnell den Platz rollen.
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Und gehen jetzt noch mal so Richtung, müssen wir gucken, Warschauer Straße können
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wir Friedrichshain dann noch mal ein bisschen weiter erkunden auf unserer Tour.
Micz Flor
0:26:36–0:26:37
Spannend.
Florian Clauß
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Kommen wir zu Magnolia und kurz zu Paul Thomas Anderson, der den Film nicht
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zu wechseln mit Wes Anderson, der den Film Regie geführt hat in dem Film.
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Und wir hatten auch von ihm einige andere Filme erwähnt. Ich habe nicht alle
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gesehen, muss ich sagen.
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Aber ich bin, also ich würde sagen, er ist einer meiner Lieblingsregisseure,
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weil er unglaublich starke Filme macht.
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Ich will zum Beispiel der Will B. Blatt von 2007 erwähnt.
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Da geht es um so einen Patriarch-Mogul der Amerika, Erdöl und um eigentlich
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so eine Vater-Sohn-Beziehung.
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Und der Film, als ich den gesehen habe, ich habe selten Filme,
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die mich wirklich so körperlich unglaublich in Aufführung wallen.
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Also der hat mich, nachdem ich da den, ich habe den alleine zu Hause geguckt
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und dann war ich so, also ich war so nervös nach dem Film, ich musste rausgehen.
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Das hatte ich, glaube ich, bei keinem anderen Film außer bei Horrorfilmen,
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Splatterfilmen, wo man auch dann irgendwie manchmal so, wenn die zu nahe kommen,
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dann sich dann so ein bisschen bewegen muss.
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Aber bei dem, das war ganz komisch. Also der hat mich in eine unglaubliche Unruhe gebracht.
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Ich glaube, der hat es schon so ganz gut raus, Regie zu führen,
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um halt bestimmte emotionale Zustände auch zu wecken, würde ich mal behaupten.
Micz Flor
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Ja, ich finde halt bei dem Film auch so, dass der Hauptdarsteller einfach unglaublich
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gut performt und dadurch entsteht so eine ganz komische Mischung,
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dass man zwischen zwischen kammer spiel und wirklich so ganz großen bildern
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also das ist wirklich ein,
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Irrer Film, aber ich glaube, der wirklich einfach so ganz, ganz nah an Kammerspiel
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gebaut ist, dass man sich da wirklich auch öffnet.
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Ich fand den wirklich auch sehr, sehr, sehr berührend.
Florian Clauß
0:28:48–0:28:53
Also der, diese körperliche Einschränkung, die der Junge hat,
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der ist ja taub aufgrund einer Erdöl-Explosion oder davor schon.
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Ich kann es mich nicht mehr genau erinnern.
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Aber diese Taubheit des Jungen, Dieses Gefühl, so alles so ein bisschen in der
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Blase wahrzunehmen, das transportiert der Film ganz gut.
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Und dann diese unglaubliche Aggression des Typens, diese Schlussszene, das ist auch schön.
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Paul Thomas Anderson hat auch Inherent Vice, das hatten wir ja in der Folge
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mit Chris, hatten wir ja kurz drüber gesprochen, diese Adaption von dem Pünnchen-Roman inszeniert.
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Und dann hat er zum Beispiel jetzt so diesen La Chiore Pizza Film oder der seidende
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Fahnen, das habe ich letzten Filmen 2017, 2021, die habe ich nicht gesehen.
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Von ihm kann ich nichts zu sagen. Hast du von dem?
Micz Flor
0:29:45–0:29:46
Habe ich nicht gesehen.
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Ich gucke nur noch Serien und die gucke ich kaum noch, weil ich keine Zeit mehr habe.
Florian Clauß
0:29:52–0:29:53
Ja, die sind auch zu lang.
Micz Flor
0:29:54–0:29:55
Ja, auch das noch.
Florian Clauß
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Und was ich auch Ich finde es unglaublich, er hat den Magnolia mit 28 Regie geführt.
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Und ich finde das ist dafür, dass der so menschlich, ich will mal sagen,
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sich mit dieser menschlichen Existenz so tief auseinandersetzt und auch so eine
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unglaubliche, teilweise Weisheit,
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finde ich das unglaublich, dass der in dem Alter so einen Film gedreht hat.
Micz Flor
0:30:21–0:30:26
So ist der jetzt auch nicht, hätte ich auch nicht gedacht. Also es ist schon... Wow, ja.
Florian Clauß
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Also ich glaube, er ist noch Jahrgang 70 oder so, also er ist relativ jung.
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Der Film spielt an einem Tag in Los Angeles und gleich zum Anfang des Filmes
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wird so ein Framing aufgesetzt.
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Gleich zum Anfang werden drei Geschichten erzählt, die so über das Spiel des Zufalls berichten.
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Und das wird so, das ist so das übergeordnete Thema, was wir beim Hyperlink sind.
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Wir haben schon festgestellt haben, dass dann die Filme, die Charaktergruppen,
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das Netz, was sich dann so an den Charakteren entspinnt, das Narrative häufig
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dann so ein übergeordnetes Thema hat.
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Und das ist so der Zufall, ja, dass die erste Zufallsgeschichte,
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Also sie ist auch relativ banal, ja. Das ist dann irgendwie so einer,
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ein Apotheker, der eine Apotheke in Greenberry Hill in London betreibt,
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von drei Einbrechern getötet werden,
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die jeweils Greenberry and Hill heißen.
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Und das war so dieser. Die andere Geschichte ist, dass ein Sporthaucher auf
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einem Baum gefunden wurde.
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Nachdem ein Löschflugzeug diesen Taucher aus dem See mit dem Löschwasser zusammen
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geholt hat, dass aber gleichzeitig dieser Sporttaucher gefunden wurde.
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Der ist ein Casino-Angestellter und hat zwei Tage vorher sich mit dem Piloten,
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der dieses Flugzeug geflogen hat, in Streit geraten.
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Mir wurde erzählt, dass er eine unglückliche Ehe hat, ein Trinker ist und in Streit geraten ist.
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Das hat dann im Nachhinein der Flugzeugpilot gelesen, dass es der Typ ist,
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den er verprügelt hat in dem Casino, dass er den dann umgebracht hat.
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Darum hat er sich selber das Leben genommen.
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Die dritte Geschichte, die erzählt wird, ist von einem Ehepaar,
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auch so ein Trinker-Ehepaar, die sich immer klappen und so weiter.
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Und in dem Moment, als die Frau mit der Schrotzhände ihren Mann erschießen möchte,
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schießt sie durchs Fenster.
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Also sie zieht nicht direkt. Und da in dem Moment fliegt ihr gemeinsames Kind
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vorbei und wird durch den Schuss tödlich getroffen.
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Und dann wird sie wegen Mordes angeklagt, weil nämlich unten,
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dass der Junge wollte sich umbringen, weil er keinen Ausweg mehr gesehen hat.
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Aber er wäre im Netz gefallen und aufgefangen worden. Ja, so will der Film uns
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einstimmen auf die Geschichten, die wir dann erleben.
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Ja, also diese unglaubliche Verschränkung von Zufall, die dann zu so Absurditäten führt.
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Ja, und dann ja, eigentlich wieder zu so einem menschlichen Drama,
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dann wieder sich ausweiten.
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Also ja, der Film spielt an einem Tag in Los Angeles.
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Mehr oder weniger sind zehn Personen, Charaktergruppen da, tragend in dem Film.
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Ich will das mal Ensemble-Strängen nennen.
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Ensemble-Stränge eins, der ist rund um die Figur von Jimmy Gator,
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der eine Quiz-Show leitet, What the kids do know.
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Diese Quiz-Show ist, wo ein Erwachsenenteam gegen ein Kindteam antritt.
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Er hat diese Show schon seit über 30 Jahren.
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Er hat erfahren, dass er unsterblich an Krebs erkrankt ist.
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Hat eine Tochter, die Claudia Wilson-Gater heißt, die aufgrund von traumatischen
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Erfahrungen mit ihrem Vater, er hat sie höchstwahrscheinlich sexuell missbraucht,
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dann in den älteren Jahren auch eine starke Kokain-Sucht entwickelt hat.
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Und es geht so ein bisschen darum, dass dann der Vater sich seiner Tochter wieder nähern will.
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Aber da findet so richtig keine Nährung statt. Sie ist dann auch so sechssüchtig,
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sucht sich dann immer irgendwie anderen Liebhaber und trifft auf einen Polizisten,
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der auch in diesem Strang dann eine tragende Rolle spielt, nämlich Jim Curring
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heißt der, wird von John C. Reilly gespielt.
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Kennst du auch, ne? Ja, ja. Ich mag den sehr gerne.
Micz Flor
0:34:48–0:34:50
Ja, so ein knuffiges Gesicht.
Florian Clauß
0:34:50–0:34:53
Ja, der hat so ein knuffiges Gesicht. Was hat er gemacht zuletzt?
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Ich habe Winning Time, gucke ich gerade diese Serie, wo er von den L.A.
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Lakers den Trainer oder den Produzenten spielt.
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Das ist ziemlich toll. Oder er hat Let's Talk About Kevin, das ist ein ganz
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großartiger Film, mit Tilda Swinton gespielt.
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Wo es dann um das Elternpaar eines Schulattentäters geht und wie die damit umgehen.
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Und genau, das ist Jim Curring, der Polizist, der so ein bisschen als sehr schüchterner
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... Ja, was heißt schüchtern?
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Aber er ist so ein bisschen so ... Er versucht, seinen Job richtig zu machen,
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versucht, den Menschen zu helfen, versucht, in Kommunikation zu treten und denen auch zu erklären.
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Also sehr empathischer Typ und trifft dann auch auf diese Claudia.
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Die nähern sich dann auch an.
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Er sucht dann auch, sein Ding ist, dass er auch schon verheiratet war,
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aber dann wieder eine Beziehung sucht, aber dann nicht so richtig erfolgreich ist.
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Und da bändelt sich zwischen denen was an.
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Dann gibt es Donnie Smith, der hat auch so ein ziemlich extremes Gesicht.
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Das ist so das Kind, was diesen Rekord in der Show von dem Gator,
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die längste Zeit gehalten hat, aber jetzt so ein bisschen so ein abgestürzter Typ ist,
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der in so einer schwulen Bar die Aufmerksamkeit von so einem Barmann zu bekommen,
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in die er sich verliebt hat.
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Er will eigentlich jemandem die ganze Zeit Liebe geben, scheitert,
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aber er sucht dann so ein bisschen, dass er sich halt seine Zähne korrigieren
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lässt, obwohl die halt perfekt sind, nur weil dieser Barmann auch eine Spange
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trägt, will er halt auch eine Spange haben, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen.
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Und dann die fünfte Figur in diesem ganzen Ensemble ist der Stanley Spector.
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Das ist gerade so das Kind, was so den Rekord hält in der Kindermannschaft und
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ein unglaublich schlaues Kind ist, auch ein sehr sensibler Klabe,
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der aber von seinem Vater die ganze Zeit getriezt wird, dass er da auch entsprechend
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liefert und den Rekord hält.
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Und es kommt dann zu einer dramatischen Szene, dass dann Stanley bei einer Gameshow,
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die dann voll in die Hose geht, weil er in die Hose gemacht hat,
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weil ihn keiner irgendwie aufs Klo gelassen hat.
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Er hat die ganze Zeit, ich muss jetzt aufs Klo und er kommt nicht aufs Klo,
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weil weder die Frau, die ihm dann so als,
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wie nennt man das auf dem Filmset, jemand, der sich dann um die Schauspieler
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und so kümmert, ja, also diese Frau hat ihn dann nicht aufs Klo gelassen.
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Er sagt, dass er mal seinen Vater in der Werbepause, dann ist auch keine Zeit,
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Der wird getrieben und dann bleibt ihm kein anderer Ausweg mehr.
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Er muss dann in die Hose machen und dann in den Duell, wo er aufstehen muss,
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gegen die Erwachsenen, dann steht er nicht auf, weil er sich so schämt.
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Also das heißt auch hier eine dramatische Zuspitzung. Das ist so der eine Strang.
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Ich will jetzt auch nicht so die ganze Geschichte, weil es ist so ähnlich,
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wenn wir da in die einzelnen Stränge einlaufen, sind wir die ganze Zeit mit Erzählen.
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Aber ich glaube, es geht so ein bisschen so, um den Geschmack zu bekommen,
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in welchen Netz das spielt von Geschichten.
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Und der andere Strang dreht sich so auch wieder um ein Patriarchen,
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so ein, der im Sterben liegt, weil er Krebs hat.
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Und das ist der Earl Patridge, der auch so in den letzten Zügen wirklich auf
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dem Bett liegt und einfach da auch so ein bisschen um Vergebung sucht und auch um Reue kämpft.
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Er hat einen Sohn, den er verlassen hat.
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Seine Frau, seine eigentliche Liebe, die von damals auf dem Sterbebett,
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kriegt er es dann so, wird ihm das nochmal deutlich.
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Und dieser Sohn wird gespielt von Tom Cruise. Das ist Frank McKay und da ist
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Tom Cruise, glaube ich, in so einer Rolle, die kriegt man nicht mehr aus dem
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Kopf, wenn man ihn einmal gesehen hat.
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Darüber haben wir uns auch schon unterhalten. Ich habe es jetzt wieder gesehen
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und dachte echt so, was für ein toller Schauspieler.
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Also er ist so quasi so ein Selbsthilfe-Coach, Gruppencoach,
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der so absolut sexistisch und frauenfeindliche Sprüche bringt und da auch so
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sein ganzes Medienimperium drauf aufgebaut
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hat und eigentlich so Pick-up-Artist-Sprüche, dann so Tipps gibt,
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wie man halt irgendwie so Frauen dann so aufreißen kann und wie man die,
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also absolut sexistisch, was er da von sich gibt, aber großartig gespielt.
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Auch wieder so eine Figur, die eine ganz harte Schale hat, aber dann irgendwann
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auch, der wird dann am Ende, wird er dann noch seinen Vater so kurz vor dem
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Sterben, im Sterben begleiten und sehen.
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Und der Kontakt war eigentlich total abgebrochen und es gibt,
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dieser Paddredge wird von einem...
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Pfleger betreut. Und das war das erste Mal, dass ich diesen Schauspieler im
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Kino gesehen habe und der mir auch nachhaltig beeindruckt hat. Das war Samuel Huffman.
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Er spielt diesen Krankenpfleger, der alles dransetzt, um dann den Sohn ausfindig zu machen.
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Er hat dann den Namen, muss aber erstmal durch diese ganze Agentenschicht,
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die dann quasi vor Mackay sitzt,
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um ihn halt irgendwie ans Telefon zu lassen, muss er sich erstmal dann durchwühlen,
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damit er überhaupt da Gehör findet und ihn überzeugen kann, dass sein Vater
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im Sterben liegt und er ihn gerne noch mal sehen will.
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Und er hat ein absolutes Vatertrauma. Ja, er musste nämlich,
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also der Mekka musste die todkranke Mutter, die auch im Sterben an Krebs lag,
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musste er als 15-Jährige dann jeden Tag pflegen.
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Und ja, man hat keine Ahnung, ob das dann zu so einem Frauenhass oder so ein
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Vaterhass gekommen ist, dass er so zu so einer Person geworden ist.
Micz Flor
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Und diese Szene von Seymour Hoffman, wo er am Telefon ist, das ist irgendwie
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auch das, was mich von diesem Magnolia-Film am meisten einfach...
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Es ist ganz komisch, weil es ist eine völlig... Also einfach sein,
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weil Seymour Hoffman, der will das einfach so herstellen und der ist nicht mal
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mitten in dieser Geschichte drin, aber es fliegt ja natürlich ganz eng an diesem Typen dran.
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Und irgendwas ist an dieser Telefonszene, was mich so ganz tief berührt.
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Dass das Bild einfach geblieben ist. Das ist das, was ich noch am meisten erinnern kann.
Florian Clauß
0:41:26–0:41:31
Ja, das ist wirklich sehr, sehr stark einfach wirklich. Also,
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diese ... Er hat dann auch Tränen in den Augen und ...
Micz Flor
0:41:33–0:41:36
Ja, ich glaub auch, dass er dann irgendwie zuerst versucht, nur mit Worten,
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und dann fängt er an, seinen Körper einzusetzen, aufzustehen.
0:41:39–0:41:44
Ich weiß nicht, ich hab den Film nicht mehr gesehen, aber ich muss alle Mittel
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in mir mobilisieren, dass das noch klappt.
Florian Clauß
0:41:46–0:41:46
Ja.
Micz Flor
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Ich weiß gar nicht, weil du sagst, das erste Mal ... Twister,
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also dieser... Und das war glaube ich noch vorher, oder?
Florian Clauß
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Ja, doch, war Twister, glaube ich von 97 oder 98.
Micz Flor
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Der war noch irgendwie so ganz, irgendwie so sehr jung und als Schauspieler, aber trotzdem schon...
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Das war ganz komisch, ich hab den Film gesehen und gedacht, ey,
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der Typ, der ist total interessant.
Florian Clauß
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Also es gibt halt wirklich wenig Schauspieler, die so einen Charisma Zeugen, wie er auf der Leinwand.
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Und als vierte Person in diesem Ensemble Strang 2 tritt Linda Partridge auf.
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Die gespielt wird von Julian Moore. Die Julian Moore kennen wir ja noch aus
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den Shortcuts von Altmann.
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Und hier spielt sie die Ehefrau sehr viel jünger,
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die sich verheiratet hat Aber auch sie wird von einer Reue getrieben,
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weil sie ihren Mann betrogen hat.
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Sie ist auch drogensüchtig, hat alles Mögliche getrieben.
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Und merkt jetzt eigentlich auch, dass sie da falsch gehandelt hat und ihn liebt
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und gleichzeitig sich nicht mehr nähern kann.
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Und da gibt es ja auch diese unglaubliche Szene in der Apotheke,
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wo sie dann die ganzen Medikamente holt für ihn.
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Alles Mögliche an Seditionsmitteln, Morphium und irgendwelche anderen harten Drogen.
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Und der Apotheker dann halt schon so sagt, aber nehmen Sie nicht die und die
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zusammen, Sie wissen ja.
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Und dann meint sie, das zu durchschauen. Und sie hat dann so eine unglaublich
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starke emotionale Szene, wo sie dann zu ihm sagt, wie können Sie ...
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How dare you ... Das ... ne?
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Das ich ... Wie können Sie so über mich urteilen?
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Sie wissen überhaupt nichts von meinem Leben, ja? Und das ist denen natürlich
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total peinlich. Aber die ist auch sehr stark gespielt, diese Szene.
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Und sie würde sich dann umbringen wollen mit diesen Drogen auch.
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Sie nimmt dann tatsächlich alles zusammen und ... liegt im sterben wird aber
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gerettet ja also das ist so das figuren ensemble da gibt es dann eben diese
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eine also diese geschichte die sich dann.
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Auf der einen Seite habe ich schon erzählt von dem Jungen,
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der dann in dieser Gameshow so für sich versagt und auf der anderen Seite die
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Geschichte von dem Sohn,
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wie er dann zu seinem Vater findet und alle Charaktere suchen irgendwie um Vergebung, sind in Reue,
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versuchen sich den anderen mitzuteilen, aber irgendwie läuft alles so ein bisschen
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nebeneinander, Also ein bisschen LeBitt Lewowski,
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dieses Drama und keiner so richtig schafft es dann, sich aufzuraffen.
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Alle sind so ein bisschen wie so kopflose Hühner, die da halt rumlaufen,
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aber nicht so richtig einen Griff finden, um sich da hochzuziehen und irgendeine
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sinnvolle Entscheidung zu machen.
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Aber alles läuft irgendwie. Und das ist halt so, das wird auch nochmal in der
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einen Geschichte über Hyperlink Cinema erzählt, das ist wie so Zahnräder,
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die ineinander greifen und die ganze Maschinerie dann so zum Laufen.
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So sind dann halt die einzelnen Geschichten.
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Kein Zahnrad kann man irgendwie rausnehmen. Sondern es geht um dieses Ensemble
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und dieses Zusammenspielen zwischen den einzelnen Zahnrädern,
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die diesen Apparat dann so produzieren.
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Und am Ende, also das, worauf alles hinausläuft, ist eben dieses übergeordnete Ereignis,
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was dann bei allen Charakteren irgendwie zu einem Punkt führt,
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wo sie wieder eine gewisse Ruhe haben.
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Also es wird die ganze Zeit, die Geschichte wird so getrieben,
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getrieben, getrieben und das ist wirklich fulminant, wenn man sich das anguckt.
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Der Film wird nicht langweilig, du switchst zwischen den Szenen her,
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du musst am Anfang dir erstmal irgendwie die Orientierung, weil du wirst dann
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reingeworfen über diese Zufallsgeschichten und dann musst du die ganze Zeit
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versuchen, worum geht es?
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Ah ja, okay, und langsam stellt sich so ein Kontext her und es dauert dann auch
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so wirklich, bis man dann diese einzelnen Stränge so auseinander hat,
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aber darum geht es ja gar nicht, sondern
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es geht um diese parallelen Geschichtenerzählungen, die passieren, ja?
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Also es ist gar nicht so wichtig, das so auseinanderzunehmen,
0:46:30–0:46:34
aber wenn man das jetzt wieder so rückwirkend aufpellt, die Narration,
0:46:34–0:46:39
dann hast du halt auch diese Konsistenzen, Konsistenten-Erzählung, ja?
Micz Flor
0:46:39–0:46:39
Ja.
Florian Clauß
0:46:39–0:46:44
Und in diesem Ereignis, und das ist halt auch wieder so ein Ding,
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was dann überall so auch angetündigt wird, Exodus, diesen Bibelspruch,
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Vers acht, Paragraph zwei, oder ich weiß nicht genau, für acht und zwei,
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taucht überall auf, die Nummer Exodus 8, 2.
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Und das ist der Spruch, ich werde den jetzt noch mal vorlesen, was das bedeutet.
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So, das ist das Bibelzitat, also wir müssen ja in Exodus 8,1 da reinbringen,
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bevor 8,2, dann wird der Kontext deutlich.
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Und Jehova sprach zu Mose.
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Geh zu dem Pfarrer ohr hinein und sprich zu ihm. Und so spricht Jehova.
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Und das ist jetzt Exodus 8,2. Lass mein Volk ziehen, dass sie mir dienen.
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Und wenn du dich weigerst, es ziehen zu lassen, siehe, so will ich dein ganzes
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Gebiet mit Fröschen schlagen.
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Und das ist dieses unglaubliche Ereignis, was eintritt. Es passiert ein Froschregen.
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Es fallen Frösche von Himmel und erst erstmal so flatsch.
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Und ich finde es auch wieder ganz stark inszeniert, weil einfach diese Wucht
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und die Macht und wenn man so einen Frosch auf hoher Entfernung auf den Kopf
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bekommt, das hat ja eine unglaubliche Kraft, das ist ja fast wie ein Stein.
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Und diese Frösche regnen hinab, es ist halt morgens in Los Angeles und man sieht
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das dann auch meistens nur aus der Perspektive von den einzelnen Figuren.
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Und dieser Froschregen hat was unglaublich Reinigendes, was Kathartisches.
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Es ist so, dass der Jimmy Gator, der Vater von Claudia,
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gerade in dem Moment, wenn er die Pistole ansetzen will, kommt aus dem Dachfenster
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halt so ein Frosch und schmeißt ihm die Pistole aus der Hand und der Schuss geht dann halt daneben.
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Der Donnie Smith, also das ehemalige Quiz Kid, Er war in so einem Geschäft beschäftigt,
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hat sich mit seinem Chef verkracht, weil er kein Geld bekommen hat.
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Geht dann irgendwie, das passiert davor, will dann den Safe ausräumen, das ganze Geld klauen.
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Tut es auch, aber auf dem Rückweg überfällt ihm die Reue und will wieder zurück.
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Und klettert dann in dieses Rohr hoch. In dem Moment kommt der Froschregen.
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Und so ein Frosch haut ihn halt von so einem Abflussrohr runter.
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Und er fliegt halt voll auf die Fresse und seine ganzen Zähne sind kaputt.
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Und dann muss sie sich jetzt wirklich richten lassen.
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Und in dem Moment sieht dann der Polizist, sieht das dann...
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Kommt zu ihm, der hat in einem Einsatz seine Waffe verloren vorher und ist total
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geknickt, weil er war auf einem Date dann mit Claudia, hat aber seine Waffe
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verloren und denkt die ganze Zeit an die Waffe, weil das für ihn total,
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also es passiert einem, darf einem nicht als Polizist passieren und er weiß
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nicht, wie er da rauskommt.
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Und er sieht dann den, er ist eigentlich privat unterwegs, sieht dann das Quiz-Kit
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an diesem Schacht hochklettern und holt ihn dann und rettet ihn auch von den
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Fröschen, ja, und Und dann sitzen die zusammen unter der Tankstelle,
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unter dem Dach der Tankstelle und auf einmal fällt dann halt auch so eine Dienstwaffe vom Himmel.
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Also es passiert halt so, es ist so ein Deus Ex Machina, so eine göttliche Maschine,
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die auf einmal im Hintergrund wirkt.
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Und als dann auch die Frösche anfangen zu regnen, in dem Moment stirbt dann der Earl Petritch.
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Die Julianne Moore wird gerettet, sie wird nämlich von einem schwarzen Jungen,
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der zwischen der zwischen den einzelnen Strängen hin- und herspringt.
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Ja, da wird sie ... Da wird sie beklaut, aber er ruft dann auch den Krankenwagen.
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Und sie wird gerettet, sie wird reanimiert.
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Der Krankenwagen macht dann einen Unfall in diesem Froschregen,
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aber fliegt dann direkt vor die Notaufnahme nach so einem letzten Spurkratzen,
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um dann halt auch ... Entschuldigung, den Moor dann eben in die Notaufnahme zu bringen.
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Mit diesem Froschregen kommt dann eben so ein Zustand wieder zustande,
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wo alle so ein bisschen wieder so in Ruhe und zu sich gefunden haben.
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Claudia und der Polizist kommen zusammen, ja, mehr oder weniger.
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Und das ist auch so die letzte Einstellung. Du siehst, wie die miteinander reden.
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Und dann schaut Claudia dann direkt in die Kamera und lächelt so.
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Und damit ist so quasi der Film aufgelöst.
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Und es gibt, ja, und es gibt dann, es gibt den Abstand. Es gibt noch eine Szene.
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Der ganze Film wurde angeblich von einem Lied von Amy Mann, Wise Up,
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inspiriert und die hat auch einen sehr schönen Refrain, der da lautet...
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Es wird nicht aufhören, bis du begreifst, es hört nicht auf.
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Das ist auch so diese Gefangenheit.
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Es gibt was Übernatürliches. Dieser Froschregen hat mich an diesen Tintenfischregen
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von Watchmen, von der Serie, erinnert. Kannst du dich nicht dran erinnern?
Micz Flor
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Doch, auf jeden Fall.
Florian Clauß
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Ich dachte, dieser Froschregen war mir noch so präsent im Kopf.
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Da dachte ich, der hat's gut inszeniert. Aber dann habe ich gemerkt,
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dass es das Quittregen war von Watchmen, den ich zuletzt gesehen habe.
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Und der Froschregen wird nochmal echt anders inszeniert.
Micz Flor
0:51:50–0:51:53
Das Lustige ist, ich konnte mich nicht mehr an diesen Froschregen erinnern.
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Aber als du es gesagt hast, in dem Moment, hat es so einen Knall gemacht in meiner Erinnerung.
Florian Clauß
0:51:59–0:52:02
Also das ist wirklich so ein ganz starkes Moment von dem Film.
0:52:03–0:52:07
Genau, und das ist so ein bisschen auch das, was Hyperlink Cinema eben auch
0:52:07–0:52:13
als Prinzipien da so formuliert. finde ich, das ist ganz gut eingelöst von dem Film, ja?
Micz Flor
0:52:13–0:52:13
Ja.
Florian Clauß
0:52:14–0:52:18
Und du könntest jetzt zum Beispiel fragen, worum heißt denn der Film Magnolia?
Micz Flor
0:52:19–0:52:23
Weil doch vor dem einen Haus dieser Baum steht und den hat nicht Seemann Haffern
0:52:23–0:52:29
so einen kleinen Monolog zur Magnolia, dass die nur eine Nacht oder einen Tag
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blüht oder irgend sowas.
Florian Clauß
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Das kommt auch vor. Also Magnolia kommt so in verschiedenen Varianten vor,
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Das ist zum Beispiel auch ein Aufkleber von dem Quiz-Kit.
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Hinten ist auch eine Magnolie.
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Und Magnolie könnte als so ein Bild dastehen von Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit
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und gleichzeitig Schönheit.
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Magnolien haben die Eigenschaft als Blüte, als Baum, dass die einzeln an den
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einzelnen Astenden blühen.
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Und das heißt, die werden zusammengehalten durch so ein Netz von Asten,
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aber treten einzeln auf.
0:53:10–0:53:14
Und das ist auch so in dem Film. Alle Charaktere treten ihrer Blüte irgendwie
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einzeln auf, aber sie sind miteinander vernetzt.
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So kann man das übertragen, wenn man möchte.
0:53:20–0:53:25
Und dann, was auch wieder drin ist, was so ein bisschen uns dann auch wieder
0:53:25–0:53:31
so zu das Fest führt, immer diese Traumatisierung von der Vater-Kind-Beziehung.
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Also immer der Vater, der dann die Kinder traumatisiert.
0:53:36–0:53:43
Diese Übertragung von eben Leid und von diesen gestörten Beziehungen über mehrere Generationen.
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Dieser Übertragungsaspekt, der dann aufgelöst wird in so einem unglaublichen
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Ereignis, mit dem Froschregen.
Micz Flor
0:53:52–0:53:53
Ja.
Florian Clauß
0:53:53–0:54:00
Also das ist ja auch so ein Mittel, um einfach nur mal so einen ganz anderen Absatz zu setzen, ja.
0:54:02–0:54:08
Also was man auch sagen kann, ist eben diese Beziehung wie Los Angeles als Ort,
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wie dieser Raum dann auch so als eine kognitive Karte, wo dann die einzelnen
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Schicksale irgendwo auch verortet sind,
0:54:18–0:54:22
die dann halt miteinander spielen, aber es einfach so ein Mapping ist und so
0:54:22–0:54:26
ein soziologischer Querschnitt, den er so anhand dieser Charaktere aufhaltet.
0:54:26–0:54:30
Das ist ja auch das, was wir vorhin zu dem Hyperlink-Cinema gesagt haben.
0:54:30–0:54:34
Und was mich, das wäre jetzt nochmal so ein bisschen übertragen gesprochen,
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also was jetzt nochmal so interessant ist für die heutige Zeit,
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also jetzt so ganz weit hergeholt, wenn du anschaust, wie sich Geschichte in
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so einem Netzwerk abbildet.
0:54:50–0:54:55
Und wenn wir jetzt ein neuronales Netz nehmen, also wir gehen jetzt mal in diese
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Deep Learning Sachen rein und so ein neuronales Netz, Du kannst dir dann halt
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solche neuronalen Netze anhand von irgendwelchen Themen auch trainieren,
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ja, wie zum Beispiel Katzenbilder oder sowas, erkenne Katzen überall und damit,
0:55:08–0:55:11
was du jetzt mit so einem austrainierten Modell machst, du kannst das Modell
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nehmen und du kannst es irgendwo hinschmeißen und dann erkennt das Modell überall Katzen, ja.
0:55:16–0:55:20
Und dann kann man das aber weiter trainieren, auf dieser ausgelernten Ebene
0:55:20–0:55:27
kannst du nochmal weiter so diese Modelle Du kannst Akzente setzen und das passt dann.
0:55:28–0:55:34
Ist ja, dass so bestimmte Beziehungen geschwächt oder verstärkt werden und damit
0:55:34–0:55:37
sich dann wieder so ein Bild entwickelt.
0:55:37–0:55:43
Und das ist dann so übertragen, du hast dann halt diesen Froschregen und auf
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einmal entsteht so ein Chaos.
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Du gibst ja immer in diese Trainieren von Modellen, gibst ja so ein Seed,
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also irgendwas mit rein, damit sich das Bild irgendwie anders entwickeln kann
0:55:55–0:55:59
und das nennt man zum Beispiel mit dem Journey den Chaos-Level.
0:56:00–0:56:04
Irgendwann fängt das Modell auch, wenn du zu hoch das Chaos setzt,
0:56:04–0:56:06
dann fängt es an, zu halluzinieren.
0:56:06–0:56:09
Dann fängt es an, irgendwas zu sehen, zu erzählen.
0:56:10–0:56:13
Oder so wie du vorhin, als wir im Restaurant saßen, hast du auch gesagt,
0:56:14–0:56:16
als du neulich Chachibiti ... Oder das war eine Geschichte, ne?
0:56:17–0:56:21
Chachibiti hat dir in irgendwelche Fälle für ... herangezogen.
Micz Flor
0:56:21–0:56:26
Ja, es war irgendein Fall, in dem jemand wohl einen Anwalt in Amerika irgendwie
0:56:26–0:56:29
ein Plädoyer gehalten hat, ein Schlussplädoyer bei irgendeinem Strafverfahren
0:56:29–0:56:33
oder so und dann sich aber herausstellte, dass halt die ganzen Referenzen,
0:56:33–0:56:36
die in diesem Plädoyer angeführt wurden, das war alles, das gab es gar nicht.
0:56:36–0:56:41
Und das war dann einfach wirklich in Jett GPT entstanden und eben nicht vor
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dem Hintergrund von juristischer Recherche, sondern einfach wahrscheinlich eher
0:56:46–0:56:49
so anhand von allem, was halt Jett GPT so gefunden hat.
0:56:49–0:56:52
So, ah, ich darf endlich mal ein Schlussblatt hier schreiben,
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jetzt lasse ich es mal wirklich rocken.
0:56:55–0:56:59
Und die ganzen Referenzen auf Fälle waren halt wohl, gab es nicht, die Fälle.
Florian Clauß
0:57:00–0:57:05
Ja genau, aber es ist genau dieses Phänomen, dass die Large Language Models
0:57:05–0:57:09
ab einer gewissen Stufe anfangen zu halluzinieren.
0:57:10–0:57:14
Also das ist auch so die Frage, wie lässt man das zu? Weil manchmal kann das
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gute Sachen entwickeln, manchmal muss man es unterdrücken, weil es wäre halt
0:57:18–0:57:22
irgendwie fatal, in so einem Schlussplätoyer Fälle heranzuführen, die es nie gab.
Micz Flor
0:57:23–0:57:29
Ja. Ja, und das ist ja auch ein Modell, wie man Halluzinationen bei Psychosen erzählt, ne?
0:57:29–0:57:35
Also, es ist halt durch Stress eben genau solche Schwellen auch in der Wahrnehmung,
0:57:35–0:57:41
also Kognition, die halt aus den Inputbildern herstellt, dass sich da die Schwellen verändern.
0:57:42–0:57:48
Und ... das ist nicht unähnlich. Also ich kenne das jetzt von diesem Bildgenerierungsprogramm
0:57:48–0:57:51
nicht, aber in der Psychose gibt es auch eine ähnliche Hypothese,
0:57:52–0:57:58
dass Psychosen so entstehen, dass halt bestimmte Parameter von Realitätsbezug
0:57:58–0:58:00
zu locker sind sozusagen.
0:58:02–0:58:06
Also man hat so eine Art World Engine und dieses World Engine ist der Realitätsbezug
0:58:06–0:58:10
und das was man sieht entspricht sicherlich nicht nur diesem World Engine,
0:58:10–0:58:14
weil es da einfach nur ein Input ist und es entsteht in der Kognition dann das
0:58:14–0:58:18
Bild und wenn man sich da immer weiter von dem World Engine entfernt,
0:58:18–0:58:21
desto...
0:58:21–0:58:22
Wie heißt es?
0:58:22–0:58:32
Chaos, ne? Desto chaotischer wird dann dieses...
Florian Clauß
0:58:32–0:58:36
Irgendwas, was dann noch mal so als ein Zufallsding da mit reingeworfen wird,
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um anders verschlüsseln zu können.
0:58:38–0:58:44
Das ist fragmentarisch in der Geschichte, das hatte ich eben nicht erwähnt bei
0:58:44–0:58:50
dem Song von Wise Up, das wird dann halt von allen gesungen und du siehst dann
0:58:50–0:58:51
halt Charakter für Charakter,
0:58:52–0:58:58
wie die dieses Lied singen in der jeweiligen Situation, wo die sind.
0:58:58–0:59:03
Und was auch ein ziemlich starker Moment ist, dass du diese Fragmentarisierung
0:59:03–0:59:06
über so einen Song auflöst und gleichzeitig kriegst du wieder so eine Chorgeschichte.
Micz Flor
0:59:06–0:59:09
Das ist absurd, weil ich muss dann echt nochmal gucken. Daran kann ich mir zum
0:59:09–0:59:10
Beispiel gar nicht mehr erinnern.
Florian Clauß
0:59:10–0:59:12
Nee, das ist...
Micz Flor
0:59:12–0:59:15
Konntest du dich daran erinnern? Du hast ihn bestimmt auch lange nicht mehr gesehen.
Florian Clauß
0:59:15–0:59:17
Ich hab ihn lange nicht... Ich hab tatsächlich viele Sachen.
0:59:17–0:59:21
Daran, wo man sich erinnern kann, ist natürlich vom Cruise.
0:59:21–0:59:28
Das ist so eingebrannt, Selma Hoffmann, dann auch diese Quiz-Geschichten,
0:59:28–0:59:32
aber diese Details wusste ich auch zum ersten Mal. Und den Froschregen wusste ich auch noch.
0:59:33–0:59:38
Aber diese Details mit diesem gemeinsamen Singen und das, was auch echt war,
0:59:38–0:59:42
ist, dass diese 180 Minuten, du hast nicht das Gefühl, dass du drei Stunden
0:59:42–0:59:43
gerade einen Film geguckt hast.
0:59:43–0:59:48
Weil der hat auch wieder so eine Dynamik, der funktioniert total super.
0:59:49–0:59:53
Der zieht dich so rein und du hast nicht das Gefühl, dass du so lange in den Film geguckt hast.
Micz Flor
0:59:53–0:59:58
Ja, das ist vielleicht auch eben das Gefühl zu dem, was du vorhin von diesem
0:59:58–1:00:02
Kritiker vorgelesen hast, dass es eben nicht vertikal die Geschichte vorantreibt,
1:00:02–1:00:05
den Character Development vorantreibt oder Biografien erzählt,
1:00:06–1:00:07
sondern eben horizontal.
1:00:07–1:00:12
Weil man eigentlich immer in diesem einen Tag bleibt, so ein bisschen auf der
1:00:12–1:00:16
Stelle tritt, natürlich immer mehr erfährt, aber die ganze Zeit doch noch an
1:00:16–1:00:18
so einem Punkt bleibt, wo man fragt, okay, wann geht es jetzt los?
1:00:19–1:00:21
Was muss ich noch wissen, bevor es losgeht?
Florian Clauß
1:00:21–1:00:25
Genau, und dann merkst du, du bist mittendrin, und es wird mitten erzählt,
1:00:25–1:00:27
und es wird nicht anders. Und das ist halt so.
1:00:28–1:00:32
Genau, also das war jetzt noch mal so eine Geschichte von mir.
Micz Flor
1:00:33–1:00:34
Und wann geht's jetzt los?
Florian Clauß
1:00:35–1:00:40
Ja, es geht gleich los, weil wir sind jetzt nämlich an dem Punkt, wo wir hinwollten.
Micz Flor
1:00:40–1:00:44
Ich wollte noch eine Sache kürzen, die ich damals gelesen hatte im PTA-Interview,
1:00:44–1:00:48
wo er meinte, dass Tom Cruise kam halt ans Set direkt nachdem er Mission Impossible
1:00:48–1:00:52
gedreht hatte und war deshalb so muskulär aufgebaut.
1:00:52–1:00:56
Das hätten die halt natürlich für diese Rolle erst mal gar nicht machen wollen.
1:00:56–1:01:01
Aber irgendwie meint er, er war so froh, weil genau das macht's aus.
1:01:01–1:01:04
Genau das macht's aus, diesen Stahlkörper, diesen Charakterpanzer,
1:01:04–1:01:07
wie will er im Reich sagen würde, dieser Mensch, der sich hinter seinen Muskeln
1:01:07–1:01:11
versteckt, weil er die ganze Zeit voller Angst und Unsicherheiten ist.
1:01:11–1:01:16
Und der bricht ja dann auch so an dem Todessterbebett seines Vaters so zusammen.
1:01:17–1:01:20
Voller Wut, Angst und Gefühle. Das ist ja auch ein ziemlich,
1:01:20–1:01:22
ziemlich tolles Schauspielen,
1:01:23–1:01:28
was da passiert, wo man wirklich das Gefühl hat, da verlässt er ja wohl auch,
1:01:28–1:01:31
wenn ich mich recht erinnere, im gleichen Interview verlässt er auch die ganzen
1:01:31–1:01:36
Textzeilen, die da irgendwie im Skript standen. Es wird dann was ganz anderes.
1:01:37–1:01:42
Und das finde ich dann auch erstaunlich, wenn dann in einem Film,
1:01:42–1:01:47
der so durchgeplant ist und geplant sein muss, dass das alles irgendwie so auf
1:01:47–1:01:51
den Punkt kommt und auch unterschiedlichste Charaktere dann doch irgendwie vom
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Director so zusammengehalten werden müssen, dass man die miteinander verschneiden kann.
1:01:56–1:01:59
Das kannst du ja sonst auch, wenn einer melodramatisch spielt und der andere
1:01:59–1:02:02
... Du musst es auch zusammenschneiden können.
1:02:02–1:02:09
Und dann kommt aber einer der wichtigen Protagonisten direkt aus der Muckibude ans Set.
1:02:09–1:02:13
Und du denkst halt zuerst, oh shit. Und merkst aber hinterher,
1:02:14–1:02:16
das hat irgendwie noch gefehlt als Puzzlestück.
1:02:16–1:02:21
Das ist ja fast schon selbstreferenziell wieder genau so ein Zufall wie eine
1:02:21–1:02:23
von den Geschichten, die da ganz am Anfang erzählt wurde.
Florian Clauß
1:02:23–1:02:27
Stimmt, genau. Genau, dieser Zufall, das ist so das Paradigma,
1:02:27–1:02:31
was diesen Film dann wie in diesem Froschregen auflösen lässt.
Micz Flor
1:02:33–1:02:36
Und das geht dann trotzdem auch immer auf den Punkt. Wir hatten uns überlegt,
1:02:36–1:02:38
ob wir einfach bis zur Warschauer Straße gehen.
1:02:39–1:02:43
Wir sind irgendwie sehr zufällig, wer das auf der Webseite sieht,
1:02:43–1:02:44
wir sind echt ganz schön hin- und hergedackelt.
1:02:46–1:02:49
Aber wie geplant landen wir jetzt
1:02:49–1:02:52
an der Warschauer Straße? Du nimmst die S-Bahn, ich nehme die U-Bahn.
Florian Clauß
1:02:52–1:02:58
Ja, das ist ja hier so zu diesem Verkehrsknotenpunkt angewachsen mit den Amazon
1:02:58–1:03:01
Tower und der neuen Warschauer Straße.
1:03:01–1:03:05
Und ich war hier neulich, bin ich in die Nativens-Benz-Arena zum Fußballspiel,
1:03:05–1:03:08
wollte ich schon sagen, zum Basketballspiel gekommen, gegangen,
1:03:09–1:03:13
von Allgäu-Berlin, und bin diese Rampe hier runter, ne?
1:03:13–1:03:18
Das ist ja auch für so ein... Das ist ja auch dann zu irgendwelchen Veranstaltungszeiten,
1:03:18–1:03:23
ist das ja fast nochmal so die Verlängerung von dem Stadion da.
Micz Flor
1:03:23–1:03:27
Ja, das ist irre. Ich meine, die Warschauer Straße, jetzt langsam versteht man,
1:03:27–1:03:32
was das mal werden wird, Aber es ist immer noch so, dass es zusammengeschraubt ist.
1:03:32–1:03:37
Die Hälfte davon sieht aus wie hinter der Grundschule irgendwo auf dem Land.
1:03:37–1:03:42
Die andere Hälfte ist halt dieser komische Amazon-Tower aus einer Zukunft,
1:03:43–1:03:44
in der keiner leben will. So.
1:03:46–1:03:49
Hier ist die ganze Band. Sind schon wieder alle da.
Florian Clauß
1:03:50–1:03:53
So, jetzt, ja, Mitch, das war meine Episode.
Micz Flor
1:03:53–1:03:58
Und weißt du denn schon ... Weil deine nächste Episode wird ja wahrscheinlich
1:03:58–1:03:59
schon ein Weihnachtsgeschenk werden, oder?
1:03:59–1:04:05
Ich hab das nicht im Kalender geguckt, aber in vier Wochen, nach der Ausstrahlung,
1:04:05–1:04:07
ist doch irgendwie schon um Weihnachten rum.
Florian Clauß
1:04:08–1:04:12
Das ist schon ... Stimmt. Nee, es ist auf jeden Fall Dezember.
1:04:12–1:04:13
Deine wird eine Weihnachtsepisode werden.
Micz Flor
1:04:14–1:04:14
Ah, okay.
Florian Clauß
1:04:15–1:04:21
Sie kommen ja nach mir mit eigentlich 41. Aber meine nächste Episode,
1:04:22–1:04:25
also dann quasi in vier Wochen, Dann hatte ich ja auch schon gesagt,
1:04:25–1:04:29
da möchte ich mal eine Reihe von revolutionären Kinobewegungen aus den 90ern fortsetzen.
1:04:30–1:04:33
Und hatte schon angedeutet, es wird irgendwas Asiatisches.
Micz Flor
1:04:34–1:04:35
Kein zweiter Episodenfilm?
Florian Clauß
1:04:36–1:04:40
Nö, ich glaube, das ist jetzt hinreichend. Also ich kann noch Empfehlungen aussprechen,
1:04:41–1:04:43
aber ich glaube, ich könnte da jetzt nicht mehr viel hinzufügen.
1:04:43–1:04:44
Wolltest du noch einen hören?
Micz Flor
1:04:45–1:04:48
Ne, ich dachte bloß, dass du auf alle Fälle Pulp Fiction machen willst.
Florian Clauß
1:04:48–1:04:51
Ne, ich hatte auch überlegt, aber da kann man so viel wieder machen.
1:04:51–1:04:54
Und irgendwie ist auch schon so viel erzählt worden.
1:04:55–1:04:57
Irgendwann reicht's dann auch mal.
Micz Flor
1:04:58–1:05:02
Genau, das ist doch mal ein guter Schlusssatz. Jetzt reicht's doch mal.
1:05:02–1:05:05
Schalten Sie auch in 14 Tagen wieder ein, wenn es heißt,
1:05:08–1:05:09
eigentlichpodcast.de.
Florian Clauß
1:05:10–1:05:16
Minus in der Mitte. So, das war jetzt der Absacker. Ja. Also, macht's gut.
Micz Flor
1:05:16–1:05:17
Tschüss!

Mehr

"Es gibt kein richtiges Leben im falschen" hieß zuerst: "Es läßt sich privat nicht mehr richtig leben."

Wir starten unsere Tour der Idioten am Kotti mit einem kleinen Verweis auf den Film "Herr Lehmann" (2003) und ziehen die Parallele, dass es hier genauso wie in Idioten darum geht, dass eine Welt zerbricht, wenn sie mit ihrer Umgebung in Berührung kommt. Aber bevor wir in die Tiefe gehen, werfen wir noch ein paar Ideen zu "Das Fest" (1998) ein, den wir am gleichen Tag und in der letzten Episode behandelt haben. Micz versucht, vier Parabeln auf "Idioten" (1998) anzuwenden. Zuerst die von "Jacob's Ladder" (1990): Karen landet dekompensiert in der Psychiatrie nach dem Tod ihres Kindes. Das Finale des Films zeigt sie wieder zuhause, medikamentös stabilisiert. Alles dazwischen ist eine verschwommene Erinnerung an ihre zwei Wochen in der Psychiatrie. Dann wagen wir uns an die Parabel "Das Kino in der Gesellschaft", gefolgt von "DOGMA 95 in der Filmindustrie", nur um schließlich 2000 Jahre zurückzublicken und aus der Trickkiste zu ziehen: "Idioten" leitet sich vom altgriechischen "idiotes" ab, was so viel wie "Privatperson" bedeutet. Es bezeichnete in der Polis Personen, die sich aus öffentlich-politischen Angelegenheiten heraushielten und keine Ämter übernahmen. Das hat unter anderem Tocqueville in "Der alte Staat und die Revolution" (1856) beschrieben. (Dogville == Tocqueville? Weiß Lars von Trier, was er tut?) Und hier stoßen wir auf genauso viele Fundstücke wie bei den anderen drei Parabeln: Das Private ist Politisch. Stoffer möchte den inneren Idioten in die Welt entlassen und damit die zurückgezogene Kommune mit der Gesellschaft verbinden, um Veränderungen herbeizuführen.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Micz Flor
Erzähler
avatar
Florian Clauß
Der Flo

Transcript

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Okay, Wireless läuft.
0:00:08–0:00:10
Okay, ja läuft.
0:00:10–0:00:11
Nee, noch nicht.
0:00:19–0:00:25
Hallo und herzlich willkommen bei eigentlich Episode 39, wie angetründigt.
0:00:25–0:00:31
Das ist die Fortsetzungsepisode zur letzten, wo wir über Dogma95 und das Fest
0:00:31–0:00:32
von Winterberg gesprochen haben.
0:00:33–0:00:37
Heute wird uns Mitch, Idioten von Lars von Grier, präsentieren.
0:00:38–0:00:43
Eigentlich Codcast heißt im Reden Laufen und Reden Laufen und jetzt ist der
0:00:43–0:00:48
Regen ein bisschen weniger geworden, aber es wird ein weiteres Regenfeld kommen.
0:00:49–0:00:54
Ich bin gespannt, was du jetzt zu Idioten... Ich habe mich ja auch ein bisschen
0:00:54–0:00:57
mit einem Auge darauf vorbereitet.
0:00:57–0:00:59
Ich hoffe, ich brauche das.
0:00:59–0:01:02
Du hast es auf jeden Fall auch gut.
0:01:02–0:01:03
Ich brauche deinen inneren Ioden.
0:01:03–0:01:08
Den inneren Ioden, da sind wir schon bei einem Stichwort.
0:01:08–0:01:18
Wir stehen jetzt hier vor dem Cottbusser Tor. Wir werden Richtung Ostkreuz laufen
0:01:18–0:01:21
und in die Reichenberger Straße lang.
0:01:21–0:01:25
Du hast mich noch mal hier zu diesem Ort geführt, Mitch. Warum hast du mich hierher geführt?
0:01:25–0:01:31
Wir stehen jetzt gegenüber von diesem, da drüben, Misia-Kar-Schiess heißt das, glaub ich, 1984.
0:01:32–0:01:36
Alles neu gemacht, dann zwischendurch im Laden. Aber du kennst die Location aus dem Film.
0:01:39–0:01:42
Helligemann. Aber wir sind ja auch da schon mal langgelaufen.
0:01:43–0:01:44
Da hatten wir ja schon mal drüber gesprochen, ne?
0:01:45–0:01:45
Ah, okay, genau.
0:01:45–0:01:46
Das war meine Rotkäppchen-Episode.
0:01:48–0:01:51
Da sind wir durch ... Ja, ja, da hatten wir ja schon, und dann hatten wir schon
0:01:51–0:01:54
die Szene gesponnen. Und jetzt kann ich sie reinlegen.
0:01:54–0:01:57
Ich find's halt einfach gut, so als Opener, wenn wir das nochmal...
0:01:57–0:02:02
Weil in diesem Film ist ja auch diese Mauerfeld, ja, und dann kommt hier...
0:02:02–0:02:05
Hallo, ich bin doch Micha aus Eisenach, oder irgendwie, und kommt so durch die
0:02:05–0:02:08
Mauer durch auf Herr Lehmann zu und spricht mit ihm.
0:02:08–0:02:11
Und da zerbricht irgendwie sowas von diesem Kreuzberg.
0:02:12–0:02:17
Und ich finde das deshalb einen ganz guten Anfangspunkt, weil...
0:02:17–0:02:20
In dem Film Idioten, um das schon mal von da weg zu nehmen, geht es ja auch
0:02:20–0:02:22
irgendwie darum, um so eine Gruppe von Menschen, die halt versuchen,
0:02:23–0:02:27
nach eigenen Regeln irgendwie zusammen zu leben und sich da auch irgendwie so
0:02:27–0:02:29
eine eigene Philosophie zusammenzuschrauben,
0:02:29–0:02:33
wo es zwar auch einen Anführer gibt, aber was eher so kommunenhaft sein soll.
0:02:33–0:02:36
Und das ist halt irgendwie so ein Moment, wo so eine Welt einbricht in die Welt,
0:02:36–0:02:40
die man sich hier halt irgendwie in dem Kreuzberg, Herr Lehmann ist ja schon
0:02:40–0:02:41
auch so eine sehr fragile,
0:02:41–0:02:45
aber sehr ausdrücklich in sich selbst geschlossene Welt, die dann da irgendwie
0:02:45–0:02:51
mit dem mauerfall komplett und das deutet dann diese letzte szene an ja komplett irgendwie auch ins,
0:02:53–0:02:59
Und damit sind wir jetzt dann eben immer noch irgendwie gefühlt in der gleichen Episode.
0:02:59–0:03:08
Wir haben eben gerade über Dogma 95 gesprochen, heute haben wir über den ersten
0:03:08–0:03:09
Dogma-Film gesprochen.
0:03:10–0:03:17
Ja, wir haben ja auch explizit gesagt, dass wir in einem Take aufnehmen, das heißt in einem Arm.
0:03:18–0:03:21
Und Mitch, haben wir da noch Anmerkungen zu dem,
0:03:22–0:03:26
das Fest, also wir können auch verraten, wir haben eine kleine Pause gemacht,
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uns aufgewärmt und uns sind nochmal zwei, drei Sachen durch den Kopf gegangen
0:03:30–0:03:34
und ich glaube, du hast es nochmal so ganz gut zusammengefasst, dass...
0:03:34–0:03:38
Ja, also ich glaube, das waren zwei Sachen, weil ich finde, das eine ist natürlich,
0:03:38–0:03:43
dass das Thema von das Fest ist halt einfach wirklich so dramatisch,
0:03:44–0:03:54
dass ich gedanklich immer davor zurückschrecke, das als Parabe für irgendwas zu sehen.
0:03:54–0:03:58
Das möchte ich also gar nicht machen, weil du hast gemeint, so dieses gesellschaftliche,
0:03:58–0:04:00
die Gesellschaft, in die es so eingebunden ist und das finde ich,
0:04:00–0:04:05
das ist auf alle Fälle legitim, das so zu sehen, zu gucken, wie man mit so individuellem
0:04:05–0:04:09
Elend und Tabubrüchen in der Gesellschaft nicht umgehen möchte und das irgendwie
0:04:09–0:04:10
verdrängt und so außen vor lagert.
0:04:12–0:04:16
Aber das ist an diesem Thema, das im Film angelegt ist,
0:04:17–0:04:22
orientiert und das finde ich total legitim und ich wollte deshalb aber noch
0:04:22–0:04:28
eine Sache ergänzen, die dann vielleicht eine Form von Interpretation ist,
0:04:28–0:04:34
dass dieses Zwillingsthema von den Zwillingen,
0:04:34–0:04:43
die vom Vater missbraucht wurden und die Schwester hat sich umgebracht und deren
0:04:43–0:04:46
Zeugnis ist ja dann auch noch der Beweis, dass es wahr ist.
0:04:47–0:04:50
Und der andere Zwilling ist der, der,
0:04:53–0:04:57
der das aufdecken will. Ich weiß nicht, ob man sagen kann, er will Rache,
0:04:57–0:05:02
aber er möchte das aufdecken und er möchte nicht, dass es einfach nur weggeschoben wird.
0:05:03–0:05:07
Also, er ist ja auch ein unglaublich proaktiver Charakter.
0:05:08–0:05:08
Ja.
0:05:09–0:05:13
Er hat, er ist, also, ich mein, als Opfer traumatisiert.
0:05:13–0:05:17
Auf der anderen Seite, so wie er im Film auftritt und dieses Thema immer wieder
0:05:17–0:05:22
nach vorne bringt und dabei auch immer wieder diese Rückschläge erleidet,
0:05:22–0:05:26
ist er ja so, er will es an die Öffentlichkeit bringen, ja?
0:05:27–0:05:29
Und das macht ihn auch so stark als Charakter.
0:05:30–0:05:34
Und ich glaube einfach, als Motiv, weshalb man diesen Film dann irgendwie doch
0:05:34–0:05:38
gucken kann und auch so eine gewisse Euphorie über diese Aufdeckung erleben
0:05:38–0:05:41
darf und das auch zulassen kann, ist wirklich dadurch, dass es Zwillinge sind,
0:05:42–0:05:43
es sind als Zwillinge angelegt,
0:05:43–0:05:47
die Hälfte ist gestorben und die Hälfte deckt auf.
0:05:47–0:05:53
Und ich glaube, dass das anders gar nicht möglich wäre, Man braucht,
0:05:54–0:05:57
um das zu kompletieren, diesen toten Anteil.
0:05:57–0:06:01
Man braucht diesen Anteil, der nicht weiterleben konnte.
0:06:04–0:06:12
Und das, finde ich, ist durch dieses Zwillingsmotiv sehr gut hergestellt worden.
0:06:13–0:06:13
Ja.
0:06:13–0:06:20
Dass nicht eine Person beides tragen muss. dass aber dieses notwendige,
0:06:20–0:06:25
große, nicht aushaltbare Leid trotzdem vorkommen kann in der Abwesenheit.
0:06:26–0:06:28
Und das wollte ich irgendwie dann nochmal nachlegen. Das ist dann irgendwie
0:06:28–0:06:32
so eine filmische Thematik oder dramaturgische Thematik.
0:06:33–0:06:39
Aber in der Essenz eben zu sagen, nur dadurch, dass es diese tote Zwillingsschwester
0:06:39–0:06:44
gibt, ist er komplett als Figur im Film,
0:06:44–0:06:49
die Abwesenheit, dieses Gestorbene, das muss da sein.
0:06:50–0:06:55
Und gleichzeitig, weil es nicht da ist, kann man sich dann trotzdem auch mit ihm verbünden.
0:06:56–0:07:01
Er muss keine inneren Dilemmata als Rolle austragen, weil das wird eben über die ...
0:07:02–0:07:04
Tote zu Linksschwester ...
0:07:04–0:07:07
Ja, das finde ich eine wichtige und gute Beobachtung in dem Zusammenhang.
0:07:07–0:07:09
Und auch diese Dynamik, die der Film bekommt.
0:07:10–0:07:12
Und ... ja, einfach diese ...
0:07:14–0:07:18
Diese ... diese ... diese Aktion von der Figur Christian, ja?
0:07:18–0:07:24
Das ist vielleicht auf so einer, aber das kannst du wahrscheinlich besser einordnen,
0:07:24–0:07:32
auf so einer psychotherapeutischen Ebene nachvollziehbarer in dieser Zwillingsfigur.
0:07:33–0:07:36
Ja, und das möchte ich halt eben gerade nicht machen, weil ich möchte jetzt
0:07:36–0:07:39
nicht in diesen Film, der letztendlich dann eben doch, und da sind wir wieder
0:07:39–0:07:41
bei Dogma, kann Dogma überhaupt,
0:07:41–0:07:45
die Realität abbilden, wenn es versucht Reale aufzunehmen, ohne zu sehen,
0:07:45–0:07:49
es ist dann eben doch nie die Realität und das sind eben doch Schauspieler.
0:07:49–0:07:53
Und das ist eine erfundene Geschichte, eine Geschichte, die so inszeniert ist,
0:07:53–0:07:58
dass sie etwas in allen auslöst, was sich mit dem dahinterliegenden Thema verbündet.
0:07:58–0:08:04
Aber in keiner Weise kann man die Performance oder das Narrativ oder das Setting
0:08:04–0:08:10
oder sowas jetzt da rausholen und sagen, ah, hier sieht man genau, wie es ist.
0:08:10–0:08:14
Das könnte nur jemand tun, der oder die ...
0:08:16–0:08:20
Sich mit diesem Erlebten so verbinden kann, dass die Person dann sagen könnte,
0:08:21–0:08:25
für mich ist es so und so. Aber ich möchte da gar nicht ...
0:08:26–0:08:28
Gar nicht den Film ...
0:08:30–0:08:32
Ähm, nutzen, um so was zu tun.
0:08:32–0:08:37
Ich glaube, es geht auch eben ... dock mal um die Frage nach Authentizität.
0:08:38–0:08:42
Aber auch einen respektvollen Umgang mit dem Thema.
0:08:43–0:08:43
Mhm.
0:08:43–0:08:45
Und das ist eben auch ...
0:08:47–0:08:57
Für eine größere, also für eine Gesellschaft dann auch so konsumierbar wird, ne?
0:08:57–0:09:00
Und das hat das Fest, glaube ich, ganz gut geschaffen.
0:09:00–0:09:07
Also mit diesem schwierigen Thema doch eine große, also dieses Tabuthema irgendwo
0:09:07–0:09:08
gesellschaftlich zu platzieren.
0:09:08–0:09:14
Ja, auf jeden Fall. Ja, es ist natürlich auch ein Thema, was dann ...
0:09:14–0:09:18
Wenn man über Traumata und so spricht, was einfach ...
0:09:19–0:09:23
Wo Welten zusammenkommen, die auch nicht zusammenpassen. Da kann ich nur sagen,
0:09:23–0:09:26
es gibt von Ferencsi, ein ungarischer Psychoanalytiker, einen sehr frühen Text.
0:09:28–0:09:32
Der heißt, glaub ich, Sprachverwirrung in Deutsch. Ich weiß den Titel nicht, aber fällt mir dazu ein,
0:09:33–0:09:37
der sich mit diesem Thema sexueller Missbrauch auseinandergesetzt hat,
0:09:37–0:09:41
daran getastet hat, weil damals in den sehr frühen Jahren der Psychoanalyse
0:09:41–0:09:43
ja schon so Spuren aufkamen, dass das,
0:09:44–0:09:48
was lange Zeit Hysterie hieß, also etwas, was von der Gerbärmutter her kommt,
0:09:49–0:09:50
dass Frauen sind hysterisch,
0:09:51–0:09:55
dass da immer mehr in den Erinnerungen irgendwie dann klar wurde,
0:09:55–0:10:05
da ist sexueller Missbrauch mit im Spiel und das wurde dann von der männlichen,
0:10:07–0:10:11
von dem männlichen Blick irgendwie so weg, erstmal zur Seite geschoben.
0:10:12–0:10:17
Es hat lange gedauert, dass man dann sagte, okay, vielleicht sind die Zahlen
0:10:17–0:10:22
andere als die, die wir uns zusammen hoffen.
0:10:22–0:10:23
Ja.
0:10:23–0:10:26
Und da gibt's diesen Text, den können wir vielleicht verlinken.
0:10:26–0:10:31
Der ist auch inzwischen sowieso in gemeinfrei von Ferencsi.
0:10:32–0:10:36
Der das noch mal, find ich, gut versucht, in Worte zu fassen,
0:10:36–0:10:38
einfach zu gucken, Sprachverfolgung.
0:10:38–0:10:42
Es gibt keine gemeinsame Sprache zwischen Kindern und Erwachsenen,
0:10:42–0:10:44
wenn es um sexuelle Wünsche geht, die gibt es nicht. Ja.
0:10:45–0:10:51
Ganz verkürzt gesagt. Und das, find ich, hat er sehr gut klargestellt.
0:10:51–0:10:55
Und aber auch in sehr einfachen Worten.
0:10:58–0:11:00
Ja, soviel nochmal zum Festen.
0:11:00–0:11:05
Also, das nochmal zum einen zum Nachtrag und das, wie du es nochmal so zusammengefasst hast,
0:11:07–0:11:16
das Fest war vielleicht der erste und der einzige Film, der eben alle Dogma-Regeln,
0:11:17–0:11:23
so befolgt hat und damit eigentlich auch Dogma dann wieder gestorben ist, mit das Fest.
0:11:24–0:11:32
Eine ganz komprimierte Ansicht für die Filmbewegung Dogma 95.
0:11:32–0:11:37
Ja, Proof of Concept, also Regeln drei Jahre später Film.
0:11:38–0:11:43
Sonderpreis der Jury bekommen in Cannes. Und das würde mich noch mal interessieren,
0:11:43–0:11:46
weil Idioten war auch im gleichen Wettbewerb.
0:11:47–0:11:48
Ne, Idioten kam später raus.
0:11:48–0:11:52
Ne, der kam auch 98 raus und der war, glaube ich, auch 98 in Cannes.
0:11:52–0:11:54
Aber der ist leer ausgegangen.
0:11:54–0:11:54
Ah.
0:11:57–0:11:59
Meinst du, die beiden waren beide im Fest der Welt?
0:11:59–0:12:04
Ja, das würde mich halt auch noch mal interessieren. Weil das war irgendwie so ...
0:12:04–0:12:06
Oder war der in Venedig?
0:12:06–0:12:07
Nee, das war, glaub ich, alles in Cannes.
0:12:08–0:12:11
Gut, wir sind gut vorbereitet, wie man merkt.
0:12:11–0:12:17
Ja, also Lars von Trier hatte davor eben mit Breaking the Waves mit einem Nicht-Dogma-Film,
0:12:18–0:12:20
... Wo das Kochexperiment schiefgegangen ist.
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Also Lars von Trier war viel in Cannes, war der Liebling von Cannes,
0:12:28–0:12:30
wurde irgendwann dann später von Cannes verbannt,
0:12:31–0:12:36
aber zu der Zeit ist er dann auch mit Idioten eben bei Cannes gewesen,
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hat aber keinen Preis bekommen, hatte davor mit Breaking the Waves die goldene Palme bekommen.
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Was kein Dogma-Film war, was aber nach dem Dogma-Manifest gedreht wurde.
0:12:50–0:12:53
Und wenn man Lars von Trier hört und auch Winterberg, hatten wir ja in der letzten
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Folge schon, die sind beide einfach da auch total entspannt und sagen,
0:12:58–0:13:00
es muss nicht alles Dogma-Film sein. Darum geht es gar nicht.
0:13:01–0:13:05
Es geht nur darum, irgendwie ein Manifest zu schaffen, was Regeln über Bord
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schmeißt und gleichzeitig neue Regeln zuzulassen, die gute Geschichten erzählen
0:13:09–0:13:14
können und die auch mit einfachen Mitteln erlauben, Filme zu machen und ihnen
0:13:14–0:13:15
eine gewisse Bühne zu geben.
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Also wenn ihr mit Dogma95 jetzt,
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also mit dieser Folge eingestiegen seid, dann würden wir empfehlen,
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die davor nochmal zu hören, weil wir da ausführlich über das Regelwerk von Dogma95
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sprechen und das setzen wir jetzt einfach voraus für die, für die Folge.
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So, also der Film Idioten von Lars von Trier, der ist auch 19,
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also ich mach mal einen kurzen Überblick, was ich versuche, was wir vielleicht
0:13:44–0:13:46
hinkriegen. Herr Lehmann haben wir schon gemacht.
0:13:46–0:13:48
Das Zweite ist, ich wollte eigentlich in der Skarlitzer Straße lang laufen,
0:13:49–0:13:54
um dieses Kinothema allgemein noch mal zu setzen, weil die Skarlitzer Straße,
0:13:54–0:13:59
das hatte mir ein Befreundeter der Filmemacher mal erzählt, hatte ihm ein alter
0:13:59–0:14:02
Taxifahrer mal erzählt, das war,
0:14:02–0:14:07
wenn man von der Warschauer Straße kommt, als die Mauer noch nicht stand von
0:14:07–0:14:12
Herr Lehmann, also Davor war das so, dass die Taxis oft aus der DDR rüber in
0:14:12–0:14:14
die BRD nach Westberlin gefahren sind.
0:14:14–0:14:17
Und in der Skaldeser Straße gab es so unglaublich viele Kinos.
0:14:18–0:14:21
Ich habe seitdem immer so mal den Wunsch, nochmal in so alte Zeitungsarchive
0:14:21–0:14:25
zu gucken, wo so Kinoprogramme drin sind, zu schauen, welche Kinos denn da wirklich waren.
0:14:25–0:14:31
Der meinte, der war damals eben noch in den 50er Jahren auch als Taxifahrer unterwegs.
0:14:31–0:14:35
Der meinte, der hat immer dann die Leute rübergefahren, so am Freitagnachmittag oder am Wochenende.
0:14:37–0:14:39
Eiszeitkino war wohl auch eins dieser Kinos.
0:14:39–0:14:41
Eiszeit-Movimento ist da auch.
0:14:42–0:14:46
Das fand ich ganz interessant. Wir laufen jetzt aber nicht die Skalitzer,
0:14:46–0:14:48
weil die ist einfach zu laut zum Aufnehmen.
0:14:48–0:14:53
Aber wir laufen an der viel ruhigeren Kopfsteinpflasterstraße entlang.
0:14:55–0:14:56
Ja, das stimmt.
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Also ich wollte dann heute ein bisschen kurz mit dem Film, hab schon angefangen,
0:15:02–0:15:06
kurze Zusammenfassung geben, aber dann eigentlich eher in so Hypothesen gleich
0:15:06–0:15:11
einsteigen, weil entweder hat man den Film schon gesehen oder man würd den eh
0:15:11–0:15:13
nicht gucken, dann hört man auch diesen Podcast nicht.
0:15:13–0:15:17
Und hab dann so drei Parabeln oder Hypothesen dazu.
0:15:18–0:15:22
Das eine ist halt, ist der Film Idioten irgendwie so was, eine Parabel über
0:15:22–0:15:28
das Kino in der Gesellschaft? Also Kino ist die Gruppe der Idioten und die Gesellschaft
0:15:28–0:15:30
setzt sich damit auseinander.
0:15:30–0:15:33
Das zweite, dann wirklich diese Dogma 95.
0:15:33–0:15:36
Ganz kurz, willst du das nochmal so ausführen?
0:15:36–0:15:37
Ja, ja, das mach ich dann nachher.
0:15:37–0:15:39
Achso, du willst die erstmal so vorstellen.
0:15:39–0:15:44
Ich möchte die Leute jetzt binden, dass sie bleiben. Ah ja. Weil es regnet,
0:15:44–0:15:46
wir husten, keine Ahnung wie der Sound ist.
0:15:46–0:15:50
Also die geile Hypothese, die wir hier haben. Die zweite Hypothese ist dann
0:15:50–0:15:53
noch tiefer in die Filmindustrie.
0:15:53–0:15:58
Also ist Dogma 95, sind diese Idioten, die ihren inneren Idioten suchen,
0:15:58–0:16:03
sind das die Dogma 95 Leute innerhalb der Filmindustrie, die umgibt,
0:16:03–0:16:04
wir sind umgeben von der Filmindustrie.
0:16:05–0:16:09
Und dann gehe ich aber auch noch mal so ganz raus und wir gucken mal drauf,
0:16:09–0:16:17
auf so einer politischen Ebene, also dass es wirklich dann um diese Frage auch von Idiotie geht,
0:16:18–0:16:23
die dann vordergründig immer wahrgenommen wird als Geisteskrankheit oder wie auch immer.
0:16:23–0:16:26
Das heißt, wir gucken uns da mal ein bisschen die Geschichte der Psychiatrie an.
0:16:27–0:16:27
Ganz schnell. Okay.
0:16:28–0:16:34
Aber auch eine zweite, eine zweite Deutung beziehungsweise eine zweite Bedeutung,
0:16:34–0:16:42
die ich da irgendwie spurenhaft fühle, was dann auch mit Lars von Triers Film Dogville zu tun hat.
0:16:43–0:16:43
Ja.
0:16:43–0:16:47
Und vielleicht aber auch nur mit dem Titel des Films. Das kommt dann später.
0:16:48–0:16:52
Da geht es dann also um Individuen, Gruppen oder was in der Gesellschaft.
0:16:52–0:17:01
So, also wir haben schon gesagt, der Film Idioten ist 98 entschieden, ist 117 Minuten lang.
0:17:01–0:17:06
Regie hat Lars von Trier und weil es halt irgendwie, sagen wir mal 95 ist,
0:17:06–0:17:11
taucht er nicht als Regisseur in den Titeln auf, namentlich.
0:17:11–0:17:16
Er hat aber auch das Drehbuch geschrieben, was der Legende nach nur vier Tage
0:17:16–0:17:18
gedauert hat. dann ging es gleich in die Produktion.
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Er hat auch die Kamera gemacht, was ich ganz beeindruckend finde.
0:17:23–0:17:26
Er hat da auch wohl viel Spaß gehabt. Er hat in einem Interview auch mal erzählt,
0:17:27–0:17:31
er war aber auch so ein bisschen neidisch auf die Gruppe der Schauspieler,
0:17:31–0:17:35
Schauspielerinnen, die halt einfach so da sich so richtig reinbegeben konnten.
0:17:36–0:17:37
Und er musste hinter der Kamera dann noch ...
0:17:37–0:17:39
Er konnte keinen Sex machen, ne?
0:17:39–0:17:43
Das hat er so nicht gesagt, aber er hat jealous, hat er gesagt.
0:17:44–0:17:46
Also, er könnte neidisch oder eifersüchtig sein.
0:17:46–0:17:48
Ja, wahrscheinlich, weil er keinen Sex macht.
0:17:49–0:17:51
Das ist jetzt eine Interpretation.
0:17:51–0:17:55
Ja, ja. Aber jetzt muss man auch noch mal, weil ich so drauf rumreite,
0:17:55–0:17:59
der Film Idioten hat explizite Sexszenen.
0:17:59–0:18:05
Das hat man so in der Form auch noch nicht im Kino, in so einem normalen Film so gesehen.
0:18:06–0:18:09
Lars von Trier, ich weiß nicht, ob ihr das auch noch erzählt,
0:18:10–0:18:17
aber der hatte auch eine Produktionsfirma, die Pornos produziert hat. für Frauen.
0:18:18–0:18:23
Also, das heißt, er ist da auch dem Genre jetzt nicht fremd, ne?
0:18:23–0:18:28
Und, ähm, ich ... Ja, also, das fand ich, hab ich ... Damals hat mich das ein
0:18:28–0:18:31
bisschen geschockt, aber irgendwie war's dann auch sehr natürlich.
0:18:32–0:18:37
Mhm. Nee, das wusste ich gar nicht so. Aber ja, es gibt explizite Sexszenen,
0:18:37–0:18:42
und es war wohl im norwegischen Vertrieb irgendwie, wo es dann doch in die Kinos
0:18:42–0:18:45
durfte, und das wurde dann gefeiert ...
0:18:45–0:18:51
Als eben der erste Film, der im Kino mit Distributionen gezeigt werden durfte,
0:18:51–0:18:56
der explizite Sechsszenen hatte, so aber ja.
0:18:56–0:19:04
Der Schnitt wurde von Molly Marlenes-Densgaard, die viele Lars von Trier,
0:19:04–0:19:07
fast alle Lars von Trier ab 1994 geschnitten hat.
0:19:08–0:19:16
Die hat auch den geschnitten und der, einer der Hauptdarsteller, der Stoffer spielt. der,
0:19:20–0:19:26
Der heißt Jens Albinus. Der hat später auch bei Dancer in the Dark und bei Nymphomaniac mitgespielt.
0:19:28–0:19:35
Und wichtig auch noch, eine der zentralen Rollen, Karin, gespielt von Bodil Jorgensen.
0:19:36–0:19:39
Die ... für ihre Darstellung ...
0:19:40–0:19:43
Sagen wir mal, des Publikums, das ist so eine Hypothese von mir.
0:19:43–0:19:46
Also, die ist wir anfangs.
0:19:48–0:19:49
Weil sie die Beobachterin allnehmt.
0:19:49–0:19:50
Die einzige war die Preise.
0:19:50–0:19:54
Also, sie nimmt ja so die Position der Beobachterin.
0:19:54–0:19:57
Genau, die führt uns ein.
0:19:58–0:20:02
Aber führt das dann existenziell aus?
0:20:02–0:20:06
Ja. Idioten wurde 1998 zu einem Filmfestspiel von Cannes eingeladen.
0:20:07–0:20:10
Und hat aber dort keine Preise bekommen, hat später ein paar Preise bekommen,
0:20:10–0:20:20
aber vor allen Dingen eben auch Odin Jorgensen, die in Dänemark für beste Darstellerin gewonnen hat.
0:20:21–0:20:26
Und diese Karin, jetzt mach ich mal so eine ganz kurze ... Kennst du den Film Jacob's Ladder?
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Ja.
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Bei Jacob's Ladder gibt's zwei Schnittversionen. Die eine Version ist ...
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Directness-Cut und die andere nicht.
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Ja, ich weiß nicht, worum die heißen. Bei der einen ist es so,
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dass der Hauptdarsteller ist im Vietnamkrieg und irgendwie wird dann für tot
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erklärt, aber ist er dann irgendwie doch nicht und hat dann so Halluzinationen.
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Alles so ein weirder Film, den irgendwie alle kennen und ich weiß gar nicht
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mehr, wo ich den gesehen hab.
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Im Kino oder im Fernsehen, keine Ahnung. Jeder kennt den, aber irgendwie weiß ich gar nicht, warum.
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Und in einer Version ... stirbt er quasi in Vietnam.
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Und dann geht das alles später in Amerika wieder los mit den Halluzinationen.
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In der anderen Version ist dieser ... Er ist tot in Vietnam,
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am Ende von diesen ganzen Halluzinationen geschnitten.
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Das heißt, da wird das alles wie so ein Todeskampf zusammengefasst.
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Ja, das ist so großartig, das hat mich umgehauen damals bei dem Film,
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diese Version, dass du eine Sterbesszene-Sequenz hast, die über anderthalb Stunden geht.
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Das ist ein bisschen wie Sixth Sense, nur intelligenter.
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Und ich möchte jetzt mal so eine, einfach mit einem Jacob's Ladder,
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Zusammenfassung der Szene.
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Und zwar nehme ich damit den Schluss auch vorne weg. Also, das ist der Riesen-Plotz,
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weil, und zwar Karin, ich will nur über Karin sprechen, Karin ...
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Ähm ... hat ein Kind, das Kind ist gestorben.
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Sie konnte damit überhaupt gar nicht umgehen.
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Landete in der Psychiatrie.
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Und ... Wurde da irgendwie so weit stabilisiert, oder hat sich wieder so weit
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gefangen, dass sie wieder zu Hause leben kann.
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Aber die Familie zu Hause, nachdem sie aus der Psychiatrie entlassen wurde,
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hat halt jetzt einfach eine Karin, die sabbernd am Tisch sitzt,
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weil die auf schwere Medikationen ist.
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Damit wäre dieser ganze Teil von der Gruppe, die da die Idioten sind,
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auf die wir gleich genauer eingehen, zusammengefasst als Karens Fantasie über
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die Zeiten der Psychiatrie.
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Und zum Schluss wird sie ja auch von einer von den, in Anführungszeichen,
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Pflegerinnen oder so, wie man sie bezeichnen möchte, begleitet, zurück zur Familie.
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Und da in gewisser Weise abgegeben.
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Und man sieht dann eben, Karin, wie sie dann da ...
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Mit halb offenem Mund so Kuchen rauslaufen lässt.
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Das ist aber eine ganz, also das ist ja wirklich so eine völlige ...
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Crazy.
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Perspektivwechsel inside-out.
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Das ist eine, genau, Sushi-Roll inside-out. Aber ich find's irgendwie auch mal
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ganz gut, weil man da nicht so ganz reingeht, sondern wirklich bei dieser Geschichte bleibt.
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Weil der eigentliche Showdown ist ja wirklich zum Schluss Karin.
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Man weiß nichts über Karin.
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Wenn man aber nur Karin beobachtet, dann ist das dazwischen einfach ihre Zeit in der Psychiatrie.
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Das finde ich einen ziemlich genialen Kniff, ja. Das folge ich dir.
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Ja, und ... Und wenn wir jetzt in die Geschichte zurückgehen, dann ist Karin,
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wie wir später eben erst wissen, nachdem ihr Sohn oder Tochter,
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das wird, glaub ich, gar nicht klar, gestorben ist, sitzt sie in einem Restaurant
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und zwei Männer am Tisch nebenan, Die benehmen sich komisch, stehen absurd drauf.
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Dann können die Leute nicht mit umgehen.
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Dann werden die rausgeschmissen. Der eine greift sie bei der Hand und zieht sie mit raus.
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Und nimmt sie einfach so mit. Sie lässt sich dann auch da mitnehmen.
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Und die kommen dann zum Schluss von dieser Escape-Szene ...
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Also lernen sie einfach kennen. Es gibt so eine Gruppe, die in gewisser Weise
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geführt wird von Stoffer, die wie so eine Kommune leben. Die leben in einem
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Haus von Stoffers Onkel, was irgendwie verkauft werden soll.
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Und er soll da irgendwie aufpassen und das Haus vorführen.
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Der Onkel weiß anfangs, unglaublich, der weiß gar nicht, dass die da drin als Kommune leben.
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Und die versuchen, in ihrer Kommune, das ist so ein bisschen die ...
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Die Grundhaltung, diesen inneren Idioten zu finden.
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Der innere Idiot, was das genau ist, wird nicht so richtig klar.
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Aber wir sehen einzelne Leute immer wieder in ihren Dayjobs,
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die halt irgendwie eine Volkshochschule lernen oder so.
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Und die dann ... Ach, wir müssen uns noch kurz unterstellen.
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Es ist einfach zu nass.
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Und dann aber immer wieder eben zur Kommune zurückkehren. Die Kommune versucht ...
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Raum zu geben, oder ein Setting zu sein, in dem unglaublich viele Dinge passieren dürfen.
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Das kommt eben auch zu den Sexszenen, die du schon beschrieben hast.
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Das war's für heute, wir sehen uns beim nächsten Mal.
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Ja, und es gibt einfach auch so kuriose Einzelszenen, wo die da Weihnachtsschmuck
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verkaufen wollen und klingeln dann.
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Und das ist das, was ich so meinte mit Herr Lehmann am Anfang.
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Du hast halt ... Du folgst natürlich den ProtagonistInnen, die ...
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Die das Idiotische spielen. Und wenn die dann an der Tür klingeln,
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dann bist du bei denen und weißt aber auch, dass die irgendwie spielen.
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Und dann geht die Tür auf und die Leute sind perplex und wissen nicht,
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wie sie damit umgehen können.
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Leute, die sich fürs Haus interessieren, werden dann irgendwie auch abgeschreckt,
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weil gesagt wird, sie wissen aber schon, dass da eben im ersten Stock eine Psychiatrie ist und ja.
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Also diese Figuren, Idioten, bewegen sich ja auf so einem, wie soll man sagen,
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gesellschaftlichen Randbereich, dass die ja auf der einen Seite durch ihre Aktion
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dann eine gewisse Gruppe von Menschen diffamieren,
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aber auf der anderen Seite dadurch auch Vorteile rausholen.
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Ja, genau, das wird immer wieder auch herangeführt. Weil sie dann diese Idioten
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spielen, kriegen sie dann bestimmte, also für das Haus dann Förderung.
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Aber gleichzeitig haben ja die Mitglieder der Gruppe auch ein gesellschaftliches Leben.
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Das heißt, es bleibt immer so in so einem Gruppenkern dieses Spiel,
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ja, aber es verlässt nicht diesen Gruppenkern, ja, es gibt ja Aber das wird
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ja dann, das ist ja dann was, was Stoffer irgendwie auch so mit diesen Flaschen
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drehen oder so, dann irgendwie so ins Team.
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Genau, er versucht das dann so auszubrechen, aber es bleibt irgendwie in dieser
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Gruppe drin und dann dieser Mut, dann nach außen zu gehen und zu sagen,
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ich spiele auch den inneren Idioten in meinem Umfeld,
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wird ja nur konsequent dann von Karin, aber aus einer anderen Motivation, dann zu Ende geführt.
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Und es gibt aber auch Szenen, die einfach erschütternd sind.
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Innerste irgendwie nach außen gekehrt wird, ist schon spät, und mir fallen die
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Namen jetzt nicht mehr alle ein, aber die ... war das Johanna oder so?
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Die von ihrem Vater abgeholt wird, die dann irgendwie reale,
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in Anführungszeichen, psychische Probleme hat, Medikamente nehmen müsste, was sie nicht getan hat.
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Die ja auch dann in Liebschaft eingeht mit einem Jungen, eine romantische Liebe,
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wo sie auch dann in so einem ganz klaren Moment sagt, ich liebe dich.
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Die wird dann abgeholt, und Stoffer kann dann auch nichts und will auch nichts wirklich dagegen tun.
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Und gleichzeitig ist das schon so eine Sache, wo ich das Gefühl hab,
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dass dieses Innerste spürbar wird. Also die Verzweiflung, so bestimmte innere Sachen.
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Wem jetzt das Innerste ... Also jetzt von der Gruppe oder von den Personen?
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Nee, von denen, die da wirklich betroffen sind. Also der eine,
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der ... ich weiß nicht mehr, wie er heißt, der, mit dem sie zusammen ist dann,
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der dann erst gar nix macht und dann aber ganz verzweifelt im Auto ist und so.
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Der möchte nicht, dass sie geht.
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Es ist ja auch unklar, ob sie gehen müsste oder nicht. Kann sie das selber bestimmen?
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Oder hat der Vater die Bestimmungsmacht über sie, aber sie geht dann irgendwie
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mit? Es ist eine ganz unklare Situation.
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Das ist ein Punkt, wo wir später noch mal draufgucken müssen,
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was heißt denn Geisteskrankheit?
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Also ... Weil das ist ja schon ein Thema, was in dem Moment spürbar wird.
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Darf die da bleiben oder nicht? Wer entscheidet das?
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Nein, also diese Entmündigung quasi von einem Individuum.
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Ja. Und dieser Punkt, ich glaub, Josephine heißt sie, wo sie abgeholt wird,
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ist dann so der Punkt, nachdem Stoffer auch anfängt, das ein bisschen zu forcieren
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und zu sagen, wir müssen diesen Idioten jetzt auch rauslassen.
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Also, der muss raus in die Gesellschaft.
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Aber es passiert nicht, ein paar Leute versuchen das.
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Axel verfeigert das und zieht sich aus der Gruppe zurück. Und dann ist dieser
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Abendschullehrer, der das dann irgendwie auch versucht, aber dann nicht wirklich durchzieht.
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Und die Gruppe zerfällt so ein bisschen daran an dieser Unmöglichkeit,
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sich nach außen zu öffnen und das innere Wissen nach außen zu tragen in die
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umgebende Gesellschaft, was immer das auch sein soll.
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Und Karin ist allerdings die, die sie sich stellen möchte und nimmt dann eben
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die Unterstützung von Susanne an, mit der sie zusammen zurück zu ihrer Familie fährt.
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Und dann gehen wir schon auf die Schlussszene zu.
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Und da kommt es eben dazu, dass wir in dieser Szene merken oder erfahren,
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dass Karins Kind gestorben ist.
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Und zwischendrin gibt es die eine Szene, wo sie, glaube ich,
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auch schon zu Susanne, diese Späterfiktion auch, der irgendwie sagt sowas,
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ich darf gar nicht so glücklich sein. Ist so ein Satz, den sie zwischen dem Film sagt.
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Und Susanne sagt, natürlich darfst du glücklich sein. Wir wissen in dem Moment
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noch nicht, dass sie natürlich unglaubliche ... also unglaubliches Leid erfahren hat.
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Was sie dann wahrscheinlich auch motiviert hat, so von jetzt auf gleich einfach
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wegzurennen, in dem Moment, als sie im Restaurant ist.
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Und später erfahren wir eben, dass dieses ... gestorbene Kind und das Leid und
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so, dass das natürlich schon Schuldgefühle auslösen kann, wenn's einem auf einmal
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spaßig gut geht, wenn man mit Leuten, die Idioten spielen, durch die Straßen läuft.
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Sie geht dann zurück. In dieser letzten Szene ist es so, dass die Familie da
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sitzt, und sie war zwei Wochen weg.
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Dann sagt irgendjemand, wir dachten, du seist tot oder so. Ihr Mann ist erst
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gar nicht da. Der kommt dann, die essen alle Kuchen.
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Sie war nicht bei der Beerdigung.
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War nicht bei der Beerdigung, das ist total wichtig. Und der Mann ist auch völlig gefühlskalt.
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Ich mein, der ist natürlich in dem Moment auch nicht mehr mit seiner Frau zusammen.
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Ihr Mann.
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Und der Vater des Kindes auch. Den hat sie dann alleine mit der Beerdigung zurückgelassen.
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Sie fängt dann eben an, diesen inneren Idioten ... Dieses Tropfen aus dem Mund,
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so der Kuchen kühlt dann raus.
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Ihr Mann schlägt sie ins Gesicht.
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Ähm ... Und ... Ja, das ist irgendwie was ... Der Mann leidet auch sehr.
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Aber trotzdem freut er sich jetzt überhaupt gar nicht, seine Frau zu sehen,
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von der sie dachten, sie sei tot.
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Da war nicht viel spürbar.
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Ja, ich mein, das ist natürlich auch immer die Frage, wie dann der individuelle
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Umgang mit Trauer ist. Also, es ist ja ... Also, Schock und Trauer.
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Und der Mann dann in Aggression.
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Und die Frau einfach in ... in Eskapismus.
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Ja, genau, es sei denn, sie war wirklich jetzt einfach in der Psychiatrie,
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kommt zurück, ist auf Tabletten und saugt beim Kaffee.
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Also das ist, das gäbe es auch.
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Ja, wenn man dann so quasi den psychiatrischen Blick im Sinne von Medikation
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und Verhalten dann auch so aufsetzt.
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Für den Schluss, ja.
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Genau, und Karin und Susanne verlassen dann aber wieder diese Wohnung. Das ist der Schluss.
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Ähm ... Eine direkte Assoziation, die ich mit dem Film hatte,
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weil diese ganze, das hab ich jetzt verkürzt und dargestellt,
0:32:32–0:32:37
aber dieses Idiotenhafte, das ist auch schon ... Also, man tut sich schwer,
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das heute so anzuschauen.
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Also, das in Anführungszeichen normale, in Anführungszeichen unnormale Spielen. Ähm ...
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Du hast es dir noch mal angeschaut.
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Ja, aber da geht man dann irgendwie, also irgendwie fand ich das schon nochmal
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schwierig, das heute zu sehen.
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Echt interessant, ja. Von den Blickgewohnheiten, also den Sehgewohnheiten?
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Von der Repräsentationsebene, also wer spielt hier wen für wen.
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Okay, also weil wir dann auch einfach der Diskurs quasi auch um jetzt in dem
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ganzen gesellschaftlichen Umfeld dann auch sich weiterentwickelt hatten, man hat so gewisse...
0:33:17–0:33:23
Es ist genau so festgeklebt in der Zeit wie die Qualität der Bilder auf Video
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damals und die Pullis, die die tragen.
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Das ist alles so 90er Jahre.
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Das ist irgendwie da so festgeklebt. Und ich weiß noch, dass ich das damals mutig fand.
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Wir hatten vorhin schon die Volksbühne erwähnt, da war ja auch irgendwie viel
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von dem, was auf der Bühne passiert, war ja auch hinreißend und aber manchmal
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auch so hingerissen, man wollte das aber sehen. Es hatte so eine Echtheit.
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Aber jetzt zu sehen, wie normale Behinderte nachmachen und man soll darüber
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lachen, das fällt mir schwer.
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Aber das war ja auch schon damals so. Das war ja genau dieses Fremdschämen,
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dieses Irgendwie-darf-man-das.
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Dieses ... hat ja der Film die ganze Zeit immer so wieder ...
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Hochgespült, ne, die Frage. Insofern fand ich den ...
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Jetzt wahrscheinlich noch viel schwieriger zu ertragen, weil einfach genau dieses ...
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Wie man bestimmte Sachen einordnet und so weiter, ist ja dann auch nicht mehr
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... Also, du konntest da noch Sachen sagen damals, wo man heute sagt,
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nee, geht halt nicht. So sagt man nicht.
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Also, Mann im Sinne von ... ist überhaupt nicht mehr diskussionswürdig.
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Oder andersrum, es ist sichtbar geworden, dass das so nicht geht,
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und damals war's unsichtbar.
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Ja, das hat ja so ein bisschen losgelöst, also diese Fragen, ja.
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Ja, und da ist es dann so, dass ich das damals noch irgendwie auch gut teilen
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konnte, dieses Gefühl, weil wenn die das für sich machen, ist es noch mal was
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anderes, als wenn die das dann vorspielen für die Gesellschaft.
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Ja, weil wenn man das, wenn alle wissentlich für sich ...
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Ja, klar, dann hast du natürlich einen geschützten Raum und so.
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Aber dann ist es ja Gruppentherapie oder ein Gruppenspiel.
0:35:16–0:35:20
Aber dann ist es ja irgendwie ... Es geht ja quasi um die Konfrontation mit der Gesellschaft.
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Und damit auch die Vorteile oder die Dynamiken oder die Situation,
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die entstehen eben in dieser Konfrontation. Ja.
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Und das ist ja das, was der Film dann ausspiegelt.
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Ja. Und wo man auch immer dieses Problem bekommt, das ist ja schlimm.
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Ich schäme mich dafür, dass die das machen.
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Ja, das stimmt. Ja. Jetzt ganz kurz ein Hinweis, wenn jemand auf die GPS-Track ist.
0:35:50–0:35:53
Es regnet immer noch so. Ich kann nicht mehr in diesem Regen.
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Ich bin hier schon ein bisschen erkält, deshalb stehen wir jetzt einfach still.
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Das ist jetzt so ein dicker Punkt wahrscheinlich im Track.
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Eine Assoziation, die ich mit dem Film jetzt hatte, noch mal,
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die ich damals nicht haben konnte, war ein Film von 1974,
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der hieß Sweet Movie von dem serbischen, damals jugoslawischen Regisseur Dujan Makavejev.
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Ich weiß nicht, ob du von dem mal gehört hast.
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Nee, habe ich nicht.
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Der ist deshalb nicht unbekannt,
0:36:24–0:36:30
weil es gibt ein einziger Berlinale in Berlin, in der keine Preise vergeben
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wurden, weil die Jury komplett zurückgetreten ist. Und da war er mit in der Jury.
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Ähm, und ... dieser Film von 1974 war, glaub ich, eine deutsch-französisch-kanadische Koproduktion.
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Und der ist einfach irgendwie das absolute Gegenteil von Dogma. Und das absolute ...
0:36:48–0:36:51
Aber es ist alles irgendwie so sichtbar. Ja, dieser Film, da geht's irgendwie
0:36:51–0:36:54
auch um Sexualität. Es ist auch Sex on Screen. Es ist fürchterlich,
0:36:55–0:36:56
es gibt so Handlungsstränge.
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Aber dieser Film ist einfach total ... Es war eine komische Szene.
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Es war eine explizite Sexszene, eine echte Sexszene auf dem Bildschirm.
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Der ist fürchterlich. Du merkst, der geht so richtig in deine Gedärme rein.
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Hast du den auch geguckt?
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Ja, den hast du vielleicht sogar auch gesehen, weil als Mute Magazine 2010 ihren
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Booklaunch hatten, Proud to be Flash, im Basso-Club, damals in der Köpenicker,
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Straße, da haben die den Film gezeigt. Da hab ich den gesehen.
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Der war ... ja. Und das ist auch der ... Wenn ich mich recht erinnere,
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ist es so, dass der gleiche Regisseur auch eben als früheren Film Der ist eigentlich
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nämlich auch Psychologe und hat dann aber einen Film gedreht bei Wilhelm Reich,
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der ja eher so im Körper, Körperarbeit, Körpertherapie, Charakterpanzer auch
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irgendwie verhaftet ist.
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Und mit dem Film ist er dann zum Film gekommen und hat dann bis,
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hat es bis in die Berlinale Jury geschafft.
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Und in dem, ja, diesen Film verlinken wir einfach. Das war so eine Assoziation.
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Der ist ganz anders. Du siehst in jeder Sekunde, das ist ein gestellter Film.
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Der Da passiert Improvisation, aber du hast nie das Moment, du bist nicht an
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einem Set, alles voller Props, alles total überdreht und bunt und so was.
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Aber er hat eben auch zum Grundthema diese inneren Idioten. Irgendwie verbinden
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die sich sehr gut, finde ich, die beiden.
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Gut, damit kommen wir jetzt in den zweiten Teil. Wir gucken mal drauf.
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Also deine Thesen, die du am Anfang vorgestellt hast?
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Die Thesen, die ich am Anfang vorgestellt hab. Eine Sache wollte ich noch vorneweg
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wissen, weil das habe ich in unterschiedlichen Halbwissen zusammengeklaubt.
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Drei Punkte, an denen dieser Film doch von diesem Dogma 95 Manifest abweicht.
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Genau, also wo er die Regeln bricht.
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Ja, genau.
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Also vielleicht auch sogar vier Punkte.
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Na, ich bin gespannt. Also ich habe drei gefunden, die habe ich unterschiedlich
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zusammengeklaubt. Der Wikipedia-Eintrag der Deutschen sagt, die Einheit des
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Ortes wird nicht eingehalten.
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Ich weiß ehrlich, ich habe es jetzt genau eins zu eins so mir gemerkt,
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als Wortlaut, weil ich nicht genau weiß ... Es geht um Ort und Zeit,
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und das muss alles irgendwie sein.
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Aber es ist natürlich, springt es hin und her. Aber auf jeden Fall,
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vielleicht gibt es Szenen, in denen ein Schnitt passiert, wo man an einem anderen
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Ort ist. Das hätte so nicht sein dürfen.
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Das Zweite ist die Tatsache, dass mit Video aufgenommen wurde.
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Was in dem Originaltext, wie man es versteht, ein Problem wäre.
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Lars von Trier im Interview, das hatte ich in der letzten Folge gesagt,
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sagt dazu nee er fand auch video wäre eigentlich nicht möglich gewesen eigentlich
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hat er sich schon selber disqualifiziert aber die haben gesagt der andere name ist mir,
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gerade kann ich nicht abrufen, aber die hätten dann irgendwie gesagt,
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nee, es geht nur darum, Academy 35, wenn es auf Distribution geht,
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das muss das finale Format sein.
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Man darf ja auch mit 16 Millimeter drehen und dann das hoch aufblasen.
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Und dann haben sie abgestimmt, und Lars von Trier hat gestimmt,
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Video ist nicht dogmakompatibel.
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Die anderen haben gesagt, doch, und dann mit Ascent Films, da meinte er, das ist kein Thema.
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Und das Letzte ist noch aus einem anderen Podcast, wo jemand meinte,
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es gibt auch für die Musik eine Harmonika, die reingeschnitten ist,
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aus dem Off, wo man nicht sieht, wie die Musik gemacht wird.
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Das ist die Schlussszene. Das ist die Schlussszene, die gibt's tatsächlich auch.
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Die hab ich mir auch noch mal angeguckt auf YouTube.
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Und dann dacht ich auch so, das ist nicht doch wahr.
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Die Musik, die ... Du hörst, es wird geschnitten, und du hörst die Musik weiter durchspielen.
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Kann ich nachvollziehen. Also aber vielleicht, ich muss noch mal überprüfen,
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aber das dachte ich auch. Und die vierte?
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Ich dachte, Lars von Trier nennt sich am Ende vom Abspann als Namen, weiß ich nicht.
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Aber das kann sein, das ist für Drehbuch oder Kamera, er darf ja nicht für Regisseur.
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Ja, okay. Okay, das könnte, hast du den Film noch irgendwo in, oder?
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Ja, wir gucken rein.
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Wir gucken noch mal rein, wir bestätigen das noch mal.
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Genau. Und das Lustige ist auch da, ich habe irgendeinen Trailer gefunden,
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wo Moby ankündigt, dass sie den streamen werden, also dass sie den auch im Programm haben.
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Und da steht dann so ein Idioten, zwei Sekunden und dann schwarz mit dem Titel
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directed by Lars von Trier.
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Das ist gleich im Trailer drin. Da darf man das scheinbar.
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Okay, aber jetzt zurück nochmal zu den, oder hinein in die Interpretation.
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Jetzt hat es ein bisschen mit dem Regen aufgehört.
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Wir können hier rum zurückgehen.
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Da kann man durchgehen?
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Da kann man durchgehen.
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Ich bin nicht so, weißt du, ich muss ein bisschen ...
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Du kannst nicht so viel laufen. Ich habe extra meine Wanderschuhe mit Gore-Tex.
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Wir müssen langsam gehen.
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Langsam.
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Wir pendeln langsam schon wieder zurück Richtung Cottbuser Tor.
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Da steht auch mein Rad.
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Also, meine erste Spielwiese für eine Interpretation wäre die Parabel zu sagen,
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diese Kommune, diese Menschen, die den inneren Idioten suchen und die diese
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ganzen Ausflüge unternehmen, im Sommer auf der Skischanze,
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Weihnachtsdeko im Sommer verkaufen, Diese einzelnen Storys, das ist einfach
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eine Parabel für das Kino in der Gesellschaft.
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Also es gibt einfach eine Gruppe, eine in sich geschlossene Filmindustrie.
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Insofern vielleicht auch eine Kritik an der Filmindustrie.
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Die so für sich selbst da ist, die auch so einen inneren Anspruch hat,
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hey, wir machen hier wirklich was.
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Aber jedes Mal, wenn es zu einer ernsthaften Berührung zwischen dieser Filmindustrie
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und der Gesellschaft kommt, dann fällt das alles immer so ein bisschen in sich zusammen.
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Niemand darf im Film bleiben, sondern der Papa holt halt seine Tochter dann irgendwann ab.
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Und auch die Karin, die am Anfang da sich in den Eskapismus begibt und diesen
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Film genießt ... Irgendwann ist es halt zu Ende, in dem Fall,
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in der Geschichte so, weil die Industrie in sich selbst irgendwie ...
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Merkt, sie kommt nicht aus sich selbst heraus, ist nur selbstreferenziell.
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Und dann fällt das Ganze in sich zusammen.
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Das wär so, find ich, so eine naheliegende ... ähm ...
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Parabel, wo man sagen könnte, was will dieser Film sagen? Dann würde dieser Film sagen,
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das Kino versucht ganz viel, ja, mit vollem Einsatz, ganz viele Menschen,
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die sich selbst öffnen, die sich selbst versuchen, dann zu finden,
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sich authentisch darstellen wollen.
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Aber im Endeffekt ist es halt nie real und es ist nie wirklich und es ist nie
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echt, weil die Menschen sind halt im Endeffekt doch Schauspieler.
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Und jedes Mal, wenn man dann diesen Moment, der so echt sich anfühlt,
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denkt, den bringe ich jetzt in die richtige Welt, dann ist die Welt eben doch anders.
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Man bleibt unter Haltung und das Politische in diesem ganzen verpufft jedes
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mal wenn man halt versucht zu sagen jetzt kann ich jetzt kann ich wie ein präsident
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agieren jetzt kann ich auch präsident sein also das geht in der form nicht das
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wäre so diese erste parabel zu diesen idioten,
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Soll ich die einfach so runterleiern?
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Nö, nö, nö, nö, nö. Ja, nee, ähm ... Also, das ... die Gruppe ...
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Ist quasi der dramaturgische Raum. Und damit, äh ...
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Damit auch die Leinwand im Kino. Oder ... ich versuch, diese Kinometapher da grade aufzulösen.
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Ja, Kino ist vielleicht das falsche Wort. Also, eher Filmindustrie, Filmproduktion.
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Also, diese ganze Idee, dass man ... diese ... ähm ...
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Diese Traumfabrik, wie es ja manchmal auch heißt, in diese Gesellschaft hineinstellt.
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Und dass es vielleicht dann eben Leute wie Stoffer gibt. Stoffer ist ja quasi
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der Regisseur. Der Regisseur, der Lars von Trier nicht genannt werden darf.
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Der dann irgendwie versucht, hey, wir machen jetzt mal was so und so.
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Also die versuchen auch, was Politisches zu schaffen.
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Die versuchen, das Eigentliche, wie unser Podcast heißt, so in Menschen zu finden,
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diesen inneren Idioten. Und wenn man das tut, dann kann man was bewegen.
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Das muss man auch wieder in die Gesellschaft raustragen.
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Das ist ja so eine politische Haltung, die dann in der Industrie vielleicht
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auch gegeben ist. Nicht bei allen, aber bei manchen.
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Und dass diese politischen Ambitionen aber irgendwie verpuffen,
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weil es eben doch, wie du vorhin schon gesagt hast, mit dem Wort Eskapismus,
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dass eben doch was bleibt, was nie echt ist. Es kann nicht echt sein.
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Und beim Theater weiß man, dass es nie echt ist, beim Film vermutet man im Impro,
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dass es irgendwie echt ist, aber es ist dann eben doch nicht echt.
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Ja, aber was ich finde, rein emotional, weiß ich nicht, so richtig aufgeht in der Metapher, ist,
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der Eskapismus schafft ja Räume, die angenehm sind.
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Während diese Welt der Idioten überhaupt keine angenehme Welt ist,
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sondern es ist einfach mit komischen, ambivalenten Gefühlen verbunden.
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Aber so auf so einer ... Also, es schwelgt.
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Stimmt, aber es ist ja dann trotzdem Karin, die am Anfang bei der Hand genommen wird.
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Und die in gewisser Weise uns als Zuschauer an die Hand nimmt und da hineinführt,
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die ja diesen Moment hat, wo sie sagt, ich war noch nie so glücklich.
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Das ist ja ein echter emotionaler Moment, den Sie da drin erleben.
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Aus der Perspektive der Person, ja. Aber wenn man das jetzt dann aus dieser
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Perspektive von Gruppe und Zuschauerraum betrachtet,
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finde ich das nicht, weil es,
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ja, also vielleicht in diesen ...
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Es geht ja immer ein Spiel mit Grenzen. Es ist ja immer so eine Frage von ...
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Wie soll man sagen, dann so, ja, nicht Wutbürger, aber so jemand,
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der aufsteht und irgendwie gegen die Gesellschaft anrennt.
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Das ist ja so immanent da drin.
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Also deswegen ist es ja nicht so einfach konsumierbar.
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Was jetzt, der Film per se oder das ...
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Nein, nein, nein, nein. Nee, aus dieser Idee von Eskapismus oder von ...
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Es ist ja so, die müssen ja alle irgendwie, also sowohl der Zuschauer wie auch
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die Gruppe selber und die Akteure müssen ja alle irgendwie Energie aufwenden, um das zu machen.
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Also, es gibt ja schon so ... Und es ist ja nicht von ...
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Es kommt ja ... Es ist ja nicht so einfach konsumierbar, ja?
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Und ich versuche gerade so diese Metapher von Stoffer als derjenige, der die Regie führt,
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die Gruppe anleitet und die Conclusio daraus ist...
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Ja, das ist, was ich sagen will, ist, dass Stoffer mit seinen Ambitionen etwas
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zu verändern, die Welt zu verändern durch das Kino. Dass der dann irgendwie
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mit den Flaschen drehen und den inneren Idioten raus... Der hat ja eine Mission.
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Und dass da irgendwie in dem Film aufgezeigt wird, dass Kino...
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Oder die Filme... Es bleibt irgendwie selbstreferenziell. Es kommt nicht so ganz aus sich heraus.
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Und es bleibt fiktiv. Und es kann diese Brücke in die Politik nicht gut schlagen.
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Okay, ja, also ich kann es so ansatzweise nachvollziehen, aber es ist mir noch
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nicht so ganz rund, dass es läuft.
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Genau, und das habe ich auch gedacht. Okay, gehen wir mal einen Schritt weiter
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und zoomen mal rein und sagen, nee, vielleicht geht es nicht um die Filmindustrie
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in der Gesellschaft, sondern vielleicht ist es ja gleich nicht.
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Also ich glaube nicht mal Lars von Trier, alles was man so bei Lars von Trier
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reindeutet, Ich bin mir echt unklar, wie viel Konzeption und Intuition da ist.
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Aber tun wir doch mal so, als ob Lars von Trier da einen Film gemacht hätte,
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der als zweiter Dogma-Film, nachdem der erste die Preise abgeräumt hat,
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der zweite dann irgendwie das Kapitel schon schließt.
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Und diese Idioten sind die Dogma-Leute.
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Ja? Und rundherum ist die Filmindustrie. Und die dürfen jetzt ja mal irgendwie
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so ihr Ding machen und dann dürfen die halt so Höh, du darfst den Namen nicht
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nennen und du darfst auch nicht und wir haben jetzt diese Regeln und wir machen
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was immer wir wollen. Also es wird aber irgendwie...
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Es ist in sich schön anzuschauen. Wir gucken uns quasi so ein bisschen wie bei
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Hamlet, das Theater im Theater, an.
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Wir gucken uns quasi den Dogma-Film im Dogma-Film an.
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Und drumherum, die Gesellschaft ist die Filmindustrie, die macht so ihr Ding, ja.
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Die wollen halt die großen Häuser verkaufen, die wollen bauen,
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machen, hier und da. Die haben ihre Regeln.
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Und da muss man auch, da muss man bestimmt vernünftig essen,
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sonst wird man einfach nicht ernst genommen.
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Aber es gibt diesen kurzen Moment, wo halt diese Dogma-Leute jetzt so ein bisschen
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Plitschplatsch so alles aufwühlen.
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Und dann zerbröselt es aber auch schon wieder hinten raus.
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Und was übrig bleibt, sind dann halt eben die Hoffnungen von Leuten wie,
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äh, Karin, die dann vielleicht steht für jemand, die sich eingelassen hat,
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aus der großen Filmindustrie, auf dieser Innovationszug aufzuspringen und dann hinten raus.
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Aber merkt ja jetzt, scheiße, jetzt ist das weg, Aber zurück kann ich auch nicht mehr.
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Da wird es dann, finde ich, ein bisschen greifbarer und irgendwie ganz lustig.
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Aber ich glaube natürlich nicht, dass es eine Intention ist,
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von Lars von Trier zu sagen, ich mach jetzt einen Dogma-Film und mach damit den Sack gleich zu.
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Weil der andere Dogma-Film räumt eh die Preise ab.
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Und ich mach dann halt den, wo man nachträglich dann im Regen in Kreuzberg endlich
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draufkommt, dass ich hihihi wusste, Dieses Dogma ist halt quasi,
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wir müssen Rudelbumsen und danach will es keiner mehr wissen.
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Du bist ja so auf der Meter-Meter-Ebene unterwegs,
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gerade.
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Ja, ja, aber das wäre eben diese Parabel-Idee.
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Ja, nö, kann nicht irgendwie so...
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Wobei natürlich die Frage von Kontinuität, von eben so Filmschaffenden und es
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ist ja doch eine Singularität in dem Film, die Filmgruppe, also die Idiotengruppe, ne.
0:51:55–0:51:58
Aber kann ich auch, okay, ansatzweise.
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Gut, ja, also es ist schon spät. Ich ratte mal weiter, ne, weil das Dritte,
0:52:04–0:52:07
also wir haben jetzt das Dritte und das Vierte hängt irgendwie so ein bisschen
0:52:07–0:52:09
zusammen. Ist das jetzt so ...
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Politik ... Also, Politik, jetzt gehen wir da mal raus aus diesem selbstreferentiellen Filmthema.
0:52:18–0:52:22
Es gibt ja diesen Adorno-Satz, der immer so oft überall zitiert,
0:52:23–0:52:26
es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Hast du bestimmt auch schon gehört.
0:52:27–0:52:28
Das war doch so eine Facebook-Kachel.
0:52:30–0:52:35
Wie eine Facebook-Kachel? Ach so, okay. Nee, das ist ... Genau,
0:52:35–0:52:36
ein Kalenderspruch von Adorno.
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Also nutze den Tag, es gibt kein richtiges Leben im Wald.
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Ja. Und das, finde ich, ist natürlich was, was sich so auftränkt,
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ne? In dem Moment, wo Stefan so anfängt zu scheitern, dass man denkt,
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ja, es gibt halt kein richtiges Leben im Wald. Und sollte dieser innere ...
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Idiot halt irgendwie wirklich die Lösung für alles sein, solange drumherum der
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nicht ankommt, das ist ja auch deren Haltung, wird sich nichts verändern.
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Also wir müssen das Richtige, was wir tun, jetzt in diese falsche Welt reinbringen
0:53:05–0:53:06
und alles richtig machen.
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Und da habe ich so gemerkt, es gibt ja so eine ganze Reihe von Filmen,
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die ein ähnliches Motiv haben, wo es eine abgeschlossen, also wo es zwei Welten gibt, die sich treffen.
0:53:16–0:53:22
Und bei diesen Berührungen dieser beiden Welten, da entsteht die Geschichte.
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Die Geschichte, das ist jetzt zum Beispiel, ich weiß nicht, fällt dir eine ein?
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Ich habe drei aufgeschrieben, vielleicht fällen dir auch andere ein.
0:53:32–0:53:40
Also Filme, die zum Gegenstand haben, dass in einer und derselben Welt zwei Welten.
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Stranger Things.
0:53:47–0:53:49
Stranger Things, relativ neu.
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In der Popkultur verhaftet.
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Nein, das ist ja gar nicht schlecht. Dann gibt's noch den, wie hieß noch mal
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der Typ ... Ah Gott, ey, es ist schon spät.
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Videodrome hat der Regisseur von ...
0:54:00–0:54:00
Cronenberg.
0:54:00–0:54:03
Cronenberg, und der hat den Film ... Ähm ...
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Naked Lunch.
0:54:04–0:54:11
Nein, der andere, der tolle, wo es diese Level gibt, so Inception-mäßig, wo ...
0:54:14–0:54:16
Ja, das ist doch Existenz.
0:54:16–0:54:19
Existenz, ja. Das wär zum Beispiel auch so ein Film.
0:54:19–0:54:19
Ja, ja.
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Wie heißt der?
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Matrix.
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Matrix hab ich mir auch aufgeschrieben. Von 99. Die Truman Show von 98.
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Ja, ja, ja.
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Und was ich vom Charakter her am ähnlichsten finde in der Art ist ...
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Kennst du The Village von ...
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Was?
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The Village von 2004, von M. Night Shyamalan?
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Den kenn ich gar nicht.
0:54:44–0:54:45
Den kennst du gar nicht?
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Nee, ich red den Film nicht, aber...
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Kennst du nicht den Film? Vielleicht kennst du ihn.
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Ja, verlinken wir einfach. Da geht's darum, du siehst so ein Village,
0:55:01–0:55:03
also wirklich so ein altes Dorf, so Quaker-mäßig in Amerika.
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Und in diesem Dorf, das ist mitten im Wald. Und in dem Wald sind halt irgendwie ...
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Irgendwelche Geschöpfe, Monster, wir wissen es gar nicht, wir sehen die gar
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nicht genau. Dann sind auf einmal so Farbmarkierungen an bestimmten Türen im Dorf und so.
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Und ... ähm ...
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Ist der gut?
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Ich finde den super.
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Soll ich den nicht mal spoilern? Nee, spoilern nicht, den will ich sehen.
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Okay.
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Ist das ein Horrorfilm?
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Doppelter Horrorfilm.
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Oh, also Meta-Horror.
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Ja, ja, Meta-Horror. Metaweise Horrorfilm. Und bei diesem Film jetzt hier,
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es ist auch so, es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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Den inneren Idioten in die Gesellschaft bringen. Da hab ich gedacht,
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was ist denn dieser Idiot?
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Also, wenn Dinge Parabeln sein dürfen, hab ich geguckt, was ist eigentlich Idiot?
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Und wir haben ja eben dieses ...
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Banale Bild von Depp, so, ach, jetzt reiß dich mal zusammenmäßig.
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Es gibt dann ein klinisches Bild von Idioten, also in der Psychiatrie,
0:56:11–0:56:13
und die kriegen Medikament oder so.
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Aber in der Bedeutung gibt es auch eine uralte Herleitung, eben von vor 1.000 Jahren, wie immer.
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Da waren das Personen, die sich aus den öffentlich-politischen Angelegenheiten,
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herausgehalten haben und keine Ämter wahrgenommen haben im alten Griechenland.
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Das heißt, jemand, der keine Verantwortung übernommen hat, sich nicht mit eingebunden
0:56:33–0:56:36
hat, wurde als Idiot bezeichnet.
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Und es wurde sogar dann in einer attischen Demokratie wurde dann eine Person,
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die sich während einer Volksversammlung öffentlich dem Nichtstun widmete, wurde bestraft.
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Also es war quasi so ein Wunsch.
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Zu partizipieren, oder eben zu bestrafen, wenn du nicht partizipierst.
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Ja, interessant. Ja, nee, ich mein, dann ist ja auch so ... gesellschaftliche
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Verantwortung ist ja auch so eine große Frage in einem Film.
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Die ... sie entziehen sich der gesellschaftlichen Verantwortung,
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sie führen ja noch mehr Gesellschaft vor.
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Und ... in der Definition ist es ja sehr nachvollziehbar.
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Und jetzt ist ja die Frage, hat Lars von Trier, und jetzt mache ich einen riesen Jumpcut,
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inhaltlichen Jumpcut, aber die Frage ist ja, hat Lars von Trier diese Definition
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von Idiot dem zugrunde gelegt oder das, was wir sehen?
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Also soll es dahinter irgendwie was geben?
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Und zuerst fand ich es halt so ein bisschen ...
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Weißt du, was der dänische Originaltitel ... Aber die Konnotation in Dänemark
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weiß man natürlich nicht.
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Da müssen wir jetzt irgendwie unsere Community mal bitten, uns mal Kommentare zu schreiben dazu.
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Aber was ich interessant fand, ist, dass es einen Autor gab im 19.
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Jahrhundert, einen Alexis de Tocqueville.
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Und es gibt diesen Larsen-Triffin-Dockbild. Und der war ...
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Der war Politikwissenschaftler, so ein früher Politikwissenschaftler,
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der ein Buch geschrieben hat, 1856, Der Staat und die Revolution.
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Wo er sich damit auch auseinandergesetzt hat in revolutionären Kontexten,
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was sind denn so die Vorgänge, die sich da abspielen.
0:58:36–0:58:43
Und der dann auch sagt, dass es oft eben darum geht, dass Bürger nicht abgeholt
0:58:43–0:58:47
werden, mitgenommen werden, nicht eingebunden werden, die Partizipation,
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die sie vielleicht sogar haben könnten, nicht wahrnehmen.
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Und dadurch eine Entfremdung stattfindet, die dann letztendlich zum Bruch zwischen
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Regierenden und Regierten sozusagen führt.
0:58:58–0:59:00
Und das führt dann letztendlich zur Revolution.
0:59:00–0:59:06
Dieser Herr Tockwill hat nämlich auch etwas über die Idioten in dieser Definition geschrieben.
0:59:07–0:59:15
Und hat er gesagt, dass man damals eben als Idiotes geboren wurde und auch Idiot blieb,
0:59:15–0:59:22
wenn man nicht mit der Erziehung, der Bildung zu einem politisch bewussten Bürger heranwächst.
0:59:22–0:59:27
Also dass man der Wachstum weg vom Idioten hin eben zum partizipierenden Bürger,
0:59:27–0:59:30
der auch Verantwortung übernimmt für das Ganze.
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Das war Tockvill. Und eben wegen der, das ist mein Jumpcut, Dogville.
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Togville.
0:59:37–0:59:37
Mhm.
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Vielleicht wusste Lars von hier doch, was er da tut, und hat sich irgendwie damit beschäftigt.
0:59:43–0:59:48
Ja, aber ... da müsste man gucken, was Dogville ...
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Warum der ...
0:59:49–0:59:50
Der Film noch mal so, ne?
0:59:51–0:59:55
Ja, Dogville ist ja dann dieser absolute Nicht-Dogma-Dogma-Film.
0:59:57–1:00:01
Also, wo du halt nur die Linien auf dem Boden hast und diese ...
1:00:01–1:00:05
Ja, aber trotzdem so einen gewissen inszenatorischen Freiraum.
1:00:05–1:00:05
Ja.
1:00:06–1:00:09
Also Theater. Aber ich hab den tatsächlich ... Ich muss gestehen,
1:00:09–1:00:10
ich hab Dogville nicht gesehen.
1:00:12–1:00:12
Ja.
1:00:12–1:00:14
Aber das beeindruckt dich grade nicht, ne?
1:00:14–1:00:17
Nee, weil ich jetzt meinen Sprung grade nicht mehr so gut hinkrieg.
1:00:17–1:00:20
Wir sind jetzt quasi von dem Satz, es gibt kein richtiges Leben ...
1:00:20–1:00:21
Wir sind ja auch nicht im Dialog.
1:00:22–1:00:28
... sind wir jetzt rumgesprungen zurück in die alte griechische Demokratie.
1:00:29–1:00:29
Ja.
1:00:29–1:00:36
Wo der Idiot der war oder die, die nicht aktiv am Geschehen der Institution
1:00:36–1:00:38
beteiligt waren oder sich da raushalten wollten.
1:00:39–1:00:40
Und wenn mir dann noch mal diesen
1:00:40–1:00:49
Satz von Adorno, der 1947 in der Minima Moralia aufgeschrieben wurde.
1:00:51–1:00:56
Im amerikanischen Exil hatte er eigentlich, in Anführungszeichen,
1:00:56–1:00:59
eigentlich darüber geschrieben, ähm ...
1:01:01–1:01:10
Wie schwer es ist, für Obdachlose Asyl zu finden, irgendwo unterzukommen und
1:01:10–1:01:12
sich häuslich einzurichten.
1:01:12–1:01:19
Und in der ursprünglichen Fassung dieses einen Satzes Bei seinem Draft für Minimum
1:01:19–1:01:25
Moralia war dieser Satz, es lässt sich privat nicht mehr richtig leben.
1:01:26–1:01:31
Das ist so dieses, keine Ahnung, Down the rabbit hole, würde man bei Alice in Wonderland sagen.
1:01:31–1:01:35
Wenn man da mal so reingeht und das so mitmachen würde, es lässt sich privat
1:01:35–1:01:39
nicht mehr richtig leben, dann ist das ja so ein Druck, den Stoffe auch irgendwie erlebt.
1:01:40–1:01:44
Er will sich zurückziehen, die Kommune ist privat. Ja, das ist dann auch so
1:01:44–1:01:51
ein Sponti-Spruch, das Private ist politisch so, das heißt diese Private, lasst uns alle in Ruhe.
1:01:52–1:01:56
Das geht nicht, dieses Haushaltsverkauf, denn der Druck ist da,
1:01:56–1:02:00
du kannst nicht im Privaten richtig leben und das verknüpft sich dann eben über
1:02:00–1:02:05
diesen Satz, der umgeschrieben wurde von Adorno, es gibt kein richtiges Leben im Falschen.
1:02:06–1:02:11
Ja, also ich meine, auf der einen Seite gibt es natürlich diesen Kommunenwunsch,
1:02:11–1:02:14
um dann so eine Identität über die Kommune aufzubauen, über die Gruppe.
1:02:15–1:02:19
Auf der anderen Seite ist es ja auch so, dass die genau in dieser Konfrontation
1:02:19–1:02:27
mit irgendwie Gesellschaft draußen dann erst ihre Identitätsbestimmung bekommen.
1:02:29–1:02:33
Also es ist die Frage, ob das tatsächlich so funktioniert im Privaten.
1:02:34–1:02:38
Also die müssen ja diese Konfrontation geben. Also den Raum des Privaten,
1:02:39–1:02:41
das ist ja für die Gruppe völlig uninteressant.
1:02:44–1:02:47
Naja, die wollen ja dieses Haus eigentlich nicht verkaufen, sondern behalten.
1:02:48–1:02:52
Und erst in dem Moment, wenn sie aus dem Privaten rausgehen in die Gesellschaft,
1:02:52–1:02:53
weil Stoffer das so will,
1:02:56–1:03:01
geht das nicht. Also im Privaten geht es, es ist erfüllend, also da ist es dann
1:03:01–1:03:05
irgendwie auch einfach ein Regelwerk und ein Möglichkeitsraum,
1:03:05–1:03:07
den sie sich selbst geschaffen haben,
1:03:08–1:03:12
um Stoffer drumherum irgendwie, der halt dann doch eine gewisse Macht hat,
1:03:12–1:03:13
weil seinem Onkel gehört das Haus.
1:03:16–1:03:23
Aber in diesem Privaten ... ... ist das alles nur ein Leben auf Zeit.
1:03:23–1:03:25
Es gibt ein Verdrängungsgefühl.
1:03:25–1:03:29
Deshalb will Stoffer den Angriff starten und raus in die Gesellschaft,
1:03:30–1:03:32
weil die Gesellschaft von außen drängt.
1:03:33–1:03:34
Die nimmt uns die eine weg.
1:03:35–1:03:38
Der Papa kommt, nimmt die weg, das Haus soll verkauft werden.
1:03:38–1:03:44
Wenn wir nicht aktiv werden, wird uns dieses Paradiesische genommen.
1:03:44–1:03:47
Ja gut, aber die könnten ja auch ganz anders aktiv werden.
1:03:48–1:03:52
Die könnten ja gesellschaftlichen Konsens suchen und irgendwie,
1:03:52–1:03:56
keine Ahnung, da irgendwie so Nachbarschaftshilfe aufbauen und so weiter.
1:03:57–1:04:02
Die gehen ja quasi in Konfrontation mit allen Nachbarn und Umfeld,
1:04:03–1:04:05
um sich dann halt irgendwie so da
1:04:05–1:04:12
wieder so diese Legitimationsrollen dazu bleiben, ne? Deswegen ... ähm ...
1:04:13–1:04:17
Also ich weiß nicht, ich kann da auch nicht so richtig durchdringen,
1:04:17–1:04:23
aber ich fand irgendwie diesen Fund vielleicht ganz gut, dieses Rabbit Hole,
1:04:23–1:04:24
wenn man da reinguckt und denkt, okay,
1:04:25–1:04:31
das Private und das Politische, der innere Idiot im geschützten privaten Raum
1:04:31–1:04:36
ist was Befreiendes und Beglückendes, aber im gesellschaftlichen Raum darf er irgendwie nicht sein.
1:04:37–1:04:42
Ist das Private das Richtige und drumherum das Falsche? Darf man das so sagen?
1:04:42–1:04:47
Oder ist Karin als Beispiel dann auch ihrer Verantwortung in der Familie nicht
1:04:47–1:04:52
nachgekommen, weil sie es einfach nicht geschafft hat und geflohen ist?
1:04:52–1:04:56
So, das ist einfach nur jetzt so ein Frageraum.
1:04:56–1:04:56
Okay.
1:04:58–1:04:58
Ja.
1:05:02–1:05:05
Ja, und jetzt hab ich gleich noch ein bisschen Psychiatriegeschichte.
1:05:06–1:05:12
Aber ich glaube das ist jetzt das knüpft gar nicht mehr direkt an sondern das ist dann,
1:05:14–1:05:17
Ja, keine Ahnung. Vielleicht ist es eine eigene Folge dazu.
1:05:18–1:05:21
Ja, vielleicht. Also, fänd ich auch spannend, dass aus diesem ...
1:05:23–1:05:26
Psychiatrieblickwinkel wie auch dem soziologischen ... Also,
1:05:26–1:05:30
ich denk da an ... Überwachung und Strafen von Foucault.
1:05:31–1:05:35
Was dann auch in dieser ... Geschichte der Psychiatrie ...
1:05:36–1:05:37
Ja, Wahnsinn und Gesellschaft.
1:05:37–1:05:39
Wahnsinn und Gesellschaft, genau.
1:05:40–1:05:43
Aber die wär jetzt dann auch irgendwie gekommen. aber irgendwie fühlt sich erstens
1:05:43–1:05:49
der Nieselregen zu klamm an gerade, zweitens die Zeit zu fortgeschritten und
1:05:49–1:05:52
drittens aber auch die Anknüpfung jetzt nicht mehr so natürlich.
1:05:53–1:05:57
Nee, ich glaub auch, das ist wirklich so ein eigener ... eigener Kanon,
1:05:57–1:05:58
den wir dann aufmachen müssten.
1:05:59–1:05:59
Ja.
1:06:00–1:06:07
Und ... Und ich find, also in dieser Meta-Erzählung, die du geliefert hast,
1:06:07–1:06:11
in der Meta-Betrachtung, da kommen ja noch mal so ganz andere ...
1:06:11–1:06:15
Da ist man ja so ganz nah am Medium wieder dran. Und ...
1:06:15–1:06:16
Welche Meta-Betrachtung?
1:06:18–1:06:18
Also ...
1:06:18–1:06:20
Alle erste, die Jacob's Ladder?
1:06:20–1:06:24
Die zweiten. Die Dogma ... Du siehst ja so über verschiedene ...
1:06:24–1:06:29
Also einmal die erste Hypothese, die du aufgestellt hast, wie auch die zweite,
1:06:29–1:06:36
die dann aus dieser ... die Gruppe dann ... Es befreit sich ja erst mal von diesen ganzen ...
1:06:37–1:06:39
Soziologischen und psychiatrischen ...
1:06:40–1:06:43
Sondern es betrachtet sich erst mal auf so einer Reihenebene,
1:06:44–1:06:48
wie sich dann Kino inszenieren kann, in welchem Kontext.
1:06:48–1:06:53
Und wie das auch dann rezipiert werden kann. Finde ich erst mal so ...
1:06:53–1:06:58
Das kann erst mal so stehen gelassen werden bei Idioten. So einen Ansatz habe
1:06:58–1:06:59
ich noch nicht so betrachtet.
1:07:00–1:07:05
Ich muss auch sagen, ich hätte damals ... Vielleicht können wir noch mal diesen kleinen Hieb machen.
1:07:05–1:07:07
Können Sie mal gucken, ob deine Aufnahme läuft?
1:07:08–1:07:10
Ja, hatte ich gerade geguckt.
1:07:14–1:07:22
Damals, wir hatten ja eine Gruppe von Radio-Macherinnen und Machern,
1:07:23–1:07:26
Convex-TV, in den 90ern, von 97,
1:07:28–1:07:37
bis 2000. Und wir waren vor allen Dingen im ganzen Bereich Net Radio aktiv und
1:07:37–1:07:41
hatten eine monatliche Sendung produziert.
1:07:41–1:07:46
Und ich hatte damals auch die Idioten rezipiert, einen kleinen Beitrag.
1:07:47–1:07:48
Hast du es dir noch mal angehört?
1:07:48–1:07:49
Ich hab's mir angehört, ja.
1:07:49–1:07:51
Können wir noch mal verlinken?
1:07:52–1:07:55
Willst du es verlinken? Weil du hast ja Piracy betrieben. Was?
1:07:55–1:07:57
Du hast ja Piracy betrieben.
1:07:58–1:08:02
Ich hab ... Ja, das stimmt. Ich hab tatsächlich im Kino aufgenommen.
1:08:04–1:08:09
Das durfte man damals nicht. Verehrt das? Das verehrt bestimmt. Das Delikt verehrt.
1:08:12–1:08:16
Aber das war noch mal so, ich habe versucht nicht zu spoilern,
1:08:18–1:08:23
aber das ist so unsere gemeinsame Mediengeschichte, die sich da auch so zusammenfindet.
1:08:24–1:08:34
Wir waren Mitglieder des Kollektivs ConvexTV und das verlinken wir gerne, weil da gibt es noch...
1:08:34–1:08:37
Die es gibt, haben wir aber eben auch dieses eine Foto auf eigentlich-podcast.de,
1:08:41–1:08:37
in
1:08:41–1:08:44
der About-Section, wo wir Schlingsieb interviewen.
1:08:46–1:08:50
Das ist ja, das habe ich da reingeklebt, weil wir da beide, das war ja die Konvex-TV-Zeit auch.
1:08:52–1:08:52
Ja, das stimmt.
1:08:56–1:08:52
Das,
1:08:56–1:08:58
war 97, glaube ich.
1:08:59–1:09:01
97 zur Documenta, Hybrid Workspace.
1:09:01–1:09:04
Hast du's noch mal gehört, deine Besprechung?
1:09:04–1:09:05
Ja, ja, ja.
1:09:05–1:09:06
Und wie fandst du's?
1:09:06–1:09:11
Ich fand die ... Also, die war so ... so ein bisschen ... Also,
1:09:11–1:09:14
ich fand die sehr ... ähm ...
1:09:15–1:09:17
Wie soll ich sagen, äh, wortstark.
1:09:18–1:09:23
Aber hat nicht so eine richtige Konklusion gebracht. Aber trotzdem in der Zeit sehr stark.
1:09:23–1:09:27
Also, ich hab auch viel mit dem Sound gespielt, weil es war immer so ein Lied,
1:09:27–1:09:30
das angespielt wurde. das dann halt so ausgeführt.
1:09:31–1:09:35
Aber kann man sich mal anhören. Also ist jetzt nicht so stark verjährt wie der Film.
1:09:36–1:09:40
Nee, es ist sehr kurz. Ich hatte irgendwie mehr erwartet.
1:09:40–1:09:41
Ja, ich auch.
1:09:44–1:09:47
Ja, ja, das war sehr kurz, ja.
1:09:48–1:09:52
Aber es ist eben schön, weil es genau diese Convex-TV-Grenze zwischen,
1:09:54–1:09:55
eigenem Stück und,
1:09:58–1:10:01
journalistischer Arbeit ist. Also Filmbesprechungen auf der einen Seite,
1:10:01–1:10:04
aber auf der anderen Seite, wie du schon sagst, macht man halt so ein eigenes Stück daraus.
1:10:05–1:10:10
Also man gibt auch zu, dass das Schreiben, die Wortweise, dass das alles eine
1:10:10–1:10:12
künstlerische Gestaltung der Prozesse ist und das wird auch sehr sichtbar.
1:10:20–1:10:26
Ja, jetzt sind wir wieder an dem Punkt, man hört es am Profil der Autos,
1:10:26–1:10:27
wir sind wieder am Kotti.
1:10:28–1:10:34
Diese Folge ist, glaube ich, für mich wirklich fast eine der most dedicated
1:10:34–1:10:39
Folgen, also diese Nieselregen, dieses alles ist so wirklich bedrängend,
1:10:39–1:10:43
haben jetzt heute, finde ich, wirklich Arbeit geleistet, dass wir das gemacht haben, oder?
1:10:43–1:10:45
Ja, voll. Also du vor allen Dingen
1:10:45–1:10:50
unter den Bedingungen. Aber du hast geliefert, muss man ja auch sagen.
1:10:50–1:10:52
Wir haben geliefert. Lass uns nicht abschütteln.
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Ihr werdet uns nicht los. Alle 14 Tage sind wir da bei eigentlich-podcast.de.
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Und wenn immer ihr irgendwie so ein Portal findet, wo ihr Podcasts bewerten
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könnt und uns hört, dann gebt uns doch eine gute Bewertung.
1:11:08–1:11:15
Und ... Wir sind den Treck gelaufen. Wir hatten irgendwie mit dem Wetter zu
1:11:15–1:11:18
kämpfen, die technischen Bedingungen waren nicht optimal.
1:11:18–1:11:25
Aber wir haben die Reihe eingeläutet von großen Filmbewegungen aus den 90ern.
1:11:27–1:11:32
Dogma jetzt, glaube ich, erschöpfend behandelt.
1:11:33–1:11:37
Ich bin erschöpft. Ich bin auch erschöpft. Auf jeden Fall bin ich erschöpft.
1:11:37–1:11:43
Und werden die nächsten Folgen, oder ich zumindest, vielleicht magst du dann
1:11:43–1:11:50
auch einen Beitrag, über Hyperlink Cinema und Episodenfilm in den 90ern.
1:11:50–1:11:52
Ein revolutionäres Kino.
1:11:53–1:11:55
Da seid gespannt drauf, was da noch kommt.
1:11:56–1:11:57
Mumblecore.
1:11:58–1:12:01
Mumblecore? Mumblecore, nee. Also, Mumblecore schauen wir mal.
1:12:02–1:12:04
Mumblecore. Okay.
1:12:04–1:12:07
Also, macht's gut. Tschüss.

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"Cheers to my dad; a rapist and a murderer."

Flo startet eine neue Reihe im Eigentlich Podcast: Revolutionäre Filme und Filmbewegungen aus den 1990ern, die ihn und die Filmgeschichte maßgeblich prägten – Teil I: Dogma 95 mit "Das Fest" und "Idioten", Teil II: Hyperlink Cinema und Episodenfilm mit Pulp Fiction von Quentin Tarantino und Short Cuts von Robert Altman, 3. Teil: Asian New Wave – Filme aus Hongkong, Südkorea, Taiwan und Japan aus den 90ern. Micz stellt in seiner nächsten Episode den Dogma-Film "Idioten" von Lars von Trier vor, die wir gleich im Anschluss aufnehmen. In dieser Episode präsentieren wir zunächst das legendäre Manifest von Dogma 95, das Lars von Trier und Thomas Vinterberg am 13. März 1995 vorstellten: "The Vow of Chastity" - die zehn Keuschheitsgelübde. Das Dogma 95 Manifest fordert filmische Authentizität durch die Nutzung einfacher Techniken, Handheld-Kameras, natürlicher Beleuchtung und ohne nachträgliche Bearbeitung. Flo überrascht Micz mit der Adaption des Manifestes durch den Comiczeichner FIL mit dem Dogma Comic von Didi&Stulle, der damals in der Stadtzeitung Zitty erschien und für viel Furore sorgte. Bevor wir inhaltlich tiefer in den ersten Dogma-Film "Das Fest" von Thomas Vinterberg aus dem Jahr 1998 einsteigen, gehen auf unserer Laufstrecke rund um den Urbanhafen den Fragen nach: was ist Dogma 95, warum hat sich die Filmbewegung gegründet, was ist der Autorenfilm, woran ist Dogma gescheitert und was sind die Auswirkungen von Dogma 95. Wir entdecken in dem Zusammenhang auch mehrere Filmgenres, die wir vorher nicht kannten: Mumblecore, Mumblegore und the German Mumblecore. Manchmal wird der Ton in einigen - sehr kurzen - Passagen etwas "mumblelig", weil die zu Anfang angepriesene neue Aufnahmetechnik dann doch nicht funktionierte und wir den Ton aus einer anderen Spur mit Deep Learning Technologie recovern mussten. Bitte seht es uns nach, wir lernen auch noch dazu. Nichtdestotrotz viel Spaß beim Hören.

Shownotes

Mitwirkende

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Florian Clauß
Erzähler
avatar
Micz Flor

Transcript

Micz Flor
0:00:00–0:00:05
Hallo, hier sind wir wieder. Eigentlich Podcast jetzt mit der Nummer 38.
0:00:07–0:00:11
Heute präsentiert Florian etwas. Ich weiß auch schon was.
0:00:11–0:00:14
Und wir werden es euch auch gleich sagen, weil wir machen nämlich heute was
0:00:14–0:00:16
Neues. Wir machen direkt zwei
0:00:16–0:00:20
Folgen hintereinander und werden dann einen Schnitt in der Mitte machen.
0:00:20–0:00:22
Flo, möchtest du uns vorstellen, worum es geht?
Florian Clauß
0:00:23–0:00:30
Ja, hallo und herzlich willkommen auch von mir. Stimmt, wir geben uns quasi
0:00:30–0:00:32
die Klinke in die Hand mit unserem Thema.
Micz Flor
0:00:33–0:00:37
Kleine Klinke Stecker mit dem Mikro 3 ,5 mm Klinke in die Hand.
Florian Clauß
0:00:37–0:00:44
Weil ich hatte dir dein Thema verraten, damit du dich auch so ein bisschen darauf vorbereiten kannst.
0:00:44–0:00:48
Eigentlich hattest du ja noch ein anderes Thema geplant, aber du konntest dich ganz gut andocken.
0:00:49–0:00:52
Das liegt auch im Thema begründet.
0:00:52–0:00:58
Wir sind gestartet am Kotti, Kottbusser Tor, und die Admiralstraße runtergegangen
0:00:58–0:01:02
und fliegen jetzt in die Kohlfurter Straße ein und wollen so ein bisschen hier
0:01:02–0:01:04
an den O -Bahnhafen rumtingeln.
0:01:05–0:01:10
Eigentlich, minus podcast .de, das ist beim Reden laufen und laufend reden.
0:01:11–0:01:16
Letztes Mal hatte Mitch festgestellt, alle machen Podcasts, aber er sieht keine.
0:01:17–0:01:22
Bis er dann gleich sehr auf die Idee gekommen ist, dass wirklich nicht alle
0:01:22–0:01:25
beim Laufen reden, so wie wir, und aufnehmen.
Micz Flor
0:01:26–0:01:30
Und vor ein paar Folgen hatten wir diesen Witz mit dem laufend reden und dem
0:01:30–0:01:33
Regen laufen und heute ist das auch wieder der Fall.
0:01:33–0:01:39
Es ist dunkel, wir sind Abend, es ist schon winterlich und es regnet und tropfelt
0:01:39–0:01:43
und ich bange etwas um die Elektronik, aber du bist da optimistisch.
Florian Clauß
0:01:43–0:01:48
Ja, ich habe guckt und das Regenradar an und das Feld ist an uns vorübergezogen.
0:01:48–0:01:51
Hoffe ich auch. Wir haben uns auch was gegönnt, Mitch.
0:01:52–0:01:53
Wir haben ein kleines technisches Upgrade.
Micz Flor
0:01:54–0:01:54
Ja.
Florian Clauß
0:01:54–0:01:57
Und der Klatscher am Anfang ist jetzt nicht mehr nötig.
Micz Flor
0:01:58–0:02:04
Naja, vielleicht. Wir haben diesmal noch eine Hybridlösung mit vier Mikros, jeder zwei als Backup.
Florian Clauß
0:02:05–0:02:09
Super Backup. Wir haben uns nämlich eine kleine Funkstrecke geholt mit zwei
0:02:09–0:02:17
Mikros und mit dem Vorteil, dass wir die Spuren nicht mehr so altertümlich synchronisieren müssen.
0:02:18–0:02:22
Ich hatte beim Schneiden jedes Mal etwas Probleme, weil mir die eine Spur davongelaufen
0:02:22–0:02:25
ist. Aber Mitch, du meinst, es ist kein Problem.
Micz Flor
0:02:25–0:02:27
Ich finde es total super, wir zahlen das aus unserem Day -Job.
0:02:28–0:02:30
Also da braucht jetzt niemand, der hier zuhört, zu sagen, ey,
0:02:31–0:02:35
das habe ich auf Onlyfans in 5 Euro pro dazu geschoben. Das haben wir alles nicht.
0:02:36–0:02:41
Wir bleiben werbe - und sponsorenfrei und haben bis jetzt auch noch keine Spenden
0:02:41–0:02:45
oder irgendwelche Mitgliedschaften, sondern nein, wir machen erst mal alles
0:02:45–0:02:50
qualitativ so hochwertig, dass der Spaß auf höchstem Niveau bleibt.
0:02:51–0:02:52
Die Inhalte sind ja sowieso immer top.
Florian Clauß
0:02:54–0:02:57
Genau, aber wir können, und das haben wir, glaube ich, auch noch nie,
0:02:57–0:03:00
aber wir können ein bisschen um eure Bewertung bugeln.
0:03:00–0:03:06
Das heißt, ihr erlasst uns bei den einschlägigen Podcastportalen wie Apple Podcast,
0:03:06–0:03:09
Spotify sind wir ja nicht, aber andere Bewertungen da.
0:03:10–0:03:17
Und gute, hoffe ich doch, das ist das Einzige, was wir uns dann an Werbung erlauben.
0:03:17–0:03:19
Okay, kommen wir zu dem Thema.
0:03:20–0:03:26
Ich habe eine längere Reihe geplant und zwar ist das so ein bisschen die Frage
0:03:26–0:03:33
von meiner Konditionierung von Filmen, die vor allen Dingen in den 90ern stattgefunden hat.
0:03:34–0:03:41
Dann habe ich mir angeschaut, was sind in den 90ern für große Filmbewegungen
0:03:41–0:03:45
entstanden und welche Filme haben mich da so geprägt.
0:03:45–0:03:51
Und ich werde jetzt die eine Bewegung, die wir heute behandeln wollen, nämlich Dogma 95.
0:03:52–0:03:55
Da haben wir uns dann auch die zwei ersten Filme rausgesucht.
0:03:55–0:03:57
Ich werde das Fest vorstellen.
0:03:58–0:04:01
Und du in der nächsten Folge Idioten von Lars von Trier.
Micz Flor
0:04:02–0:04:07
Genau. Und unser Weg für die, die die Strecke, die wir laufen,
0:04:07–0:04:10
beim Reden verfolgen, ist es so, dass wir dann auch, wenn Idioten kommen,
0:04:11–0:04:14
wahrscheinlich würden wir die Punktlandung auch direkt in der Psychiatrie,
0:04:15–0:04:19
wie Wand des Urbankrankenhauses oder Krankenhaus am Urban ankommen und dann
0:04:19–0:04:22
auch ein bisschen über Psychiatrie reden.
0:04:23–0:04:24
Folge 39.
Florian Clauß
0:04:25–0:04:31
Genau, ich will eine Reihe in Eintritt machen mit den für mich prägenden Filmen
0:04:31–0:04:37
aus den 90ern und das sind zum einen Dogma 95, das hat mich damals nämlich geflasht.
0:04:37–0:04:43
Die anderen Filme, die mich auch maßlos beeindruckt haben, sind die Episodenfilme
0:04:43–0:04:47
und du wirst jetzt heute zwei neue Genres im Kino kennenlernen, prophezeie ich schon.
0:04:48–0:04:52
Nämlich jetzt kommt das eine, das ist ein Hyperlink Cinema.
0:04:52–0:04:58
Wurde das dann irgendwann danach, 2005, von einer Kritikerin der Begriff geprägt
0:04:58–0:05:06
und das ist natürlich in den 90ern Robert Altman mit Shortcuts und Tarantino Pulp Fiction.
0:05:06–0:05:12
Das Tarantino, der Tarantino -Film gilt als Hyperlink Cinema und Hyperlink Cinema,
0:05:12–0:05:16
das leitet sich jetzt nicht von dem World Wide Web -Protokoll ab,
0:05:17–0:05:23
ist sicher damit beeinflusst, aber es geht darum, dass dann Orte und Zeit durcheinander
0:05:23–0:05:28
gewürfelt sind, aber alle Szenen irgendwo miteinander referenziert sind.
0:05:29–0:05:32
Wenn du beim klassischen Episodenfilm wirklich eine Gratlinie Episode,
0:05:32–0:05:38
die erstmal sich nicht trifft, obwohl in der Shortcuts von Altmann so ein bisschen dazwischen liegt.
0:05:39–0:05:45
Da gibt es ja auch so räumliche und leitliche Synchronisation zwischen den einzelnen Erzählsträngen.
0:05:46–0:05:47
Ich weiß nicht, ob du den noch im Kopf hast.
Micz Flor
0:05:47–0:05:49
Ja, dieses Erdbeben ist dann quasi der Punkt.
Florian Clauß
0:05:49–0:05:53
Genau, der Erdbeben, Das ist dann genau, das ist dann die, wo dann alle irgendwie
0:05:53–0:05:54
zusammenkommen an der Stelle.
0:05:56–0:06:00
Und der dritte Block, wo ich dann auch mal gucken, wie viele Filme.
0:06:00–0:06:03
Du bist immer willkommen, auch wenn du einen Film damit machen willst.
Micz Flor
0:06:03–0:06:08
Also ich meine bei Altman und Tarantino, ich glaube, die willst du beide sowieso machen.
0:06:09–0:06:12
Aber okay, machen wir weiter. Und jetzt kommt dann der dritte Block.
0:06:12–0:06:13
Es gibt also immer zwei Filme pro Block.
Florian Clauß
0:06:14–0:06:17
Ja, mal gucken, zwei, je nachdem. Schauen wir mal. Der dritte Lock,
0:06:17–0:06:21
das dritte, was mich total geprägt hat, ist, das heißt,
0:06:22–0:06:25
auch so, ich weiß nicht, ob das wirklich so eine übergeordnete Definition ist,
0:06:25–0:06:29
aber das ist Asian, New Asian Wave Cinema.
0:06:30–0:06:33
Also das heißt, es gab so eine Welle von asiatischen Filmen,
0:06:34–0:06:37
koreanisch, chinesisch, japanisch, ja.
0:06:37–0:06:43
Chunking Express von Wong Kar Wai im japanischen Raum Takeshi Kitano,
0:06:43–0:06:46
der auch da viele Filme in dem Bereich gemacht hat.
0:06:46–0:06:51
Das sind so die Reihe, die ich dir mal kurz vorstellen wollte.
Micz Flor
0:06:52–0:06:57
Und ich habe auch eine Reihe, also was ganz Neues, das waren diese Bullet Shots
0:06:57–0:07:02
von Matrix, also da werden wir auch in den 90er Jahren anfangen mit Matrix 1, das macht der Flo,
0:07:02–0:07:06
und Matrix 2 und 3 mache ich zusammen, weil ich bin der festen Überzeugung,
0:07:06–0:07:07
dass man die nicht trennen darf.
0:07:09–0:07:10
Nein, das war nur ein Witz.
Florian Clauß
0:07:10–0:07:14
Ja, ich meine, da in den 90ern hast du natürlich ganz viel andere,
0:07:15–0:07:18
die maßgeblich, die, also andere Filme, die maßgeblich die Kino -
0:07:19–0:07:25
geprägt haben. Allein die Entwicklung von den ganzen digitalen Effekten, die dann passiert sind.
0:07:25–0:07:32
Von dieser völligen Überhöhung des Special Effects -Kinos, die Action -Thriller
0:07:32–0:07:37
-Reihen und dann halt natürlich auch die ganzen Puppet -Geschichten wie im Splatter
0:07:37–0:07:38
-Film Braindead und so weiter.
0:07:39–0:07:43
Du hast da natürlich ganz viel, aber ich wollte jetzt einfach mal so mir drei
0:07:43–0:07:45
rauspicken, die mich so geprägt haben.
Micz Flor
0:07:46–0:07:49
Und ich glaube, das ist natürlich auch ein interessantes thema dieses
0:07:49–0:07:52
die technische verfügbarkeit von diesen also
0:07:52–0:07:56
film video war ja auch die transition 90er
0:07:56–0:08:00
jahre also das haben wir ja dann auch schon bei den beiden folgen jetzt also
0:08:00–0:08:06
ich glaube das fest wurde noch film gedreht und idioten wurde auf video gedreht
0:08:06–0:08:11
ja okay interessant jetzt steigen wir mal in dort mal ein noch was mitgebracht
0:08:11–0:08:15
das passt glaube ich auch Alles gut.
Florian Clauß
0:08:16–0:08:19
Und hier habe ich extra was ausgedruckt. Du kannst es aufklappen.
0:08:20–0:08:23
Ja. Das wäre dann auch auf der einen Seite. Hammer.
Micz Flor
0:08:24–0:08:29
The vow of chastity. Ja. I swear to submit to the following set of rules drawn
0:08:29–0:08:33
up and confirmed by dogma 95.
0:08:34–0:08:37
First, shooting must be done on location.
0:08:37–0:08:43
Props and sets must not be brought in. Wenn eine bestimmte Prop für die Geschichte
0:08:43–0:08:48
nötig ist, muss eine Location für die Prop gefunden werden. Soll ich die übersetzen?
0:08:48–0:08:52
Ja, wir können die ja, weiß ich nicht, also wir können ja kurz zusammenfassen.
0:08:52–0:08:55
Also erstens, man muss auf der Location shooten, also filmen.
0:08:56–0:09:01
Man darf aber auch keine Props, also Gegenstände mit ans Set bringen,
0:09:02–0:09:05
sondern man muss umgekehrt ein Set dann finden, ein Location finden,
0:09:05–0:09:08
wo das schon vor da ist. Also man baut nichts auf.
0:09:09–0:09:13
Two, the sound must never be produced apart from the images or vice versa.
0:09:14–0:09:28
Musik muss nicht genutzt werden, wenn die Szene gedreht wird.
0:09:34–0:09:34
3.
0:09:42–0:09:48
Die Kamera muss handhältig sein. Any movement or immobility attainable in the hand is permitted.
0:09:49–0:09:52
Also, the film must not take place where the camera is standing.
0:09:52–0:09:55
Shooting must take place where the film takes place.
0:09:55–0:10:01
Ganz wichtig, also die Kamera folgt sozusagen in der Story, wird mit der Hand gehalten.
0:10:02–0:10:05
Sie darf still sein, sie muss sich nicht bewegen, aber sie muss eben handheld sein.
0:10:06–0:10:09
Und zusammengefasst wird also gesagt, der Film organisiert sich nicht um die
0:10:09–0:10:12
Kamera, sondern die Kamera ist quasi da, wo der Film passiert.
0:10:13–0:10:17
Immer noch natürlich ein Aufnahmegegenstand, aber Teil sozusagen.
0:10:17–0:10:18
Sie folgt den Akteuren mehr.
0:10:19–0:10:24
4. The film must be in color. Special lighting is not acceptable.
0:10:25–0:10:29
If there is too little light for exposure, the scene must be cut or a single
0:10:29–0:10:31
lamp be attached to the camera.
0:10:32–0:10:39
Also der Film muss Farbe sein und special lighting, also man kann nicht Licht wirklich hinzufügen.
0:10:39–0:10:45
Man darf den Ort nicht beleuchten, ausleuchten. Wenn nicht genug Licht auf der
0:10:45–0:10:47
Aufnahme ist, muss man die halt einfach wegschmeißen.
0:10:47–0:10:52
Oder eine einzelne Lampe darf an der Kamera angebracht werden.
0:10:54–0:10:59
Was ich ein Kuriosum finde. So ein bisschen das Nippel -Piercing des Dogma.
0:11:02–0:11:06
5. Optical Walk and Filters are forbidden.
0:11:06–0:11:10
Also was reinkommt, so sieht es aus. Und auch das ist halt interessant,
0:11:10–0:11:13
weil natürlich das Aufnahmegerät selber hat ja immer einen Charakter.
0:11:13–0:11:15
Wir haben gerade über Film versus Video gesprochen.
0:11:16–0:11:19
Aber spezielle Filter, also weder Licht noch Filter auf der Kamera,
0:11:19–0:11:20
auf der Linse sind erlaubt.
0:11:22–0:11:29
Film muss nicht überwältigend sein. Mörder, Waffen, etc. müssen nicht passieren.
Florian Clauß
0:11:29–0:11:30
Also keine expliziten.
Micz Flor
0:11:30–0:11:33
Keine expliziten. Das wurde oft dann auch so paraphrasiert. Es darf halt jetzt
0:11:33–0:11:38
nicht quasi extra Morde, also was nicht der Story dient in dem Fall.
0:11:38–0:11:42
Also Brutalität und die Sachen, gerade Dogma -Filme, sind, weil sie minimal
0:11:42–0:11:43
sind, manchmal auch sehr intensiv.
0:11:44–0:11:48
Aber einfach so die inszenierte Gewalt und so, die soll nicht passieren. 7.
0:11:50–0:11:54
Temporal and geographical alienation are forbidden. That is to say,
0:11:55–0:11:57
that the film takes place here and now.
0:11:58–0:12:01
Also es muss ihm hier und jetzt passieren, man filmt einfach in der Gegenwart.
Florian Clauß
0:12:01–0:12:04
Und man muss es auch in der Jetztzeit, also das heißt die Handlung muss dann
0:12:04–0:12:06
auch jetzt in der Zeit spielen.
0:12:06–0:12:09
Es gab keine Historienfilme, keine Science -Fiction -Filme. Genau.
Micz Flor
0:12:11–0:12:17
Genre -Filme sind nicht akzeptabel. Also Genre -Filme wie zum Beispiel Romance,
0:12:17–0:12:22
Bromance, Action, Fantasy sind nicht erlaubt, Horror.
0:12:24–0:12:28
Und auch das war natürlich dann später so, dass manche Leute wollten ja okay,
0:12:28–0:12:32
aber Dogma selbst ist quasi eine Art Genre geworden in der Grundhaltung des
0:12:32–0:12:33
Films, wenn auch nicht in der Umsetzung.
0:12:34–0:12:38
9. The film must be Academy 35mm.
Florian Clauß
0:12:40–0:12:46
Das ist ein Normalbild, ne? Das 35mm ist von 1929 das entworfene Format.
0:12:46–0:12:48
Das ist ein Normalbild, heißt das im Deutschen.
Micz Flor
0:12:49–0:12:50
Da werden wir auch später noch drüber reden.
Florian Clauß
0:12:51–0:12:54
Ja, das war ein breaking point. 10.
Micz Flor
0:12:54–0:12:57
The director must not be credited.
Florian Clauß
0:12:57–0:13:00
Ja, da müssen wir auch drüber reden, ne? Auf jeden Fall.
Micz Flor
0:13:00–0:13:04
Also es gibt ganz viele DirektorInnen, mehr DirektorInnen als DirektorInnen,
0:13:05–0:13:08
deren Name deshalb auch berühmt ist, weil sie Filme gemacht haben,
0:13:08–0:13:10
wo der Name nicht im Film auftaucht.
0:13:10–0:13:14
Das sei denn, sie haben zum Beispiel die Kamera auch gemacht oder das Drehbuch auch geschrieben.
0:13:14–0:13:17
Aber der Director, der Regisseur, die Regisseurin.
0:13:18–0:13:20
Accredited. So, das ist es.
Florian Clauß
0:13:21–0:13:25
Das sind diese zehn Dogma -Regeln. Ja, danke fürs Präsentieren.
0:13:25–0:13:29
Und jetzt möchte ich nochmal, so damals, das ging ja rum, so damals gab es da
0:13:29–0:13:33
auch die City, das war ja das Stadtmagazin von Berlin oder ist immer noch.
0:13:33–0:13:38
Und dann auf der anderen Seite kam dieser legendäre Didi und Stühle Dogma -Comic.
0:13:38–0:13:40
Kennst du den? Das ist ja cool.
0:13:40–0:13:45
Den habe ich aus dem Internet in so ein ganz kleiner Pixel, also die war irgendwie
0:13:45–0:13:50
200 mal 300 Pixel groß. Und dann habe ich noch so ein Upscale heißt das.
Micz Flor
0:13:50–0:13:52
Mach mal ein Foto von mir, wie ich das halte, weil das passt.
Florian Clauß
0:13:52–0:13:53
Upscale heißt das Programm.
Micz Flor
0:13:53–0:13:56
Das muss ja im Here and Now alle unsere Fotos. Wir sind ja als Podcast auch
0:13:56–0:13:57
meistens im Here and Now.
0:13:57–0:14:01
Nicht thematisch, aber in der Aufnahme wird nicht viel geschummelt.
Florian Clauß
0:14:02–0:14:05
Genau, Didi und Stulle. Und dann kannst du auch nochmal, was Dogma 1 ist.
0:14:05–0:14:08
Ich würde nur ganz, ganz, ganz gut. Ich habe dieses Programm,
0:14:08–0:14:10
das kann ich empfehlen. Da werde ich auch verlinken.
0:14:10–0:14:14
Das ist ein Open Source -Ding auf GitHub gehostet für alle möglichen Plattformen.
0:14:14–0:14:17
Und damit kannst du ein Modell, KI trainiert, wie auch immer,
0:14:17–0:14:22
kannst du ein kleines Bild reinwerfen und der skaliert das dann auf die vier
0:14:22–0:14:24
- oder achtfache Größe hoch.
0:14:24–0:14:27
Und das ist echt erstaunlich, was da rausgekommen ist. So konnte ich es retten.
Micz Flor
0:14:28–0:14:31
Ja, das ist echt erstaunlich, weil die Qualität ist so... Natürlich,
0:14:31–0:14:34
weil der Dogma -Witz jetzt auch heißt, das muss irgendwas sein.
0:14:35–0:14:39
Genau, das Ding, weil es so gegenpasst. Es muss alles gezeichnet werden mit Fingerfarben oder so.
Florian Clauß
0:14:39–0:14:42
Die Artefakte stimmen. Das ist so ein richtiges Dogma.
Micz Flor
0:14:42–0:14:47
Also, Didi und Stulle Dogma Comic hat sechs Vows of Chastity.
0:14:48–0:14:49
Eins. Keine Vorzeichnungen.
0:14:52–0:14:59
Da steht es ja wirklich. Nur grüne Filze verwenden. Dogma 3. Keine Hintergründe.
0:15:00–0:15:05
Dogma 4. Mit links und bei schlechter Beleuchtung zeichnen.
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Dogma 5. Nicht länger als 10 Minuten brauchen.
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Dogma 6. Keine Gags. Und unten unter sehen wir drei Reihen von Bildern.
0:15:16–0:15:22
Also Zeilen, drei Bilder pro Zeile. Stulle. Du hast einen drin. Nein. Doch.
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Verschmiert. Ist das jetzt deine AI -App oder?
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Sprich nicht von früher. Was ist denn mit dir los?
Florian Clauß
0:15:31–0:15:32
Nichts.
Micz Flor
0:15:32–0:15:38
Es ist nichts. Es ist besser, wenn du jetzt gehst. Sehr gut.
0:15:38–0:15:40
Ne, das kann ich nicht. Großartig.
Florian Clauß
0:15:40–0:15:43
Das war legendär und ich hatte nochmal so die ganzen Locken.
Micz Flor
0:15:44–0:15:46
Aber es ist auch interessant, weil das natürlich dann schon ein auch die Tür
0:15:46–0:15:51
öffnet für die Interpretation des Dogma -Dings, weil es gibt auch ein Interview
0:15:51–0:15:54
von Lars von Trier, der dann irgendwie sagt, er hatte das irgendwo in Frankreich
0:15:54–0:15:57
oder so vorgelesen und dann hätten die Leute bei ihm auf dem Panel gesagt,
0:15:58–0:16:01
warum hasst du Film so sehr? Why do you hate film so much, sagt er da.
0:16:02–0:16:07
Also diese Interpretation dessen, was das ist, weil es hat ja,
0:16:07–0:16:10
und da wirst du jetzt gleich drüber sprechen, die Uridee war natürlich,
0:16:10–0:16:16
er zu sagen, man muss Film erstellen können ohne dieses ganze Brimborium.
Florian Clauß
0:16:17–0:16:23
Also die Frage ist, warum hat sich Dogma 95 so begründet, also warum war die
0:16:23–0:16:25
Zeit reif eben für diese Filmbewegung?
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Es gab so einige Gründe. Die eine Sache war, dass sich Dogma,
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also wurde maßgeblich von Lars von Trier und Winterberg gegründet.
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Ich hatte dann noch ein Interview mit Winterberg gehört.
0:16:38–0:16:41
Es gab einige Regisseure, die das dann unterzeichnet haben.
0:16:42–0:16:47
Winterberg hatte zum Beispiel damals den Ingmar Bergmann gefragt.
0:16:47–0:16:51
Da mitmachen will. Und der hat gesagt, das ist Müll, da mag ich nicht mit.
0:16:52–0:16:59
Ist natürlich auch seiner Erzählstil völlig entgegengesetzt, diese Dogma -Regeln.
0:17:00–0:17:06
Und Winterberg hat dann zusammen mit Lars von Trier, du hast es schon erwähnt,
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mit Paris dieses Mal fest vorgestellt.
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Es ging so ein bisschen darum, den europäischen Film dann auch so ein Profilsverleihen
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sich abzuheben gegenüber den industriellen Hollywood -Produktionen.
0:17:20–0:17:23
Und, und das ist nochmal so der andere Tritt in die andere Richtung,
0:17:23–0:17:27
nämlich einen Gegenpol zu setzen zur Nouvelle Vague.
0:17:27–0:17:33
Nouvelle Vague war eigentlich dann auch die letzte größere große Filmbewegung,
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also in den 50ern so theoretisch formuliert und in den 60ern dann halt praktisch gemacht.
0:17:39–0:17:44
Truffaut hat damals einen Artikel geschrieben in der Cahiers du Cinema,
0:17:44–0:17:46
in dieser renommierten Zeitung.
0:17:46–0:17:52
Da war Truffaut noch Filmkritiker und hat quasi mehr oder weniger auch das Manifest
0:17:52–0:17:56
dann von der Neuen Welle, Nouvelle Vague, entworfen.
0:17:57–0:18:02
Und da ging es vor allen Dingen darum, den Regisseur als Autor,
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äh, Auteur, also deswegen heißt es Autorenkino,
0:18:05–0:18:09
einzuführen, auch wieder in Absetzung zu dem Hollywood -Kino,
0:18:09–0:18:11
wo natürlich eine ganz hohe Produktionsteilung,
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wo er gesagt hat, dass in dieser Produktionsteilung die Produzenten dann für
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ein Mitspracherecht haben, dass sich darüber auch eben der Film nicht richtig
0:18:22–0:18:23
Kontur entwickeln kann.
0:18:24–0:18:28
Und auf der anderen Seite gab es auch diese 50er, 40er, 50er Jahre Filme,
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auch im französischen Kino,
0:18:30–0:18:36
die dann so neuen Realismus erzählt haben und häufig Literaturvorlagen genommen
0:18:36–0:18:40
haben und dass dann die Literaten selber diese Drehbücher geschrieben haben.
0:18:40–0:18:45
Und er hat dann irgendwie so 100 Filme analysiert und hat dann auch schon darlegen
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können, dass von diesen 100 sind dann zwölf irgendwie ein bisschen herausragender.
0:18:50–0:18:53
Aber die sind meistens auch von den Regisseuren selber das Drehbuch geschrieben.
0:18:54–0:19:01
Und das war so auch eben da jetzt diesmal stimmt das wort kohärente sprache
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zu entwickeln dass der regisseur eine totale kontrolle hat über das was passiert
0:19:09–0:19:14
und damit wurde auch die mise en scéne gegründet die mise en scéne ist quasi so der perfekte,
0:19:15–0:19:21
Und es gibt natürlich auch in amerikanischen Kino da entsprechende Vorbilder.
0:19:22–0:19:26
Allen voran Hitchcock, der hat dann so einen eigenen Stil. Deswegen gilt auch
0:19:26–0:19:27
Hitchcock als quasi Autorenfilmer.
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Und mise en scène bedeutet das Kontrolle über die Kamerafahrt,
0:19:33–0:19:37
über das Make -up, über die Requisiten, dass genau gestimmt wird,
0:19:37–0:19:41
wie die Ausleuchtung ist, dass das, was gesagt wird, auch klar definiert ist.
0:19:41–0:19:46
Damit, wenn das alles in einer Hand liegt, so die Theorie des Autorenfilms,
0:19:47–0:19:51
ist eben die künstlerische Freiheit so gewahrt.
0:19:52–0:19:54
Und damit hat sich die Nouvelle Vague begründet.
0:19:54–0:19:58
Nouvelle Vague hat aber natürlich auch total dekonstruiert. Also Godard,
0:19:58–0:19:59
was der für ein Kino gemacht hat.
0:20:00–0:20:05
Aber das war dann eher der Autor -Politik, also der politische Autor,
0:20:05–0:20:07
der dann auch die Freiheit hat, eben...
Micz Flor
0:20:07–0:20:12
Bei Truffaut war es ja wohl auch so, dieser Call to Action für die Auteurs,
0:20:12–0:20:16
also für die RegisseurInnen, war ja auch zu sagen, wir nehmen mehr Verantwortung.
0:20:17–0:20:21
Also macht was draus, in gewisser Weise. Macht nicht einfach,
0:20:21–0:20:25
und das ist auf alle Fälle bei beiden, denke ich, identisch zu sagen.
0:20:25–0:20:30
Es geht ja nicht darum, diesen ganzen Müll zu produzieren, Anfangszeichen.
0:20:30–0:20:32
Ich würde es jetzt nicht immer so sagen, aber halt diese Idee,
0:20:33–0:20:37
einfach Filme zu produzieren als Investment, als Money Spinner,
0:20:37–0:20:40
sondern macht was draus. Was ihr tut, ist wichtig.
0:20:43–0:20:47
Da erlebe ich aber beides interessanterweise konträr. Bei Truffaut der Aufruf
0:20:47–0:20:49
zu sagen, übernehmt die Verantwortung.
0:20:50–0:20:54
Und bei Dogma dann zu sagen, Nummer 10, ihr sollt nicht mehr genannt werden.
0:20:55–0:20:58
Ihr sollt bitte nicht den Film verhunzen und euch da reinstellen.
Florian Clauß
0:20:58–0:21:03
Genau das war auch genau der Punkt, warum Dogma sich ganz stark auch gegen diese
0:21:03–0:21:06
Autorenfilme und gegen die Nouvelle Vague gelehnt hat.
0:21:06–0:21:13
Nämlich Vorwurf war, dass durch diese Autorenschaft so ein La -Po -La entstanden
0:21:13–0:21:16
ist, also ein bourgeois Autor, der Künstler,
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der in seiner Blase dann so die Kunst macht und dann eben nicht mehr,
0:21:21–0:21:29
und das war das zentrale Thema von Dogma, diese Authentizität des Filmemachens, die einzufangen.
0:21:29–0:21:35
Und der Autorenfilm war sehr künstlerisch aufgeblasen, Allein durch diese,
0:21:35–0:21:38
was ich gerade gesagt habe, mise -en -scène, diese Herrichtung,
0:21:39–0:21:46
da begründet es auch mal eben deinen Schaffensrahmen, nämlich diese ganzen Komponenten
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im künstlerischen Schaffensprozess zu entkoppeln.
0:21:50–0:21:56
Also das heißt, der Kameramann hat volle Wirkungsfreiheit, der Regisseur darf
0:21:56–0:22:01
nicht genannt werden, der ist auch nicht so präsent im Filmemachenprozess wie
0:22:01–0:22:04
jetzt in diesen industriellen Produktionen.
0:22:04–0:22:06
Und die Schauspieler haben alle Freiheiten.
0:22:07–0:22:10
Und das war so dieses Framework, ich will nicht Framework sagen,
0:22:10–0:22:14
das ist eigentlich eher so ein Regelwerk, das Doc mal so entworfen hat.
0:22:14–0:22:20
In diesem Raum natürlich dann auch Filme schaffen konnte, die völlig neu waren.
0:22:20–0:22:24
Und es geht darum, damit mit diesem Regelwerk die Geschichte.
0:22:25–0:22:31
Den Kern der Geschichte in dieser authentischen Erzählung auszuprägen.
0:22:31–0:22:34
Ja, das war so das Vorhaben, ne?
0:22:36–0:22:40
Also ich glaube, damit haben wir so ganz gut umrissen, wie sich Dogma dann auch
0:22:40–0:22:44
begründet, warum es sich begründet hat und du hast die Regeln vorgelesen,
0:22:44–0:22:46
also wir sind schon eingewiesen,
0:22:47–0:22:54
wie sich Dogma ausprägt und wir haben auch über die Geschichte des Autorenfilmes
0:22:54–0:22:57
gesprochen und meine Frage ist jetzt an dich,
0:22:58–0:23:01
woran denkst du, dass Dogma gescheitert ist?
0:23:01–0:23:05
Also gescheitert nicht im Sinne von, also gescheitert ist ein bisschen zu krass
0:23:05–0:23:11
ausgedrückt, Ich glaube eher so, warum Dogma jetzt eine relativ kurze Zeit das
0:23:11–0:23:13
Filmschaffen geprägt hat.
0:23:14–0:23:20
Die Hochzeit war so von 1997 bis 2005, war glaube ich so der letzte Dogma -Film.
0:23:21–0:23:27
Und ich glaube schon 2003 haben Lars von Trier und Winterberg ihr Dogma -Büro
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in Kopenhagen geschlossen.
0:23:31–0:23:34
Also die haben relativ früh damit Schluss gemacht, die haben auch wirklich nur
0:23:34–0:23:39
diesen einen Film abgeliefert und dann auch völlig andere Filme dann später gemacht, ne?
Micz Flor
0:23:39–0:23:43
Ja, woran ist es gescheitert? Also,
0:23:43–0:23:49
weil die älter geworden sind und die Jungen wollten natürlich was Neues machen
0:23:49–0:23:52
und nicht was Altes fortführen, haben ihr eigenes Dogma ausgerufen,
0:23:52–0:23:56
das hieß dann irgendwie anders und wir kennen es nicht, weil wir auch älter sind.
0:23:56–0:24:02
Also es gibt ja immer dann so diese neue Musik auch, wo man dann gar nicht genau
0:24:02–0:24:03
weiß, wie das jetzt wiederum heißt.
0:24:04–0:24:10
Und das ist dann aber das, was jetzt gerade genau das ist, was früher das Neue war. Ist es so?
0:24:10–0:24:13
Also die haben ja selber auch geschrieben, diese Truffauts haben ja auch geschrieben,
0:24:14–0:24:17
diese New Wave Crashes. Oder was haben sie geschrieben?
Florian Clauß
0:24:18–0:24:22
Die neue Welle wird zum Kreuz oder zum Verhängnis.
Micz Flor
0:24:22–0:24:25
Nein, nicht verhängnis, sondern die stürzt in sich zusammen.
0:24:25–0:24:29
Die Welle bricht und dann meandert sie so weg.
0:24:31–0:24:33
Vielleicht ist es da einfach auch natürlicherweise so passiert.
0:24:34–0:24:38
Ich weiß nicht, ob es wirklich einen Auslöser gab.
Florian Clauß
0:24:38–0:24:41
Ja, ich rede schon mal rein. Es hat sicher was mit den Personen zu tun.
0:24:41–0:24:48
Und der Auslöser war, dass Winterberg mit dem ersten Dogma -Film auf dem Cannes
0:24:48–0:24:54
-Festival die Goldene Palme gewonnen hat und von Null auf 100 einer der berühmtesten
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Regisseure weltweit geworden ist.
0:24:56–0:25:00
Und damit hat, völlig konträr zu der Dogma, den Regisseur nicht zu nennen.
0:25:00–0:25:03
Bewegung, damit ist es genau das passiert.
0:25:03–0:25:06
Die haben einfach so, und das war denen dann halt auch klar,
0:25:07–0:25:10
Winterberg hatte auf einmal weltweit Angebote, Filme zu machen.
0:25:10–0:25:14
Damit hat sich das ganze Dogma -Prinzip einfach so abgeschafft.
0:25:15–0:25:18
Das ist schon eigentlich ziemlich hinterher.
Micz Flor
0:25:18–0:25:21
Aber ich glaube, er hat nicht die Goldene Palme, er hat den Sonderpreis der Jury gewonnen.
Florian Clauß
0:25:21–0:25:21
Du hast recht.
0:25:24–0:25:29
Und Dogma wurde gleichzeitig durch diesen unglaublichen Erfolg zu einer eigenen Marke.
0:25:29–0:25:35
Es gab sogar so Dogma -Möbel und so ein Möbelhaus, was Dogma -Möbel verkaufte.
0:25:35–0:25:40
Aber das erzählt eigentlich oder zeigt eigentlich, dass es so dermaßen den Zeitgeist
0:25:40–0:25:48
getroffen hat, diese Dogma -Bewegung, dass eben diese Phänomene dann so losgegangen sind.
0:25:48–0:25:53
Und, und das ist eine Theorie von mir, aber ich glaube, du hast hier auch schon
0:25:53–0:25:55
so ein bisschen angeheizt,
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da ist quasi schon so ein, wie sagt man das in den Dogma -Regeln,
0:25:59–0:26:04
ist so ein Point of, so ein Lifecycle -Dead implementiert.
Micz Flor
0:26:04–0:26:05
End of Life.
Florian Clauß
0:26:05–0:26:11
End of Life, genau. End of Life implementiert und zwar in der Regel, wie würdest du sagen?
Micz Flor
0:26:11–0:26:13
Der Regel mit dem Academy -Certified.
Florian Clauß
0:26:13–0:26:20
Richtig, genau. Weil zu der Zeit fing es natürlich an mit den ganzen Digitalfilmen,
0:26:20–0:26:24
also die Kameras wurden günstiger, man konnte digital filmen,
0:26:24–0:26:29
die Technik wurde besser und all das hat sich ja auch in den 90ern ausgeprägt
0:26:29–0:26:30
und ist dann hochgegangen.
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Das heißt, es gab dann eine ganz lebendige Indie -Szene, Off -Szene,
0:26:35–0:26:39
die schon einfach so digital produziert haben und die wahrscheinlich viel mehr
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diese Dogma -Regeln eingehalten als Dogma selber.
0:26:42–0:26:46
Das heißt, die haben sie auch komplett überholt.
0:26:46–0:26:50
Und 35 mm, ich meine, du weißt, wie teuer das ist.
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Kann nur jemand drehen, der auch Zugang hat in diesen ganzen Filmbusiness.
0:26:54–0:26:59
Du musst in diesem Filmbusiness -Kontext aktiv sein, weil so mal jeden 35 mm
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drehen, kannst du nicht.
Micz Flor
0:27:01–0:27:05
Ja, möchte ich was zu sagen, setze vorgreifend dann auf Idioten,
0:27:06–0:27:11
weil Lars von Trier hat auf Video gedreht Und dann wird er im Interview gefragt,
0:27:11–0:27:12
was wir dann sicher auch verlinken.
0:27:13–0:27:16
Das dürfte er doch nicht, muss doch Academy35 sein.
0:27:16–0:27:20
Dann hat er gemeint, ja, das kann ich erklären, weil er war auch der Meinung,
0:27:21–0:27:23
das ist kein Dogma -Film, weil er vier gedreht hat.
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Und dann hätten aber Winterberg und es muss noch einen dritten geben,
0:27:25–0:27:27
deren Name mir jetzt entfallen ist.
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Und die meinten, nein, Academy Certified muss nur die Distributionsrolle sein.
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Man darf auch auf 16mm drehen, man darf Video drehen, es ist nur wichtig,
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dass das Ding quasi zum Schluss, wenn es in Verleih geht, oder wenn es quasi
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abgegeben wird, dass es dann Academy Certified ist.
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Und deshalb, so Lars von Trier im Münterview auch, es wurde abgestimmt, zwei gegen ein.
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Er war nicht dafür, dass man auf Video drehen darf. Die anderen beiden haben
0:27:52–0:27:55
gesagt, nee, es geht nur darum, wo zum Schluss eben das Maß da drauf gezogen wird.
0:27:56–0:27:59
Und deshalb ist sein Film doch...
Florian Clauß
0:27:59–0:28:03
Ja, also ich glaube, die sind relativ schnell dann in Straucheln gekommen von
0:28:03–0:28:06
Einhaltung der Regeln und dann baut man sich da so...
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Also es ist ja auch wie so, weißt du, wenn du agil entwickelst,
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hast du auch immer tausend Regeln, um halt dieses agile Framework so ein bisschen zu umschiffen.
Micz Flor
0:28:15–0:28:19
Habe ich auch von Winterberg irgendwie in einem Interview, Winterberg ein Interview
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gehört, wo erzählt, das Ganze sei ja schon sehr kirchlich aufgeladen,
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so Wow of Chastity und so. Also es ist alles so fast Dogma, sind so religiöse Metaphern und Worte.
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Und deshalb hat er dann wohl auch irgendwann den Beichtstuhl eingeführt für Dogma.
0:28:35–0:28:41
Die durften dann halt beichten. Die durften ihm dann beichten. Ja, krass.
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Für die kleinen Sünden, die dann irgendwie wächst.
Florian Clauß
0:28:44–0:28:46
Vielleicht haben die das auch alles so vorher gesehen.
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Eben sich das Digitalfilm durchsetzen wird, dass das, was die jetzt quasi so
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für sich als Regelset beschließen, dass das eigentlich so eine völlige Radikalisierung des Mediums ist,
0:28:58–0:29:03
ja, um gleichzeitig so eine Initiation zu durchlaufen, um in dieses digitale Zeitalter zu kommen.
0:29:04–0:29:08
Und ich weiß nicht, so leicht verschmitzt kann man denen so eine gewisse Genialität
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unterstellen und vielleicht haben die das auch bewusst so gemacht.
Micz Flor
0:29:12–0:29:14
Ich meine, es ist ja auch so, wenn man ein bisschen überlegt,
0:29:14–0:29:20
das dänische Kino ist ja irgendwie sehr präsent, also man kennt es einfach.
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Ich weiß jetzt ehrlich gesagt nicht, wie das früher war, in den 80er, 90er Jahren.
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Aber auf jeden Fall, es war ja auf alle Fälle so, dass beide,
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die so berühmt geworden sind mit Dogma 1 und Dogma 2, die haben jeweils einen
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Dogma -Film gemacht, haben andere Sachen gemacht.
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Bevor Idioten gemacht wurden von Lars Furtwiel, hat der Breaking the Waves gemacht,
0:29:38–0:29:41
was ja auch auf Cannes lief, wo früher er damals die Palme bekommen hat.
Florian Clauß
0:29:41–0:29:43
Stimmt, der hat die Palme bekommen, ja.
Micz Flor
0:29:43–0:29:46
Und da ist es natürlich so, dass man dann Man denkt, okay, du machst 95 dieses
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Dogma -Ding, dann machst du Breaking the Waves und dann machst du Idioten.
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Das war für die natürlich ein Ding.
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Wenn man jetzt hingeht wie Didi und Stulle und sich drüber lustig macht,
0:29:58–0:30:00
das ist total legitim, das darf man.
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Wenn man aber anders draufguckt, dann ist es vielleicht auch zu sagen,
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die haben schon so einen schönen Schirm oder eine Linse oder einen Fokus aufgebaut
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für Low -Budget -Filme und denen eine Möglichkeit gegeben, mehr Publikum zu
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ziehen und einen Verleih zu bekommen.
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Früher gar nicht möglich gewesen wäre, weil diese Filme einfach dann nie durch
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die Jury überhaupt nur gesichtet, die werden durch die Sichtung nicht durchgekommen,
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die wären nie ins Programm gekommen.
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Und da kann man dann sagen, dass dieses Dogma 95 schon was erreicht hat,
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einfach zu sagen, hey, guck mal dahin.
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Weißt du vielleicht, wie dann, wie das...
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Wie der auch in unterschiedlichen Medien funktioniert. Also das dann auch in
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der Kunst, in der Musik oder so gibt es ja immer solche, öffnen sich auf einmal,
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das kennt man ja auch aus Berlin, Techno,
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die ganze Club -Szene, auf einmal öffnet sich da so ein Window of Opportunity
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und ermöglicht ganz vielen Leuten erstmal überhaupt gesehen zu werden.
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Und vor dem Hintergrund, finde ich, hat es sicherlich was bewegt.
Florian Clauß
0:30:59–0:31:03
Ja, voll. Ich denke auch und da ist es wahrscheinlich, wie du sagst,
0:31:03–0:31:07
auch total förderlich für die Bewegung, wenn dann eben solche Platzhirsche wie
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Lars von Trier ein gewisses Bett geschaffen haben, wo sich dann auch andere reinlegen können.
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Und das ist ja auch die Frage, wie hat sich dann Dogma weiterentwickelt?
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Jetzt kommen drei neue Genres, die ich vorher auch nicht kannte,
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aber vielleicht hast du die schon mal gehört.
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Also Dogma war, wie gesagt, der letzte Dogma -Film, war glaube ich 2005,
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wurde der gedreht und dann gab es im amerikanischen Raum das Genre Mumblecore. Kennst du das?
Micz Flor
0:31:36–0:31:37
Das ist aber Musik, oder?
Florian Clauß
0:31:37–0:31:41
Nee, Mambelchor ist tatsächlich... Vielleicht ist es auch ein Griff aus der
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Musik, den die in den Film übertragen. Mambelchor kommt von Murmeln, Nuscheln.
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Und Chor ist dann halt so, auch eben mit ganz minimalen Mitteln Geschichte erzählen.
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Und da war halt im amerikanischen Raum, gab es dann vor allen Dingen Low -Budget
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-Produktionen, die das dann halt gemacht haben.
Micz Flor
0:31:56–0:31:58
Darf ich einen Didi und Stulle -Witz machen?
Florian Clauß
0:31:58–0:31:59
Darfst du.
Micz Flor
0:31:59–0:32:04
Dogma 95 war gestern, jetzt ist Mumblecore. Was? Dogma 95 war gestern,
0:32:04–0:32:05
jetzt ist Mumblecore. Was?
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Dogma 95 war gestern, jetzt ist Mumblecore.
Florian Clauß
0:32:11–0:32:16
Ja, es gab noch so ein Parallelgenre zu Mumblecore, das ist Mumblegore.
Micz Flor
0:32:17–0:32:18
Ein Horrorfilm, oder?
Florian Clauß
0:32:18–0:32:23
Und natürlich, ohne Dogma wäre sowas wie Blair Witch nicht denkbar.
0:32:24–0:32:28
Ja, aber Blair Witch war doch vor… Ja, das war vor Mumblecore und Mumblegore,
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das kam erst in den 2000ern.
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Blair Witch war ja noch, das war ja das, die Produktion, die auch digitale Filmproduktionen,
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Techniken dann so unglaublich, also mit minimalem Einsatz, ich glaube,
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das hat nur 80 .000 gekostet, der Film.
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Und hat unglaublich viel eingespielt, das hat das so bekannt gemacht.
Micz Flor
0:32:47–0:32:49
Ist aber auch kein Dogma -Film?
Florian Clauß
0:32:49–0:32:50
Ist kein, nein.
Micz Flor
0:32:50–0:32:56
Ich überlege gerade, gegen was die verstoßen haben. Wahrscheinlich haben die
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den Ort immer gewechselt.
Florian Clauß
0:32:58–0:33:04
Das habe ich auch gelesen. Die beiden Regisseure von Blair -Mitsch,
0:33:04–0:33:07
das waren 2, die sich auf einer Filmschule kennengelernt haben.
Micz Flor
0:33:07–0:33:09
Die wollten unbedingt, dass der Name reinkommt.
Florian Clauß
0:33:10–0:33:11
Blair -Mitsch.
Micz Flor
0:33:12–0:33:17
Nein, die wollten die Regisseurin sagen, was, unser Name kommt nicht rein,
0:33:17–0:33:19
auf keinen Fall. Wir sind raus.
Florian Clauß
0:33:20–0:33:24
Wie die das aufgezogen haben, die haben die drei Schauspieler,
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völlig unbekannte Personen, die sind mit den Filmen bekannt geworden.
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Es war fast wie das erste Escape Game, was die dann verfilmt haben.
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Die haben auch so rein spielerisch, das ist auch so eine Dogma -Methode,
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dass du so spielerisch rangehst.
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Wir haben quasi das Team über acht Tage lang völlig alleine wirken lassen.
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Also die haben für jeden Drehort da so einen Plan geschrieben,
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was jetzt zu machen ist, wo die dann Essen finden und die mussten sich auch immer selber filmen.
0:33:53–0:33:57
Und dann haben die aber auch das Essen rationiert, damit das noch authentischer
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kommt, dass sie ausgemergelt sind, dass sie gestresst sind.
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Ja, das war halt wirklich so Step -by -Step und die mussten dann halt am nächsten
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Tag dahin gehen und haben dann dort weiter gefilmt. Aber die hatten immer so Exit.
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Also wenn es halt wirklich kritisch wussten ja auch immer, wie sie dann halt rauskommen.
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Aber es war nicht ganz gut, dass es halt funktioniert war wie so ein Escape
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-Game, wo da dieser Film rausgekommen ist.
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Und der auch eben diese Authentizität dann so widerspiegelt.
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Und das ist das, was dann diese Bewegung und diese Technologie dann auch so
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wieder ins Kino reingeholt hat. Das muss man ja auch schon so sagen.
Micz Flor
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Ja, und es ist halt aber auch interessant, weil man hat ja in dem Dogma 95 -Stil
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auch immer gesagt, es heißt so was Dokumentarisches.
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Interessant ist ja, dass scheinbar das Realistische etwas ist, was man im Bild sieht.
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Das heißt, die Hollywood -Produktion, ich nehme das Hollywood stellvertretend
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für alle High -Budget -Produktionen, das ist jetzt nicht nur Hollywood,
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macht scheinbar etwas, was wir als unsichtbar wahrnehmen.
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Und das Dogma, was dann irgendwie technisch runtergeht, stellt etwas her,
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was wir auf einmal wieder wahrnehmen. Verstehst du mich?
Florian Clauß
0:35:06–0:35:07
Ja, na ja.
Micz Flor
0:35:07–0:35:11
Das ist ja irgendwie das Paradox, man denkt, keine Filter, ich mach einfach
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so, wie es ist, und dann denken die Leute, oh, das ist ja was ganz Neues.
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Während das andere, was völlig überzogen ist und vielleicht in der Postproduction
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die Farben angepasst hat, das wird nicht wahrgenommen.
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Das wird als Realität akzeptiert und ist unsichtbar.
Florian Clauß
0:35:26–0:35:30
Ja, vor allen Dingen, weil es ja auch in so einer Kulturinstitution läuft,
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wo das dann eben als ... Das ist das, was man da wahrnimmt im Kino,
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ja? Dafür zahle ich meinen Popcorn und so fühle ich mich unterhalten.
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Aber dass eben Dogma es geschafft hat, durch die Geschichten und das, wie es erzählt wird,
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dann wieder eine gewisse Aufmerksamkeit zu bekommen und da eben einfach auch
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die Visualität des Films weitergetragen hat. Das ist ein Verdienst.
0:35:57–0:36:02
Und es gibt diesen Mumble Gore, Mumble Core, es gibt auch einen German Mumble.
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Was? German Mumble Core.
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Ja, das ist ein eigenes Genre und ich habe keine Filme von dem Genre gesehen.
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Es gibt unglaublich viele, Dicke Mädchen ist einer davon.
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Es gibt halt auch so einen Filmemacher, der sich da sehr hervorgetan hat und
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das müsste man mal gucken.
Micz Flor
0:36:21–0:36:25
Wenn es vier Filmemacher innen wären, würde man sagen, das ist eine German Mumble Corps vor.
Florian Clauß
0:36:25–0:36:27
Ja, könnte man sagen.
Micz Flor
0:36:27–0:36:31
Es regnet, ich brauche gute Stimmung. Irgendwie muss ich mir selber gerade die Stimmung hochhalten.
Florian Clauß
0:36:31–0:36:35
Ja, guck mal, hier ist ein Böckersteig. Wir sind ja gute Bürger.
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Der ist nochmal so ein bisschen ein Schatz in der Filmgeschichte,
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den man sich durchscrollen kann und durchschauen kann. Fand ich sehr interessant.
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Und auf der anderen Seite, neben den Amonkarschen Blerwitsch,
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gab es auch zum Beispiel Soderbergh mit Traffic, die Macht des Kartells,
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wo er auch Dogma -Elemente verwendet hat.
Micz Flor
0:36:58–0:37:04
Ja, wobei der ja unglaublich, also der hat ja unglaublich viel so Farbnuance
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in der Post -Production und bestimmte Szenen und...
Florian Clauß
0:37:07–0:37:11
Ja, ja, der hat das genau gegenüber gestellt. Der hat diese unglaublichen Werbe,
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es ist fast wie ein Jeff -Wall -Bild teilweise gefilmt, ja.
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Auf der anderen Seite hat er halt diese völlig authentische,
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rohe Oberfläche von Digitalfilmen da mit drin und konfrontiert die dann so ganz gut zusammen.
0:37:23–0:37:26
Fand ich damals sehr beeindruckend, muss ich sagen, den Film.
0:37:26–0:37:30
Aber das sind so die Ausläufer von Dogma. Also Dogma hat sich dann irgendwo
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in unserer Sehgewohnheit eingeflochten mit den Filmen und es akzeptiert, wie du sagst.
0:37:36–0:37:39
Das war erstmal so ein totaler Ruck, wie kann man das machen?
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Und ist dann wieder so in so eine Sehgewohnheit dann wieder reingekommen.
Micz Flor
0:37:44–0:37:47
Eine Sache wollte ich auch noch sagen, weil das ist dann immer auch dieses so
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ein bisschen dieser Impuls in bestimmten Entwicklungsphasen so der eigenen Berufung,
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ich sage nicht Beruf, dann zu sagen, wir erfinden jetzt was,
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was es vorher noch nie gab.
0:37:57–0:38:01
Und zum Beispiel die Handheld -Camera hat dann Winterberg in einem späteren
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Interview noch mal gesagt, das wurde vorher eigentlich gemacht,
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das gab es vorher quasi gar nicht.
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Und ich wusste, dass das nicht stimmt, aber wusste wenig über Handheld -Camera
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-Geschichte und wollte nur mal sagen, 1908.
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War eine Handheld -Kamera bei dem Flug von einem der Gebrüder Wright mit an Bord.
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Also es wurde schon deutlich früher auch mit Handheld gedreht.
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Und ich kann mich auch noch erinnern, dass es irgendwelche ganz frühen Filme,
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wo die Kamera in so einer Kanu, also so Spreewald, so irgendein Spreewald,
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zwei Kanu, also quasi French Connection im Spreewald mit Kanu,
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wo es so Gurken hinten drin sind. Zwei verfolgen sich irgendwie.
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Und da war auch die Kamera quasi voll actionmäßig, so expressionistisch irgendwie eingesetzt.
Florian Clauß
0:38:47–0:38:49
Das ist Flussfahrt mit Huhn, der hessische Film.
Micz Flor
0:38:51–0:38:54
Aber was ich sagen wollte, das sind halt so Sachen, wenn man da so reinbohrt,
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ist natürlich hinter so was wie Dogma ist dann auch eine Haltung.
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Und diese Haltung, die hat eine bestimmte Kraft. Und ich glaube,
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das ist dann auch das, was viele Leute so nervt.
0:39:05–0:39:10
Ihr wisst doch genau, dass ihr nichts erfunden habt, aber ihr verkauft das jetzt so gut, es nervt.
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Ich kann mir vorstellen, dass Kolleginnen aus einer ähnlichen Zeit mit irgendwie
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nicht einer Ambition dann dachten, ach scheiße, ich bin jetzt abgehängt,
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bloß weil die da irgendwie zehn Punkte aufgeschrieben haben und sich trauen
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aufzustellen, das zu sagen,
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obwohl sie wissen, dass sie als nächstes dann sowieso Breaking the Waves drehen,
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was gar nichts damit zu tun hat. Weißt du, wie ich meine?
Florian Clauß
0:39:29–0:39:35
Ja, also ich kann es nachvollziehen. Gleichzeitig ist es aber auch so eine künstlerische
0:39:35–0:39:39
Attitüde, da so ein Produkt quasi so hinzustellen zu sagen, ja,
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also jetzt hier, wir haben das mal erfunden. Finde ich völlig auch legitim.
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Also ich würde es jetzt jetzt nicht so kritisieren. Ich würde es einfach so...
Micz Flor
0:39:49–0:39:51
Nee, genau. Ich denke auch, man kann es am besten verstehen,
0:39:51–0:39:56
wenn man sagt, wir möchten, dass Filme gemacht werden und zwar Filme,
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die mächtig sind, die wirkmächtig sind.
0:39:58–0:40:03
Und das kommt nicht durch ein fettes Budget, sondern macht einfach geile Filme.
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Und die Idee, und das ist wiederum paradox, die Idee, dass die Regisseurin sich
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da nicht reinschreibt, ist ja dann auch so ein bisschen dieses Vanity -Thema, also diese Eitelkeit.
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Finde ich gut und gleichzeitig ist das Dogma Manifest wieder unterschrieben von den Leuten.
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Also da das beißt sich alles immer so ein bisschen den Schwanz.
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Wie du schon gesagt hast, würde auch dann der erste nicht genannte Regisseur
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gleich einer der berühmtesten Regisseure nachkannen.
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Also das ist halt so dieses Paradox, was da so drin ist.
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Und das finde ich ist auch irgendwie so sehr,
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sehr so jugendliche Haltung, so eine aufmüpfige Haltung, so ihr dürft das alles
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nicht, wer sagt das? Ich.
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Darfst du das sagen? Ich darf das sagen, aber ihr dürft es nicht.
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Also irgendwie gibt es da so einen Moment, der vielleicht einfach in der eigenen
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Entwicklungsgeschichte immer notwendig ist und später dann aber auch sich auflösen darf.
Florian Clauß
0:41:07–0:41:14
Kommen wir zum ersten Dogma -Film. Das Festfesten von Thomas Winterberg.
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Thomas Winterberg ist 1969 geboren und aufgewachsen in Friedrichsberg,
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also dieser Kommune von Kopenhagen, in so einer Hippie -Gemeinschaft.
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Und er hat sich selber in dem Interview, was ich da gehört habe,
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als sehr schüchtern bezeichnet.
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Er ist dann auf eine Filmschule gekommen, die auch recht renommiert ist.
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Da werden pro Jahr nur so sieben Leute angenommen und hat auch ziemlich viel Geld gekostet.
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Aber er spricht sehr positiv von seiner Zeit in dieser Filmschule.
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Die meisten Kniffe hat er dort gelernt und auch die er später angewendet hat, hat er da gemacht.
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Hat aber auch gesagt, es gibt genügend
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Regisseure, die das Handwerk selber gelernt haben ohne Filmschule.
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Deswegen weiß er nicht, ob er jetzt so eine Filmschule, dann so,
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ob er das dann halt so empfehlen kann.
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Das Fest war so sein erster großer Film. Er hat danach, das ist auch ganz interessant,
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in seiner Biografie hat sich komplett dagegen, also gegen Dogma -Regeln gewandt.
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About Love mit Joachim Phoenix gedreht, habe ich nicht gesehen, ist total gefloppt.
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Er meinte selber, er hat dann auf der einen Seite so einen Nier -Fiction -Film
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gebaut, was eigentlich gegen alle Dogma -Rädern zu verstoßen hat,
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bis auf, es gab kein Skript.
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Er hat mit Jean -Pen gearbeitet, Joachim Phoenix, also wirklich ein unglaubliches
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Hollywood -Budget. Das war dann der zweite Film, den er nach Festen gedreht hat.
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Den ersten Film hat er dann auch mit Lars von Trier übernommen.
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Und hat er auch oft mit Lars von Trier Drehbücher, da konnten die ihm dann auch verfilmt.
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Und der letzte Film von ihm, den hatte ich auch nicht geguckt,
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ich hab gar nichts davon geguckt, ist der Rausch mit Mads Mikkelsen. Hast du den?
Micz Flor
0:43:08–0:43:11
Nee, hab ich auch nicht gehört. Ja, ich hab davon gehört, genau.
Florian Clauß
0:43:11–0:43:15
Also, es geht quasi um eine Gruppe von Lehrern, die beschließen,
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dass die halt ständig so weit berauscht sind,
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also immer so zwischen 0 ,5 Promille dann im Blut haben und damit halt irgendwie
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so gut über den Tag kommen, bis das irgendwann so ein bisschen,
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ja nicht ich eskaliert, aber es wird dann irgendwann anders.
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Also so ganz grob geerzählt auch in der Ferne. Also hier in Mads -Milkesen hat
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Nermanns mit Hinterberg gearbeitet.
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Ja, es ist auch ein Film, wo es darum geht, dass ein Täter, oder ich weiß nicht,
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was ein Täter ist, aber es geht um eine Anklage wegen sexuellen Missbrauchs und Schüsse.
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Es ist so eine Hetzjagd statt, auf die man, der gestützt wird von Mads Mückes,
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und ich weiß es nicht, habe ich von dem Film nicht, aber ich fand es ganz gut,
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weil es auch ähnlich belagert wird, wo da jetzt ein bisschen Mathe in so ein
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Tabuthema reingeht, in ein gewerkschaftliches Talent, wie das fällt.
Micz Flor
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Also da hat Winterberg auch mal einem Winterview zugesagt, dass er den Film...
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Angenommen hat das Skript, weil es das Gegenteil von das Fest oder Festen war.
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Also da gab es einen Kindesmissbrauch, der die ganze Zeit so unterschwellig in der Story mitläuft.
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Und das andere ist, dass das eine Beschuldigung gibt ohne Grundlage.
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Also das absolute Gegenteil. Und er dann auch interessiert war,
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diese Perspektive zu explorieren des Kindes, des Jugendlichen, die sowas erfinden.
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Wie wahr wird das dann wahrgenommen?
Florian Clauß
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Also das ist natürlich auch so, gerade im politischen, gesellschaftlichen ist
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das ein heikles Thema, weil man weiß, dass diejenigen, die vor allem maßgeblich
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Frauen, die sexuelle Gewalt erfahren,
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so ein typisches Narrativ, dass die sich das ausdenken.
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Also dieser Prozenteil zwischen wirklichen Opfern und sich das Ausdenken, der ist ganz anders.
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Aber ist von 2007, glaube ich, oder 2012 die Jagd, ist, glaube ich,
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in dieser ganzen MeToo -Debatte und so was nochmal anders zu bewerten,
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würde ich mal behaupten.
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Das Fest, wir haben es schon gesagt, es geht da um ein um sexualisierte Gewalt gegenüber Kindern.
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Es ist, ich erzähle das kurz, den Inhalt von das Fest, die Familie kommt zusammen.
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Die Familie ist, ja, es ist eine sehr desolate Familie, die man würde sagen
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so durch toxische Beziehungen geprägt ist.
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Es gibt das Helge, der Patriarch der Familie, wird 60, deswegen lädt er zu einem Fest,
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wo Gäste kommen und auch seine Kinder, nur noch drei, weil Linda,
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das ist die Zwillingsschwester von Christian, hat sich einige Zeit davor umgebracht, Selbstmord begangen.
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Christian ist ein erfolgreicher Koch in Paris und der Protagonist der Geschichte.
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Es gibt den Sohn Michael, der so ein bisschen so ein gescheiterter Typ ist,
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recht aggressiv und brachial immer auftaucht und der auch in dem Essensbusiness ist und dort,
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aber in so einer Klitsche in Kopenhagen betreibt.
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Und Helene, das ist die Schwester, die Jüngere, die noch immer studiert zum Leidwesen der Eltern.
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Helge wird, wie gesagt, 60 und seine Frau Elsie begleitet ihn dann in diesem Fest, ja.
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Und das Ganze fängt schon recht an.
0:46:54–0:46:58
Ich weiß nicht, hast du den noch mal gesehen, den Film jetzt?
Micz Flor
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Ich muss gestehen, ich hab die Zeit nicht gehabt, den noch mal zu sehen.
Florian Clauß
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Der Film hat so eine unglaubliche Grundspannung die ganze Zeit drin.
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Es ist sehr so, wie die Figuren miteinander umgehen, wie die da ankommen.
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Der Michael, der Bruder, schmeißt seine Frau raus, weil irgendein alter Freund
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ihm auf dem Weg zum Haus entgegenkommt.
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Und er meint, ihr müsst gehen mit Familie, die brauchen Platz,
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und geht mal raus. Und er ist halt irgendwie so, er betrügt sie auch fast vor
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den Augen, vor ihren Augen.
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Und dieses, also der Rahmen, es spielt quasi so ein Landhaus,
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also sehr großbürgerlich.
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Es gibt eine ganze Schicht von Bediensteten, die auch schon lange mit dem Haus verknüpft sind.
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Also die Bediensteten, teilweise der Chefkoch von dem Haus, ist auch ein alter
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Kinderfreund von Christian.
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Und die eine Servicekraft ist auch so verliebt in Christian.
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Also da ist auch so eine Affäre, Beziehung zwischen den beiden.
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Und es fängt halt so, also es ist halt so, diese gesellschaftlichen Rituale
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von Fest, spielt das halt so durch.
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Also es gibt diese Gruppen, es gibt die Eltern, es gibt die Gäste,
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es gibt die Bedienstete, es gibt die Kinder.
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Also das sind so diese Gruppen, die dann so als Ausprägung dastehen.
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Und es werden natürlich so Reden geschwungen und dann wird Christian aufgefordert,
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eine Rede zu halten und er hat zwei Umschläge in der Hand und meinte so,
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Vater such dir einen aus und dann wählt er den grünen Umschlag oder den roten,
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ich weiß nicht mehr genau und er meinte, oh die Wahrheitsrede.
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Und dann, Minute 35.
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Und da beschreibt er, erzählt er haargenau, wie er von seinem Vater vergewaltigt
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wurde mit seiner Schwester zusammen,
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also seine Schwester wurde auch vergewaltigt, und das schlägt ein wie eine Bombe.
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Also es ist halt wirklich so, wenn wir nochmal gucken, welche Regeln von Dogma
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sich dann auch in festen Widerspiegeln.
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Es ist wirklich eine sehr untypische Erzählung.
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Es gab vorher, glaube ich, so in diesem Rahmen überhaupt, dass das Tabuthema
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so präsentiert wurde von Kindesmissbrauch, von Inzest und so weiter.
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Würde mir jetzt kein Film einfallen. Das weiß ich noch damals,
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als ich den in den Kino geguckt habe. Der war ja auch so sprachlos.
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Und der hat ja genau diese ganzen gesellschaftlichen Tabuthemen,
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also Rassismus, Alkoholsucht, überhaupt Inzest und alles bringt er dann irgendwie
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rein, aber immer in so einem gesellschaftlichen Rahmen.
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Es ist halt so, die Gesellschaft, jetzt die Festgesellschaft,
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ist gleichzeitig wieder so quasi mehr oder weniger die Metapher für die ganze Gesellschaft.
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Und es ist auch immer interessant, wie die Dynamik in dieser Gesellschaft verläuft.
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Das erste, was passiert, Casey, seine Mutter, lacht ihn aus.
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Er wird dann vom ... Kommt dann so ... Er wird nicht rausgeführt,
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sondern er geht dann so ein bisschen aufgelöst.
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Die ganze Dienerschaft, die haben das auch mitbekommen.
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Die ganzen Bediensteten, die stehen voll hinter Christian, unterstützen ihn
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und arbeiten ihn auch zu.
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Es wird dann auch irgendwie so klar, okay, ich hab das vor. War schon abgesprochen.
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Wir klauen zum Beispiel irgendwann auch von allen Gästen die Autoschlüssel,
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damit die nicht mehr wegkommen oder die sperren einen ein, der dann halt auch
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so Christian geschlagen hat und so weiter.
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Also das heißt, die arbeiten dazu, damit eben dieses unglaubliche,
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dieses Geheimnis, Familiengeheimnis dann auch so entblößt wird und dass auch
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der Täter zur Rechenschaft gestellt werden kann.
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Und also ich will jetzt nicht haargenau diesen Film nacherzählen,
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aber es ist halt so eine Dynamik drin, dass Christian lässt sich auch nicht
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unterkriegen. Das hat er auch unglaublich stark gespielt, von dem Charakter.
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Also von dem Schauspieler, wie er den Charakter spielt. Nämlich er reißt sich
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da immer rein, geht rein, erzählt weiter, wird rausgeschmissen,
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wird verprügelt von seinem Bruder.
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Also gerade Michael glaubt ihm nicht und was machst du denn da und so weiter.
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Und Helene findet irgendwann den Brief von Linda, den Abschiedsbrief.
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Und dieser Brief ist quasi so die objektive Instanz, die noch mal so belegt,
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dass das, was Christian erzählt, tatsächlich passiert ist, weil sie da auch drin schreibt.
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Deswegen umgebracht hat. Sie kann nicht mehr mit diesem Schicksal leben.
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Und Christian steht dann auch
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irgendwann auf. Vater, du bist schuld an den Tod von meiner Schwester.
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Und dann wird er halt auch rausgetragen, am Baum gefesselt.
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Total absurd. Also es kippt dann und dann macht die Gesellschaft eine Polonaise durchs Haus.
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Die wollen dann immer wieder so doch feiern und es steht dieses unausgesprochen in einem Raum,
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aber irgendwie versuchen die sich dann immer in diesen gesellschaftlichen Ritualen
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so ein bisschen langsam um wieder dieses Fest und dann wird es halt auch der
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Freund von Helene, der kommt dann später,
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wird mit dem Taxi gebracht und der Taxifahrer wird auch gespielt von Winterberg,
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so eine kleine Rolle, die er da übernommen hat in dem Film und es ist ein Schwarzer,
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also der auch dann in der Gesellschaft erstmal so komisch angeguckt wird.
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Irgendwann gibt es auch so dass die alle einstimmen in so ein rassistisches
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Lied, auch so völliger Rassismus, und er dann so, ah!
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Und er ist eigentlich auch die Figur, die dann Helene sagt, du musst jetzt diesen Brief vorlesen.
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Es ist klar, sie muss jetzt auch eine Rede halten.
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Und es gibt dann immer so diesen, wie nennt man das, der quasi durch den gesellschaftlichen
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Arm führt, dieser Redenhalter, und dann immer so ein Toast ausspricht usw.
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Diese Figur. Und dann ist es klar, dass dann Lene dran ist mit ihrer Rede und
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sie fragt auch, soll ich den Brief vorlesen?
Micz Flor
0:52:44–0:52:44
Und alle so, ja!
Florian Clauß
0:52:45–0:52:52
Und dann liest sie den Brief und mit einem Mal ist halt wirklich allen klar, dass das ist wahr.
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Ja, das heißt, die Instanz, Christian wird hergestellt, der Sohn,
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Michael, also der Bruder, der flippt total aus, weil er so wütend ist auf seinen Vater.
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Der Vater steht auf, er entschuldigt sich auch nie.
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Zum Mehr wart ihr nicht wert, also völlige Diskriminierung. Aber es gibt noch
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eine Szene, die muss ich noch erzählen, bevor ich Helene den Brief vorlese.
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Nämlich, dass die Mutter, die Rolle der Mutter ist noch nicht so ganz klar.
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Die sagt dann auch, hält eine Rede und sagt, dass Christian früher als Kind immer sehr kreativ war.
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Und er hatte so diesen kleinen Freund, den es nicht gab, Snoot,
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und hat ihn dann halt so ein bisschen auch so diskreditiert dafür,
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dass seine Wahrnehmung halt komplett schief liegt und so weiter.
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Und dann steht Christian auf und sagt, Mutter, du hast uns gesehen,
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du bist in den Raum gekommen, als wir vor Vater knieten und du hast uns gesehen.
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Er hat dann auch noch mal sie und sie lacht noch und es wird wieder überbügelt.
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Es gibt immer dieses Anrennen und es gibt diese unglaubliche Gewalt und Aggression,
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die dann zurückkommt, bis dann halt klar ist, der hat es wirklich gemacht und
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der wird dann auch entfernt.
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In dem Moment ist der Patriarch entthront an der Stelle.
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Und dann fängt das Fest auch so ein bisschen an.
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Die Bediensteten sind da, mit Christian, mit seiner Schwester Helene und ihrem Freund.
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Die spielen Klavier, tanzen und so weiter. Es gibt dann schon so eine Festsituation.
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Am nächsten Morgen, der Vater wurde dann auch von Michael verprügelt.
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Er ist wirklich so aussätzig. Am nächsten Morgen kommt er dann auch rein zum Frühstückstisch.
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Alle schweigen so. dann setzt sich das Kind von Michael, will sich auf den Schoß
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setzen, und sagt dann, nee, komm mal wieder her.
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Und dann meinte er auch so, Vater, du musst jetzt gehen. Und er ist dann halt
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wirklich gesellschaftlich ausgestoßen.
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Dieser gesellschaftliche Raum, diese Gesellschaft, der ist jetzt ausgestoßen
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und nicht mehr gesellschaftsfähig.
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Und seine Frau kommt auch nicht mit.
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In dem Moment ist es wirklich so eine Täterbestrafung, die dann auch so konsequent läuft.
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Und es gibt so einen kleinen ... einen Pay -off, wo er in der letzten Szene
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dann eben Christian, die eine fragt, willst du mit mir nach Paris?
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Also die Bedienstete, die so, die auch ein Liebespaar sind und sie so, ja.
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Und das hat was Versöhnliches, es hat so, es hat ein Weiterkommen,
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ja, also es ist auch einfach schön, also es ist halt nicht so ein reines,
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also man sieht auch dann bei Helge,
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dem Familienvater, sieht man auch so gewisse, ja nicht Reue,
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entschuldigt sie nicht, aber eine gewisse Menschlichkeit.
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Also es ist halt nicht so ganz, dass der dann halt so diesen Täter dann so diffamiert
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von der Kamera und von der Person, sondern es wird irgendwie immer integrativ
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mit der Gesellschaft dann gearbeitet.
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Und deswegen absolute Empfehlung dieser Film.
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Kann man auch gucken, heute noch mit natürlich so dem Stil mitten von dogma
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und also ich auch beim wiederholten gucken war ich doch sehr beeindruckt,
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ja das endlich habt ihr jetzt gar kein bild mehr für gehabt für das ende weil,
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ich überlege der war wann war der 98 war das oder 95 war dogma 97 war der dann
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im kann fest ok das ist ja nicht 98 war dann nicht mit idioten zusammen ich
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habe eigentlich nix aufgezeichnet,
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sondern wir laufen ja dann erzählen uns immer alles auf dem Kopf.
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Aber Kur, ich habe hier überraschenderweise die Filmografie von 98.
Micz Flor
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Ich überlege gerade, ob wir den zusammen gesehen haben.
Florian Clauß
0:56:42–0:56:44
Warst du denn nicht in England?
Micz Flor
0:56:45–0:56:45
Kann sein.
Florian Clauß
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Ich weiß es noch, ich glaube, ich habe den im Filmtheater am Friedrichshain gesehen.
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Also da liefen ja immer so, entweder international oder Filmtheater am Friedrichshain.
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Das war ja so die Kinostadt. Ja, also das, und ich glaube, Festen ist auch der
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Film, der eigentlich fast alle Dogma, oder fast eigentlich alle,
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ich habe geguckt, ob da irgendwie eine gebrochen wurde,
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aber er hat alle Dogma -Regeln eingehalten.
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Und auch in dem Interview, was ich dann gehört habe, war ganz interessant,
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wie Winterberg da rangegangen ist. Weil bei ihm natürlich eine totale Unsicherheit
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... Was heißt natürlich? Es war eine Unsicherheit, wie passiert das jetzt?
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Auch für die Schauspieler. Und er saß dann mit dem Kameramann,
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der ist wohl auch relativ bekannt, der Kameramann.
Micz Flor
0:57:34–0:57:36
Der ist mit K, ich hab den Namen jetzt auch vergessen.
Florian Clauß
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Ja, der hat dann ständig sich vorbereitet.
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Er wollte immer so bestimmte Sachen so inszeniert haben, das, ja.
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Und dann war das für das ganze Team eine unglaubliche Überwindung,
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eben nicht in diesen traditionellen Wegen dann zu filmen.
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Und die haben das dann auch so geschafft, indem dann Winterberg zu den Schauspielern
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gesagt hat, Ja, wir haben jetzt hier kein Licht, sondern überall ist Licht.
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Dann haben die Schauspieler gesagt, okay, dann können wir spielen.
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Und es gibt auch keine Markierungen. Weil ganz viel ist immer so,
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die Wegstrecken oder so vor der Kamera sind markiert.
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Und meinte er, sind alle irgendwie vor Panik implodiert.
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Ja, genau. Weil das für alle so ungewohnt ist.
Micz Flor
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Und das ist ja ein interessantes Paradox, ne? Weil Dogma hat diese zehn Regeln,
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und nimmt halt mit diesen zehn Regeln die Regeln weg, die vorher nicht ausgesprochen
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waren, die man einfach so, die sich so eingeschliffen haben.
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Zum Beispiel, dass man eine Markierung am Boden macht, wo das Licht dann ist.
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Dann läufst du bis hier, dann stellst dich quasi auf die Markierung,
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machst du drei Schritte rückwärts, dass du nämlich beim dritten Schritt genau
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auch an den Punkt landest und so.
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Diese Sachen sind nicht als Regel festgeschrieben, aber wurden durch die festgeschriebene
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Dogma -Regeln sichtbar abgeschafft und dann gab es Freiheiten,
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die mit der gleichen Technik, und das finde ich ganz interessant,
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weil das ist dann eine Brücke auch hin zu Idioten, weil der Lars von Trier eben
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auf Video gedreht hat, gemeint, er ist aber total super.
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Also ich hab dann einfach, der hat über 100 Stunden Material gehabt und hat
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dann gemeint, er hat manche Szenen einfach gefilmt, er hat ja selber auch die Kamera geführt.
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Dann einfach als so eine Sache, die zusammenschneiden, das sind ganz viele harte
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Schnitte dann ja auch drin, die dann was so kondensieren, wo er meint,
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er hat dann das so zusammengeschnitten, dass halt eine lange Sequenz kurz war
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und energetisch wurde, dass er das so ballen konnte,
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was dann irgendwie auch mit diesem dokumentarischen Stil so ein bisschen bricht.
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Und das ist natürlich dann bei Winterbergfesten, das wurde auf Film gedreht
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und da hast du diese Möglichkeit so nicht,
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da musst du dann hast du dann die Technologie noch, die dafür gemacht ist,
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dass du mit einer Rolle, einer Szene, dann weißt du, wie lange das sein darf.
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Ich ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, aber dann hatte man mit Video,
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dann konnte man das vielleicht sogar besser aufbrechen.
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Und diese ganzen Regeln wie vorher, man braucht halt so und so viel Licht,
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sonst ist der Film einfach nicht verwendbar.
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Die auszuhebeln, führte zu einer Panik.
Florian Clauß
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Ja, du baust gerade so ein paar Cliffhanger in die nächste Episode, die Idioten.
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Was Winterberg auch gesagt hat, dass diese Einschränkung, also auf diese gleichzeitig
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eine komplette Befreiung bei ihm ausgelöst hat, dass er nie wieder in so einem
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Filmprozess so eine Freiheit dann auch,
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so eine Liberation, ja es ist Befreiung, gespürt hat, wie zu diesen Dreharbeiten,
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also es war für ihn unglaublich wichtiger Film,
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wie das jetzt so gelaufen ist und wie er auch mit den Schauspielern und den
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Kameramann gearbeitet hat.
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Also das merkt man auch diesem Film an und ich glaube das ist jetzt so auch
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so dieses... natürlich waren die die ersten, die das jetzt so gemacht haben.
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Man hat natürlich diesen Geist des Neuen irgendwo im Geschmack und konnten den
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Raum total ausloten, ausprobieren und ausspielen.
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Und man merkt es auch bei diesem Film an, dass der mehr unglaubliche Spannung
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und Dichte irgendwie erzeugt.
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Und auch die Charaktere, da waren ja keine bekannten Schauspieler dabei,
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aber wie authentisch da halt gespielt wurde und wie glaubwürdig diese Geschichte wird.
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Das ist glaube ich das, also ich meine fest, der löst alles ein,
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was das Dogma erst mal so aufgesetzt hat als Werk, als Regelwerk.
Micz Flor
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Ja, und war dann vielleicht aber auch der Proof of Concept, weshalb Dogma,
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sonst würden wir es vielleicht gar nicht kennen, sonst würden wir es unter Mumblecore feilen.
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Aber weil, weil, also einerseits ist es, hat sich selbst dadurch ein bisschen
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ausgehebelt, weil der berühmte Regisseur war der erste Dogma -Film,
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der nicht im Film genannt und so weiter.
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Und gleichzeitig wissen wir aber nur um Dogma 95, weil das...
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Riesen Erfolg war. Ich weiß auch noch in Erinnerung, dass du halt wirklich so
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dieses Gefühl hattest, dass du ein Theaterensemble siehst.
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Du hattest nicht das Gefühl, dass du Schauspieler siehst, die miteinander Schnitt,
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Gegenschnitt irgendwie vielleicht gar nicht am gleichen Set sitzen,
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sondern du hattest wirklich so das Gefühl von einem eingespielten Ensemble,
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die eben auch zusammen proben, die üben und das ist ja auch diese Befragung des Raumes.
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Dann können die Leute auf einmal in Kontakt treten und Chemie,
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die zwischen den Schauspielenden ist, die kann dann irgendwie aufgegriffen werden und reinkommen.
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Das fand ich bei dem Film einfach unglaublich stark, dass es natürlich immer
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wieder auch Einzelne waren, die so strahlten oder die man einfach auch der der
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Vater ist ja einfach so hat große Ausstrahlung.
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Das passt super, aber trotzdem hatte man immer ein Ensemble -Gefühl.
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Die sind alle irgendwie zusammen in diesem Ding drin.
Florian Clauß
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Genau, das ist ein gutes Stichpunkt, den du nochmal gibst, Nämlich jetzt habe
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ich mir auch in der Vorbereitung aufgeschrieben, es gibt unglaublich viele Theateradaptionen von das Fest.
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Und der zweite Teil, Festen 2, ist auch nur auf der Bühne erschienen.
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Und das hat auch Winterberg dann inszeniert.
1:03:13–1:03:22
Aber ja genau, diese Regeln, dieses Zusammenspiel, die Bühne hat halt was total Theatermäßiges.
1:03:22–1:03:28
Während diese, also vom Schauplatz, von der Geschichte, das ist ein Bühnenstück
1:03:28–1:03:32
eigentlich, während die Idioten, kann ich mir jetzt nicht so einfach vorstellen,
1:03:32–1:03:34
das als Theaterstück aufzuführen.
Micz Flor
1:03:34–1:03:36
90er Jahre, Volksbühne.
Florian Clauß
1:03:37–1:03:39
Ja, das stimmt, da liefen ja viele Idioten rum.
Micz Flor
1:03:41–1:03:44
Nein, so habe ich das nicht gemeint. Ich meinte nur einfach so.
Florian Clauß
1:03:44–1:03:51
Nein, nein, nein, aber klar, Top 2000 ist auch so ähnlich wild gewesen.
1:03:52–1:03:56
Genau, so, ja, Mitch, wir haben zusammen, glaube ich, einen ganz guten Bogen
1:03:56–1:04:01
über das Dogma, die Filmbewegung Dogma 95 gesponnen.
1:04:02–1:04:07
Ich habe das fest präsentiert und ja, das war jetzt meine Episode.
Micz Flor
1:04:08–1:04:13
Danke Flo. Wir haben jetzt einen fließenden Übergang, aber ob der Zwänge des
1:04:13–1:04:18
Formats, ist das hier und jetzt, in dem wir gerade aufnehmen, in zwei Folgen geteilt.
1:04:18–1:04:23
Deshalb machen wir hier Schluss und sehen uns in zwei Wochen wieder.
Florian Clauß
1:04:24–1:04:28
Ja, und hören uns vor allen Dingen in zwei Wochen wieder. Und das Ganze,
1:04:28–1:04:33
wo wir langgelaufen sind, könnt ihr auf eigentlich -podcast .de sehen.
1:04:33–1:04:37
Und die Fotos von den Schwänen und von die Stulle findet ihr auch dort.
1:04:39–1:04:46
Und ja, also ich hoffe, Ihr habt Spaß gehabt und dann bis in zwei Wochen.
Micz Flor
1:04:46–1:04:47
Macht's gut.
Florian Clauß
1:04:47–1:04:48
Tschüss.

Mehr

Dass hier "die Phantasie des Lesers tätig werden muß" (J. Stenzei 1966, zitiert nach Dalmas 1994 : 56)

Der Gedankenstrich ist ein heimlicher Riese mit unheimlicher Wirkmacht im Text, die unsichtbare Nuance, die alles verändert. Als Stilmittel kann er Gedanken einrahmen, Spannung erzeugen, Schweigen ausdrücken, eine Kehrtwende einleiten, Dialoge strukturieren und -- Pausen erzeugen. In der Welt der Schriftgestaltung versteckt sich der Gedankenstrich als stiller -- wir sind ja *eigentlich* ein Filmpodcast -- Regisseur und ich möchte ihm eine Episode widmen.

Shownotes

Mitwirkende

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Micz Flor
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Micz Flor
0:00:02–0:00:06
Besser, besser. Mach mal Stopp. Warum? Du hast zu viel Freifläche.
0:00:07–0:00:08
Ja, aber ich nehme das vielleicht.
0:00:11–0:00:18
Du musst klatschen. Ah ja, genau. Du musst klatschen. So?
0:00:22–0:00:25
Jetzt noch ein Bildchen. Jetzt geht's los.
0:00:28–0:00:32
Jetzt geht's los. Hast du eigentlich schon mal irgendwelche Leute gesehen,
0:00:32–0:00:34
die Podcasts aufgenommen haben?
Florian Clauß
0:00:35–0:00:37
Beim Laufen und im Laufen reden?
Micz Flor
0:00:39–0:00:42
Das ist es wahrscheinlich, du hast recht. Ich hab die ganze Zeit überlegt,
0:00:42–0:00:45
so viele Leute haben jetzt Podcasts. Jeder hat ja irgendwie Podcasts wie ihr
0:00:45–0:00:49
auch. Und ich sehe aber nie Leute, die Podcasten. Aber das ist natürlich so,
0:00:49–0:00:52
weil nur wir laufend reden und beim Laufen reden.
Florian Clauß
0:00:52–0:00:56
Ja, wir haben ein Alleinstellungsmerkmal und das möchten wir herausheben.
0:00:57–0:01:02
Nämlich, hallo und herzlich willkommen bei EIGENTLICH PODCAST,
0:01:02–0:01:08
Folge 37, wo wir im Laufen reden und laufen reden und heute,
0:01:08–0:01:12
das zeichnet genau, das zeichnet uns nämlich aus von anderen Podcasts,
0:01:12–0:01:17
die so eine gute Qualität haben in der Stimme, aber auch so ähnliche Themen wie wir.
0:01:18–0:01:25
Aber wir haben halt auch noch zu jedem unserer Folge einen Track auf der Netzseite,
0:01:25–0:01:35
den man sich auch über Komoot runterladen kann oder einer anderen App.
0:01:37–0:01:45
Und da seht ihr, wo wir langgelaufen sind. Wir kommen so ein bisschen in das Problem,
0:01:45–0:01:49
dass wir jetzt eigentlich keine Strecke mehr hier laufen können in Berlin,
0:01:49–0:01:52
wo wir nicht uns schon mal so gekreuzt sind.
Micz Flor
0:01:52–0:01:55
Es stimmt gar nicht. Wir können ja irgendwann mal nach Moabit fahren,
0:01:55–0:01:56
da haben wir noch richtig viel zu fahren.
Florian Clauß
0:01:56–0:01:57
Doch, in Moabit waren wir auch schon.
Micz Flor
0:01:57–0:01:59
Ja gut, in Moabit waren wir auch schon.
Florian Clauß
0:01:59–0:01:59
Mehrheit.
Micz Flor
0:02:01–0:02:05
Im Moabit-Area innen würden sich da wahrscheinlich auf die Füße getreten fühlen,
0:02:05–0:02:06
wenn links wäre. Das ist schon durchforstet.
Florian Clauß
0:02:08–0:02:12
Ja, aber das Kernstadtteil, da sind ja immer nur Routen, wo man uns irgendwie
0:02:12–0:02:16
so... Und hier sind wir gestartet, Leine Straße.
0:02:19–0:02:24
Auf dem Tempelhofer Feld werden wir eine Folge kreuzen oder sogar zwei.
0:02:25–0:02:32
Nämlich einmal First Cow, eine frühe Folge, von Kelly Reichardt,
0:02:32–0:02:37
der Film First Cow, das ich präsentiert habe und eine unserer erfolgreichsten
0:02:37–0:02:38
Podcast-Episoden, nämlich Encanto.
Micz Flor
0:02:44–0:02:50
Ja, das fand ich lustig. Die ersten 5 Minuten. Unser heutiges Thema.
Florian Clauß
0:02:50–0:02:52
Sind rum. Hab ich schon mal rumgeguckt.
Micz Flor
0:02:54–0:02:57
Das Ding ist ja, normalerweise gibt es da vorne immer so ein bisschen ein paar
0:02:57–0:03:01
Labern. Und dann lernt man sich die Leute kennen. Aber hier haben wir irgendwie
0:03:01–0:03:05
5 Minuten voll mit Komod, mit GPS Tracks.
Florian Clauß
0:03:05–0:03:08
Ja, aber was sollen wir denn auch privat erzählen? Wir erzählen uns ja auch
0:03:08–0:03:09
nichts mehr privat, wenn wir uns
0:03:09–0:03:12
treffen. Aber Mitch, du bist heute Themenpräsentator, Themenmitbringer.
Micz Flor
0:03:15–0:03:19
Genau, und ich habe mich jetzt einfach so ein bisschen im Windschatten eingereiht
0:03:19–0:03:23
von der letzten Folge Webfonds, weil ich bin da überhaupt kein Experte,
0:03:23–0:03:28
aber so ein Hobby-Wutbürger, was so Satzzeichen...
Florian Clauß
0:03:28–0:03:30
Wutbürger.
Micz Flor
0:03:30–0:03:33
Wutbürger, was so Satzzeichen angeht. Ah, da muss man ein Semikolon nehmen,
0:03:33–0:03:34
das ist doch viel klarer.
0:03:35–0:03:39
Und es gibt meinen Lieblingssatzzeichen, das wollte ich heute dann einfach mal
0:03:39–0:03:43
so hineinschieben und habe gedacht, es wird wahrscheinlich eine kurze Folge,
0:03:43–0:03:45
weil so viel kann man dazu gar nicht sagen.
0:03:47–0:03:49
Aber es geht um den Gedankenstrich.
Florian Clauß
0:03:49–0:03:55
Der Gedankenstrich, okay.
Micz Flor
0:03:55–0:03:58
Und ich dachte, wenn wir jetzt schon hier in Neukölln lostreten, können wir das,
0:03:58–0:04:06
aber Aber jetzt sind wir halt im Park, weil den Gedankenstrich in seiner designgestalterischen
0:04:06–0:04:10
Form, den sieht man manchmal inzwischen auf so Poster, ne?
0:04:10–0:04:14
Also es gibt auch oft, hast du wahrscheinlich sofort so ein inneres Bild,
0:04:14–0:04:16
wenn dann irgendwas vom 12. bis zum 18.
0:04:17–0:04:22
Oktober ist, dann ist die 12 links, 18 und Oktober rechts und in der Mitte ist
0:04:22–0:04:27
dann so ein langer Strich, also dieser Bindestrich, Gedankenstrich oder Bisstrich
0:04:27–0:04:30
oder es gibt ganz viele Worte dafür, da werden wir nachher noch mehr drüber reden.
0:04:30–0:04:37
Der ist gerade, finde ich, so grafikdesignmäßig auch ziemlich buchstäblich gestreckt
0:04:37–0:04:38
worden in den letzten Jahren.
0:04:39–0:04:42
Ja, der Gedankenstrich. Wie bin ich da überhaupt drauf gekommen?
0:04:43–0:04:47
Weil ich schon, also ich hatte das schon immer mal wieder wahrgenommen,
0:04:47–0:04:51
dass es in Deutschland gibt einen Gedankenstrich in Texten.
0:04:53–0:04:58
Der ist irgendwie kürzer als der im Englischen. Und im Deutschen gibt es immer
0:04:58–0:05:03
so white space, also so Freiräume, rechts und links vom Gedankenstrich zwischen den Worten.
0:05:03–0:05:09
Im Englischen hatte ich das Gefühl, der ist länger, aber ohne Zwischenräume
0:05:09–0:05:11
zwischen Buchstaben und Gedankenstrich.
0:05:14–0:05:17
Und das ist was, was mich irgendwie so beschäftigt. Dann habe ich gedacht,
0:05:17–0:05:19
dann habe ich mal irgendwann gehört M'N''.
0:05:20–0:05:25
Im Englischen, also M das ist quasi der längere, N das ist der kürzere.
Florian Clauß
0:05:26–0:05:27
M und N, ne?
Micz Flor
0:05:27–0:05:31
Ja, M, also wie Mitch und N wie Klaus.
Florian Clauß
0:05:32–0:05:38
Wie Klaus? Ne, wie Nordpol, sagt man doch in der Klassischen.
Micz Flor
0:05:38–0:05:41
Ja, ich wollte einen Witz machen, aber es ist mir ganz vom Tisch gefallen.
Florian Clauß
0:05:42–0:05:44
Und weißt du auch, warum das eine M und N heißt?
Micz Flor
0:05:45–0:05:46
Weil der eine länger ist und der andere...
Florian Clauß
0:05:46–0:05:49
Ja, aber woher sich das ableitet? Kommen wir gleich nochmal zu.
Micz Flor
0:05:50–0:05:53
Du meinst jetzt von, ja, komm, wir bestimmen das, also ich freue mich,
0:05:53–0:05:55
wenn du reinchippst, weil ich habe nur genug für 15 Minuten.
0:05:58–0:06:02
Wenn man so einfach an der Tastatur groß geworden ist, ich weiß gar nicht,
0:06:02–0:06:06
wie das, also als ich noch mit Füller geschrieben habe, da war das irgendwie
0:06:06–0:06:07
kein Thema, der Gedankenstrich.
0:06:08–0:06:11
Aber wenn man mit Tastatur groß wird, dann hat man einfach in der Regel natürlich
0:06:11–0:06:13
diesen einen kleinen Strich auf Hüfthöhe,
0:06:13–0:06:18
der dann als Minus fungiert, als Gedankenstrich, als Trendsträger als alles
0:06:18–0:06:23
mögliche und als ich mich dann ein bisschen mit...
0:06:23–0:06:26
Kennst du Pandoc, die Software Pandoc?
Florian Clauß
0:06:26–0:06:29
Ja, so eine Python-Bibliothek, oder?
Micz Flor
0:06:29–0:06:31
Ne, Pandoc, das gibt es ja auch, glaube ich, bestimmt.
Florian Clauß
0:06:31–0:06:31
Ja, genau.
Micz Flor
0:06:32–0:06:36
Original ist in Haskell geschrieben, aber das ist Pandoc, also das ist,
0:06:36–0:06:41
glaube ich, auch wirklich so ein One-Developer-Projekt, was ich liebe. Ich liebe Pandoc.
0:06:41–0:06:47
Das ist im Prinzip ein Konvertierungsprogramm von einem Format in ein anderes.
0:06:49–0:06:52
Das funktioniert sehr gut, zum Beispiel, wenn man einen Markdown schreibt mit
0:06:52–0:06:57
Fußnoten mit hochgestellt und hast du nicht gesehen und das dann als PDF konvertiert,
0:06:57–0:07:00
dann kriegt man sehr schnell aus hingerotzen Texten einfach sehr schön gestaltete PDF-Dokumente.
0:07:02–0:07:04
Und da habe ich zum ersten Mal
0:07:04–0:07:10
gesehen, dass wenn man im Markdown einen Bindestrich oder Gedankenstrich,
0:07:10–0:07:14
dann wird es ein Gedankenstrich, wenn man zwei Minus nebeneinander macht von
0:07:14–0:07:18
der Tastatur, dann kommt das so richtig hübsch als PDF hinten raus.
0:07:19–0:07:23
Und seitdem mache ich bestimmt doppelt so viele Gedankenstriche in meinen Texten,
0:07:23–0:07:26
weil es einfach so schön aussieht, wenn es dann hinten so ein PDF rauspurzelt.
0:07:29–0:07:35
Das war so mein erster Zugriff auf diesen Unterschied und dann habe ich,
0:07:35–0:07:39
das machen wir vielleicht ganz zum Schluss mal, habe ich auch noch so eine Tabelle
0:07:39–0:07:42
jetzt in der Recherche gefunden, natürlich von Wikipedia, was es da so alles gibt.
0:07:45–0:07:47
Und da, das meintest du wahrscheinlich, dieses geführt, halbgeführt,
0:07:47–0:07:50
viertelgeführt und diese alte Sprache aus Bleisatz.
0:07:54–0:07:58
Das ist ja auch so ein Thema. Da werden wir nochmal drauf sprechen.
0:07:58–0:08:01
Und dann halt in dieser Tabelle hinten, fand ich es halt auch irre zu sehen,
0:08:01–0:08:04
jetzt gibt es ja wirklich Unicode, um alles abzubilden.
0:08:05–0:08:10
Aber es ist immer noch so, dass nicht alle alten Spationierungen,
0:08:10–0:08:15
also einfach Abstände oder Strichformate wirklich in Unicode abgebildet sind.
0:08:15–0:08:18
Und beim Recherchieren, ich weiß nicht, ob dir das auch ausgefallen ist,
0:08:18–0:08:22
hatte ich so ein Geschichten aus der Geschichte Feeling. Hast du das gesehen?
Florian Clauß
0:08:23–0:08:25
Das wollte ich eigentlich schon wegschieben.
Micz Flor
0:08:25–0:08:29
Das wollte ich eigentlich vorne wegschieben. Das ist der sogenannte Gedankenstrichkrieg.
0:08:31–0:08:39
Der Gedankenstrichkrieg, da geht es darum, dass nach 89, Zerfall UDSSR in der Tschechoslowakei,
0:08:44–0:08:49
damals war für diese Tschechoslowakei war CSSR, also Tschechische Slowakische
0:08:49–0:08:51
Sozialistische Republik,
0:08:51–0:08:59
dass es da irgendwie Bestrebungen gab, das ein bisschen zu trennen,
0:08:59–0:09:02
beziehungsweise zu verbinden.
Florian Clauß
0:09:02–0:09:04
Was denn zu verbinden und zu trennen?
Micz Flor
0:09:04–0:09:08
Der Name der Tschechoslowakei, weil da Tschechoslowakei ist quasi alles zusammen.
Florian Clauß
0:09:08–0:09:13
Also wie Jugoslawien damals, quasi Vielvölkerstaat, Tschechoslowakei ist Tschechien
0:09:13–0:09:18
und Slowakei, um das jetzt quasi so in einem Wort zu vereinen, aber okay.
Micz Flor
0:09:18–0:09:23
Ja, und es sollte eben aber eben immer noch als Föderation da sein,
0:09:23–0:09:28
allerdings als eigene Teile, eben nicht mehr zusammengewurstet sprachlich.
0:09:32–0:09:38
Und nach 89 war es so, dass zuerst damals der Präsident Václav Havel dafür war,
0:09:38–0:09:44
dass man einfach das sozialistisch rausschmeißt und den Rest irgendwie bestehen lässt,
0:09:44–0:09:47
aber es gab dann auf einmal Stimmen, man solle doch irgendwie deutlich machen,
0:09:47–0:09:54
dass es hier sich um Tschechoslowakei mit einem Strich in der Mitte.
0:09:54–0:09:58
Und das ist jetzt natürlich in der Tat kein Gedankenstrich, das heißt trotzdem
0:09:58–0:10:00
im deutschen Gedankenstrichkrieg. Ich weiß nicht genau.
Florian Clauß
0:10:00–0:10:06
Ja, aber weil das wahrscheinlich genau dieses Format von dem gefürtelten Abstand einhält.
0:10:10–0:10:11
Also quasi den...
Micz Flor
0:10:11–0:10:12
Das halbgeführt ist der...
Florian Clauß
0:10:12–0:10:17
Ich glaube, wir müssen gleich nochmal zur Typografie was machen,
0:10:17–0:10:22
um das mal besser einordnen zu können, weil das wichtig ist zum Verständnis,
0:10:22–0:10:23
warum gefürtelt, halbgeführt...
Micz Flor
0:10:24–0:10:27
Das können wir direkt vielleicht danach machen, aber wenn wir es jetzt hier reinschieben...
Florian Clauß
0:10:27–0:10:32
Genau, also wir machen jetzt eine Fußnote und sagen zwei Seiten weiter.
Micz Flor
0:10:34–0:10:38
Es ging darum, diese Föderation aus Tschechien und Slowakei darzustellen.
0:10:39–0:10:44
Und dann war es die Frage, würde man das als Czesko-Slowensko mit Bindestrich,
0:10:44–0:10:48
beziehungsweise Gedankenstrich oder mit dem Wort und, darstellen.
0:10:50–0:10:52
Und da gab es dann unterschiedliche Stimmungen dazu.
Florian Clauß
0:10:52–0:10:56
Darf ich nochmal ganz kurz einhaken an der Stelle? Also der Gedankenstrich,
0:10:56–0:11:00
so wie man das dann auch irgendwie bei der Wikipedia als Definition findet,
0:11:00–0:11:05
Das ist ja zum einen eine zeitliche Ausdehnung von bis,
0:11:05–0:11:11
also es ist dann grammatikalisch erlaubt, dann von Öffnungszeiten mit Gedankenstrich
0:11:11–0:11:17
zu kennzeichnen, also 14 bis 18 Uhr wird mit einem Gedankenstrich,
0:11:17–0:11:19
es darf kein von davor gepoktet werden.
Micz Flor
0:11:19–0:11:22
Warum fragst du das jetzt, weil das ist jetzt, das ist jetzt zu geil,
0:11:22–0:11:24
dann komme ich ja ganz aus meinem Thema gerade raus.
Florian Clauß
0:11:24–0:11:28
Ne, jetzt, ich möchte es nochmal in den Kontext stellen, ich war noch nicht fertig.
0:11:28–0:11:34
Und es ist vor allen Dingen der Gedankenstrich dafür da, eine räumliche Ausdehnung zu bezeichnen.
0:11:35–0:11:40
Und da kommen wir, glaube ich, wieder in dieses zusammengesetzte Wort Tschechien-Slowakei.
0:11:41–0:11:46
Wenn dann Gedankenstich, dann hat es eine Konnotation von einer räumlichen Verbindung.
Micz Flor
0:11:47–0:11:52
Ja, wobei es ging dann in der politischen Diskussion ging es dann eher darum,
0:11:52–0:11:55
dass die Slowakei fand das ganz gut, sondern spricht da von einem Bindestricht.
0:11:55–0:11:59
Spojovnik. Ich kann es nicht gut aussprechen.
0:12:00–0:12:04
Das wurde allerdings von der tschechischen Seite zurückgewiesen,
0:12:04–0:12:08
weil die sagten, es handele sich eben um einen Gedankenstrich,
0:12:08–0:12:11
der aber auch als Trennstrich interpretiert werden kann.
0:12:14–0:12:16
Pomtschka, Pomtschka, keine Ahnung.
Florian Clauß
0:12:16–0:12:17
Aber er hat die gleiche Länge.
Micz Flor
0:12:18–0:12:21
Ist nicht zu unterscheiden. Das ist beim Gedankenstrich auch noch das Thema später.
0:12:21–0:12:26
Also der wird manchmal, als der wird der gleiche Strich,
0:12:26–0:12:30
wie er eben gesetzt wäre, als halbgeführt oder im Englischen ist es als geführt
0:12:30–0:12:36
Strich, dass der dann eben im grammatikalischen Kontext oder auch im stilistischen
0:12:36–0:12:37
Kontext eine eigene Bedeutung bekommt.
0:12:37–0:12:42
Und hier war es so, der Strich war identisch, aber die einen argumentierten,
0:12:42–0:12:46
ist ein Bindestricht, zeigt die Zusammengehörigkeit und trotzdem kann Slowenska
0:12:46–0:12:48
irgendwie ein bisschen Alleinstellungsmerkmal haben,
0:12:48–0:12:52
weil, das kam dann noch dazu, man sollte es auch ein großes S kriegen,
0:12:52–0:12:59
was aber, glaube ich, grammatikalisch damals auch oder immer noch falsch wäre,
0:12:59–0:13:03
aber die hatten dann irgendwie gesagt, okay, wir machen Bindestricht,
0:13:03–0:13:05
gehören zusammen, Slowenska kriegt ein großes S.
0:13:05–0:13:08
Die tschechische Seite hat argumentiert, nee, das ist ja ein Trennstrich.
0:13:09–0:13:10
Das ist ja irgendwie gar nicht, was wir wollen.
0:13:11–0:13:16
Und darüber hat man sich dann eben gestritten. Die tschechischen Abgeordneten
0:13:16–0:13:19
sahen darin sogar eine, in Anführungszeichen, Beleidigung der Nation.
0:13:19–0:13:23
Also haben das als trennenden Impuls wahrgenommen.
0:13:24–0:13:26
Ich glaube, was ich da so interessant daran finde, ist halt,
0:13:26–0:13:30
dass das natürlich nach 89 für ganz viele Länder eben auch Thema war.
0:13:30–0:13:32
Was gehört zusammen, was ist irgendwie getrennt?
0:13:33–0:13:36
Und es gab da, aber ich kann mich noch erinnern, war damals irgendwie auch in
0:13:36–0:13:41
der Zeitung, weil gleichzeitig auf der westlichen Seite Europas wurde alles
0:13:41–0:13:45
unter diesem Europaschirm quasi zusammengelegt und der östliche Teil Europas
0:13:45–0:13:46
zerfiel halt irgendwie nach 89.
0:13:49–0:13:55
Und ich finde es interessant, halt in diesem Beispiel, wie über die Schreibweise genau diese,
0:13:55–0:14:01
ja wie soll ich sagen, auch diese Unklarheit, also dieser kleine Schritt,
0:14:01–0:14:05
diese beiden Wörter zu trennen, großes S einzuführen, finde ich schon irgendwie
0:14:05–0:14:08
spannend, dass sich das da so einfach auf dieser Wortebene abbildet.
0:14:09–0:14:12
Ist von mir so ein bisschen spekuliert, aber ich gehe davon aus,
0:14:12–0:14:17
dass die Slowakei schon eher durch die Betonung des großen S auch wollte,
0:14:17–0:14:22
dass sie ein bisschen sich da rauszieht, obwohl sie halt argumentiert,
0:14:22–0:14:24
es sei ein Bindestrich, um diesen Schritt überhaupt machen zu können.
0:14:24–0:14:29
Also es war so ein bisschen gegenläufig und das würde auch so ein bisschen daran
0:14:29–0:14:34
anschließen, dass es damals so war, dass die Slowakei zwar unterstrichen hat,
0:14:34–0:14:37
es sollen jetzt beide föderalen Teile miteinander verbunden dargestellt werden,
0:14:38–0:14:44
Aber in Tschechien war es so, dass dieser Strich eher als Weg zur Trennung wahrgenommen wurde.
0:14:44–0:14:51
Weil das war nämlich historisch schon so, dass dieser Strich schon 1938, 1939 eingeführt wurde.
0:14:52–0:14:56
Und dann hat unter Hitler, unter seinem Schutz sozusagen,
0:14:56–0:15:01
hat die Slowakei sich abgespaltet, hat den slowakischen Staat gegründet und
0:15:01–0:15:06
der Rest, in Anführungszeichen, wurde dann eben als Protektorat Böhmen und Meeren
0:15:06–0:15:08
angeschlossen in das Deutsche Reich.
0:15:08–0:15:14
Und das war ein historischer Vorgänger sozusagen, wo der tschechische Teil gesagt
0:15:14–0:15:16
hat, nee, nee, wir fangen gar nicht erst an mit dem Bündnisstrich,
0:15:16–0:15:18
das müssen wir irgendwie anders lösen.
0:15:19–0:15:22
In dem Streit kam man auch nicht schnell irgendwie an einen Punkt, wo man das lösen konnte.
0:15:23–0:15:26
Deshalb gab es 1990 ein Verfassungsgesetz, was den neuen Namen,
0:15:26–0:15:33
in dem Tschechoslowakei noch zusammengefasst blieb, aber als Föderation dargestellt wurde.
0:15:33–0:15:38
Der wurde beschlossen und Teil dieses Beschlusses war auch, dass umgehend ein
0:15:38–0:15:48
neues Gesetz den Namen mit Bindestrich, aber kleinem s für Slowakei umsetzen sollte.
0:15:49–0:15:52
Und dann ging der Streit aber weiter an dem Punkt. Das war dann quasi keine
0:15:52–0:15:57
Lösung, weil sich dann mit dem kleinen S wiederum neue Stimmen meldeten.
0:15:59–0:16:04
Grammatikalisch ist das kleine S richtig, aber die Slowakei wollte ein großes S.
0:16:05–0:16:10
Einfach, um jetzt nicht als Anhängsel oder Adjektiv in Bezug auf Tschechien
0:16:10–0:16:14
dazustehen, sondern um wirklich als Slowakei auf Augenhöhe dastehen zu können.
0:16:15–0:16:21
Es kam dann also letztendlich nie zu diesem Binde- oder Trennstrich-Namen mit großem S,
0:16:21–0:16:27
sondern es wurde dann gleich auch noch 1990 ein Gesetz erlassen,
0:16:27–0:16:34
wonach der neue Namen mit dem Wort UND die beiden Länder verbindet und völlig ohne.
0:16:37–0:16:41
Das Verwirrende daran war, dass jetzt alle Buchstaben, sowohl tschechisch als
0:16:41–0:16:45
auch slovenskisch, als auch föderale, als auch Republik, hatten Großbuchstaben,
0:16:45–0:16:47
was grammatikalisch auch wieder falsch ist.
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Historisch gesehen ist dieser Name immer noch intakt, wenn man über diese Zeit
0:16:52–0:16:54
spricht. 1990 wurde es erlassen.
0:16:54–0:16:57
Aber es wird immer noch eben rechtschreibungmäßig darauf hingewiesen,
0:16:57–0:17:02
dass es nach all dem Hin- und Herschieben irgendwie dann doch dazu kam,
0:17:02–0:17:07
dass man den Strich rausgelassen hat und trotzdem quasi grammatikalisch falsch umgesetzt hat.
0:17:10–0:17:14
Kleine Trivia-Note noch. Das Ding klingt von außen vielleicht eher wirklich
0:17:14–0:17:19
wie so ein Papiertiger-Krieg, also eine kleinkarierte Parlamentssache.
0:17:20–0:17:24
Aber es war sogar, dass Leute in Hungerstreik getreten sind in diesem Thema.
0:17:24–0:17:27
Ich weiß jetzt nicht mehr auf welcher Seite, aber es war für manches einmal
0:17:27–0:17:30
wirklich eine Leib- und Seele-Angelegenheit.
Florian Clauß
0:17:31–0:17:34
Aber waren das auch Parlamentsangehörige, die dann Hunger hatten?
Micz Flor
0:17:34–0:17:36
Das weiß ich nicht, das weiß ich nicht.
Florian Clauß
0:17:36–0:17:39
Oder vor den Parlamenten. Also es war eine sehr emotionale Diskussion.
Micz Flor
0:17:41–0:17:44
Es war auf jeden Fall, ja klar, ich meine, es war nach 89, glaube ich,
0:17:44–0:17:45
für viele sehr emotional.
0:17:47–0:17:51
Und das ist jetzt so die historische Anekdote zum Gedankenstrich,
0:17:51–0:17:53
der Gedankenstrichkrieg von 89, 90.
0:17:55–0:17:58
Und jetzt gehen wir mal wieder ein bisschen zurück, du hast es ja vorhin schon mal kurz angesprochen.
0:18:00–0:18:05
Es geht darum, zu sagen, was macht eigentlich den Bindestrich zum Bindestrich?
0:18:05–0:18:08
Und das finde ich halt eben auch so interessant, weil es gibt auf der einen
0:18:08–0:18:15
Seite typografisch, historisch gesehen vom Schriftsetzen, gibt es halt unterschiedliche
0:18:15–0:18:18
Strichlängen, die gesetzt werden können.
Florian Clauß
0:18:18–0:18:24
Genau, typografisch. Also ich muss ja sagen, dass ich ja jetzt irgendwie so
0:18:24–0:18:27
ein bisschen die Lunde gerochen habe nach unserer letzten Folge,
0:18:27–0:18:32
Wo Tobes dann über Werkfonds gesprochen hat und wo...
0:18:34–0:18:39
Ich bin dann auch mal so ein bisschen in diese ganze Typografie-Geschichte eingestiegen
0:18:39–0:18:42
bin und das Ding ist ja, also da habe ich...
Micz Flor
0:18:42–0:18:44
Du meinst mit Lunte gerochen, du meinst du bist auf den Geschmack gekommen?
Florian Clauß
0:18:45–0:18:49
Lunte gerochen, Geschmack gekommen, was auch immer für ein Sprichwort hier,
0:18:49–0:18:52
aber es ist glaube ich ein...
Micz Flor
0:18:53–0:18:56
Mit Lunte gerochen hätte mich gewundert, wenn du nach der Web-Fonds-Folge gedacht
0:18:56–0:19:00
hättest, hmm, ich rieche die Lunte, der Mitch macht bestimmt was zum Gedankenstrich.
0:19:02–0:19:06
Aber okay, sag mal, du hast den Deckel aufgemacht und hast dich in die bleiernde
0:19:06–0:19:08
Zeit des Buchsatzes begeben.
Florian Clauß
0:19:10–0:19:16
Ja, naja, also wirklich das Faszinierende und auch das ganze Regelwerk,
0:19:16–0:19:20
was da alles rausgekommen ist, wie die technischen Produktionen sind,
0:19:20–0:19:24
was da für Modeerscheinungen gekommen sind, wie Schrift überhaupt sich entwickelt
0:19:24–0:19:26
hat, das ist ja wirklich ein...
0:19:27–0:19:31
Also das ist ja wirklich der heilige Gral des Designs, habe ich ja auch schon mal gesagt.
0:19:34–0:19:38
Da habe ich jetzt so ein bisschen mehr Respekt, weißt du. Man kann nicht mal
0:19:38–0:19:43
so eben so, ha, so hat sich jetzt die gebrochene Schrift entwickelt.
0:19:43–0:19:47
Ich glaube, da gibt es ganz, ganz, ganz viele Leute, die sich unglaublich gut damit auskennen.
0:19:48–0:19:51
Deswegen streifen wir das so ein bisschen und sind vielleicht auch in der einen
0:19:51–0:19:52
oder anderen Sache unsauber.
Micz Flor
0:19:54–0:19:57
Ja, also die Begeisterung ist da, aber das ist ja manchmal so,
0:19:57–0:20:02
man gibt ja diesen Ausdruck gefährliches Halbwissen und ich finde aber Halbwissen
0:20:02–0:20:04
kann auch euphorisches Halbwissen sein.
0:20:04–0:20:09
Zum Beispiel bei Kindern sieht man euphorisches Halbwissen. Das erste Mal irgendwie
0:20:09–0:20:14
im Skateboard mehr als drei Meter drauf gestanden und dann ist einfach mal richtig Party angesagt.
0:20:16–0:20:23
Mir geht es generell so, wenn ich zu viel weiß, dann werde ich eher so ein bisschen geblockt so.
0:20:23–0:20:26
Aber jetzt nach der Webfond-Folge habe ich halt hier schon das Gefühl,
0:20:26–0:20:27
ich muss auch so ein bisschen...
Florian Clauß
0:20:27–0:20:29
Ich muss... Genau, also...
Micz Flor
0:20:29–0:20:34
Nicht, dass Tobes Nachtreck nicht noch beschmiert wird wegen unserer Follow-up.
Florian Clauß
0:20:36–0:20:41
Diese Folge hat nichts mit der vorherigen Folge zu tun. Bitte gehen Sie weiter.
0:20:47–0:20:53
Und dann auf der anderen Seite bei dem Thema Gedankenstrich ist ja die Grammatik
0:20:53–0:20:58
da nochmal mit drin. Also die Grammatik, unter welchen Konstellationen wann
0:20:58–0:21:02
ein Gedankenstrich angewendet werden kann, ist auch ziemlich klar definiert.
0:21:04–0:21:09
Und auf der dritten Seite, und deswegen ist es wirklich so das Kreuzfeuer von
0:21:09–0:21:12
verschiedenen Wissenschaften,
0:21:12–0:21:20
Kulturwissenschaften, ist da natürlich die Literaturwissenschaft und die Lyrik.
0:21:20–0:21:23
Die Lyrik, von der ich sowieso überhaupt keine Ahnung habe.
0:21:27–0:21:31
Da wird ja der Gedankenstrich auch häufig als Stilmittel verwendet.
0:21:34–0:21:37
Und dazu kann ich gar nichts sagen. Nur,
0:21:37–0:21:46
dass einige im Bereich von Dadaismus oder ja einfach die auch sehr mit Struktur,
0:21:46–0:21:50
Textstruktur arbeiten und natürlich auch den Gedankenstrich als Zeichen entdeckt
0:21:50–0:21:56
haben und das natürlich ausgereizt ausgespielt und in diesem Zusammenhang habe
0:21:56–0:21:58
ich auch offiziell recherchiert,
0:21:58–0:22:02
das fand ich ganz interessant, nämlich der berühmteste Gedankenstrich der Literaturgeschichte.
Micz Flor
0:22:06–0:22:11
Begegnet? Ich glaube, wir haben vielleicht in der Recherche das gleiche Text gelesen.
Florian Clauß
0:22:12–0:22:13
Die Maki von O.
0:22:17–0:22:22
Das ist eine Novelle von Heinrich von Kleist. Gut, ich müsste jetzt natürlich
0:22:22–0:22:24
sagen, ich habe Literatur und ich habe Theaterwissenschaft studiert,
0:22:24–0:22:26
also ich darf darüber reden.
0:22:27–0:22:29
Heinrich von Kleist ist wirklich ein großartiger Dramaturg.
Micz Flor
0:22:31–0:22:35
Ich habe Psychologie studiert. Ich bestätige, dass er ein Vollbesitzer Geistigen
0:22:35–0:22:37
Fähigkeiten ist und darüber reden darf.
Florian Clauß
0:22:38–0:22:40
Gut, ich habe es vielleicht 30 Jahre lang nicht gemacht.
Micz Flor
0:22:40–0:22:42
Sag mal, weißt du, hier ist zu viel Wind?
Florian Clauß
0:22:42–0:22:44
Ne, wir haben ja so einen Windschutz.
Micz Flor
0:22:44–0:22:44
Okay.
Florian Clauß
0:22:45–0:22:46
Du musst schneiden.
0:22:51–0:22:58
Und Heinrich von Kleist zeichnet es auch aus, dass er sehr kurze Szenen geschrieben
0:22:58–0:23:02
hat und sehr verknappt auch dann in bestimmte Szenen eingedeutet hat.
0:23:03–0:23:08
Er hat den Gedankenstrich Also so wird es interpretiert,
0:23:08–0:23:12
dass der Gedankenstrich, es geht darum,
0:23:12–0:23:18
dass ein Major die Marquis vor dem Einfall der russischen Soldaten gerettet hat,
0:23:18–0:23:21
sie sollte vergewaltigt werden von denen,
0:23:21–0:23:27
das ist die Szene, er hat sie gerettet und der Gedankenstrich, wo er dann beschreibt,
0:23:27–0:23:30
dass er sie gerettet hat, hier, und dann kommt der Gedankenstrich,
0:23:30–0:23:36
und das ist so eine Textauslassung, wo dann erst im Verlauf der Handlung herauskommt,
0:23:36–0:23:42
dass der Major Vater von dem Kind der Marquise wird.
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Und dass er selber die Vergewaltigung gemacht hat. Und das hat ...
0:23:47–0:23:52
Also, das ist halt ein ziemlich genialer Zug, weil auf der einen Seite wird's
0:23:52–0:23:56
nicht aufgelöst, auf der anderen Seite zeigt er einfach diese Brutalität des
0:23:56–0:24:00
Systems und der Unterdrückung und hat das dann nur in der Andeutung so ...
0:24:02–0:24:04
Geschrieben, ja. Und man weiß nicht, ob es auch so gemeint ist,
0:24:04–0:24:10
aber es ist auf jeden Fall ein dramaturgischer Kniff, der über den Gedankenstrich,
0:24:10–0:24:11
der hier eingeführt wird.
Micz Flor
0:24:12–0:24:15
Dann haben wir vielleicht doch nicht das Gleiche gelesen, weil die Stelle,
0:24:15–0:24:19
auf die bin ich auch gestoßen, aber da wurde es so dargestellt,
0:24:19–0:24:24
als ob sie sich dann ihm freiwillig hingibt, nach all dem Guten, was er ihr tat.
Florian Clauß
0:24:27–0:24:33
Ich habe die Gender-Studies darüber gelesen, dass die Vergewaltigung da ist.
Micz Flor
0:24:33–0:24:36
Ja, aber ich glaube, dass ist ja genau diese Ambivalenz, die entsteht,
0:24:36–0:24:43
wenn man ein Stückchen Sinn verschluckt oder unter diesem Strich begräbt oder
0:24:43–0:24:45
Auslassungsstrich, dass man es weglässt.
Florian Clauß
0:24:45–0:24:50
Genau. Also ich finde auch, wenn man sich persönlich fragt, bevor wir jetzt
0:24:50–0:24:53
wirklich wieder in die technische Geschichte von Gedankenstrichen Eintrau,
0:24:53–0:24:57
würde ich nochmal sagen, wann setzt man einen Gedankenstrich?
0:24:57–0:25:01
Ich meine, wann hast du das letzte Mal einen Gedankenstrich in deinen Texten verwendet?
Micz Flor
0:25:01–0:25:03
Ich mache das inzwischen relativ oft.
0:25:08–0:25:12
Und inzwischen ist es auch so, dass es so ein Bauchgefühl ist,
0:25:12–0:25:15
wo ich denke, hier passt es. Weil ich finde, der Gedankenstrich ist so ein bisschen
0:25:15–0:25:17
wie durch offene Türen laufen.
0:25:17–0:25:21
Es gibt, um halt diese Interpunktionssache da mal anzufassen,
0:25:21–0:25:27
es gibt ähnliche Möglichkeiten mit zum Beispiel eingeschobenen Sätzen umzugehen.
0:25:29–0:25:36
Wenn man die mit Kommata abtrennt, wenn man die in Klammern fasst, zum Beispiel.
0:25:36–0:25:39
Oder wenn man die mit einem Gedankenstrich freistellt.
Florian Clauß
0:25:43–0:25:48
Aber weißt du jetzt noch ein ganz konkretes Beispiel von Text,
0:25:48–0:25:51
wo du gesagt hast, hier setze ich bewusst einen Gedankenstrich?
Micz Flor
0:25:52–0:25:55
Ich habe kein Beispiel im Kopf, aber ich mache es wirklich inzwischen relativ
0:25:55–0:25:58
oft. was wirklich daran liegt, wie ich am Anfang sagte, dass man bei Pandog
0:25:58–0:26:01
mit zwei Minusgänzen hingekriegt hat. Das war total Spaß.
Florian Clauß
0:26:01–0:26:06
Ja, und da kommen wir nochmal auf die vierte Seite zu sprechen, nämlich die Ästhetik.
0:26:07–0:26:10
Also ich meine Typographie auf der einen Seite als Technik, auf der anderen
0:26:10–0:26:15
Seite als Ästhetik, das ist ja wirklich so die, wann setzt man,
0:26:15–0:26:16
also der Text muss schön aussehen.
0:26:17–0:26:20
Also nicht nur der Text liest sich gut, sondern der Text muss schön aussehen.
Micz Flor
0:26:21–0:26:25
Das ist aber, finde ich, beides miteinander verkoppelt. Stell dir mal vor,
0:26:25–0:26:30
ich habe mal hier jetzt einen Text zum Beispiel, den lese ich dir mal vor.
0:26:30–0:26:32
Ich habe so ein paar Sachen noch geschrieben.
0:26:34–0:26:39
Der Satz geht wie folgt. Der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur
0:26:39–0:26:41
gedreht, hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten.
0:26:42–0:26:46
Das ist jetzt, man merkt, das ist nicht meine geniale Erfindung,
0:26:46–0:26:50
aber ich habe jetzt bestehende Beispiele irgendwie weitergeführt,
0:26:50–0:26:56
habe mir was ausgedacht, was zumindest nicht als Erklär dich nicht, erklär dich nicht.
Florian Clauß
0:26:56–0:26:56
Nee, warte mal.
Micz Flor
0:26:56–0:26:59
Der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht,
0:26:59–0:27:03
hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten. Ich hab das hier mit Gedankenstrich geschrieben.
0:27:06–0:27:10
Also, da wird dieser Satz, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht,
0:27:10–0:27:16
der könnte auch mit Kommata oder mit Klammern abgetrennt sein,
0:27:16–0:27:18
aber es liest sich total anders, ne?
0:27:18–0:27:21
Also, es ist so, der Film, er wurde von einem renommierten Regisseur gedreht,
0:27:21–0:27:25
mehr gesprochene Sprache, wenn ein Gedankenstrich drin ist.
0:27:25–0:27:29
Wenn eine Klammer drin ist, dann ist es eher so ein bisschen akademisches Schreiben
0:27:29–0:27:34
oder so technisches Schreiben oder eher so besserwisserisches Schreiben sogar.
0:27:36–0:27:39
Und mit Komma abgetrennt ist keine Ahnung, ist eher so...
0:27:42–0:27:43
Das ist doppelt so ein bisschen.
Florian Clauß
0:27:43–0:27:48
Ja gut, mit Klammern ist eher ungewöhnlich.
0:27:49–0:27:52
Das finde ich jetzt nicht so akademisch oder besserwisserisch.
0:27:53–0:27:57
Das finde ich eher so handwerklich ungeschickt, mit Klammern zu arbeiten.
Micz Flor
0:27:57–0:28:01
Aber das könnte auch gehen. Ich könnte zum Beispiel, wenn man wirklich was einfügt,
0:28:01–0:28:04
wo der Erzähler noch mal richtig als Erzähler auch da kommen sollte.
0:28:04–0:28:09
Man könnte, ich erfinde jetzt, man sagt so, sie nahmen den Bus, Klammer auf.
0:28:09–0:28:11
Er wusste, dass der in die falsche Richtung geht, Klammer zu,
0:28:11–0:28:15
und fuhren glücklich bis zur letzten Haltestelle. Das habe ich mir ganz frei
0:28:15–0:28:18
ausgedacht. Aber da hast du, Klammer auf, Klammer zu, da würdest du wirklich
0:28:18–0:28:22
dann so was, dass der Erzähler dir nochmal mit Augenzwinkern irgendwie was sagt.
Florian Clauß
0:28:22–0:28:27
Die wussten schon, was sie tun. Okay, aber das, was er wurde von einem renommierten,
0:28:27–0:28:30
das könnte jetzt auch eine Fußnote sein, wo dann, Klammern häufig,
0:28:30–0:28:35
die Funktion von Fußnoten übernehmen, wo eigentlich noch mehr Information über
0:28:35–0:28:41
diese Texte, die aber nicht zum Text dann halt quasi weiter inhaltlich beiträgt,
0:28:41–0:28:44
sondern noch als Zusatzinformation genommen werden kann.
0:28:44–0:28:49
Das ist für mich dann auch der eine. Und das könnte man halt in Fußnoten packen. Ja.
0:28:49–0:28:52
Aber stimmt, was du sagst, ist auf jeden Fall ein Szenario.
Micz Flor
0:28:52–0:28:54
So ein Einschub da drin. Es ist kein eigener Satz. Es ist irgendwie,
0:28:54–0:28:58
aber ja, man könnte es als Fußnote nennen, dann müsste man es als eigener Satz nochmal formulieren.
0:29:00–0:29:04
Aber es ist, wenn man es jetzt wirklich eher so als Radiostimme im Kopf haben
0:29:04–0:29:09
möchte, dass der Gedankenstrich da einfach einen mehr so an der Oberfläche des
0:29:09–0:29:11
Textes an der Zeit irgendwie dran lässt.
0:29:11–0:29:15
Das Komma ist so ein bisschen holprig und die Klammer finde ich ist wirklich so,
0:29:16–0:29:18
als ob das auf eine andere Ebene springt.
Florian Clauß
0:29:18–0:29:20
Das stimmt, ja. Ja, das kann ich nachvollziehen.
Micz Flor
0:29:20–0:29:25
Ich kann ja mal ganz kurz, ich hab so ein paar Sachen, wir sind jetzt beim Stilmittel,
0:29:25–0:29:27
also literarischen Texten.
0:29:27–0:29:31
Wie kann das, und da habe ich so ein paar Beispiele jetzt eben generiert.
0:29:31–0:29:34
Also es gibt zum Beispiel die Hervorhebung und Betonung.
0:29:35–0:29:40
Der Gedankenstrich, der wird dann einfach verwendet, um da nochmal was zu betonen.
0:29:40–0:29:44
Du merkst dann, das kannst du mit einem Komma oder mit Klammern nicht machen.
0:29:44–0:29:48
Der Satz, den ich habe, ist so, sie war die einzige Person, wirklich die einzige,
0:29:48–0:29:52
die an meiner Seite stand, als alle anderen gegangen waren.
0:29:53–0:29:57
Meine, da fehlt ein R, habe ich falsch gemacht. Sie war die einzige Person,
0:29:57–0:30:01
Strich, wirklich die einzige, Strich, die an meiner Seite stand.
0:30:01–0:30:03
Das könnte man auch mit einem Komma machen.
0:30:03–0:30:07
Es muss nämlich sowieso hinter diesem Gedankenstrich, sehr hässlich da im Kammer,
0:30:07–0:30:12
eingesetzt werden, Weil in der Rechtschreibung ist das so ein Gedankenstrich.
0:30:13–0:30:15
Hat eigentlich rechts und links im Deutschen immer auch ...
0:30:17–0:30:21
Whitespace, also ein Freizeichen. Allerdings nicht, wenn ...
Florian Clauß
0:30:21–0:30:22
Komma, ein Nebensatz.
Micz Flor
0:30:22–0:30:27
Wenn anderes Interpunktionszeichen, Fragezeichen, Ausdruckszeichen, Komma oder so was da ist.
0:30:27–0:30:30
Das heißt, es sieht zwar hässlich aus, trotzdem ist es nachvollziehbar,
0:30:30–0:30:34
dass das mit nur Komma keine gute Betonung ist. Sie war die einzige Person,
0:30:34–0:30:42
Komma, die an meiner Seite stand. technisch. Das wäre also Hervorhebung und Betonung.
0:30:42–0:30:46
Man kann aber auch Spannung damit aufbauen im Literarischen.
0:30:47–0:30:52
Er blickte über die Klippe hinunter in die tiefen, schwarzen Fluten des Ozeans
0:30:52–0:30:55
und dann verschwand er einfach.
0:30:55–0:31:02
Das ist diese kleine Pause hinter Ozeans. Er blickte hinunter in die schwarzen Fluten des Ozeans.
0:31:04–0:31:07
Und dann verschwand er einfach. Das UND bindet die beiden Sätze zusammen,
0:31:07–0:31:10
aber wenn du dann beim Lesefluss einen Gedankenstrich vor dem UND hast,
0:31:10–0:31:15
dann bleibt das fast wie bei dem Kleist-Beispiel auch ein bisschen offen.
0:31:15–0:31:17
Ist jetzt zurückgetreten, ist ja gesprungen, was da passiert.
Florian Clauß
0:31:17–0:31:21
Also ist es vor allen Dingen ein narratives Element? Würdest du das so sehen?
0:31:21–0:31:28
Oder kann es auch in akademischen Texten dann einfach zur Betonung benutzt werden
0:31:28–0:31:29
von wichtigen Absätzen?
Micz Flor
0:31:31–0:31:36
Naja, dieses mit dem renommierten Regisseur, das könnte auch eine andere Information sein.
0:31:37–0:31:41
Ich finde, der Bindestrich der Gedankenstrichschuldigen, der lässt das irgendwie offen.
0:31:41–0:31:44
Da kann man irgendwie, finde ich, besser... Das meine ich, das ist wie eine
0:31:44–0:31:49
offene Tür. Man liest einfach weiter. Es ist, als ob man es im Radio hört und
0:31:49–0:31:53
nicht, als ob man es sich im Text erarbeiten muss. Ich finde es eher ein Audiobook als Zeitung.
Florian Clauß
0:31:54–0:32:01
Ja, ich habe mal von einem Texter gehört, der gesagt hat, in jedem guten Text gehört ein Semikolon.
0:32:04–0:32:08
Das könnte sich ja ausweiten auf alle möglichen Sonderzeichen,
0:32:08–0:32:10
aber in jedem guten Text gehört ein Gedankenstrich.
Micz Flor
0:32:11–0:32:15
Das Lustige ist, ich habe sogar, glaube ich, neulich mal Semikolon benutzt,
0:32:15–0:32:19
aber dann wirklich so innerlich kichernd, weil das war eine Aufzählung von Sätzen.
0:32:19–0:32:23
Das war ein Smiley.
0:32:23–0:32:26
Das war eine Aufzählung von einzelnen Sätzen und die wollte ich wie eine Liste
0:32:26–0:32:30
hintereinander schreiben und dann hatte ein Satz grammatikalisch nochmal ein
0:32:30–0:32:34
Komma mittendrin. Das heißt, das Komma als Trennung war nicht mehr gut genug.
0:32:34–0:32:35
Dann bin ich so quasi accelerate.
0:32:36–0:32:39
Und dann habe ich einen oben drauf gesetzt und habe ich mit Semi-Kolon meine
0:32:39–0:32:41
Liste getrennt und konnte dann das Komma einsetzen.
0:32:45–0:32:46
Lesbar, spürbar, klar.
Florian Clauß
0:32:46–0:32:52
Aber was ich damit sagen will, und ich glaube, da kommen wir auf so einen Eigentlich-Punkt,
0:32:52–0:32:58
dass tatsächlich so Satzzeichen über die grammatikalische Funktion hinaus auf
0:32:58–0:33:00
einmal so eine narrative Funktion bekommen.
0:33:01–0:33:06
Das sind halt so seltene Zeichen, wie Semikolon oder Gedankenstrich.
0:33:08–0:33:12
Wenn man die einnetzt, dann gibt es halt nochmal so einen für den Adressaten,
0:33:12–0:33:23
derjenige, der das liest, einen Inhalten oder einen Punkt,
0:33:23–0:33:28
wo man einen gewissen Abstand bekommt im Text.
Micz Flor
0:33:29–0:33:34
Ja, ich glaube, das erste Mal, ich weiß nicht, vielleicht geht es dir ähnlich
0:33:34–0:33:37
wie mir, aber das erste Mal, das Semikolon war so eine ganz frühe Verwirrung.
0:33:37–0:33:40
Das war schon in der Grundschule, das war für mich ein total verwirrter Semikolon.
0:33:40–0:33:44
Das war mir zu anstrengend, zu viel Arbeit, keine Ahnung, muss man so viel denken.
0:33:44–0:33:45
Aber es gab so ein zweites Satzzeichen.
Florian Clauß
0:33:48–0:33:50
Also spätestens als du angefangen hast zu programmieren.
Micz Flor
0:33:50–0:33:54
Dann braucht es ja jeden Fall. Aber es gab so ein zweites damals,
0:33:54–0:33:57
ich glaube sogar, das war sogar noch Grundschule, wo ich das zum ersten Mal
0:33:57–0:34:01
wahrgenommen habe, was mich total fasziniert hat.
0:34:01–0:34:05
Das war so zauberhaft und da ist dann wirklich eben aus der Interpunktion heraus
0:34:05–0:34:08
was Poetisches entstanden. Einfach beim Hingucken.
0:34:09–0:34:15
Was ich da meine? Ja. Möchtest du es mit mir und den anderen,
0:34:15–0:34:17
die sieht das ja nur ein Teil?
Florian Clauß
0:34:17–0:34:18
Nein, Semikolon.
Micz Flor
0:34:20–0:34:25
Ich löse es jetzt auf, nur du kannst es sicherlich erraten, teilst es aber nicht,
0:34:25–0:34:28
gibst es mir nicht zurück, deshalb nehme ich es mir einfach.
0:34:28–0:34:30
Und zwar ist es also die drei Punkte Ellipsis.
0:34:31–0:34:34
Also wenn man so einen Text, das ist ja ein bisschen ähnlich beim Gedankenstrich,
0:34:34–0:34:37
kann man ja auch Dinge auslassen, hast du ja gerade bei Kleist schon das Beispiel
0:34:37–0:34:39
genannt, Aber es ist ja diese...
0:34:41–0:34:42
Und dann war alles klar.
Florian Clauß
0:34:42–0:34:44
Punkt, Punkt, Punkt.
Micz Flor
0:34:44–0:34:47
Das war so der Moment, das weiß ich noch, da war ich noch relativ jung,
0:34:47–0:34:48
war noch irgendwie noch nicht so...
Florian Clauß
0:34:48–0:34:50
Hast du Fünf Freunde gelesen?
Micz Flor
0:34:50–0:34:53
So in der Art, ja. Da ist es vielleicht auch sogar drin. Aber da habe ich zum
0:34:53–0:34:55
ersten Mal, das hat so Huhuhu gemacht.
Florian Clauß
0:34:55–0:34:57
So Punkt, Punkt, Punkt.
Micz Flor
0:34:58–0:35:01
Ja, und dann ist es, ah, kann alles mögliche.
Florian Clauß
0:35:03–0:35:06
Ja stimmt, das sind die frühen Detektivgeschichten für so Kinder.
0:35:06–0:35:08
Sie kommt echt oft Punkt, Punkt, Punkt vor.
0:35:10–0:35:14
So, dann gehen wir jetzt durch das Brutgebiet von der... Gucken wir nochmal.
0:35:14–0:35:15
Das ist nämlich hier alles abgedrängt.
Micz Flor
0:35:15–0:35:19
Winddrachen. Das sind schon ein paar junge Winddrachen im Himmel.
0:35:20–0:35:22
Frisch geschlüpft. Ja, siehst du, der Witz war gut.
0:35:25–0:35:28
Vorbeigehendes Publikum bricht schallend zusammen. Punkt, Punkt, Punkt.
Florian Clauß
0:35:28–0:35:30
Gedankenstrich. Hier brütet die Feldlerche.
0:35:34–0:35:38
Aber jetzt ist gemäht, das heißt, die Feldlärche wird nicht mehr brüten,
0:35:38–0:35:42
die ist durch. Die neue Generation ist gesichert und wir machen weiter.
Micz Flor
0:35:42–0:35:43
Wir machen weiter.
0:35:48–0:35:51
Das Einschüben und Nachsetzen war das mit dem Regisseur, was ich vorhin schon sagte.
0:35:51–0:35:54
Es gibt aber auch, das kennst du auch ganz oft, so Dialoge, wird manchmal sogar
0:35:54–0:36:00
auf Werbung, wenn halt irgendwie mit kurzem Dialog ein Produkt begleitet wird,
0:36:00–0:36:02
irgendwas mit Plop oder sowas.
0:36:02–0:36:07
Dann wird auch der Gedankenstrich zum Beispiel, hast du das Buch gelesen?
0:36:08–0:36:12
Strich, nein, ich hatte keine Zeit. Also dann ist klar in dem Moment,
0:36:12–0:36:14
durch den Binnenstrich, es ist Frage-Antwort.
0:36:15–0:36:17
Es sind zwei Leute, die miteinander reden.
0:36:18–0:36:20
Dann gibt es unvollständige Gedanken.
0:36:25–0:36:30
Da ist mir nichts anderes eingefallen, als was ein bisschen aufgebracht klingt.
0:36:30–0:36:33
Wenn du das nicht sofort zurückgibst, dann Strich.
Florian Clauß
0:36:35–0:36:37
Aber dann würde ich eher sagen Punkt, Punkt, Punkt.
0:36:39–0:36:41
Du hast mir den Flo ins Ohr gesetzt.
Micz Flor
0:36:41–0:36:42
Du bist der Flo.
Florian Clauß
0:36:43–0:36:44
Aber ohne H.
Micz Flor
0:36:45–0:36:51
Dann gibt es auch ganz kurz gefasst die Ankündigung von etwas oder etwas Unerwartetes,
0:36:51–0:36:52
was dann so zusammengepackt wird.
0:36:53–0:36:59
Da habe ich geschrieben, die Schuhe passen wie angegossen und waren so billig.
0:37:00–0:37:03
Auch dieses und waren so billig ist natürlich,
0:37:03–0:37:05
braucht man keinen Bindestrich, aber,
0:37:05–0:37:09
äh, Gedankenstrich, aber mit dem Gedankenstrich wird es nochmal betont,
0:37:09–0:37:12
ja, es ist was Unerwartetes, ja,
0:37:12–0:37:15
dass der, man ist irgendwie noch in dem Bild, die Schuhe passen,
0:37:15–0:37:18
aha, aha, aha, man sieht dann das Video von dir, wie du deine Schuhe einläufst
0:37:18–0:37:24
beim Wandern, und waren so billig, ist dann, passt dazu und gleichzeitig durch
0:37:24–0:37:27
diesen Gedankenstrich wird das Unerwartete nochmal betont.
0:37:27–0:37:32
Man kann auf eine ähnliche Art auch so einen Wechseleffekt, also wenn sich was
0:37:32–0:37:37
um 180 Grad dreht oder kann man mit einem Gedankenstrich irgendwie einleiten.
0:37:37–0:37:41
Der Satz, der mir dazu eingefallen ist, von zwei Dingen, die zwar zusammenhängen
0:37:41–0:37:48
und trotzdem völlig unterschiedliche Stimmung andeuten, ist mein Satz hier.
0:37:49–0:37:50
Da sind ja die Schlüsselstrich.
0:37:51–0:37:56
Jetzt aber schnell, wir sind schon spät dran. Also das gehört in einen Satz,
0:37:56–0:37:59
aber man merkt, das sind zwei Dinge, die gehören zusammen.
0:37:59–0:38:02
Gleichzeitig sind die getrennt und der Gedankenstrich ermöglicht dir diesen
0:38:02–0:38:05
Tempowechsel, wie du es schönes Wort dafür auch darzustellen.
0:38:07–0:38:12
Und dann, wenn es dann ein bisschen poetischer wird, dann kann das...
0:38:14–0:38:18
Kann das einfach wirklich auch als Stilmittel genutzt werden, um Pausen einzuziehen.
0:38:19–0:38:25
Zum Beispiel, die Musik spielte leise ein zartes Wiegenlied, das die Seele berührt.
0:38:25–0:38:31
Zum Beispiel, er lachte frech.
0:38:32–0:38:35
Die Sonne ging unter. Das wäre jetzt wiederum unerwartet, das zusammenzubringen.
Florian Clauß
0:38:41–0:38:45
Ja, ich möchte mal zur Laufstrecke sagen, dass ich dieses Tempelruferfeld jedes
0:38:45–0:38:50
mal wenn ich drüber bin drüber laufe bin ich so verzaubert weil ich das so toll finde.
0:38:51–0:38:58
Aber auf dieser Schnittstelle zwischen Großstadt und Land hat es ja nochmal
0:38:58–0:39:00
so eine ganz bedeutende Funktion als Kaltfeld.
0:39:01–0:39:04
Also in der Stadt nochmal so eine große Fläche zu haben, dass du halt so ein
0:39:04–0:39:08
Kaltfeld aufbauen kannst, dass sich die Stadt nicht so aufheizt.
0:39:08–0:39:16
Und dann von der Freizeit, Architektur ist halt so toll, dass die Leute so Sport machen können.
0:39:16–0:39:21
Also ich fahre ja auch öfters mal mit dem Rad hier drumrum, aber ich laufe nicht
0:39:21–0:39:25
oft durch das Tempelhofer Feld. Ich fahre immer die äußere Runde und ich finde
0:39:25–0:39:26
das irgendwie so großartig.
0:39:28–0:39:30
Das ist wirklich ein Reichtum hier.
Micz Flor
0:39:30–0:39:33
Ich finde es auch super. Ich finde es auch total absurd, dass immer wieder die
0:39:33–0:39:36
Diskussion losgeht, das irgendwie anzukratzen, von den Rändern heranzubauen.
Florian Clauß
0:39:36–0:39:41
Ja, von den Rändern heran, aber du kannst, also ich habe das auch mal mit so
0:39:41–0:39:45
einem Freund besprochen, der dann in der Stadtplanung ist, du kriegst halt diese
0:39:45–0:39:50
Startbahn und Landebahn nicht raus, weil da zwölf Meter oder sechs Meter Beton
0:39:50–0:39:51
einfach in der Erde drin ist.
0:39:51–0:39:55
Und jeder, der hier diesen Zuschlag für das Gebiet bekommt, kann sich einfach
0:39:55–0:40:01
nicht leisten, das hier zu renovieren, weil du musst erst mal zwölf Meter oder
0:40:01–0:40:05
sechs Meter Beton aus Erde raus pulen. Das ist, das kann man,
0:40:05–0:40:06
das ist halt wie so ein Bunker.
0:40:06–0:40:09
Weißt du, wie halt irgendwie so in Wien dann immer noch diese Bunker stehen
0:40:09–0:40:14
geblieben sind und bei uns dann nur gesprengt worden konnten im Windschatten
0:40:14–0:40:17
vom Krieg, wo sich keiner mehr beschwert hat.
0:40:18–0:40:20
Aber du kriegst es halt einfach nicht renoviert.
Micz Flor
0:40:21–0:40:27
Ich finde es aber auch anders. New York hat halt Central Park und das ist halt einfach gesetzt.
0:40:28–0:40:32
Das gehört einfach so dazu und ich finde es schade, dass in Berlin da überhaupt
0:40:32–0:40:35
eine Diskussion läuft. Ich bin mir sicher, dass niemand in New York sagt,
0:40:35–0:40:38
wir könnten noch mal Häuser in Central Park bauen.
Florian Clauß
0:40:38–0:40:42
Ja gut, aber du musst ja die angrenzende Fläche zum Central Park,
0:40:42–0:40:46
es geht ja immer nur um die angrenzende Fläche, die noch irgendwie einbezogen wird.
0:40:47–0:40:53
Also jetzt nicht das Gebiet selber, das Kerngebiet, sondern darum geht es in der Diskussion.
Micz Flor
0:40:53–0:40:57
Am Tempelhofer Feld? Ja. Aber dann verstehe ich die Sache nicht.
0:40:57–0:41:01
Das Tempelhofer Feld hat jetzt gerade einen Zaun drumherum und da hört es auf.
Florian Clauß
0:41:02–0:41:07
Aber es geht quasi um, ja, wahrscheinlich um so 100, 200 Meter,
0:41:07–0:41:08
die halt hier in dieses Feld reinragen.
Micz Flor
0:41:09–0:41:14
Ja, die Randbebauung eben, dass man den Rand irgendwie weggibt und es verkleinert.
Florian Clauß
0:41:14–0:41:16
Weißt du, was das da für ein Turm ist, da hinten?
0:41:19–0:41:21
Der sieht auch noch so neu aus.
Micz Flor
0:41:22–0:41:26
Ja, das sieht neu aus und irgendwie von Proportionen so komisch.
0:41:26–0:41:28
Ja, weil der so verloren ist. Ja, als ob das...
0:41:29–0:41:31
Ja, aber auch die Fensterhöhe ist...
Florian Clauß
0:41:31–0:41:36
Okay, so viel zur Laufstelle. Wir sind schon gerade ein bisschen lost auf der Welt.
0:41:39–0:41:44
Aber du wolltest nochmal zur Geschichte der Typografie und des Bleisatzes,
0:41:44–0:41:49
des Buchdrucks, wo sich dann natürlich der Gedankenstrich als Maßeinheit ableitet.
0:41:53–0:41:55
Und dann kommen wir zu den gefürtelten
0:41:55–0:41:59
und halbgefürtelten und gefürtelt gefürtelten, viergefürtelten.
Micz Flor
0:42:01–0:42:05
Also, wenn man sich ganz kurz fasst, erst mal von der Bedeutung des Gedankenstrichs
0:42:05–0:42:08
her, dann spricht man vom Langstrich oder den Geführtstrich.
0:42:09–0:42:17
Der Langstrich ist der deutsche Gedankenstrich, das ist halb so lang wie der
0:42:17–0:42:21
Geführtstrich, heißt deshalb auch halbgeführt von der Länge her.
0:42:21–0:42:24
Geführt ist ein altes Wort, können wir vorweggreifen für Quadrat quasi,
0:42:24–0:42:31
und hat damit zu tun, dass die Buchstabengrößen, Spationierung zwischen den
0:42:31–0:42:37
Buchstaben und so weiter, das wurde alles in Geführt unterteilt, oder was?
Florian Clauß
0:42:37–0:42:40
Darf ich da nochmal eingreifen, weil das, glaube ich, wichtig ist?
0:42:40–0:42:41
Also, wir verlinken das,
0:42:41–0:42:46
aber wenn man sich dann halt quasi so den einzelnen Buchstaben als Bleisatz vorstellt,
0:42:46–0:42:50
dann gibt es so verschiedene Areale in diesem Bleisatz,
0:42:50–0:42:57
die heute auch tatsächlich noch in der ganzen Typografie-Setzung auf dem Desktop-Publishing
0:42:57–0:43:01
immer noch irgendwie präsent sind als Begriffe, nämlich das,
0:43:01–0:43:04
was dann eben die Dikte ist.
0:43:04–0:43:08
Also das heißt, das ist im Prinzip die Höhe von,
0:43:08–0:43:13
also die Breite von den Buchstaben, wenn man sich, mit einer gewissen,
0:43:13–0:43:18
mit einem gewissen Raum drumherum und es gibt dann das, was dann halt dieses
0:43:18–0:43:23
geviertel oder geviertel ausmacht, ist dann die kegelhöhe oder die kegelstärke.
0:43:25–0:43:30
Das heißt, das ist alles, was der buchstabe ausmacht, mit dem zeug drum rum.
0:43:32–0:43:38
Und wenn man das, quasi diese länge, einheit zum quadrat nimmt, dann hat man ein.
0:43:41–0:43:49
Und das ist jetzt so die Einheit, nach der quasi sich der Abstand der Buchstaben
0:43:49–0:43:53
zueinander richtet, wie auch die Zeilenhöhe.
0:43:53–0:43:55
Also es hat eher eine Bedeutung für die Zeilenhöhe.
0:43:56–0:44:04
Und das Gefürtel ist dann im Prinzip eine Einheit, ein ziemlich langer Abstand
0:44:04–0:44:05
von einem Buchstaben zum nächsten.
0:44:07–0:44:11
Und das ist dieser Raum, den als Maßeinheit,
0:44:11–0:44:14
aber das ist auch sehr übertragen gesprochen, weil das kann man nicht so eins
0:44:14–0:44:19
zu eins quasi dann ableiten, für die Länge eines Gedankenstriches,
0:44:19–0:44:22
für den Satzlänge oder für die...
Micz Flor
0:44:22–0:44:27
Genau, und das ist, wenn man dann weiterliest, das halbgeführt würde ja bedeuten,
0:44:27–0:44:33
ich habe die Hälfte eines Geführts für diesen Schriftsatz, aber das ist dann eben auch nicht so.
0:44:33–0:44:36
Also das, was du vorhin gesagt hast, auf einer inhaltlichen Ebene,
0:44:36–0:44:41
dass das Satzzeichen mehr macht als nur Punkt, Komma, Strich,
0:44:41–0:44:46
sondern dass es auch inhaltlich eine Auswirkung hat.
0:44:46–0:44:50
So ist es dann im Endeffekt auch, dass der Bindestrich, Entschuldigung,
0:44:50–0:44:55
der Gedankenstrich, das halbgeführte Strich, nicht bei dem Font wirklich immer diese Länge hat.
0:44:55–0:44:59
Da können wir nochmal verlinken, da habe ich auch auf einer Webseite Beispiele
0:44:59–0:45:01
gefunden unterschiedliche Schriftsätze,
0:45:01–0:45:07
wo du siehst, dass im Endeffekt ist das dann auch nur ein Name und ein Name,
0:45:07–0:45:12
der sich ableitet über eine Bemessung, aber diese Bemessung ist dann nicht mehr verbindlich.
Florian Clauß
0:45:16–0:45:21
Ja, ich glaube auch, weil einfach sich, also das kann man nicht eins zu eins
0:45:21–0:45:26
so auflösen, aber man kann die Tendenz, und dann gibt es das Halbgeführte,
0:45:26–0:45:28
und das ist halt dieses EM, EN.
0:45:29–0:45:34
Das EM ist quasi das Geführte als Einheit und das EN, wo wir am Anfang der Episode
0:45:34–0:45:38
waren, E wie Nordpol, dann das Halbgeführte.
0:45:40–0:45:44
Damit leiten sich bestimmte Maßeinheiten in der Fondsetzung daraus ab.
Micz Flor
0:45:44–0:45:49
Und wenn man in diese Striche, also die Striche kann man sich ja gut vorstellen,
0:45:49–0:45:52
also halbgeführt ist halb so lang wie ein Geführt.
0:45:53–0:45:57
Es gibt aber auch einfach die Abstände zwischen Buchstaben,
0:45:57–0:46:02
die werden natürlich auch in diesen Maßen bemessen und das findet man sogar
0:46:02–0:46:08
heute noch in HTML, in HTML, wo normalerweise macht man Leerzeichen und im Browser
0:46:08–0:46:10
wird das alles dann automatisch gesetzt, wenn man es gerne hätte.
0:46:11–0:46:15
Aber, und wir hatten früher auch mal so eine Software, wo man Sachen setzen konnte,
0:46:15–0:46:20
die dann in HTML im Bildschirm editiert wurden und gleichzeitig auch so als
0:46:20–0:46:23
PDF rausgerechnet Da war es so, dass ein paar Verlage auch wirklich wollten,
0:46:23–0:46:26
dass man bestimmte Abstände da direkt reinnehmen kann.
0:46:26–0:46:33
Und das gibt es im HTML, zum Beispiel, was du gerade sagtest, das geführt.
0:46:34–0:46:38
M, im Englischen heißt es auch M-Dash, das ist eben dieser Strich,
0:46:38–0:46:40
das ist der Geführt-Strich.
0:46:40–0:46:50
Und als Leerzeichen mit einer Geführt-Länge ist in HTML dieses und-Zeichen em,
0:46:50–0:46:53
sp für spacing, Semikolon.
0:46:54–0:46:58
Und das Halbgeführt ist dann und-Zeichen en, sp, Semikolon.
0:47:00–0:47:03
Es gibt sogar in HTML auch das Drittelgeführt und das Viertelgeführt.
0:47:05–0:47:13
Das ist dann EMSP13 ist das Drittel, also M, Spacing, gedrittelt und EMSP14,
0:47:13–0:47:15
Semikolon, ist ein Viertelgeführt.
0:47:17–0:47:20
Das fand ich ganz interessant, das war mir jetzt vor der Recherche auch nicht klar.
0:47:20–0:47:26
Das ist in HTML, in XHTML ist es abgebildet, in Unicode ist es auch abgebildet.
0:47:28–0:47:31
In HTML gibt es sogar ein Fünftelgeführt, das heißt aber Thinspacing, dünner Abstand.
0:47:36–0:47:43
Sechstelgeführt und Achtelgeführt gibt es auch noch. Sechstelgeführt ist in XHTML und Unicode.
0:47:44–0:47:48
Das Achtelgeführt ist allerdings nur in LaTeX. Also das ist quasi nicht mal
0:47:48–0:47:51
in Unicode abgebildet, was mich auch verwundert hat, weil ich dachte,
0:47:51–0:47:55
Unicode soll irgendwie alles erfassen, was irgendwie mit Schriften zu tun hat.
0:47:55–0:47:59
Und ich dachte, dass dann alles, was jetzt in LaTeX auch an Schriften schon
0:47:59–0:48:03
abgebildet werden kann, auf alle Fälle auch in Unicode-Verwendung findet.
0:48:05–0:48:12
Und dann gibt es natürlich den &m-Semikolon und &n-Semikolon auch als HTML-Zeichen.
0:48:13–0:48:17
Da gibt es für die Striche nur den geführten Strich und den halbgeführten Strich.
0:48:19–0:48:22
Das Minuszeichen ist weder noch. Das ist nochmal wieder was anderes.
Florian Clauß
0:48:24–0:48:28
Der Bindestrich kommt dann auch dazu, der ist auch normal. Also das wird dann
0:48:28–0:48:31
halt irgendwie zusammengelegt aus ergonomischen Gründen,
0:48:31–0:48:36
dass du halt früher bei deiner Schreibmaschine deinen Bindestrich und Minus
0:48:36–0:48:42
dann zusammengeführt hast und der ist aber wirklich auch dann nochmal ein eigener
0:48:42–0:48:46
Unique Space dann in diesem ganzen UTF-Raum.
Micz Flor
0:48:46–0:48:49
Ja, also genauso wie die White Spaces
0:48:49–0:48:53
gibt es halt für den Strich auch den doppelgeführten das ist der lange,
0:48:53–0:48:56
der ist richtig lang, den geführt Strich,
0:48:56–0:49:01
das ist der doppelte Bindestrich, sozusagen, der ist auf alle Fälle genutzt
0:49:01–0:49:06
im Englischen für die, wie wir den Bindestrich nutzen, wird da der geführt Strich,
0:49:06–0:49:09
also der doppelt so lange genutzt, dreiviertel, zweidrittel, halb, viertel.
0:49:14–0:49:20
Und der viertelgeführte Strich heißt auch Divis und der wird oft als Bindestrich benutzt.
Florian Clauß
0:49:20–0:49:22
Ja genau, Divis ist so ein Default-Strich.
Micz Flor
0:49:23–0:49:30
Ja, aber es gibt genau dann eben Bindestrich- und Minuszeichen auch nochmal bei XHTML und Unicode.
0:49:31–0:49:37
Das gibt es bei Latex nicht, dieses Bindestrich-. Ich fand es ganz interessant zu schauen,
0:49:37–0:49:45
dass es einerseits diese archaischen Bleigießer-Maße gibt, die auch irgendwie
0:49:45–0:49:47
immer noch Verwendung finden.
0:49:47–0:49:52
Das sind Sachen, die wirklich einfach mit den Proportionen zu tun haben,
0:49:52–0:49:55
sind relative Begriffe und trotzdem ist es im modernen Design so,
0:49:55–0:49:59
dass die nicht wirklich eingehalten werden. Da sind sie dann einfach auch nur
0:49:59–0:50:00
noch Worte oder Benennungen.
Florian Clauß
0:50:02–0:50:08
Aber die sind abgeleitet ganz klar aus diesem Handwerk des Bleigießens.
Micz Flor
0:50:08–0:50:11
Und ich finde es einfach verrückt, dass es dann eben nicht, ich hätte wirklich
0:50:11–0:50:15
gedacht, dass es in Unicode alles auch einen Platz findet, aber da gibt es scheinbar
0:50:15–0:50:20
Leerstellen, wo Unicode bestimmte Sachen nicht erfasst hat, in Strichlängen auch.
Florian Clauß
0:50:20–0:50:22
Ja, wahrscheinlich, weil es dann halt auch keine Relevanz mehr hat.
0:50:22–0:50:25
Also das Consortium sagt dann halt irgendwie so, ja gut, warum würden wir jetzt
0:50:25–0:50:30
irgendwelche Druckergeschichten dann mitschleppen, die dann halt irgendwie keine Relevanz mehr haben.
Micz Flor
0:50:30–0:50:34
Ist das so? Weil gleichzeitig wird ja ein Unicode platzgelassen für Klingonisch
0:50:34–0:50:35
und mögliche Alien-Sprachen.
Florian Clauß
0:50:35–0:50:35
Ja gut.
Micz Flor
0:50:37–0:50:39
Und irgendwelche arreträischen Zeichen werden mit aufgenommen.
Florian Clauß
0:50:39–0:50:44
Also das müsste man jetzt mal einen Spezialisten fragen. Ich glaube, das kann man jetzt...
Micz Flor
0:50:44–0:50:46
Das ist unser euphorisches Halbwissen.
Florian Clauß
0:50:46–0:50:51
Euphorisch, genau. Euphorisch. Mich würde nochmal interessieren,
0:50:51–0:50:58
ob der Gedankenstrich jetzt in dem ganzen Latin-Sprachraum,
0:50:58–0:51:05
also mitteleuropäisch und so weiter, ob der noch irgendwo anders eine Bedeutung
0:51:05–0:51:07
hat. Im Englischen kommt der vor, aber nicht so oft.
Micz Flor
0:51:07–0:51:08
Ja, doch sehr oft.
Florian Clauß
0:51:08–0:51:10
Ja? Also wird er auch so eingesetzt?
Micz Flor
0:51:10–0:51:13
Ich war immer neidisch, ja genau, und jetzt habe ich halt irgendwie ein bisschen
0:51:13–0:51:18
die Selbstsicherheit, dasselbe auch zu machen. Aber im Englischen fand ich den sehr, sehr oft.
Florian Clauß
0:51:18–0:51:26
Auch dann halt in der Narration und so weiter, als genau in der gleichen Konnotation.
Micz Flor
0:51:27–0:51:34
Ja, bloß ist es eben der Geführtstrich und hat keine Spazierierung zwischen Buchstabe und Strich.
0:51:35–0:51:38
Und bei uns ist es der Halbgeführtstrich und wir haben aber eine Spazierierung.
Florian Clauß
0:51:38–0:51:43
Okay, verstehe. Der wird einfach noch länger gezogen.
Micz Flor
0:51:43–0:51:49
Ja, der ist genau. Und schließt direkt daran. Was ich auch...
0:51:49–0:51:51
Es ist interessant, man fühlt sich nicht gut an.
0:51:52–0:51:55
Man hat ja sowieso einen emotionalen Bezug zu bestimmten Fonts,
0:51:55–0:51:57
also Schriftarten, die man gut findet oder nicht.
0:51:58–0:52:01
Und als zweites ist es dann aber so, egal welche Schriftart,
0:52:01–0:52:06
immer wenn ich englisch diesen ultralangen Gedankenstrich sehe,
0:52:06–0:52:10
der dann auch so rechts und links so anklebt, der ist mir ein bisschen unangenehm.
0:52:10–0:52:16
Also beim Lesen möchte ich mich immer ein bisschen entschuldigen bei den naheliegenden
0:52:16–0:52:19
Buchstaben, dass der sich da so breit macht.
Florian Clauß
0:52:20–0:52:21
Genau, so man-spreading-letter. Genau.
Micz Flor
0:52:26–0:52:28
Ja, ich habe zum Abschluss noch, ich verlinke das, ich glaube,
0:52:28–0:52:32
weil ich müsste das jetzt auch irgendwie vorlesen, da wäre ich jetzt zu hippelig,
0:52:32–0:52:33
um das irgendwie frei zu formulieren.
0:52:33–0:52:37
Aber ich habe einen schönen Artikel gefunden, wo auch nochmal so ein bisschen
0:52:37–0:52:41
in der Einleitung über diesen Gedankenstrich, dass es wirklich auch ein besonderes
0:52:41–0:52:43
Schriftzeichen ist, was auch schon im 18.
0:52:44–0:52:45
Jahrhundert besprochen wurde
0:52:45–0:52:51
von Braun und Adelung zum Beispiel und die Zitate von anderen Kritikern,
0:52:51–0:52:56
die dann sagten, dass dieser Gedankenschritt in einer,
0:52:56–0:53:01
Zitat, unüberschaubaren Mannigfaltigkeit irgendwie benutzt wird,
0:53:01–0:53:10
um das, Zitat, Sprachlose da irgendwie hinzufügen sollte und es wird dann sogar
0:53:10–0:53:13
noch kritisch geäußert,
0:53:13–0:53:17
dass man da ja irgendwie versuchen würde, Zitat, Fantasie des Lesers,
0:53:17–0:53:22
dass da die Fantasie des Lesers tätig werden muss, ja, und das finde ich ganz gut.
0:53:22–0:53:26
Also es hat dann schon fast so interaktive Elemente, die da reingehen.
0:53:29–0:53:33
Und ich weiß nicht, der Artikel ist in Deutsch.
0:53:33–0:53:37
Ich habe mal recherchiert, ich glaube es ist eine Frau, Martin Damas,
0:53:37–0:53:39
ich weiß nicht, wie man es ausspricht, oder Amas, ich kenne es,
0:53:39–0:53:43
das tut mir leid, wir werden es verlinken und dann muss ich es nicht sagen.
0:53:46–0:53:53
Was die macht, ist, dass die über 50, also in ihrem Sinne wahrgenommen,
0:53:53–0:53:59
unterschiedlich wahrgenommen, Nutzung des des Gedankenstrichs in der deutschen
0:53:59–0:54:01
Sprache anhand von Textbeispielen aufführt.
0:54:03–0:54:08
Und das fand ich irgendwie so ganz gut, damit es dann schon so sehr kleinteilig.
0:54:08–0:54:13
Da sind wir so richtig bei so einem Schmetterlingszuchtverein oder Taubenzuchtverein.
Florian Clauß
0:54:15–0:54:16
Oh, ein ganz seltener Gedankenstrich.
Micz Flor
0:54:17–0:54:22
Oder eben Orchideen oder Tulpen oder so. Und das fand ich aber trotzdem spannend
0:54:22–0:54:28
zu lesen, weil, wie gesagt, euphorisches Halbwissen.
0:54:29–0:54:32
Ich bekenne mich, vielleicht muss man auch ein T-Shirt rausbringen.
0:54:33–0:54:34
Ich mag den Gedankenstrich.
0:54:36–0:54:42
Ich bin ein Freund des Gedankenstrichs und ja und ich hoffe,
0:54:42–0:54:45
dass das zumindest in dieser Folge auch so ein bisschen durchkommt,
0:54:45–0:54:47
wenn ich insgesamt natürlich das Gefühl habe,
0:54:47–0:54:50
es gibt a nicht so viel darüber zu sagen, die technischen Sachen kenne ich mich
0:54:50–0:54:58
nicht wirklich drin aus, aber trotzdem der Gedankenstrich, der Gedankenstrich
0:54:58–0:54:59
ist wie der Spatz am Alexanderplatz.
0:55:02–0:55:07
Da könnte man zwischen Spatz und am Alexanderplatz sogar einen einbauen.
Florian Clauß
0:55:09–0:55:14
Ja, sehr schön. Also, ja, die emotionale Verbindung ist auf jeden Fall klar geworden.
0:55:14–0:55:17
Die technische ist vielleicht dann nicht ganz so klar geworden.
0:55:18–0:55:21
Wir haben uns Mühe gegeben, stets bemüht.
0:55:22–0:55:25
Und ja, dann würde ich sagen, in diesem Sinne,
0:55:25–0:55:32
das Tempelhofer Feld haben wir jetzt schon thematisiert, aber nach wie vor wandern
0:55:32–0:55:37
wir auf dem Feld und gehen gleich wieder zurück auf den Ausgang in Richtung Leinestraße.
0:55:44–0:55:48
Ja, Mitch, vielen Dank für deine Episode, für deine Geschichte,
0:55:48–0:55:49
für deine Anstöße, Gedankenstrich.
0:55:55–0:55:58
Und das war eigentlich Podcast Episode 37.
0:56:01–0:56:04
Ich hoffe, ihr seid dabei geblieben
0:56:04–0:56:09
und ich versuche gerade mit einem Gedankenstrich zu enden und überlege,
0:56:09–0:56:15
ob nicht auch in unserem Intro-Outro-Musik, diesem Beat, da nicht auch irgendwo
0:56:15–0:56:19
ein Gedankenstrich Das könnte dieses letzte sein.

Mehr

Von den ersten Schriftdrücken auf Papier bis zu variable Fonts im Internet

Diese Episode wird wieder von einem Gast präsentiert: Marc Tobias Kunisch. Tobs und Flo haben zusammen schon früh Podcast-Erfahrungen gemacht: von 2007 - 2009 haben sie den Mindgarden-Podcast aufgenommen, der damals Themen rund um Internettechnologien und Netzkultur präsentierte. Tobs arbeitet seit 2010 bei Google und mit Unterbrechung im Google Fonts Team. Dort hat er die Position des Design Leads übernommen. Als Thema für unseren Eigentlich Podcast hat sich dann auch "Webfonts" angeboten. Wir treffen uns im Gleisdreieck-Park und steigen erstmal tiefer in die Geschichte des Buchdrucks und Typographie ab. Mit der Entwicklung von technologischen Bedingungen haben sich Schriftarten und Druckverfahren verändert. Ein großer Schritt in Richtung digitaler Typographie waren Erfindungen wie das Fotosatzverfahren und das Postscript-Format. Als dann auch noch das Internet dazukam und hochauflösende Bildschirme waren die Bedingungen reif, um Schrift in diesem Medium neu denken zu können. Schrift ist heutzutage Software, die sich flexibel den Leser- und Lesebedingungen anpassen kann. Tobs stellt dazu das Google Projekt variable Fonts vor und auch die Errungenschaften im Lizenzbereich, die mit Google Fonts eingeführt wurden.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Tobias Kunisch
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Tobias Kunisch
0:00:00–0:00:09
Please mind the garden. Mein Garten? Nee. Mindgarten? Nein. Mindgarten? Jawohl. Mit die.
Florian Clauß
0:00:12–0:00:16
Hallo und herzlich willkommen. Ihr habt euch sicher gewundert,
0:00:16–0:00:19
was ist denn das für ein Jingle?
0:00:21–0:00:24
Tatsächlich sind wir hier diesmal
0:00:24–0:00:29
nicht mit Mitch, sondern wir haben einen neuen Gast. Tobs, hallo Tobs!
Tobias Kunisch
0:00:30–0:00:30
Hallo Flo!
Florian Clauß
0:00:31–0:00:37
Bei eigentlich podcast.de, wo wir laufend reden und im Leden reden laufen,
0:00:37–0:00:46
aber muss ich sagen, dieser Jingle, das ist unser gemeinsamer Podcast-Jingle gewesen, Tobs, damals.
0:00:46–0:00:49
Damals.
Tobias Kunisch
0:00:49–0:00:50
Damals 2000 und?
Florian Clauß
0:00:51–0:00:59
Ich glaube, wir haben zwischen 2007 und 2009 unsere Podcastfolgen aufgenommen.
0:00:59–0:01:06
Also wir waren really early bird. Vorräuter. Sozusagen. Also ich glaube wir
0:01:06–0:01:10
haben es bis auf 20 Episoden beim Mindgarden geschafft.
0:01:12–0:01:16
Und ja, hallo Tobes, willkommen. Ich freue mich, dass du dabei bist.
0:01:16–0:01:21
Ich habe dich so lange bearbeitet, bis du ja gesagt hast, damit wir zusammen
0:01:21–0:01:24
einen Podcast aufnehmen können nach all dieser Zeit.
Tobias Kunisch
0:01:25–0:01:30
Ich fühle mich sehr geehrt, endlich, endlich nach vielen Witten und Betteln
0:01:30–0:01:34
im eigentlich, eigentlich mal hier mitmachen zu dürfen. Ja. Aber warte mal,
0:01:34–0:01:38
du meintest gerade, wir reden beim Laufen und wir laufen beim Reden,
0:01:38–0:01:40
heißt das, ich muss jetzt hier die ganze Zeit neben dir her laufen.
Florian Clauß
0:01:40–0:01:45
Du musst vor allen Dingen neben mir herreden, damit ich das laufend aufnehmen kann.
0:01:48–0:01:51
Also ich weiß nicht, ob du dich noch an unsere Themen erinnerst von damals.
0:01:52–0:01:54
Wir waren sehr aktiv, wir waren sehr netzaktiv.
0:01:57–0:02:01
Vielleicht das noch mal so zur Einordnung, wir haben uns bei...
0:02:02–0:02:07
Unseren damaligen Arbeitgeber kennengelernt und haben dann auch festgestellt,
0:02:07–0:02:10
wir haben ähnliche Interessen und irgendwie hat es dann dann so entwickelt,
0:02:10–0:02:14
dass dann Tobes gesagt hat, Flo, wir müssen einen Podcast machen.
0:02:15–0:02:20
Und ich so, ok, wie geht das? Ja, hier, du hast ein USB-Mikro, mach mal.
0:02:21–0:02:25
Und dann haben wir zusammen die ersten Folgen zusammen in Berlin aufgenommen
0:02:25–0:02:29
und irgendwann hat es sich weitergetrieben nach London und dann war es der Tobes
0:02:29–0:02:35
aus Schwartitsch Und ich war Flo aus Berlin und wir haben dann remote über Skype aufgenommen.
0:02:36–0:02:38
Ungefähr mit der gleichen Technologie wie jetzt hier.
0:02:39–0:02:46
Themen waren vor allen Dingen im Bereich von Netzkultur, Netzapplikationen,
0:02:46–0:02:51
Internet und alles was drumherum an Kultur und so weiter. Ich glaube,
0:02:51–0:02:54
IT Crowd war auch so ein...
Tobias Kunisch
0:02:56–0:02:58
Stimmt, IT Crowd haben wir damals geguckt, das war zu der Zeit.
0:02:58–0:03:03
Du hast mir auch gerade einen Ausschnitt zugeschickt, gestern glaube ich,
0:03:03–0:03:07
wo wir uns über Twitter unterhalten haben. Ja, Twitter.
0:03:07–0:03:10
Als wir erzählt haben, dass wir uns bei Twitter angemeldet haben.
Florian Clauß
0:03:10–0:03:15
Das war 2008, Episode 10. Wir haben uns bei Twitter angemeldet. Und was hast du gesagt?
Tobias Kunisch
0:03:15–0:03:17
Toast.
Florian Clauß
0:03:17–0:03:21
Ich habe keine Zeit für Twitter, habe ich gesagt. Ja, es funktioniert irgendwie nicht.
Tobias Kunisch
0:03:22–0:03:24
Ja, hat ja auch nicht funktioniert. Ist ja weg jetzt.
Florian Clauß
0:03:24–0:03:29
Heißt auch nicht mehr Twitter. Eben. Ja, sehr schön.
0:03:29–0:03:34
Vielleicht noch mal so ein bisschen zu dir, ich habe schon angedeutet,
0:03:34–0:03:37
irgendwann hatten wir nicht mehr einen gemeinsamen Arbeitgeber, du bist weitergezogen.
0:03:38–0:03:41
Was machst du jetzt? Was hast du damals gemacht? Wie hat es sich da so verschlagen?
Tobias Kunisch
0:03:43–0:03:50
Ja, also ich bin 2008 nach London gezogen und habe dafür in Verlag gearbeitet.
0:03:52–0:03:56
Eigentlich nur umgezogen, weil wir mal was anderes sehen wollten.
0:03:56–0:04:02
Und damals war das Vereinigte Königsreich noch Teil von Europa,
0:04:02–0:04:04
von der Europäischen Union. Da konnte man einfach umziehen.
0:04:06–0:04:11
Und 2010 in London habe ich dann bei Google angefangen, als Webmaster damals.
Florian Clauß
0:04:11–0:04:12
Wow!
Tobias Kunisch
0:04:13–0:04:17
Ja, das war damals schon ein altmodischer Big Riff, aber es war sehr cool,
0:04:17–0:04:27
hat sehr viel Spaß gemacht und 2011 sind wir dann nach New York umgezogen und
0:04:27–0:04:31
2015 dann an die Westküste in die San Francisco Bay Area.
Florian Clauß
0:04:32–0:04:35
Und du warst dann die ganze Zeit immer bei Google angestellt?
Tobias Kunisch
0:04:36–0:04:42
Ja, ich habe damals, als ich angefangen habe, hatte ich das große Glück,
0:04:42–0:04:47
einer von den Gründern von Google Fonds zu sein.
0:04:48–0:04:52
Das hieß damals noch die Google Web Fonts API, Beta natürlich.
0:04:57–0:05:03
Und das habe ich dann so ein Jahr gemacht, habe dann das Team verlassen,
0:05:03–0:05:11
habe an anderen Projekten gearbeitet und 2020 bin ich dann wieder Teil des Teams
0:05:11–0:05:15
geworden und bin jetzt der Design Lead für Google Fonts.
Florian Clauß
0:05:18–0:05:20
Okay, das ist schon eine Leiter.
0:05:22–0:05:26
Nicht schlecht. Also, ich meine, wer kennt es nicht? Google Fonts,
0:05:26–0:05:27
der im Internetbereich arbeitet.
0:05:29–0:05:34
Ich glaube, jeder hat schon mal Google Fonts benutzt. Und Google Fonts bietet
0:05:34–0:05:41
ja auch ganz viele Schriften, die man auf einfache Art und Weise einbinden kann.
0:05:42–0:05:45
Auf der einen Seite dann eben über
0:05:45–0:05:49
Links, dann über eine Webseite oder Webapplikation oder wie auch immer.
0:05:49–0:05:54
Auf der anderen Seite auch ein Portal, um die Fonts direkt runterzuladen und
0:05:54–0:05:59
als Systemfonts oder als Schriftsätze desktop-mäßig dann auch zu benutzen.
0:06:00–0:06:03
Google Fonts so ganz von außen getragen.
0:06:04–0:06:06
Ich weiß, du guckst komisch.
Tobias Kunisch
0:06:07–0:06:08
Nö, ich fand das ein sehr guter Zusammenhang.
Florian Clauß
0:06:08–0:06:15
Nee, gut. Ich hatte dich gefragt, Tobes, ich möchte mit dir einen Podcast aufnehmen.
0:06:15–0:06:19
Hast du ein Thema? Und du hast Webfonds vorgeschlagen,
0:06:19–0:06:25
was ich natürlich sehr passend finde, weil ich glaube, auch unsere Wörter und
0:06:25–0:06:31
Hörerinnen schafft, wir haben bisher nicht so viele Netzthemen gehabt in unseren Podcasts.
Tobias Kunisch
0:06:32–0:06:35
Ja, ihr werdet immer sehr philosophisch beim eigentlichen Podcast.
Florian Clauß
0:06:37–0:06:43
Philosophisch, wir laufen ja und reden dabei und sind nicht am Arbeitsplatz,
0:06:43–0:06:47
deswegen schweifen wir ab und gucken Filme und so.
0:06:47–0:06:54
Nein, aber ich finde, vons ans Thema oder Schriften besser gesagt,
0:06:54–0:07:01
das ist natürlich der heilige Gral unter den, wie soll man sagen,
0:07:01–0:07:01
kulturellen Praktiken.
0:07:04–0:07:08
Ich habe mir einen Wikipedia-Artikel über Typografie mal so durchgelesen,
0:07:08–0:07:11
aber da habe ich gemerkt, oh mein Gott.
Tobias Kunisch
0:07:11–0:07:12
Was stand da drin?
Florian Clauß
0:07:12–0:07:19
Da kommst du halt von eins ins andere. Also das ist wirklich ein total spannendes Thema für mich.
0:07:21–0:07:29
Und jetzt für mich auch so die Frage, also wenn wir Webfonds sagen,
0:07:29–0:07:32
ja, ist ja einmal Erstmal die Voraussetzung, dass die...
0:07:35–0:07:39
Also die Schriften irgendwie auf dem Bildschirm kamen. Da sind ja schon mal
0:07:39–0:07:46
ungefähr unglaublich viele Kulturtechniken hinter, bis die überhaupt auf dem
0:07:46–0:07:48
Bildschirm dargestellt werden konnten.
0:07:48–0:07:54
Und was dann für Schritte dazu geführt haben, dass ich auf meinem Computermonitor
0:07:54–0:07:59
Schriften sehen kann, da sind ja Revolutionen davor gelaufen.
0:07:59–0:08:03
Und dann ist es noch ein Schritt weiter, dass ich dann auch im Web,
0:08:03–0:08:08
da haben wir das Internet noch dahinter, dass ich da auch Schriften darstellen kann.
0:08:08–0:08:12
Da musste auch erstmal wieder ein bisschen Zeit ins Land gehen und ein bisschen
0:08:12–0:08:18
Innovation passieren, bis ich tatsächlich Schriften auf meiner Webseite angezeigt bekomme.
0:08:19–0:08:25
Und wir hatten das im Vorgespräch kurz erwähnt, also das ist gar nicht so lange her,
0:08:25–0:08:34
dass ich tatsächlich im Internet Jede Schrift dann auch wählen kann oder als
0:08:34–0:08:37
Designer setzen kann, die ich gerne möchte.
0:08:38–0:08:45
Wann war denn so der Punkt, dass Webfonds dann tatsächlich so verfügbar waren für alle?
Tobias Kunisch
0:08:46–0:08:55
Ja, also das war so ungefähr 2010, als HTML5 und CSS3 eingeführt worden sind.
0:08:56–0:08:59
Worden sind und das muss man vielleicht noch ein bisschen erklären, was das ist.
0:08:59–0:09:05
HTML5, ja. Also wenn jemand eine Webseite programmiert,
0:09:05–0:09:09
dann wird dafür eine Auszeichnungssprache benutzt, so nennt sich das,
0:09:09–0:09:14
die quasi beschreibt, was ist eine Überschrift, was ist normaler Text,
0:09:14–0:09:18
was ist eine Box, die eine Farbe haben soll und dafür wird HTML benutzt.
0:09:19–0:09:21
Das ist so ungefähr wie Latech.
0:09:25–0:09:29
An Universitäten wurde das viel benutzt, um Schriften, um Texte zu setzen.
0:09:30–0:09:35
Und CSS3, CSS, Cascading Style Sheets, ist eine andere Auszeichnungssprache,
0:09:35–0:09:40
mit der man sagen kann, wo Sachen sein sollen und wie sie aussehen sollen.
0:09:41–0:09:45
Und mit diesen Cascading Style Sheets kann man eben sagen, welche Schrift benutzt werden soll.
0:09:47–0:09:52
Und als das Internet angefangen hat, konnten Webseiten eben nur die Schriften
0:09:52–0:09:58
benutzen, die auf dem Gesät, auf dem Computer, auf der Maschine von dem Nutzer installiert waren.
0:09:58–0:10:03
Das heißt, wenn du eine Website gemacht hast und gesagt hast,
0:10:03–0:10:07
ich will, dass die in Helvetica angezeigt wird und der Nutzer,
0:10:07–0:10:13
der die Webseite aufruft an ihrem Computer, wenn die Helvetica nicht installiert
0:10:13–0:10:17
hat in ihrem System, dann gibt es auch kein Helvetica.
0:10:17–0:10:21
Dann wird die Schrift in irgendeiner anderen Schrift angezeigt, die der Computer kennt.
0:10:22–0:10:27
Und WebFonts, was man WebFonts nennt, ist eben diese neue Technologie,
0:10:27–0:10:30
die mit diesen neuen Internetstandards eingeführt worden sind,
0:10:30–0:10:38
dass man Schriftdateien genauso wie Bilder für eine Website auf den Server legt von der Website,
0:10:38–0:10:43
damit der Browser von dem Nutzer, Browser ist das Internetanzeigeprogramm,
0:10:43–0:10:49
der kann die dann runterladen vom Server und Und dann kennt er die Schrift und
0:10:49–0:10:54
dann kann er den Text in der Schrift anzeigen, wie der Designer vorgesehen hat.
0:10:55–0:11:02
Und das ist eben 2010 gerade so ein bisschen eingeführt worden und die ganze
0:11:02–0:11:07
Webdesign-Community Die war sehr begeistert, weil das ein Riesen-Schritt war.
0:11:10–0:11:15
Es gibt eine bestimmte Anzahl von Schriften, die man anzeigen kann zu ich als
0:11:15–0:11:20
Webdesigner oder Webentwickler kann jetzt bestimmen, welche Schrift benutzt
0:11:20–0:11:21
werden soll in meinem Design.
Florian Clauß
0:11:23–0:11:27
Für uns heute selbstverständlich. Es ist ja häufig so, also 2010,
0:11:27–0:11:32
da gab es das iPhone schon. Diese Selbstverständlichkeiten heben sich dann auch
0:11:32–0:11:34
auf und bestimmte Sachen waren schon immer da.
0:11:35–0:11:37
Aber so Webfonds sind auch so eine Sache, wo ich dann dachte,
0:11:37–0:11:40
ja die gibt es doch schon immer, die gab es doch schon immer.
0:11:40–0:11:44
Aber es ist tatsächlich gar nicht so lange her. Und es gab auch damals,
0:11:44–0:11:50
also bevor es Webfonds gab, wie du sagst, dann konnte man halt quasi die Font-Family
0:11:50–0:11:56
angeben mit Helvetica, Verdana und dann war immer noch irgendwie so ein Zusatz Sans Serif.
0:11:56–0:11:59
Ja. Was ist denn eigentlich Sans Serif?
Tobias Kunisch
0:11:59–0:12:04
Naja, also das, was du da bezeichnest, wird der Font-Stack genannt,
0:12:04–0:12:05
das wird immer noch gemacht.
0:12:06–0:12:10
Das sagt dem Browser, welche Schrift man haben will und wenn es die nicht gibt,
0:12:10–0:12:12
was die nächste Schrift sein soll.
0:12:12–0:12:17
Und dann so ganz am Schluss, was für eine Schriftart benutzt werden soll,
0:12:17–0:12:19
wenn es keine von den Schriften gab. Und dann kann der Computer sagen,
0:12:19–0:12:23
ich habe hier eine, das ist eine Sans Serif-Schrift, dann benutze ich die.
0:12:24–0:12:27
War deine Frage jetzt, was eine Sans Serif-Schrift ist?
Florian Clauß
0:12:27–0:12:33
Ne, das war genau erst mal dieses, im Prinzip, was da für eine gewisse Priorisierung hinterliegt.
0:12:34–0:12:37
Aber auch dann jetzt weiter, was ist das denn eigentlich für eine Schriftgruppe?
0:12:39–0:12:40
Sans Serif.
Tobias Kunisch
0:12:40–0:12:44
Naja, also das bezieht sich auf die Serifen von der Schrift.
0:12:46–0:12:50
Das haben alle schon mal gesehen. Wir laufen hier gerade über einen Parkplatz
0:12:50–0:12:51
und werden von Autos überholt.
Florian Clauß
0:12:51–0:12:56
Sorry. Vielleicht ganz kurz hier ein kleiner Einschub zur Laufstrecke.
0:12:56–0:13:01
Wir sind hier schon ein paar Mal langgelaufen mit eigentlich Podcast in anderen Besetzungen.
0:13:05–0:13:10
Wir sind hier im Gleisdreieckpark, verlassen den Gleisdreieckpark und gehen jetzt Richtung...
0:13:12–0:13:18
Wir halten uns ein bisschen fern von der Straße. Wir können hier in den Park wieder reingehen.
0:13:18–0:13:22
Oder wir gehen jetzt noch ein bisschen so in diese Richtung, Richtung Südkreuz,
0:13:22–0:13:27
dann kommt halt so ein langer Weg, der direkt parallel zu den Schienen führt,
0:13:27–0:13:33
wo wir ab und zu nur ein paar Geräusche von einem Zug vorbeikommen.
0:13:34–0:13:36
Aber das ist auch ein sehr schöner Weg.
0:13:37–0:13:38
Okay, also...
Tobias Kunisch
0:13:39–0:13:40
Naja, also verschiedene Schriftklassifizierungen.
Florian Clauß
0:13:42–0:13:43
Genau, Schriftklassifizierung.
Tobias Kunisch
0:13:43–0:13:46
Du hattest gefragt, was eine Sans-Serif-Schrift ist.
Florian Clauß
0:13:46–0:13:46
Genau.
Tobias Kunisch
0:13:46–0:13:48
Dafür muss man erklären, was Serifen sind.
Florian Clauß
0:13:48–0:13:49
Ja, sehr gut.
Tobias Kunisch
0:13:51–0:13:55
Serifen sind, das haben alle schon mal gesehen, das haben bestimmt alle,
0:13:55–0:13:58
die so in unserem Alter sind, haben bestimmt mal eine Hausarbeit geschrieben,
0:13:58–0:14:04
wo Times New Roman für euch geschrieben war, ist Schriftart in 12 Punkt für Microsoft Word.
0:14:06–0:14:10
Die kleinen Enten, die kleinen Füße, die da hervorstehen, wenn man so ein A
0:14:10–0:14:14
sieht zum Beispiel, da sind ja die zwei Diagonalen und unten sind dann zwei
0:14:14–0:14:16
so Füße dran, das sind die Serifen.
0:14:17–0:14:21
Und traditionell im lateinischen Alphabet, Gutenberg hat die nicht genutzt,
0:14:21–0:14:26
weil die haben eine Frakturschrift benutzt damals, aber ganz klassisch ist das
0:14:26–0:14:27
Schriften, die sie Serifen haben.
0:14:28–0:14:32
Es war erst später im Laufe der Zeit, dass die Serifen verloren haben und die
0:14:32–0:14:36
nennt man, Das ist dann das, was man jetzt sans-serif nennt.
0:14:36–0:14:39
Sans ist das französische Wort für ohne, also ohne Serifenschaften.
Florian Clauß
0:14:40–0:14:44
Also eigentlich war eher der Standard mit Serifen, deswegen ohne Serifen?
0:14:44–0:14:48
Oder kennst du da so ein bisschen was für die Geschichte der...
Tobias Kunisch
0:14:48–0:14:51
Ja, also das kann ich machen, gerne.
0:14:53–0:15:00
Das lateinische Alphabet, also das, was wir benutzen für Deutsch und Englisch
0:15:00–0:15:03
und die ganzen westeuropäischen Sprachen,
0:15:03–0:15:12
ist entstanden aus dem Griechischen über das Phönizische und so weiter,
0:15:12–0:15:14
hat sich das langsam so nach Europa ausgebreitet.
0:15:15–0:15:21
Da gibt es so eine schöne Grafik,
0:15:21–0:15:28
die man relativ einfach finden kann im Internet, wie aus dem Aleph im Phönizischen,
0:15:28–0:15:33
was so ein Ochsenkopf war, wie sich das langsam abstrahiert worden ist und wie
0:15:33–0:15:37
es so langsam gedreht ist und dann langsam zu einem lateinischen A geworden ist.
0:15:37–0:15:43
Und die Römer haben das übernommen und es gab einen römischen Herrscher,
0:15:43–0:15:48
der hieß Trajan, der hat sich eine Riesensäule bauen lassen,
0:15:48–0:15:52
die Trajanische Säule,
0:15:52–0:15:58
und da ist eine Inschrift drauf mit lateinischen Buchstaben und das wird so
0:15:58–0:16:03
landläufig anerkannt als so die Geburtsstätte des lateinischen Alphabets,
0:16:03–0:16:06
die gibt es immer noch, die Säule.
0:16:06–0:16:10
Wenn man in Rom ist, kann man da hingehen und sich die Inschrift anschauen.
0:16:13–0:16:15
Die Römer haben dann das lateinische Alphabet benutzt.
0:16:16–0:16:22
In anderen Teilen Europas haben sich dann andere Schriftstile entwickelt.
0:16:23–0:16:27
Also wenn man so an alte, europäische,
0:16:27–0:16:36
abgeschriebene, christliche Texte vorstellt, die damals von Mönchen in Klöstern
0:16:36–0:16:40
kopiert worden sind, die haben halt diese Bruchschrift, diese Strukturschrift,
0:16:40–0:16:42
was man altdeutsche Schriften nennt, benutzt.
Florian Clauß
0:16:42–0:16:42
Weißt du, warum?
Tobias Kunisch
0:16:43–0:16:50
Naja, weil die Schleipgeräte hatten, mit einer breiten Spitze vorne,
0:16:50–0:16:52
die sie in Tinte getaucht haben.
Florian Clauß
0:16:52–0:16:57
Also es war eine technische Bedingung, dass die das so gemacht haben,
0:16:57–0:17:00
weil das ist, glaube ich, auch nochmal dieser Punkt, den können wir später nochmal
0:17:00–0:17:06
aufgreifen, inwieweit dann bestimmte technische Bedingungen zu Stilen geführt haben. Ja.
0:17:07–0:17:10
Das ist, glaube ich, ziemlich spannend, auch gerade, wenn dann...
0:17:10–0:17:13
Sie haben ja gesagt off-record. Wieso?
Tobias Kunisch
0:17:13–0:17:15
Achso, ich dachte, das ist gerade eine Regieanweisung.
Florian Clauß
0:17:17–0:17:19
Nein, das schneide ich jetzt raus.
0:17:21–0:17:25
Jetzt wird es eine Regieanweisung, na toll. Ich dachte, ich könnte dir gerade einen Gedanken...
Tobias Kunisch
0:17:26–0:17:29
Achso, dann teil deinen Gedanken, nur weil du auf deine Uhr geguckt hast.
Florian Clauß
0:17:29–0:17:31
Ne, weil ich wieder einmal vergessen habe, den Track aufzuzeichnen.
0:17:32–0:17:35
Wenn das Mitch wüsste. Welchen Track aufzuzeichnen?
0:17:36–0:17:41
Wir veröffentlichen doch immer zu so einem Podcast einen Track.
0:17:42–0:17:43
Aber ich kann den auch nachpinnen.
0:17:45–0:17:46
Gar kein Problem.
Tobias Kunisch
0:17:46–0:17:50
Also ich werde diese Werbepause nutzen, um den Hörern von hinter der Kulisse
0:17:50–0:17:51
zu berichten, vom eigentlich Podcast.
Florian Clauß
0:17:52–0:17:55
Wir machen hier gerade Pause, weil Flo seine...
0:17:58–0:18:01
Spazieren draußen! Kategorie gefunden! ...auf.
Tobias Kunisch
0:18:01–0:18:05
Seiner Apple Watch Spazieren draußen einstellen musste, damit er dann mit euch,
0:18:05–0:18:08
liebe Hörer, unseren Spaziergang teilt.
0:18:09–0:18:17
Dann könnt ihr unseren pikturisten Spaziergang über den Hellweg-Parkplatz selbst nachvollziehen.
Florian Clauß
0:18:17–0:18:21
Ja, Hellweg hier Richtung, wir bewegen uns parallel zu den Schienen,
0:18:21–0:18:23
habe ich schon gesagt, Richtung Südkreuz.
0:18:23–0:18:26
Und alle Informationen zu unserem Podcast findet ihr auf eigentlich-podcast.de.
0:18:29–0:18:34
Shownotes und Links und Texte, die wir jetzt noch zu der Episode verlinken und
0:18:34–0:18:35
veröffentlichen werden.
Tobias Kunisch
0:18:38–0:18:41
Ich habe von Flo gerade eine Regieanweisung bekommen,
0:18:41–0:18:50
mit dem Gedanken, dass wir doch mehr über die technischen Bedingungen,
0:18:50–0:18:53
die zu der Verbreitung bestimmter Schifte haben.
Florian Clauß
0:18:53–0:18:56
Wir kommen darauf zurück, habe ich gesagt. Ich finde das total spannend,
0:18:56–0:19:01
weil jetzt nämlich genau diese Entstehung des Alphabets, die du gerade… War
0:19:01–0:19:05
das eine Säule in Rom? Ja. Und es war geritzt auf der Säule?
Tobias Kunisch
0:19:05–0:19:11
Ne, das war so reingemeißelt. Deswegen ist er so, wenn man sich so römische Gebäude vorstellt.
Florian Clauß
0:19:12–0:19:16
Ich glaube, wir können hier links gehen. Da kommen wir auf diesen Fußweg.
Tobias Kunisch
0:19:16–0:19:17
Ja, das ist auch ein guter Spielplatz.
Florian Clauß
0:19:17–0:19:19
Ja, du kennst das hier.
Tobias Kunisch
0:19:21–0:19:27
Das war da so reingemeißelt in Stein. Das war ja so, bevor die Ägypter viel
0:19:27–0:19:30
mit Pergament gearbeitet haben und so, ist da viel Schrift in Stein gemacht worden.
0:19:31–0:19:36
Und das ist auch ein Entstehungsgrund für dieses Riefen, weil es einfacher war,
0:19:36–0:19:41
dann den Keil abzusetzen oder dann die Enden von den Strichen zu machen.
Florian Clauß
0:19:41–0:19:45
Und jetzt kommen wir wieder genau auf diesen Punkt zu sprechen und das wäre
0:19:45–0:19:50
nämlich genau die Frage auch, inwieweit Stile, Schriftstile tatsächlich Mode
0:19:50–0:19:53
waren oder auch eher technische Bedingungen?
Tobias Kunisch
0:19:53–0:20:01
Ja, also es war ja, um wieder zurück zu unseren Mönchen in den Klöstern im Mittelalter
0:20:01–0:20:02
in Europa zurückzukommen.
0:20:04–0:20:10
Die haben eben diese Frakturschrift oder Bruchschrift eingeführt,
0:20:10–0:20:14
weil die eben diese Tintenkeile hat, mit einer breiten Spitze.
0:20:15–0:20:20
Das heißt, wenn du dieses Schreibgerät über die Seite führst,
0:20:20–0:20:24
dann gibt es, wenn du in die eine Richtung schreibst, gibt es einen dicken Schrift,
0:20:24–0:20:27
und wenn du in die andere Richtung schreibst, gibt es einen dünnen Strich.
0:20:27–0:20:31
Das kennen wir ja immer noch, wenn man so einen Kalligrafie-Stift hat oder so.
0:20:35–0:20:39
Und das ist vor allem in Deutschland dann noch ganz lang verbreitet gewesen.
0:20:39–0:20:47
Als Gutenberg damals die Bibel gedruckt hat zum ersten Mal, hat er eine Schrift
0:20:47–0:20:48
benutzt, die heißt Textura.
0:20:49–0:20:51
Die war der Schrift der Mönche nachempfunden.
0:20:53–0:20:58
Und erst später haben dann alle Länder auf Serifenschriften umgestellt und dann
0:20:58–0:21:00
später auf eine große Schriftenvielfalt.
Florian Clauß
0:21:03–0:21:06
Also erstmal das Alphabet. Ich glaube, das ist so, ich weiß nicht,
0:21:06–0:21:08
ob wir diese Kiste auch noch aufmachen wollen.
0:21:08–0:21:19
Nämlich, dass das Alphabet ja im Prinzip Silben beschreibt, die beim Aussprechen Bedeutung ergeben.
0:21:21–0:21:25
Während wir, wenn wir im asiatischen Raum unterwegs sind, ist es ja so,
0:21:25–0:21:30
dass wir anhand der Zeichen Bedeutung haben und erst durch die Kombination der
0:21:30–0:21:33
Zeichen dann die Aussprache klar wird, also genau andersrum.
0:21:34–0:21:39
Deswegen hat er die asiatischen Schriften haben ja unglaublich viel mehr Zeichen,
0:21:39–0:21:45
weil eben diese Abstraktion, wie es jetzt im lateinischen Alphabet implementiert
0:21:45–0:21:51
ist, so nicht vorhanden ist, sondern die gehen ja eher von den Zeichen aus in Reihenfolge.
0:21:53–0:21:56
Und grätsch ruhig rein, wenn ich jetzt hier irgendwie kuschle.
Tobias Kunisch
0:21:56–0:21:59
Nee, nee, ich wollte nur noch ein bisschen mehr Dimensionen da hinzufügen.
0:22:00–0:22:04
Weil es gibt ja nicht nur chinesisch und japanisch und koreanisch,
0:22:04–0:22:07
wobei koreanisch noch eine ganz interessante Sonderstellung hat.
0:22:07–0:22:13
Aber es gibt ja auch arabisch und viele andere Schriftarten,
0:22:13–0:22:20
die Syllabics, nennt man die auf Englisch, Syllabiasien, also die quasi auf Silben basieren.
0:22:21–0:22:25
Das heißt, die Silbe hat ein Schriftzeichen, nicht ein Phonem, wie im Lateinischen.
0:22:25–0:22:32
Ja, aber ja, es gibt, also das ist sehr wichtig, sich immer vor Augen zu halten,
0:22:32–0:22:39
dass Gutenberg war nicht der Erste, der Druck erfunden hat.
0:22:39–0:22:46
Das gab es in Korea schon eine Weile vorher, aber er hatte eben im Europäischen Raum große Bedeutung.
0:22:47–0:22:49
Und es war auch nochmal ein bisschen andere Technik, die einfacher war.
Florian Clauß
0:22:49–0:22:53
Genau, also wie auch Kolumbus nicht die neue Welt entdeckt hat.
0:22:53–0:22:57
Da waren drei Fehler in diesem Satz. Es gibt keine neue Welt,
0:22:57–0:23:00
die man entdecken kann. Und es gibt auch nicht Kolumbus, der zuerst war.
Tobias Kunisch
0:23:00–0:23:03
Die Leute, die da waren, mussten leider Kolumbus entdecken, dass er ankam.
Florian Clauß
0:23:03–0:23:09
Genau. Ja, also ich glaube auch, das, was ich auch in der Geschichte,
0:23:09–0:23:11
also wir springen so ein bisschen in Themen, aber ich glaube,
0:23:11–0:23:15
vielleicht gelingt es uns, nochmal diese einzelnen Sprünge dann zusammenzufinden.
0:23:16–0:23:21
Das, was ich auch gehört habe, ist, dass früher die ersten Drucke tatsächlich
0:23:21–0:23:27
aus dem asiatischen Bereich gekommen sind, wo dann komplette Seiten geritzt wurden in Holz.
0:23:28–0:23:31
Und ich habe das Wort jetzt nicht parat,
0:23:31–0:23:36
aber wo dann Seiten gedruckt wurden und vor allen Dingen, was dann halt auch
0:23:36–0:23:44
im asiatischen Bereich bei Drücken ganz verbunden war, ist, dass auch Zeichnungen dabei waren.
0:23:44–0:23:50
Also nicht nur Schriften, sondern auch Zeichnungen, dass das wesentlich verbundener
0:23:50–0:23:53
war mit Zeichnung. Und so eine ganze Seite.
0:23:53–0:23:57
Und ich glaube, das ist dann nochmal so ein bisschen, was wir bei der Kulturtechnik
0:23:57–0:24:00
mit dem Druck von Gutenberg dann nochmal einholen können.
0:24:01–0:24:04
Bei so einer Seite hast du natürlich alle Gestaltungsfreiheiten.
0:24:05–0:24:09
Du kannst ja dann irgendwie Linien über die ganze Seite ziehen,
0:24:09–0:24:12
du kannst ja irgendwie Verbindungen ziehen, du kannst Zeichnungen und so weiter.
0:24:12–0:24:17
Und in dem Moment, wenn eben, und das war glaube ich schon der Schritt,
0:24:17–0:24:19
den man mit Gutenberg verbindet.
0:24:20–0:24:26
Dass einzelne Buchstaben gesetzt werden für eine Seite.
Tobias Kunisch
0:24:27–0:24:32
Ja, wobei es auch in Korea jemanden gab, der schon einzelne Schriftzeichen aus
0:24:32–0:24:35
Keramik gemacht hat und damit dann Seiten gesetzt hat.
0:24:36–0:24:39
Gutenberg hat es überhaupt nicht erfunden. Gutenberg war nur der erste,
0:24:39–0:24:45
der eine Weinpresse umgebaut hat und die Buchstaben aus Metall gegossen hat.
Florian Clauß
0:24:47–0:24:53
Gutenberg war ein guter Kaufmann, ein guter Vermarkter, die die direkte Konkurrenz
0:24:53–0:24:55
mit der Bibel gesucht haben.
0:24:55–0:25:01
Und das war ja so, dass die Bibel natürlich in den Klöstern abgeschrieben wurde
0:25:01–0:25:08
von den Mönchen mit ihren Gänsevätern oder was auch immer, wo dann halt diese Fraktur mit drin war.
0:25:08–0:25:15
Und dass er nur konkurrieren konnte mit seinem Druck, so, dass er auch ähnlich
0:25:15–0:25:20
gut in Erscheinung war, wie eben die handgeschriebenen Bibeln.
0:25:20–0:25:24
Deswegen musste er wahrscheinlich dann auf solche Drucksätze zurückgehen und
0:25:24–0:25:26
hätte auch andere Schriften verwenden können.
Tobias Kunisch
0:25:27–0:25:30
Ich glaube, das war einfach kulturell die Schrift, die die Leute gut lesen konnten.
0:25:30–0:25:37
Also Lesbarkeit ist ja auch immer bedingt durch, was ist man gewöhnt zu lesen.
0:25:38–0:25:44
Das ist ja sehr interessant. Es gibt da viel Research, die passiert,
0:25:44–0:25:47
was Text mehr lesbar macht und was Text weniger lesbar macht.
0:25:49–0:25:52
Und was man gewöhnt ist zu lesen, ist ein großer Faktor dabei,
0:25:52–0:25:56
hat sich mittlerweile herausgestellt. Also ich glaube, dass das einfach mehr
0:25:56–0:26:01
kultureller Einfluss war, dass er damals die Textur benutzt hat.
Florian Clauß
0:26:01–0:26:06
Die Textur. Und ist das eine gebrochene Schrift? Heißt das, ist das gebrochen?
Tobias Kunisch
0:26:11–0:26:14
Es gibt viele Frakturschriften, was der lateinische, glaube ich,
0:26:14–0:26:15
das Äquivalenz-Zubruch schreibt.
0:26:17–0:26:21
Da gibt es viele verschiedene Unterkategorien. Ich kann mir da auch gar nicht so aus.
0:26:21–0:26:25
Ich will da jetzt gar nichts Falsches erzählen, aber ja,
0:26:25–0:26:30
das war eine Frakturschrift und das ist eben diese, wie man sich so altdeutsche
0:26:30–0:26:33
Schrift vorstellt heute oder wenn man in Pubs sieht in London,
0:26:33–0:26:39
wenn da diese alte Old English Schrift ist, wo diese Breiten,
0:26:39–0:26:42
die so ganz breit ist, ziemlich fett
0:26:42–0:26:46
und diese Graden, die sich auszeichnen durch diese Geradenstriche.
Florian Clauß
0:26:46–0:26:53
Ja, jetzt ist ja quasi durch den Buchdruck so eine gewisse, ich sag mal, Portionierung.
0:26:54–0:26:59
Also das heißt, der einzelne Buchstabe wird eben zu einer Druckvorlage.
0:27:02–0:27:10
Und das heißt, jetzt kommt diese Kunst der Zusammensetzung von Buchstaben.
0:27:11–0:27:16
Und jeder Buchstabe, man kennt das ja, wenn der jetzt gleich groß wäre,
0:27:16–0:27:22
dann hast du natürlich das Problem, dass dann irgendwie Lücken entstehen.
0:27:25–0:27:28
Je nachdem, die Buchstaben kann ich ja dann unterschiedlich verwenden auf einer
0:27:28–0:27:34
Druckvorlage und ich habe dann überall meine Kästchen mit den einzelnen Buchstaben
0:27:34–0:27:37
drin. Ich setze sie zusammen und ähm.
0:27:40–0:27:45
Jetzt ist natürlich die Frage, wenn die alle gleich breit sind,
0:27:45–0:27:46
dann ist es ja auch nicht mehr so richtig lesbar.
0:27:48–0:27:53
Da muss man ja auch irgendwie darauf reagieren, auf diese Lesbarkeiten,
0:27:53–0:27:55
auf welchen Buchstaben ich wo nehme.
0:27:56–0:28:01
Weißt du da zufällig, wie sich das dann so auch in Druck entwickelt hat?
0:28:01–0:28:07
Was die da für unterschiedliche Partionierungen und so weiter?
Tobias Kunisch
0:28:07–0:28:12
Also das geht so ein bisschen zu dem Thema Anatomie von Schriften.
0:28:13–0:28:16
Also im Prinzip haben die die Buchstaben einfach nicht alle gleich groß gemacht.
0:28:16–0:28:21
Also man muss sich das so vorstellen, dass so eine Schrift damals zu,
0:28:21–0:28:27
also nach Gutenberg ist ja dann viel von der Druckindustrie nach Venedig gezogen.
0:28:28–0:28:35
Also Venedig war dann für eine Weile so die Hochburg für Druck und Schriften,
0:28:35–0:28:36
die entwickelt und designt worden sind.
0:28:37–0:28:42
Wenn man sich das so vorstellt, dass jemand quasi eine Schrift entworfen hat,
0:28:42–0:28:53
designt hat, aufgezeichnet hat, dann haben die quasi Vorlagen gemacht aus Metall,
0:28:53–0:29:02
die quasi die Schriften, die einzelnen Buchstaben einzeln hergestellt Und daraus
0:29:02–0:29:04
haben die dann mit dieser Vorlage,
0:29:04–0:29:08
aus Metall, aus Blei, ganz viele Duplikate gemacht.
0:29:08–0:29:12
Und die wurden dann zusammengesetzt zu Wörtern. Also man hat dann quasi,
0:29:12–0:29:17
deswegen nennt man es auf Englisch movable type, man konnte die Buchstaben hin
0:29:17–0:29:20
und her bewegen und eben so zusammensetzen, dass die richtigen Wörter und die
0:29:20–0:29:21
richtigen Sätze ergeben haben.
0:29:23–0:29:30
Und ein I, zum Beispiel, ein kleines I oder ein großes I, ist natürlich viel schmaler als ein M.
0:29:31–0:29:33
Ein großes M kann man sich ja vorstellen, das hat dieser...
0:29:35–0:29:37
Ich muss nicht beschreiben, wie ein M aussieht. Jeder weiß, wie ein M aussieht.
Florian Clauß
0:29:39–0:29:41
Das ist sehr breit. Hoch, runter, hoch, runter.
Tobias Kunisch
0:29:43–0:29:48
Letter of the day. Naja, also das Problem, was du vorhin beschrieben hast,
0:29:48–0:29:52
ist gar nicht aufgetaucht, weil die die Buchstaben unterschiedlich breit gemacht haben.
0:29:52–0:29:57
Nur war es eben, also es war schon nicht ganz so einfach, weil so ein Buchstabe
0:29:57–0:30:00
ist ja ein Buchstabe. Also so ein Stück Blei ist ein Stück Blei.
0:30:00–0:30:02
Man konnte die eben nur einmal herstellen, so wie man sie wollte.
0:30:03–0:30:08
Und dann konnte man die nebeneinander legen. Wenn man nach dem Punkt ein Leerzeichen
0:30:08–0:30:11
brauchte, dann gab es halt ein Stück Blei, was man dazwischen machen konnte.
0:30:12–0:30:16
Die Zeilenhöhe ist dadurch bestimmt worden, dass man dann auch so Keile dazwischen
0:30:16–0:30:21
gemacht hat, zwischen die Zeilen, aus Blei, aus Lead. Deswegen heißt die Zeilenhöhe
0:30:21–0:30:22
auch Leading auf Englisch.
Florian Clauß
0:30:22–0:30:24
Weil?
Tobias Kunisch
0:30:24–0:30:28
Warte mal. Weil man die Bleistücke, weil man die Pieces of Lead dazwischen gemacht hat.
Florian Clauß
0:30:28–0:30:32
Echt? Und das hast du immer noch im CSS drin, oder?
Tobias Kunisch
0:30:32–0:30:32
Ja, genau.
Florian Clauß
0:30:34–0:30:34
Krass, ja.
Tobias Kunisch
0:30:36–0:30:41
Und es gab aber, also weil du auf diese danach spezifisch gefragt hast,
0:30:41–0:30:48
es gibt ja Schriften, die heißen Monospace-Schriften, was zum Beispiel zum Coden
0:30:48–0:30:54
benutzt wird, wo dann das I dann tatsächlich genauso breit ist wie das M.
0:30:56–0:30:59
Und in der Anatomie von so einer digitalen Schrift, die du heute auf dem Computer
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siehst, ist immer noch dasselbe Prinzip am Werk quasi, dass jeder Buchstabe
0:31:04–0:31:08
eine unsichtbare Box außenrum hat, in der er so lebt.
0:31:09–0:31:16
Das heißt, es gibt, wenn du dir ein kleines G vorstellst, mit dem Schwung nach
0:31:16–0:31:18
unten, dafür muss natürlich Platz sein.
0:31:19–0:31:22
Und da kann nicht nur in dem kleinen G der Platz sein für den Schwung nach unten,
0:31:22–0:31:26
sondern alle anderen Buchstaben müssen sich ja aufschleien mit dem G.
0:31:26–0:31:32
Das heißt, alle anderen Buchstaben müssen genauso viel Platz in dieser unsichtbaren
0:31:32–0:31:37
Box haben, dass das kleine G nach unten gehen kann, ohne dass das G auf der
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Zeile verrutscht nach oben, nach oben lutscht.
0:31:41–0:31:45
Und deswegen haben alle Schriften ein bisschen unterschiedliche Höhe.
0:31:45–0:31:49
Also man kann, wenn man eine Schrift in 14 Punkt setzt zum Beispiel,
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sehen manche Schriftarten viel größer aus als andere, weil diese Box anders ausgenutzt wird quasi.
Florian Clauß
0:31:58–0:32:04
Ja, spannend. Also da sind wir quasi auf diese Entität des Einzelnen,
0:32:04–0:32:11
also dieser Box hat die nochmal einen Namen, diese Box, das Buchstaben, wo die sich dann bewegt.
0:32:11–0:32:16
Das ist ja auch dann wieder so diese Verankerung in dem Buchdruck.
0:32:16–0:32:22
Das heißt, der Druck als eben movable types,
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das sind glaube ich genau diese beiden technischen Bedingungen,
0:32:27–0:32:33
um eben so ein Druckerzeugnis machen.
0:32:35–0:32:38
Irgendwann war das so verbreitet, dass es so ganze Gewerke gab,
0:32:38–0:32:43
die dann halt auch da entsprechend gearbeitet haben. Es gibt den Drucker,
0:32:43–0:32:48
es gibt den Papierhersteller, es gibt den, keine Ahnung, der die Bleisätze herstellt.
0:32:49–0:32:55
Und damit hat sich ja eine ganze Gilde oder ein ganzes Gewerke aufgebaut über sehr viele Jahre.
Tobias Kunisch
0:32:55–0:32:58
Ja, absolut. Und das hat sich dann aber über die Zeit weiterentwickelt.
0:33:00–0:33:05
Also ganz lang haben die das Prinzip genutzt von den einzelnen Buchstaben,
0:33:05–0:33:08
die so aneinandergeleitet sind, irgendwann in den...
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Puh, ich will jetzt nichts Falsches erzählen. Am Anfang des 20.
0:33:15–0:33:22
Jahrhunderts vielleicht ungefähr gab es zwei Firmen, die versucht haben,
0:33:22–0:33:24
das einfacher zu machen und industrieller zu machen.
0:33:25–0:33:30
Es gab zum einen eine Firma, die hieß Linotype und eine andere Firma, die hieß Monotype.
Florian Clauß
0:33:32–0:33:35
Kennen wir noch die Namen, Linotype und Monotype?
Tobias Kunisch
0:33:35–0:33:38
Ja, da können wir gleich drauf kommen, warum wir die noch kennen.
0:33:39–0:33:41
Aber was die gemacht haben ist,
0:33:41–0:33:49
die haben so, Leinetype ist von einem deutschen Einwanderer in Amerika gegründet worden und dieser,
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ich habe seinen Namen vergessen, dieser Erfinder hat eine Maschine erfunden,
0:33:54–0:34:03
die quasi, das war so ein Riesenapparat aus Metall und Maschinerie und allem möglichen.
0:34:04–0:34:06
Und da war vorne eine Tastatur dran.
0:34:07–0:34:14
Und wenn man da getippt hat, dann ist hinten heißes Blei gegossen worden und
0:34:14–0:34:21
ist dann quasi in die Zeile gefallen und gab dann a line of type.
0:34:22–0:34:24
Und deswegen hieß die dann Leine-Type.
Florian Clauß
0:34:24–0:34:28
Also das heißt, die Maschine hat quasi die Druckvorlagen instantan hergestellt.
0:34:28–0:34:34
Genau. Und was war der Vorteil?
Tobias Kunisch
0:34:34–0:34:41
Der Vorteil war, und es gibt Fotos von der New York Times damals in New York,
0:34:41–0:34:48
die hatten so riesen Etagen mit Schriftsetzern, die an Linotype-Maschinen gearbeitet
0:34:48–0:34:52
haben, die quasi den mit der Schreibmaschine getippten Artikel bekommen haben,
0:34:52–0:34:54
die ihn dann eingetippt haben.
0:34:56–0:35:02
Und dann ist die Druckvorlage rausgekommen. Und die Druckvorlage aus der Leinolzeitmaschine
0:35:02–0:35:05
ging dann in die Druckerei.
0:35:05–0:35:10
Und wenn die gedruckt worden ist, dann ist das Metall wieder eingeschmolzen
0:35:10–0:35:11
worden und dann ging es wieder von vorne.
Florian Clauß
0:35:11–0:35:14
Also im Prinzip ist man dann wieder so einen Schritt zurück.
0:35:14–0:35:19
Also man hatte dann halt dieses ganze Buchdruckverfahren mit den einzelnen Buchstaben und so weiter.
0:35:19–0:35:24
Aber eigentlich ist es ja wie so eine geschnitzte Seite aus dem alten China,
0:35:24–0:35:28
wo man halt alles gemacht hat. aber nur halt auf den Industrieprozess angepasst.
Tobias Kunisch
0:35:30–0:35:31
Ja, stimmt. Im Prinzip schon.
Florian Clauß
0:35:32–0:35:33
Ah, das ist ja abgefahren.
Tobias Kunisch
0:35:34–0:35:41
Und dann gab es noch eine Konkurrenzfirma, die so eine ähnliche Maschine hatte, die hieß Monotype.
0:35:42–0:35:48
Ich glaube, die haben dann ein Wort jeweils gemacht, statt eine Zeile,
0:35:48–0:35:49
die da reingefallen ist.
Florian Clauß
0:35:50–0:35:56
Man merkt, dass die Druckerzeugnisse damals im 19.
0:35:56–0:36:04
Und 20. Jahrhundert das Medium waren. Da die Beschleunigung von Kultur- und
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Industrietechniken extrem war, da gibt es diese Auswüchse, wie du beschreibst.
0:36:10–0:36:12
Das ist total spannend.
0:36:14–0:36:15
Und die Hochprofessionalisierung da in dem
0:36:15–0:36:20
Bereich hat mit der Industrie-Industrialisierung dann so ab den 1820er,
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1830er dann so angefangen und ist dann halt aus diesem Klassizismus so ein bisschen rausgewachsen,
0:36:28–0:36:34
wo dann halt noch eher so, also ich meine auch da ist die ganze Romankultur
0:36:34–0:36:39
und so weiter, Buchtuch, ist die Romankultur, dieses Romantik und so weiter.
0:36:40–0:36:45
Also das heißt, mit der Industrialisierung, ich meine, dann kannst du natürlich
0:36:45–0:36:47
Arbeiterbewegung auch da nochmal reinpacken als Thema.
0:36:47–0:36:52
Also die Drucker waren eine ganz entscheidende Größe in allen Gewerkschaften
0:36:52–0:36:58
und Arbeiterbewegungen, die auch dann natürlich durch diese Verbreitung von Informationen...
0:37:00–0:37:01
Können wir machen, ja.
0:37:02–0:37:05
Durch die Verbreitung von Information oder die Informationsverbreitungsmaschinen.
0:37:05–0:37:12
Nee, Informationstechnologie. Ach, IT. Jetzt habe ich es.
0:37:14–0:37:18
Genau, what is IT? Da sind wir wieder bei IT-Crowd.
0:37:18–0:37:28
Aber dass die natürlich da eine gewisse Macht haben und da auch die Schnelligkeit,
0:37:28–0:37:34
das Timing gezählt hat Und dass dann solche Technologien erstmal überhaupt so
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in Frage gekommen sind, weil die konkurrierend auf dem Markt waren.
Tobias Kunisch
0:37:37–0:37:43
Genau. Naja, aber die Entwicklung ging dann ja auch weiter. Also diese Maschinen
0:37:43–0:37:51
waren unglaublich groß und laut und da war Öl drin und ab und zu hat da heißes Blei rausgespritzt.
0:37:51–0:37:54
Und da musste man aufpassen, dass man sich nicht verletzt hat. und so.
0:37:54–0:37:59
Und die war natürlich auch sehr, also wenn man sich da vertippt hat,
0:37:59–0:38:03
das war auch ein Problem, weil da musste man entweder das Blei wieder raus friemeln
0:38:03–0:38:07
oder man musste halt die ganze Seite, die man schon geschrieben hatte, wieder...
Florian Clauß
0:38:07–0:38:08
Das ist kein UNDO, ne?
Tobias Kunisch
0:38:08–0:38:10
Genau, und kein Tippex.
0:38:14–0:38:19
Und später kam dann der Phototype-Setting. Also da gab es dann so eine kurze Phase,
0:38:19–0:38:22
wo man dann Fotografie benutzt hat,
0:38:22–0:38:25
um quasi, da hat man dann,
0:38:25–0:38:29
ich kenne mich mit Photo-Type-Setting nur sehr wenig aus,
0:38:29–0:38:31
deswegen erzähle ich jetzt wahrscheinlich nur falsche Sachen,
0:38:31–0:38:38
aber man hat dann eben Fotografie-Prozesse benutzt, um die Buchstaben aneinander
0:38:38–0:38:41
zu setzen und es dann quasi abzufotografieren und es dann als Grundvorlage zu
0:38:41–0:38:43
benutzen, was dann eben...
0:38:47–0:38:50
Viele Techniken ermöglicht hat, die man heute aus dem Grafikdesign kennt,
0:38:50–0:38:55
wo dann experimentiert worden ist oder wo Sachen mehrfach belichtet worden sind oder so.
0:38:56–0:38:58
Das war dann so in den 60ern, glaube ich.
Florian Clauß
0:38:58–0:39:02
Ja, ich glaube, das war jetzt genau diese Zeit, der 60er, 70er,
0:39:02–0:39:07
wo in der Hippie-Bewegung und in diesem ganzen unglaublich viel Kreativität,
0:39:07–0:39:10
auch im Font-Design, dann passiert das.
0:39:10–0:39:17
Man erinnert irgendwie auch in der Popkultur, wie dann Schrift auf einmal zu
0:39:17–0:39:25
so einem stilprägenden und typografischen Element wird, ist mit dieser Technik verbunden.
0:39:25–0:39:30
Und da bist du halt auch nicht mehr auf eine einzelne, also das ist ja fast
0:39:30–0:39:34
dieses einzelne, das kleine Blei, was dann in Deutschland repräsentiert.
0:39:35–0:39:40
Da bist du wieder frei. Da bist du wieder freier und kannst dann halt wieder
0:39:40–0:39:47
über verschiedenen Zeilen und so weiter kannst du dann halt auch Buchstaben oder,
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wie nennt man das, diese Striche, die dann halt aus einzelnen Buchstaben dann
0:39:56–0:39:58
rausführen, kannst du dann halt übergreifen machen.
0:40:00–0:40:03
Das Arabische, das habe ich auch mal gehört, das Arabische ist ja auch sehr
0:40:03–0:40:09
ausufernd von einen einzelnen Zeichen, dass die halt auch entsprechend länger
0:40:09–0:40:12
gebraucht haben, um sich dann in diese Buchstabenentitäten einzupassen.
0:40:15–0:40:17
Das ist halt so natürlich dann
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wieder so ein gewisser Vorgabe aus diesem lateinisch-westlichen Diskurs.
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Das Arabische hatte dann nicht gleich diese Drucktechnologien,
0:40:28–0:40:31
hat ein bisschen länger gebraucht. Aber genau.
Tobias Kunisch
0:40:31–0:40:35
Ja, also da hat Kolonialismus auch viel mit zu tun,
0:40:35–0:40:42
weil diese ganze Verbreitung der Drucktechnologie ist halt von Europäern in
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andere Regionen der Welt getragen worden.
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Und die haben dann quasi gesagt, also weißt du, es gibt ja dieses Ding mit chinesische
0:40:53–0:40:57
Schreibmaschinen, die wären irgendwie 2000 Tasten groß und so.
0:40:58–0:41:01
Aber das ist ja dieser Ansatz von, wir haben hier ein Ding, das funktioniert
0:41:01–0:41:06
von uns, das funktioniert für uns, für das lateinische Alphabet und euer Alphabet
0:41:06–0:41:09
ist doof, weil es funktioniert nicht mit unserer Maschine, was wir für ein anderes
0:41:09–0:41:10
Alphabet gemacht haben.
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Wobei es irgendwie vielleicht andere Technologien gibt, die vielleicht besser
0:41:13–0:41:17
geeignet wären, um in der Schrift dann zu schreiben.
Florian Clauß
0:41:17–0:41:23
Wie ist das denn, jetzt gehen wir wieder zurück in diese digitale Welt,
0:41:23–0:41:24
in die Welt der Computer,
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ersten computer die dann auch einen entsprechend beschränkten bitsatz hatten, wo die 128 bit,
0:41:35–0:41:40
Also 2 hoch 7 Zeichen dann erst eingestellt werden konnten.
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Dann gab es irgendwann das Latin 1, wo 2 hoch 8 Zeichen, also 256 Zeichen,
0:41:47–0:41:48
dargestellt werden konnten.
0:41:49–0:41:53
Deswegen hat sich ja dann auch die ersten E-Mails, die man so geschrieben hat, es gab keine Umlaut.
0:41:54–0:41:57
Und dann irgendwann kam ja dann irgendwann diese Unicode-Bewegung.
0:41:59–0:42:05
Das heißt, den Zeichensatz, also erstmal natürlich auch hier wieder die technischen
0:42:05–0:42:08
Bedingungen, die sich erstmal hergestellt haben, mehr Speicher,
0:42:08–0:42:12
dass ich dann entsprechend mehr Platz habe, um Informationen abzulegen.
0:42:14–0:42:18
Und bei den Schriften, gerade bei den chinesischen und so weiter,
0:42:18–0:42:23
da war ja so eine, ich glaube, das war so Mitte 90er, wo die dann halt angefangen
0:42:23–0:42:29
haben, diese chinesischen Zeichen oder die asiatischen Zeichensätze auch zu
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spezifizieren in diesem Unicode-Zeichensatz.
0:42:35–0:42:40
Ich frage jetzt nochmal, das ist genau das, was du gerade gesagt hast mit,
0:42:40–0:42:42
wir haben hier eine Schreibmaschine und passt euch mal an.
0:42:44–0:42:49
Das ist ja auch da in diesem Unicode-Entstehungsgeschichte ist ja auch so ein
0:42:49–0:42:51
bisschen so. Wir haben jetzt eine Schreibmaschine, passt euch mal an.
0:42:51–0:42:53
Oder auch mit der Tastatur.
0:42:54–0:43:00
Wie werden dann so asiatische Schriften oder Zeichen dann dargestellt und wie
0:43:00–0:43:02
sind die von der Haptik dann halt auch überhaupt bedienbar?
Tobias Kunisch
0:43:04–0:43:09
Also ich glaube es ist es wert ein bisschen mehr über das Unicode- Consortium
0:43:09–0:43:13
zu sprechen, weil das sitzt da quasi so in der Mitte davon.
0:43:14–0:43:20
Es gibt dieses Consortium, das heißt eben Unicode, das ist ein Industriekonsortium,
0:43:20–0:43:25
das hat irgendwie mehrere Mitglieder aus der Industrie und freiwillige Helfer.
0:43:26–0:43:27
Und was die machen ist, die,
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haben eine große Tabelle von allen Schriftzeichen aus allen Schriftarten der Welt.
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Das heißt, es ist eine Riesentabelle, da sind alle Schriftarten vertreten.
0:43:42–0:43:47
Fängt mit dem Lateinischen an, was von den Amerikanern gestartet worden ist,
0:43:47–0:43:51
aber hat dann eben auch, ein großer Teil davon ist Chinesisch.
0:43:51–0:43:54
Das Chinesische hat irgendwie 65.000 Schriftzeichen, glaube ich.
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Das heißt, es ist ein großer Teil.
0:43:58–0:44:00
Mittlerweile ist Emoji auch sunn, das ist der aktivste Teil,
0:44:00–0:44:03
weil Emoji werden immer neu hinzugefügt jedes Jahr.
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Wir sind gerade bei Emoji 15, glaube ich. 15.1 sind wir gerade dabei abzudaten.
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Auf jeden Fall gibt es diese Tabelle und jedes Zeichen, was in der Tabelle sunn
0:44:20–0:44:25
ist, was es in irgendeiner Schriftart gibt, sind nicht alle Schriftarten.
0:44:26–0:44:29
Manche Schriften haben sie nicht drin. Es werden jedes Jahr Schriften hinzugefügt.
0:44:32–0:44:36
Aber das Ziel ist es quasi, alle lebendigen Schriften abzubilden.
0:44:38–0:44:41
Und jedes Zeichen hat auf jeden Fall einen Unicode-Punkt.
0:44:44–0:44:47
Leute, die sich mit Computern beschäftigen, haben das bestimmt schon mal gesehen.
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Das ist so U+, und dann eine Zeichenfolge.
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Das heißt, wenn ich einen Computer benutze oder ein Telefon und eine Tastatur
0:44:57–0:45:01
benutze, dann habe ich meine Tastatur auf eine bestimmte Sprache eingestellt.
0:45:02–0:45:07
Die Tastatur weiß dann, dass sie mir bestimmte Schriftzeichen zeigt und wenn
0:45:07–0:45:15
ich die antippe, dann sendet die Tastatur nur diesen Unicode-Punkt an den Computer.
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Und der Computer weiß dann, ich muss dieses Zeichen abbilden.
0:45:21–0:45:27
Und der Computer oder das Gerät, an dem du arbeitest, guckt dann,
0:45:27–0:45:33
was habe ich für eine Schrift, die dieses Zeichen hat und malt dann quasi das
0:45:33–0:45:36
Zeichen von der Schrift auf deinem Bildschirm.
Florian Clauß
0:45:36–0:45:41
Und hat das dann in dieser Zeichen-Tabelle eingespeichert oder das wird dann
0:45:41–0:45:45
je nach Gerät, Endgerät oder sowas, wird das dann umgesetzt?
Tobias Kunisch
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Und jetzt sind wir wieder am Anfang von unserer Geschichte. Weil,
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als wir vorher über Webfonds geredet haben und darüber gesprochen haben,
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dass man nur die Schriften benutzen konnte, die die Leute auf ihrer Maschine
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hatten für eine Webseite, weil die Schrift sonst nicht dargestellt werden konnte,
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das ist genau das, was da passiert.
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Wenn ich auf meiner Webseite einen Text habe, dann ist es quasi auch für die
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Maschine auch nur eine Anleihung von Unicode-Punkten.
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Und der Computer, an dem du sitzt, sagt erstmal,
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wenn keine Schriftart angegeben ist, dann sagt der Computer,
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meine Standardeinstellungsschrift ist die und die,
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San Francisco auf einem Macintosh heutzutage,
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Roboto auf einem Android-Telefon und guckt danach dieser Unicode-Punkt von San
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Francisco, wenn ich an meinem Macbook sitze, sieht so aus und dann male ich das.
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Wenn und damals, als es mit den Webfonds angefangen hat, bevor wir diese Webfonds hatten,
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gab es einen Set Schriften, die Microsoft entwickelt hatte, die sind die Websafe-Fonts.
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Die waren auf allen Windows-Maschinen und auf allen Macintoshs vorinstalliert.
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Und Linux hatte auch einen Anteil davon oder äquivalente Schriften.
Florian Clauß
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Websafe?
Tobias Kunisch
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Ja, weil die waren quasi safe to use on a website. Und die Namen haben viele
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Leute bestimmt schon mal gehört.
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Arial, Georgia, Vardana, Comic Sans und noch ein paar andere,
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Tahoma. Und man konnte eben für sein Webdesign nur diese Schriften angeben,
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weil wenn man eine andere Schrift eingegeben hat, dann kannten die Computer
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die nicht und haben dann halt gesagt, ich zeige es trotzdem auf Arial oder Times New Roman.
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Haben eben der Website die Möglichkeit gegeben,
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von dem Server eine andere Schrift zu holen, die einen Match,
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also den Äquivalent für diesen Unicode-Punkt hatte, wo der Designer dann sagen
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konnte, ich will aber die Schrift und dann sah der Buchstabe anders aus.
Florian Clauß
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Ja, ich bin eingestiegen mit Cyberstudio. Kennst du noch das Programm?
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Nee. So wär's wie Dreamweaver, aber für Macintosh.
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Cyberstudio wurde dann auch irgendwann von Adobe übernommen übernommen und dann,
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also das waren so quasi so diese Generatoren, mit denen du Webseiten basteln konntest.
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Und die hatten auch eine Implementierung für Fonts. Und das war relativ früh,
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aber das war dann immer so peripher.
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Das war dann immer nur die Geräte, die, wenn du das Gerät genommen hast,
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dann wurde es dargestellt, dann konntest du es sehen.
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Meistens dann halt Max dann so
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verstanden wurde, aber für die ganzen Windows-Maschinen war das nicht so.
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Das waren noch die Zeiten der periferen Designs.
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Dann hat man irgendwann Table Data und Table Tabellen genommen,
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um irgendwelche Sachen darzustellen, die dann halt so außergewöhnlich waren.
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Oder man hat auch ganz viel mit Bildern gearbeitet.
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Das war ja auch üblich.
Tobias Kunisch
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Oh, Image Maps.
Florian Clauß
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Image Maps. Und hier kommen wir nochmal so ein bisschen, Bevor die Webfons dann
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populär wurden, gab es das Desktop-Publishing.
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Das war ja auch die große Revolution bzw.
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Auch der Killer von diesem traditionellen Buchdruckverfahren.
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Und das hat sich so ein bisschen abgebildet in dem Bereich von Litografie usw.
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Das ist dann halt durch Fotografie dann quasi so Vorlagen für Druckvorlagen erstellt worden.
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Und Desktop Publishing war dann eben die Möglichkeit und dann kommt,
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ich weiß nicht, ich habe es auch nur gelesen, aber dann gab es halt dieses Post Script.
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Und es gibt dann nochmal so eine andere Dimension, die den ganzen Bereich revolutioniert
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hat, nämlich die Skalierbarkeit.
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Und dafür hat der Adobe ein Verfahren entwickelt.
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Du jetzt, wenn du so eine Bleivorlage dir anguckst, die ist natürlich nur so
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groß, wie halt das Bleistück ist.
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Also die ist ja nicht skalierbar. Während, wenn du jetzt in diesem digitalen Bereich,
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dann, also ich meine klar, dann hast du eins zu eins den Druck und du druckst
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es, aber wenn du jetzt quasi eine Zeitung druckst und das gleiche auch auf ein
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Plakat drucken musst, dann musst du halt entsprechend eine größere Vorlage verwenden.
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Und mit PostScript wurde ja dann, oder mit den ganzen Verfahren,
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wurde ja dann die Vektorschriften eingeführt.
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Also, dass du nicht mehr auf so einer direkten, auf so einer direkten eins-zu-eins-Litografie-Ebene
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bist, sondern dass du quasi den Buchstaben über Kurven beschreibst.
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Also eine mathematische Vorlage von deinen Buchstaben hast.
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Und das ist ja so ein Verfahren, was sich dann mit dem Desktop Publishing so quasi verbreitet hat.
Tobias Kunisch
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Ja, also viele Leute heutzutage wissen gar gar nicht, dass PostScript das war,
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was Adobe groß gemacht hat.
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Also Adobe ist deswegen so eine große Firma, weil die damals PostScript so einen Durchbruch hatten.
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Und es gab ja damals, also damals als Desktop Publishing mit Schriftsätzen,
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mit Computern angefangen hat, gab es da unterschiedliche Standards von Computern,
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von Schriftarten und wie die Zucker, die interpretiert haben.
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Man konnte nicht, also nicht wie heute, heute kann man so ziemlich jeden Zucker
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an jeden Computer anschließen und von einem Computer eine Textdatei zu einem
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anderen Computer schicken und da dann ausdrucken.
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Das war damals nicht der Fall. Da gab es Zucker, die mit bestimmten Computern
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funktioniert haben, mit bestimmten gesamten Funktionen.
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Und Adobe hat sich da mit PostScript durchgesetzt und mit den Stiftformaten,
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die PostScript benutzt hat.
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Das war eine Riesensache damals. Das war so ein bisschen so ein Krieg der Formate
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zwischen Microsoft und Adobe und Apple damals.
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Das hat dann auch mehrere Jahre gedauert, bis die sich da so zusammengerauft
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haben und sich da dann so Frieden geschlossen haben und sich alle auf PostScript geeinigt.
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Und dasselbe, oder so ein bisschen ähnlich, findet ja auch an,
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also man druckt ja die meisten Schriften, die man am Computer macht,
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heutzutage nicht mehr. Man schaut die sich entweder am Computer an oder am Telefon.
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Und das heißt, die Buchstaben, die die Schriften machen, werden nicht mehr einmal
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gedruckt und abgebildet oder auf einen physischen Gegenstand gemacht,
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sondern die werden auf auf Bildschirme gemalt.
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Und die Bildschirme haben unterschiedliche Pixellichten.
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Also die Pixel machen ja die einzelnen farbigen Punkte, die das Bild auf dem Bildschirm machen.
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Es ist ja nur, es ist ja nur in letzter Zeit, dass unsere Bildschirme so gut
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geworden sind, dass wir so...
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Das war ja für die längste Zeit, wenn man sich überlegt, ich habe damals,
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als ich klein war, an einem C64 viel Zeit verbracht.
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Oder an einem Atari, man kennt ja diese 8-Bit-Schriften, die einfach nur so ein paar Pixeln waren.
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Das war damals ein Problem, wie man die Buchstaben dann skaliert auf unterschiedliche Größen.
Florian Clauß
0:53:23–0:53:24
Genau, ja.
Tobias Kunisch
0:53:25–0:53:28
Weil man kann ja nicht einfach, man kann die Pixeln nicht einfach größer machen.
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Man hat dann ja mehr Pixeln und dann kann man ein kleines A zum Beispiel anders
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malen, mit mehreren Punkten, als das der Fall ist, wenn man es ganz klein sieht.
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Das heißt, man konnte die nicht einfach hochskalieren, wie mit den Vektoren,
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die du gerade für einen Suck beschrieben hast, sondern man musste dann die Schrift
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für unterschiedliche Größen designen.
Florian Clauß
0:53:49–0:53:55
Ja, in so Matrixen übertragen. Das war dann, genau, das war wirklich so,
0:53:55–0:53:58
wie skalier ich eine Schrift? Ich kann das ja nicht irgendwie wie so einen Kreis
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hochziehen, sondern ich muss die ja irgendwie dann übersetzen.
Tobias Kunisch
0:54:01–0:54:07
Genau, aber weil es viel zu viel Arbeit gewesen wäre,
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ein extra Design für jede einzelne Schiffsgröße zu machen,
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Es gab verschiedene Arten,
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wie verschiedene Operationssysteme die Buchstaben hoch- und runterskaliert haben
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und auf das Pixel-Raster, was die Bildschirme hatten, übersetzt haben.
0:54:27–0:54:30
Das heißt, wenn man sich schon länger mit Computern beschäftigt,
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dann kennt man das, wenn man eine Schrift hatte, die einen Screenshot gemacht
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hat und die so groß gesumt hat, Deswegen gab es ja schwarze Pixel und graue
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Pixel und ganz leicht graue Pixel.
Florian Clauß
0:54:42–0:54:43
Das war dieses Alizing.
Tobias Kunisch
0:54:43–0:54:51
Genau, Anti-Alizing. Anti-Alizing, genau. Und es hat ganz lang gebraucht bis
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kürzlich, dass man Schriften einfach so größer und kleiner machen konnte.
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Die Schriften werden immer noch oft in verschiedenen Größen designt und hergestellt.
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Und jetzt kommen wir zum letzten Evolutionspunkt unserer Reise durch die Geschichtstechnologien.
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Bis 2016. Also ich sollte so anfangen. Das Schriftformat, das man,
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das heutzutage benutzt wird, heißt OpenType.
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Also quasi alles, was wir gerade eben besprochen haben und die ganzen Technologien
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und PostScript und all das, die ganzen Schriftformate, sind am Schluss in einem
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Format zusammengeflossen.
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Das heißt OpenType, auf das haben sich alle großen Firmen und Konsortien geeinigt
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und 2016 gab es eine Erweiterung zum OpenType Standard, der heißt VariableType.
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Und wir bei Google Fonts sind große Fans von Variable Fonts und ich bin auch der Meinung, dass es,
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nach Buchdruck, Leinotype-Maschinen, Fotosatz und digitalem Text der nächste Evolutionspunkt ist.
Florian Clauß
0:56:13–0:56:14
Echt? So fett?
Tobias Kunisch
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Weil, was an diesem neuen Standard neu ist, oder anders ist,
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ist, dass in OpenType, bevor es diese Erweiterung gab,
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hat man quasi immer noch für jede stilistische Variation von der Schrift,
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also für kursiv oder italic oder fett oder dünn oder weit oder eng oder die
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unterschiedlichen Größen, hat man eine eigene Datei benötigt.
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Das heißt, wenn du dir so eine Schrift runterlädst und auf deinem Macintosh
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in ein Fontbuch schiebst, ist ja ein Ordner mit Dateien für all diese Variationen.
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Und wenn du in Word oder in Google Docs irgendwas markierst und dann fett machst,
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dann wechselt die Schrift quasi zu einer anderen Schriftdatei,
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damit die dargestellt wird.
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Und es gibt eben nur die Variation, für die es eine Datei gibt.
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Was Variable Fontets machen, die nehmen all diese Eckpunkte von dem Design von
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der Schrift und machen die in eine Datei rein und erlauben es dem Computer zu interpolieren.
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Das heißt, wenn ich in einer statischen Schrift, wie sie immer benutzt worden
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ist, habe ich normalerweise mein Regular, also eine 400 Weight.
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Ich sage die Sachen immer auf Englisch, deswegen tue ich mir das schwer,
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die auf Deutsch zu sagen.
Florian Clauß
0:57:54–0:57:55
Ne, passt schon.
Tobias Kunisch
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Und es gibt 200, das ist ganz dünn. Es gibt 600, das ist ziemlich fett.
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Es ist 800, das ist extra fett.
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Und das ist das, was man benutzen kann. Wenn ich eine Variableschrift habe,
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die das unterstützt, dann kann ich quasi zwischen 200 und 800 jeden anderen Wert wählen, also 235,
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wenn ich das den besten Wert finde.
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Und dann weiß der Computer, wie er das darstellen muss, weil das ist quasi ein
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Spektrum. Er hat die Endpunkte und weiß, was er dazwischen machen muss,
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um zwischen von einem Endpunkt zum anderen Endpunkt zu kommen.
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Das hört sich jetzt erst mal nicht so aufregend an, weil alle denken...
0:58:40–0:58:44
Ich brauche nicht noch irgendwie ein Gewicht dazwischen oder halt ein Halbfett
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oder ein Halb-Dreiviertelfett.
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Aber was das Spannende daran ist, ist, dass man diese ganzen stilistischen Punkte quasi verbinden kann.
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So ein Schriftdesign wird quasi ein mehrdimensionaler Design-Space,
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wo es quasi in eine Richtung dünn zu fett geht, auf der anderen Richtung weit
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zu eng, In der anderen Richtung irgendein anderes Merkmal.
Florian Clauß
0:59:12–0:59:17
Also du hast im Prinzip so diese Skalierbarkeit von Vektorschriften,
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was dann erstmal nur die Größe betrifft, eigentlich auch zwischen den Stilen.
Tobias Kunisch
0:59:22–0:59:28
Genau, ja. Das ist eine gute Art, darüber zu sprechen.
0:59:29–0:59:35
Und was dieser neue Standard auch erlaubt, ist, dass man quasi jede andere Charakteristika
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für so eine Schrift einbauen kann.
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Zum Beispiel gibt es mittlerweile Schriften, die haben eine variable Achse,
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die nennt man Achsen, zwischen Serifen und ohne Serifen.
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Das heißt, ich kann quasi entweder zum einen Ende vom Spektrum gehen,
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dann wachsen die Buchstaben Serifen oder ich gehe zum anderen Ende und dann
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verschwinden die Serifen, es wird eine serifenlose Schrift.
Florian Clauß
1:00:02–1:00:07
Krass, aber was bedeutet das denn für den Schriftdesigner? Wie mit welchen Tools
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kann der das dann überhaupt designen?
Tobias Kunisch
1:00:10–1:00:16
Naja, also das Spannende ist ja, dass Schriften sind ja mittlerweile Software.
1:00:22–1:00:24
Also Schriften sind Vektoren und viel Python.
Florian Clauß
1:00:24–1:00:30
Schlangenöl. Nein, Python.
Tobias Kunisch
1:00:30–1:00:34
Ja, also Python ist, ich sollte mal erklären, ist eine Programmiersprache,
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die im Web ziemlich verbreitet ist.
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Mittlerweile gibt es Leute, die auf Rust umstellen, weil das ist eine neue Programmiersprache,
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die viel effizienter und sicherer ist.
1:00:45–1:00:50
Aber mein Punkt ist, dass es ist Programmierung quasi. Es sind Vektoren,
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die werden in einem Fall programmiert.
1:00:55–1:01:01
Und die ganzen Schriftdesign-Applikationen, die die Schriftdesigner benutzen,
1:01:01–1:01:04
die fangen langsam an, das zu unterstützen.
1:01:07–1:01:16
Und das heißt auch, dass man eben diese Schriften wie Software während der Runtime
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von einem Programm oder von einem Skript manipulieren kann.
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Das heißt, vorher konnte man nur sagen, ich will jetzt von normal zu fett gehen. kann man sagen.
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Mach mir eine Animation oder mach mir eine Transition von dem Wert zu dem Wert,
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wenn, keine Ahnung, On Hover über CSS und JavaScript oder so.
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Und man kann eben vieles machen, wofür man sonst nur cooles CSS benutzt hätte
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oder was in einem Textbuch gar nicht gegangen wäre, kann man eben so grammatisch machen.
Florian Clauß
1:01:54–1:02:00
Ja, interessant. Ist das jetzt schon so ein Standard, der dann verwendet werden kann?
Tobias Kunisch
1:02:01–1:02:08
Ja, der kann verwendet werden, wenn du eine variable Schrift benutzt in deinem Webdesign.
1:02:11–1:02:14
Es gibt CSS-Rules dafür, um die zu manipulieren.
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Die werden jetzt auch langsam in die ganzen Tools eingebaut.
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Figma hat letzten Sommer, glaube ich war es, Wearable Fonts Report in Figma eingeführt.
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Adobe unterstützt es sehr.
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Adobe hat gerade einen Blogpost gehabt. The future of fonts is wearable.
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Das heißt, es geht jetzt gerade richtig los.
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Und wir sehen gerade jetzt, ich will nicht so viel für Google Fonts Werbung
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machen, aber wir haben bei Google Fonts gerade ein paar coole Schriften,
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die eben neue Achsen einführen, die es vorher nicht gab in der Typografie.
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Zum Beispiel haben wir gerade kürzlich eine Kollaboration gehabt mit einer Künstlerin aus New York,
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Chantel Martin heißt sie, die ist bekannt für ihre Illustrationen,
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die so viele schwarze Marker, Line Drawings haben, aber den eben auch mit ihrer eigenen Handschrift.
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Und wir haben mit Chantel und AeroType, einer Foundry,
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zusammengearbeitet, um ihre Schrift in einen Font umzumalen,
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einen Variable Font, der neue, expressive Achsen hat.
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Einer von, ich glaube, das ist vorher noch nicht benutzt worden, heißt Bounce.
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Das heißt, die nimmt die Buchstaben, die quasi der Handschrift von Chantel nachempfunden
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sind, und ändert die Grundlinie, auf der die sitzen. Wenn du mit der Handschreibschreibst,
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ist es ja nicht immer genau auf derselben Linie.
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Und führt da Variation ein. Das heißt, du kannst sagen, ich will dir entweder
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ganz normal wie eine ganz normale Schrift auf einer Grundlinie oder ich will
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viel Bounce haben und erst dann
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ein O sitzt ein bisschen höher oder ein bisschen niesiger als das Amso O.
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Eine andere Aktie heißt Variation, wo dann ein O ein kleines bisschen anders
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aussieht als das AMSOO zum Beispiel, weil wenn du zwei O's nebeneinander schreibst,
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dann sehen die auch nicht genau gleich aus.
Florian Clauß
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Ja, das war genau auch immer so die Herausforderung,
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die man irgendwie so um authentische Schrift dann quasi irgendwie,
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was heißt authentische Schrift, aber so eine Simulation von eben so einer lebendigen
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Schrift dann darzustellen, wie kann man das dann halt irgendwie lösen?
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Und was mich da jetzt auch so, also was ich jetzt interessant finde in dem Kontext,
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ohne das jetzt irgendwie so weiter irgendwie so belegen zu können,
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aber ist auch die Frage von, wie sich Schrift allgemein verändert,
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weil ich merke an mir selber, ich lese weniger, das heißt, Lesen ist jetzt nicht
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so was Medium, also Schrift, die Lesbarkeit von Schrift ist für mich nicht mehr so entscheidend.
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Und wenn du jetzt so in diese Richtung von dem neuen Apple-Produkt gehst,
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also ich glaube, die Anforderungen an Schriftdarstellung,
1:05:18–1:05:24
die werden ja auch, werden ja jetzt mit den technischen Medien,
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die sich so jetzt am Horizont abzeichnen, gehen ja genau in die Richtung,
1:05:30–1:05:35
dass ich eine eine gewisse Variation habe, eine gewisse organische Dynamik,
1:05:35–1:05:36
die ich da jetzt so drin habe.
1:05:37–1:05:42
Dass ich die dann halt auch irgendwo nutzen, abbilden kann. Das kann ich mir
1:05:42–1:05:44
gut vorstellen, das passt jetzt gerade genau in die Zeit.
1:05:45–1:05:51
Also es ist genau dieser Schritt von Schriftentwicklung, die die Technologie
1:05:51–1:05:57
gerade braucht, um bestimmte Sachen wieder so in irgendeiner Form typografisch darstellen zu können.
Tobias Kunisch
1:05:59–1:06:05
Naja, oder es geht um deinen eigenen Selbstausdruck, also zum Beispiel mit diesen neuen Schriften.
1:06:05–1:06:09
Könnte man auch sehen, wie ich jetzt auf meinem Telefon oder in meinem Browser...
1:06:11–1:06:17
Die Schrift, die ich lese, dünner mache oder fetter mache oder enger mache oder
1:06:17–1:06:23
weiter mache, damit ich die besser lesen kann oder die mehr dementspricht,
1:06:23–1:06:25
wie ich mein Telefon angucken will.
1:06:25–1:06:31
Oder es gibt Leute, die haben bestimmte Anforderungen, besser lesen zu können.
1:06:31–1:06:35
Es gibt zum Beispiel Leser, die dyslexisch sind.
Florian Clauß
1:06:36–1:06:37
Die was?
Tobias Kunisch
1:06:38–1:06:43
Dyslexia, also halt eine Lesestörung. Okay. Dyslexie heißt das auf Deutsch.
1:06:44–1:06:48
Das ist eine Kondition, wo dein Hirn Probleme hat, die Buchstaben in die richtige
1:06:48–1:06:51
Reihenfolge zu setzen und in der richtigen Reihenfolge zu lesen.
1:06:51–1:06:53
Man spricht davon Crowding, wenn die so durcheinanderpulzeln.
1:06:55–1:07:00
Und es gibt Studien, die zeigen, dass manche Leser ...
1:07:02–1:07:06
Diesen Effekt erleben, dass sie davon profitieren, wenn die Buchstaben enger
1:07:06–1:07:07
werden oder weiter werden.
Florian Clauß
1:07:07–1:07:11
Und du könntest jetzt quasi mit so einer Vision Pro, je nachdem,
1:07:11–1:07:15
wo du den Eye-Track machst, dann könntest du auch im Prinzip dynamisch nach
1:07:15–1:07:19
deinem wirklich akuten Durchlesen könntest du die Schrift verändern.
Tobias Kunisch
1:07:21–1:07:25
Ja, also das ist schon ein bisschen weiter gesprungen, wenn dann die Maschine
1:07:25–1:07:28
erkennt, wie deine Anforderungen sind.
Florian Clauß
1:07:28–1:07:31
In der Technologie jetzt quasi mit drin liegen, dass du, okay,
1:07:31–1:07:33
die sieht halt irgendwie so
1:07:33–1:07:38
Vision Pro, sieht halt, wie meine Augen laufen und dann kann sie eh dann die
1:07:38–1:07:41
Schrift darauf anpassen und je nachdem,
1:07:41–1:07:47
was ich dann halt quasi für ein Handicap hab oder was ich denn für eine Bevorzugung
1:07:47–1:07:50
habe, könnte sie dann auch die Schrift anpassen.
Tobias Kunisch
1:07:51–1:07:56
Ja, also solche neuen Technologien sind da interessant.
1:07:58–1:08:03
Es gibt jetzt, also wir haben mit einer ehemaligen Lehrerin,
1:08:03–1:08:09
die da sehr viel Recherche gemacht hat und anderen Kollaboratoren eine Variable
1:08:09–1:08:13
Schrift entwickelt, die das eben machen kann, wo man einstellen kann,
1:08:13–1:08:15
ich will, dass meine Buchstaben so weit sind.
1:08:19–1:08:24
Und dann das Hyper-Expansion, dass mir das hilft, wenn ich Dyslexie habe,
1:08:24–1:08:25
dass ich besser lesen kann.
Florian Clauß
1:08:25–1:08:33
Ja, also es fördert quasi die individuellen Gegebenheiten oder Anforderungen, ne?
Tobias Kunisch
1:08:33–1:08:34
Ja, also beides.
1:08:37–1:08:41
Entweder er erweitert die Möglichkeiten, die ein Designer hat, um expressiv zu sein.
1:08:42–1:08:45
Oder es ermöglicht mir, als Konsument von Text,
1:08:45–1:08:53
die Einstellung so zu machen, dass es entweder mehr meinem Selbstausdruck entspricht
1:08:53–1:08:57
oder dass ich selber besser lesen kann.
Florian Clauß
1:08:57–1:09:04
Okay, also wir sind jetzt gerade über die Schleife von damals im alten Rom,
1:09:04–1:09:11
war das so und so, Hinzu jetzt ist jetzt so die Perspektive von Schriftentwicklung,
1:09:11–1:09:13
was als nächstes ansteht.
1:09:13–1:09:16
Und wir sind auch mitten im, hier geht es total ab, ne?
Tobias Kunisch
1:09:16–1:09:18
Ja, da hinten ist die Party.
Florian Clauß
1:09:19–1:09:25
Die Parks und die Partys in Berlin, ja. Und ich wollte nochmal so einen kurzen
1:09:25–1:09:26
Zwischenschritt einlegen.
1:09:29–1:09:33
Erstmal finde ich, also was mir jetzt immer so in der Vorbereitung dann immer
1:09:33–1:09:36
so aufgefallen ist, diese Skalierbarkeit von Schriften.
1:09:36–1:09:41
Also in dem Moment, wenn sich so Bedingungen ändern, wer ist auf die Idee gekommen,
1:09:41–1:09:45
das so zu machen? Du hast auf einmal so, es ist ja ein unglaublicher Evolutionsschritt,
1:09:45–1:09:49
dann erst mal so, im Nachhinein wirkt das dann immer nicht so.
1:09:50–1:09:53
Aber irgendwo muss ja irgendwie jemand auf die Idee gekommen sein,
1:09:53–1:09:55
man könnte das jetzt auch so und so machen.
1:09:56–1:10:01
In dem Rahmen, also da bedingt sich wieder so die Technologie mit den Desktop
1:10:01–1:10:06
Publishing und dann Und dann ist es ja interessant, dass dann auf einmal ein
1:10:06–1:10:10
Standard daraus wird, der dann auch wieder neue Schritte dann halt auch fördert.
1:10:12–1:10:15
Und das finde ich halt so, diese Skalierung von Schrift, das finde ich halt
1:10:15–1:10:19
schon extrem ein Extrem-Evolution-Schritt, sag ich mal.
1:10:20–1:10:25
In dem Moment, wo es überhaupt Sinn gemacht hat, Wempf-Fonts einzuführen,
1:10:25–1:10:28
waren überhaupt die technischen Darstellungsmöglichkeiten so weit,
1:10:28–1:10:31
dass ich die halt auch entsprechend darstellen kann.
1:10:31–1:10:36
Also es gab es halt irgendwie so die E-Reader sind dann ja so entwickelt worden, das heißt
1:10:37–1:10:42
digitale Tinte, die dann halt auch alle mögliche Formen von Fonts auf irgendwie
1:10:42–1:10:45
auf so einem natürlichen Format darstellen kann,
1:10:45–1:10:51
wie auch, dass die Bildschirme in so einer Auflösung überhaupt verfügbar waren,
1:10:51–1:10:52
können wir da weitergehen?
Tobias Kunisch
1:10:52–1:10:53
Ne, da geht es nicht.
Florian Clauß
1:10:54–1:10:56
Die Bildschirme so verfügbar waren, dass,
1:10:59–1:11:05
gar nicht mehr dieses herkömmliche Raster von Monitoren da drin erkennbar ist,
1:11:05–1:11:10
sondern da gab es halt irgendwie so die Entwicklung von diese Dichte dann halt
1:11:10–1:11:17
quasi von Pixeln erhöht habe im Monitor,
1:11:17–1:11:23
dass die Schriften überhaupt auf dem Monitor so ordentlich dargestellt werden können
1:11:24–1:11:28
und dass es überhaupt gar keine Motivation mehr gibt, irgendwas auszudrucken,
1:11:28–1:11:31
Weil das ist ja auch mit dem Aufkommen von Mobiltelefonen.
1:11:32–1:11:36
Also es gibt ja überhaupt nicht mehr, warum muss ich jetzt noch ein Druckerzeugnis
1:11:36–1:11:41
mit mir rumtragen, wenn ich eh mein Telefon, was alles darstellen kann,
1:11:41–1:11:42
in der Hosentasche habe.
1:11:42–1:11:46
Das waren ja so alles so Bedingungen technologisch, kulturell,
1:11:46–1:11:51
die dann erstmal dazu geführt haben, dass ich jetzt nicht mehr irgendwie diesen
1:11:51–1:11:54
Output auf irgendein Endgerät erzeugen muss,
1:11:54–1:11:57
um es dann halt irgendwie analog wieder in der Welt zu haben,
1:11:57–1:12:00
sondern es bleibt in diesem digitalen Bereich.
1:12:00–1:12:05
Und dann kommen halt Webfonds, die dann auch entsprechend diese typografische
1:12:05–1:12:09
Vielfalt mir dann bieten können. In Design, ja.
1:12:12–1:12:15
Und wann ist das Projekt denn von Google direkt losgegangen?
Tobias Kunisch
1:12:16–1:12:23
Naja, das war 2010, als ich bei Google angefangen habe.
1:12:26–1:12:32
In meinem Vorstellungsgespräch gab es eine Frage, die damals ganz üblich in
1:12:32–1:12:34
Google-Vorstellungsgesprächen war. Ich glaube, die wird nicht mehr gemacht.
1:12:35–1:12:37
Ich mache sie auf jeden Fall nicht mehr in meinen Interviews.
1:12:39–1:12:45
Was man für Ideen hat, was man machen könnte, wenn man von Google angestellt
1:12:45–1:12:51
wird, was der Größe von Google entspricht. Also quasi auch mal Googles Ressourcen hätte.
1:12:52–1:12:59
Was würde man machen? Und weil ich damals sehr viel Webentwicklung und Webdesign
1:12:59–1:13:02
gemacht habe und sehr viel über HTML5 und den neuen CSS-Standard nachgedacht habe,
1:13:03–1:13:08
Aber meine Antwort eben, es wäre doch total cool, wenn Google,
1:13:08–1:13:11
wie mit anderen APIs, die Google zur Verfügung stellt,
1:13:11–1:13:15
API ist eine Computerschnittstelle, die man nutzen kann,
1:13:15–1:13:20
wenn Google auf seine Datencenter, auf seine Rechencenter,
1:13:20–1:13:24
Schriften legen könnte, die jeder benutzen kann, damit man eben nicht mehr nur
1:13:24–1:13:30
diese Websafe-Schriften benutzen muss und damit man weiß, da gibt es Schriften,
1:13:30–1:13:34
die kann man benutzen, weil das Ding ist ja,
1:13:34–1:13:39
dass nicht alle Schriften, zumindest nicht alle Schriften, die es damals gab,
1:13:39–1:13:43
konnten gut auf einem Bildschirm dargestellt werden.
1:13:43–1:13:46
Da hat man es ja vorher ein bisschen darüber, dass es ein Unterschied ist,
1:13:46–1:13:50
eine Schrift auf Papier zu drucken oder auf dem Bildschirm darzustellen in unterschiedlichen Größen.
1:13:53–1:13:55
Und ich fand das damals eine großartige
1:13:55–1:13:58
Idee und ich hatte dann das Glück eingestellt zu werden bei Google.
1:13:59–1:14:02
Ein paar Wochen später habe ich darüber nachgedacht und habe dann eine interne
1:14:02–1:14:03
Mailing-Liste gefunden.
1:14:04–1:14:08
Die gibt es immer noch, die Typografie-Mailing-Liste. Ich habe dann hingeschrieben,
1:14:08–1:14:13
hey Leute, wir allen, die die Typografie-Mailing-Liste lesen,
1:14:13–1:14:16
es wäre doch total toll, wenn wir das machen würden.
Florian Clauß
1:14:18–1:14:22
Genau, der neue mit der Brille. Genau.
Tobias Kunisch
1:14:22–1:14:27
Und dann habe ich am selben Tag noch eine E-Mail von einem Softwareentwickler
1:14:27–1:14:32
aus Mountainview zurückbekommen, der gesagt hat, hey, ich bin Teil vom Google
1:14:32–1:14:35
Forums Team, also hier, was jetzt Workspaces.
1:14:37–1:14:43
Und wir arbeiten an sowas. Wir arbeiten an der API. Das waren er und ein anderer Softwareentwickler.
1:14:43–1:14:47
Und die meinten dann, mach mit, mach ein 20-Prozent-Projekt draus.
1:14:47–1:14:51
Das gibt es nicht mehr so viel bei Google, aber ich glaube, es ist immer noch ziemlich bekannt.
1:14:51–1:14:56
Google hat ja lange Zeit irgendwie alle Mitarbeiter die Möglichkeit gegeben,
1:14:56–1:15:00
ein 20-Prozent-Projekt zu machen, wo die quasi 20 Prozent ihrer Zeit,
1:15:00–1:15:03
also einen Tag die Woche, mit ihrem eigenen Projekt...
Florian Clauß
1:15:05–1:15:10
Das war, glaube ich, noch so prä-Startup, als noch nicht die ganzen Startup-Dinger
1:15:10–1:15:14
hier in Europa hochgepoppt sind, wo es dann eh so üblich war, dass man so diese...
Tobias Kunisch
1:15:14–1:15:14
Ja.
Florian Clauß
1:15:15–1:15:18
Aber Google war dann so quasi so ein Vorreiter, wo man dann halt irgendwie so
1:15:18–1:15:21
20 Prozent der Zeit sich da...
Tobias Kunisch
1:15:21–1:15:28
Naja, also Gmail ist als 20-Prozent-Projekt entstanden und Google Maps auch. Also diese... Ja.
1:15:29–1:15:32
Was jetzt diese Produkte sind, waren halt Ideen von Entwicklern,
1:15:32–1:15:37
die dann sich zusammengetan haben und was ausprobiert haben.
1:15:39–1:15:42
Und dann habe ich das gemacht und mit denen zusammengearbeitet und wir hatten
1:15:42–1:15:45
dann auch schnell noch andere Leute,
1:15:45–1:15:52
die da mitgemacht haben und dann haben wir eben 2010 diesen Google Webphone Service gestartet,
1:15:52–1:15:58
wo man eben sagen konnte, anstatt dass ich jetzt irgendeine Schrift nehme,
1:15:58–1:16:01
für die ich vielleicht keine Lizenz habe oder Lizenzen zahlen müsste oder nicht weiß,
1:16:01–1:16:07
dass sie wirklich gut auf dem Bildschirm aussieht, kann ich einfach meiner Website
1:16:07–1:16:12
sagen, hier, da auf dem Google-Server gibt es eine Schrift, hol die einfach
1:16:12–1:16:13
und dann kannst du die benutzen.
1:16:13–1:16:17
Wenn da Text ist, dann weiß der Computer oder der Browser von dem Nutzer,
1:16:17–1:16:22
wie er die Buchstaben darstellen soll. Das nennt man eine API in Entwicklerkreisen.
1:16:26–1:16:30
Und es ist dann 2011 gelauncht. 12 Schriften, die sind alle Open Source,
1:16:30–1:16:34
also Open Source sind alle frei verfügbar, mit denen kann man machen, was man will quasi.
1:16:37–1:16:41
Ja und das ist dann ziemlich erfolgreich geworden über die letzten zehn Jahre
1:16:41–1:16:43
und zwölf, dreizehn Jahre jetzt.
1:16:45–1:16:48
Große Teile des Internets benutzen mittlerweile Google Fonts.
1:16:50–1:16:51
Man kann die Schriften alle runterladen.
1:16:53–1:16:55
Ja und das ist ziemlich...
Florian Clauß
1:16:56–1:17:00
Also was mich jetzt interessiert und ich glaube, was dann auch den ganzen Bereich
1:17:00–1:17:06
quasi nach dem ganzen Webfonds und so weiter, nämlich die, das haben wir jetzt
1:17:06–1:17:10
noch gar nicht so angesprochen, aber die Lizenzierung von Schriften. Ja.
1:17:11–1:17:12
Das ist es gab.
1:17:14–1:17:18
In den 90ern gab es ja schon so viele kleine Buden, die dann halt irgendwie
1:17:18–1:17:22
lizenzfrei dann Schriften hergestellt haben. Und die dann vertickt haben.
1:17:22–1:17:26
Ich kann mich auch noch daran erinnern, dass ich irgendwie so im Netz rumgehangen habe.
Tobias Kunisch
1:17:26–1:17:28
Moment, wenn die sie vertickt haben, dann war eine Lizenz...
Florian Clauß
1:17:30–1:17:33
Naja, vertickt im Sinne von, dass du die runterladen konntest von Portalen.
1:17:34–1:17:38
Aber die Lizenzen bei Schriften ist ja auch immer so ein bisschen wie im Kunstmarktbereich.
1:17:39–1:17:44
Also wer hat das Copyright auf die Schrift und unter welcher Lizenz stelle ich das?
1:17:44–1:17:50
Und das war ja zeitgleich mit diesem Creative Commons Wikipedia,
1:17:50–1:17:56
mit diesem, wie geht man mit Lizenzen, wie geht man mit Copyright um,
1:17:56–1:18:00
wer darf das benutzen, was gibt es da für Legacy dahinter und so weiter.
1:18:01–1:18:09
Und da war ja die Bewegung in Richtung lizenzfreie Schriften oder so.
1:18:09–1:18:15
Ich meine, Google hat da auch viel eben in diesem Lizenzbereich gearbeitet.
1:18:17–1:18:23
Und auch alle Schriften, die man da benutzen kann, sind im Prinzip unter einer Lizenz,
1:18:23–1:18:28
die halt non-commercial oder die halt auch commercial ist, die Schrift für alles
1:18:28–1:18:33
verwenden kannst, ohne irgendwie Lizenzen zahlen zu müssen und da entsprechend
1:18:33–1:18:34
auch irgendwie die Künstler bezahlen.
1:18:35–1:18:37
Ich weiß nicht, kannst du da vielleicht noch was zu sagen?
Tobias Kunisch
1:18:38–1:18:43
Ja, also wir sind halt, wir glauben an Open Source und an Open Software,
1:18:43–1:18:50
das heißt, alle unsere Schriften sind ohne Lizenzgebühr und ohne Entgelt und
1:18:50–1:18:51
ohne Zahlung verfügbar.
1:18:52–1:18:54
Ich arbeite mit der SIL Open-Front-License.
1:18:56–1:19:09
Das heißt, SIL ist eine Entity, die hat diese Open-Source-Schrift-Lizenz erfunden, die sehr frei ist.
1:19:09–1:19:12
Das heißt, du kannst die Schrift herunterladen, du kannst mit der Schrift machen,
1:19:12–1:19:16
was du willst, du kannst die Schrift in deinem kommerziellen Projekt benutzen,
1:19:16–1:19:23
du kannst quasi alles mit der Schrift machen, du kannst die Schrift sogar ändern oder abändern.
1:19:25–1:19:29
Du kannst machen damit, was du willst. Die einzige oder eine von den wenigen Einschränkungen ist,
1:19:29–1:19:35
dass wenn du die Schrift änderst, dann muss das Resultat daraus wieder dieselbe
1:19:35–1:19:39
Open-Source-Lizenz haben und du kannst die Schrift nicht so,
1:19:39–1:19:41
wie sie ist, irgendwo verkaufen.
1:19:43–1:19:48
Das würde dem ganzen Konzept widersprechen. Wir haben ein paar Schriften,
1:19:48–1:19:49
die benutzen noch die Apache-License.
1:19:50–1:19:53
Wir haben ein paar Icons, über Icons haben wir noch gar nicht gesprochen,
1:19:53–1:19:56
die haben wir auch, aber die benutzen die MIT-License, aber das sind im Prinzip
1:19:56–1:20:00
alles Open-Source-Lizenzen, die das alles erlauben.
1:20:01–1:20:02
Warte mal, wir müssen...
Florian Clauß
1:20:02–1:20:03
Links.
Tobias Kunisch
1:20:03–1:20:04
Nach links, ja.
Florian Clauß
1:20:05–1:20:06
Wir sind jetzt hier unter dem Technikmuseum.
1:20:08–1:20:14
Wo wir auch verschiedene Folgen von eigentlich Podcast beendet bzw.
1:20:15–1:20:17
Angefangen bzw. mittendrin waren.
1:20:18–1:20:23
Muss ich hier mal kurz droppen. Also Konrad Zuse war im Technikmuseum,
1:20:23–1:20:30
haben wir besucht. Die Zuse 3 und auch 11 sind hier ausgestellt.
1:20:30–1:20:38
Also ich empfehle jedem, auch mit Kindern, immer ins Technikmuseum zu gehen. Ganz tolles Museum.
Tobias Kunisch
1:20:38–1:20:41
Ja, meine Kinder waren mit ihrem Opa schon da, die wollen mit mir jetzt nicht
1:20:41–1:20:43
mehr hingehen. Jetzt muss ich alleine zur Technik.
Florian Clauß
1:20:43–1:20:48
Nein, nein, kannst du auch mit. Also wart ihr eigentlich schon mal in dem anderen,
1:20:48–1:20:50
in diesem Teil vom Technikmuseum?
Tobias Kunisch
1:20:50–1:20:53
Nee, ich war noch... Spektrum. Ja?
Florian Clauß
1:20:53–1:20:57
Ist das gut? Gut, du bist natürlich irgendwie New York, London,
1:20:57–1:21:03
San Francisco gewöhnt. Also, ich meine das Technikmuseum, wie heißt denn das nochmal in London?
1:21:03–1:21:05
Das ist auch das Science Museum.
1:21:13–1:21:17
Das ist in dieser Gegend von London, wo ganz viele Museen, auch das Victoria...
Tobias Kunisch
1:21:17–1:21:25
Das V&A, ja, das Victoria & Albert. Genau, das ist aber das Natural History Museum.
Florian Clauß
1:21:26–1:21:31
Aber es ist auch großartig, ich glaube, wenn man das Spektrum Museum hier gesehen
1:21:31–1:21:33
hat, wo man dann so mitmachen kann, ja.
1:21:33–1:21:36
Und dann siehst du halt irgendwie so diese abgekrabschten Dinger,
1:21:36–1:21:43
die sind halt schon von Jahrzehnten von Kinder, fettigen Kinderhänden dann schon so durchgegangen.
Tobias Kunisch
1:21:43–1:21:44
Ich finde die Museen in Berlin gut.
Florian Clauß
1:21:45–1:21:48
Ja, aber da musst du mal mit den Kindern hin, Spektrum. Genau,
1:21:48–1:21:51
so viel. Jetzt gehen wir so ein bisschen wieder in den Gleisdreieckpark zu einem
1:21:51–1:21:53
Startpunkt. Wir sind einmal drum rum gegangen.
1:21:55–1:21:59
Und ja, Tobes, ich überlege gerade. Also ich glaube, wir haben so einen ganz
1:21:59–1:22:06
guten Walkaround gemacht, inhaltlich wie auch von der Route her.
1:22:07–1:22:12
Gibt es jetzt noch einen Punkt, also ich überlege Webfonds, den wir noch so
1:22:12–1:22:16
abschließend jetzt sagen können?
Tobias Kunisch
1:22:16–1:22:26
Also das Thema Lizenzen hat ja auch so ein bisschen die Landschaft der Schriftindustrie,
1:22:26–1:22:32
Das ist eigentlich ganz interessant, weil wir haben ja vorher über die Linotype
1:22:32–1:22:34
und die Monotype-Maschinen gesprochen.
1:22:35–1:22:38
Und das ist vielleicht noch ganz interessant zu erzählen.
1:22:39–1:22:43
Diese Firmen haben ja für ihre Maschinen auch mal Softener vor.
1:22:44–1:22:47
Das heißt, die haben angefangen, einen Schriftkatalog aufzubauen,
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den es dann auf ihren Maschinen gab.
1:22:49–1:22:52
Und die haben dann auch Lizenzen erworben für Schriften, die es davor gab.
1:22:54–1:22:59
Und als dann der Fotosatz eingeführt worden ist, sind diese Schriften quasi
1:22:59–1:23:02
alle auf die Halde geschmissen worden.
1:23:02–1:23:07
Aber diese Schriften haben weiter die Lizenzen, diese Firmen haben weiter die
1:23:07–1:23:10
Lizenzen für die Schriften gehabt, die alle benutzen wollten.
1:23:10–1:23:17
Das heißt, es ging dann mehr um das Intellectual Property und die Schriften,
1:23:17–1:23:20
die die Leute benutzen wollten. Verstehe, ja.
1:23:21–1:23:28
Und das ist mittlerweile so weit, dass dieser Konkurrenzkampf zwischen Linotype
1:23:28–1:23:31
und Monotype, den hat Monotype gewonnen.
1:23:32–1:23:37
Linotype hat in der Zwischenzeit kleinere Schriftenfirmen aufgekauft, Monotype auch.
1:23:37–1:23:41
Monotype ist schneller gewachsen. Monotype hat irgendwann Linotype gekauft.
1:23:42–1:23:48
Mittlerweile hat Monotype auch hier so große Schriftfirmen in Berlin,
1:23:48–1:23:50
zum Beispiel Phonshop aufgekauft oder Heffler.
1:23:53–1:23:59
Und das ist das Monotype, was damals diese Maschinen gemacht hat?
Florian Clauß
1:23:59–1:24:01
Ach, und das ist ja auch schon über 100 Jahre her dann.
Tobias Kunisch
1:24:01–1:24:05
Ja, mittlerweile ist Monotype verkauft worden an eine Investitionsfirma.
1:24:07–1:24:12
Das heißt, da geht es hauptsächlich noch um Intellectual Property und Lizenzgebühren.
1:24:14–1:24:19
Wahnsinn! Das heißt, Monotype, jede Schrift quasi, wo du den Namen kennst,
1:24:19–1:24:23
wenn die nicht gerade irgendwas ist, was für Microsoft spezifisch gemacht worden
1:24:23–1:24:27
ist oder für Apple wie San Francisco, dann gehört die Lizenz Monotype.
1:24:27–1:24:34
Also Helvetica, die Schriftfirma, die Helvetica gemacht hat,
1:24:35–1:24:39
Die ist von Linotype aufgekauft worden und Linotype 7 von Monotype aufgekauft
1:24:39–1:24:46
worden. Es gab noch so ein paar einzelne, große Schriftfirmen,
1:24:46–1:24:49
die alle mittlerweile von Monotype aufgekauft worden sind.
1:24:49–1:24:54
Mittlerweile gibt es noch Monotype und kleine Boutique-Schriftfirmen,
1:24:54–1:25:01
die dann mit großen Firmen zusammenarbeiten, um denen dann ihre Hausschriften zu machen zum Beispiel.
1:25:02–1:25:08
Oder ihre eigenen Stiften verkaufen. Das gibt es zum Beispiel in Oakland,
1:25:08–1:25:13
wo wir ganz lange gewohnt haben, gibt es eine kleine Stiftfirma, die heißt Ohno Typeco.
1:25:15–1:25:20
Ohno, wegen Ohno, aber auch weil O-H-N-O sind die ersten Buchstaben,
1:25:20–1:25:25
die der Designer da immer als erstes designt, um ein Stiftkonzept auszuprobieren.
1:25:28–1:25:34
Also im Moment ist die Landschaft, es ist entweder Monotype oder kleine Boutique-Firmen
1:25:34–1:25:40
oder Adobe Fonts, Adobe hat immer noch den größten Schriftkatalog,
1:25:40–1:25:43
oder eben Google Fonts. Aber das ist alles Open-Source.
Florian Clauß
1:25:43–1:25:48
Okay. Wenn ich jetzt so durch den Google Fonts-Katalog gehe,
1:25:48–1:25:50
dann sehe ich ja ganz viel Unterschiedliches.
1:25:50–1:25:54
Also da sehe ich auch noch so alte Frakturschriften, alle möglichen Neuheiten.
1:25:55–1:25:58
Das heißt, wie ist denn da so die Bewegung,
1:25:58–1:26:04
auch so diese traditionellen Schriften, die es damals irgendwo im Klassizismus
1:26:04–1:26:11
oder im Mittelalter oder so, gibt es da auch so Förderungen oder baut man die jetzt nochmal neu?
Tobias Kunisch
1:26:13–1:26:16
Es gibt, ja, also für diese ganzen alten klassischen Schriften,
1:26:16–1:26:21
da hat ja auch keiner mehr die, also da gibt es dann für eine Bodoni oder so,
1:26:21–1:26:25
gibt es ganz viele Revivals, die unterschiedliche Leute gemacht haben und da
1:26:25–1:26:28
gibt es dann auch Open Source Versionen von.
1:26:31–1:26:38
Ansonsten haben wir jetzt, also wir haben mittlerweile über 1.500 Schriftfamilien in unserem Katalog.
1:26:41–1:26:48
Was wir versuchen ist eben alle stilistischen Richtungen abzubilden.
1:26:50–1:26:56
Und eben auch in allen Sprachen möglichst. Wir haben zum Beispiel ein Schriftprojekt,
1:26:56–1:27:01
was wir mit Adobe damals angefangen haben. haben und zum Teil mit Monotype gearbeitet
1:27:01–1:27:02
haben. Das sind die Noto-Fonts.
1:27:05–1:27:11
Für manche Sprachen ist Noto auch das, was das iPhone benutzt und Android eben auch.
1:27:13–1:27:22
Das Noto-Projekt ist dazu da, eine Schrift für jede Sprache in Unicode zu haben.
1:27:23–1:27:27
Das Ziel von Unicode ist es, alle Sprachen, alle Schriftzeichen abzudecken.
1:27:27–1:27:31
Und das Ziel von Noto ist es, ganz Unicode abzudecken. Das heißt,
1:27:31–1:27:35
für alles, was in Unicode ist, da gibt es ein Schriftführer.
Florian Clauß
1:27:35–1:27:40
Ja, da sieht man ja auch irgendwie so, wenn man jetzt irgendwie so auf der Seite
1:27:40–1:27:42
von Unicode auf Wikipedia ist,
1:27:42–1:27:46
da siehst du ja irgendwie, welche Version was drin hat und auch,
1:27:46–1:27:55
dass so Sprachen, die dann von irgendwelchen Natives dann gesprochen wurden,
1:27:55–1:27:58
die dann auch zu Unicode überführt wurden.
1:27:58–1:28:00
Und dann siehst du immer die Updates, das wurde jetzt so.
1:28:01–1:28:08
Und das heißt, Unicode sammelt auch tatsächlich aus so Schriften, nicht Sprachen?
Tobias Kunisch
1:28:08–1:28:13
Ne, Unicode selber sammelt keine Schriften. Es gibt nur für jedes Zeichen,
1:28:13–1:28:15
was in Unikit ist, gibt es ein Referenzdesign.
1:28:15–1:28:19
Aber es sind keine Schriften, es sind nur so ungefähr sieht es aus.
Florian Clauß
1:28:19–1:28:19
Ja, natürlich.
Tobias Kunisch
1:28:20–1:28:25
Aber Unicode versucht eben alle Sprachen abzudecken und auch historische Sprachen,
1:28:25–1:28:27
die es nicht mehr gibt, aber wo es halt vielleicht alte Texte gibt,
1:28:27–1:28:29
aber keiner mehr spricht.
1:28:30–1:28:34
Nozo versucht, alle lebendigen Schriften und zum Teil auch alte Schriften abzudecken,
1:28:34–1:28:41
damit eben, wenn du in irgendeinem digitalen Gerät hast, du irgendeine Schrift hast in einer Sprache.
1:28:41–1:28:45
Wir sind, als Deutschsprachler oder Englischsprachler sind wir sehr verwöhnt,
1:28:45–1:28:47
wir haben unglaublich viel Auswahl an Schriften.
1:28:48–1:28:52
Es gibt Sprachen, da gibt es ein paar Schriften. Oder keine Schriften.
1:28:52–1:28:55
Es gibt zum Beispiel eine Firma,
1:28:55–1:29:01
die heißt Tipotec, die haben jetzt gerade ein großes Projekt gemacht mit der
1:29:01–1:29:07
indigenen Bevölkerung in Alaska und in Nordkanada, weil es keine Schriften gab
1:29:07–1:29:10
für die indigene Sprache da.
1:29:10–1:29:13
Die haben sich mit alten Leuten zusammengesetzt, haben die Schrift rekonstruiert,
1:29:13–1:29:18
haben mit Unicode zusammengearbeitet, dass diese Code-Points zu Unicode hinzugefügt
1:29:18–1:29:20
werden und haben die Schriften gemacht.
1:29:21–1:29:25
Weil es nur noch Schriften waren, die die alte Bevölkerung da schreiben konnte
1:29:25–1:29:28
und die junge nicht mehr. Weil die junge Bevölkerung sitzt dann hier im Telefon,
1:29:28–1:29:29
die haben auch alle Telefone.
1:29:30–1:29:33
Und wenn die sich Messages schreiben, dann machen die das über ihr Telefon und
1:29:33–1:29:36
benutzen die Schriften, die da sind. Das heißt, die Sprache geht verloren,
1:29:36–1:29:37
wenn die Schrift nicht mehr da ist.
Florian Clauß
1:29:37–1:29:41
Ja, genau. Dann hast du ja irgendwie nochmal so diesen Unterschied zwischen
1:29:41–1:29:44
Schriftkultur und jetzt reine orale Kultur. Ja.
1:29:45–1:29:50
Also aber durch Schriften kann man die auch natürlich entsprechend konservieren in diesen...
Tobias Kunisch
1:29:50–1:29:55
Naja, und auch wenn die Schrift nicht da ist, dann stirbt auch die Urale Kultur aus.
1:29:56–1:29:59
Weil die Leute es dann nicht mehr lernen, weil sie es nicht mehr benutzen,
1:29:59–1:30:03
weil die Leute sich keine Briefe mehr schreiben, sondern sich Text-Messages schreiben.
Florian Clauß
1:30:03–1:30:06
Ja, aber so wie ich das jetzt verstanden habe, ist jetzt so,
1:30:06–1:30:11
auf der einen Seite haben wir so ein Konsortium, was unglaublich viele Lizenzen
1:30:11–1:30:16
vereint in Monotype und Adobe und so weiter.
1:30:16–1:30:21
Man merkt schon, da ist unser altes Patentgeschäft, was schon hunderte Jahre
1:30:21–1:30:24
von her komprimiert drin hängt.
1:30:24–1:30:28
Auf der anderen Seite gibt es dann schon so Open-Source-Bewegungen,
1:30:28–1:30:35
die jetzt genau in diesem Spirit von freier Verfügung von Schrift,
1:30:35–1:30:42
Sprache und so weiter zeichnen, dass die auch sich da so etabliert hat und dass
1:30:42–1:30:45
da auch Google Fonts eben in diesem Bereich wirkt.
1:30:47–1:30:51
Und da entsprechend natürlich auch eben durch das Distributive,
1:30:51–1:30:53
dass es so auch von allen benutzt wird.
1:30:54–1:30:57
Also ihr bietet ja dann auch eine Plattform dann an, dass dann halt irgendwie
1:30:57–1:31:00
alle möglichen Devices,
1:31:00–1:31:07
Geräte und so weiter diese Schriften benutzen können und damit aber auch quasi
1:31:07–1:31:10
mit dem Effekt, dass die halt auch verfügbar sind.
1:31:11–1:31:14
Und dann werden wieder so diese Modeerscheinungen von Schriften,
1:31:14–1:31:17
die man damals hatte, es gab Jugendstil, es gab dann irgendwas anderes,
1:31:17–1:31:22
es gab dann eine neue Technologie, wo dann auf einmal so diese gebrochene Schrift
1:31:22–1:31:24
dann halt anders aussieht, ja, wo es...
1:31:25–1:31:29
Du hast ja alles zur Verfügung. Du hast ja irgendwie alle möglichen Schriftformen,
1:31:29–1:31:31
Schriftfamilien und so weiter da.
1:31:31–1:31:36
Und dann ist aber die Frage, welche Schrift gerade modern ist.
1:31:36–1:31:39
Ihr seht das ja wahrscheinlich ganz gut, welche Schriften dann referenziert
1:31:39–1:31:43
werden auf irgendwelchen Seiten. Was man dann für Modeerscheinungen,
1:31:43–1:31:48
was jetzt gerade hip ist an Schriften, kannst du ja auch darüber indizieren.
Tobias Kunisch
1:31:49–1:31:57
Ja, also die Kugelfonds versucht weniger gerade irgendwie die letzte hippe Bewegung
1:31:57–1:32:03
abzufangen, sondern wirklich zu gucken, dass eine Baseline da ist für alles.
1:32:03–1:32:10
Also wenn du die neuste, neueste Schrift haben willst, dann hol dir eine Lizenz von Ono Typeko.
1:32:11–1:32:14
Ono Typeko macht super coole Schriften.
1:32:16–1:32:22
Was uns wichtig ist, ist, dass es halt eine No-Barrier-of-Entry-Option gibt für jeden.
1:32:22–1:32:27
Dass wenn du eine Webseite machst, wo du nicht einfach nur Arial benutzen willst,
1:32:27–1:32:31
oder wenn du, keine Ahnung, wenn Arabisch deine erste Sprache ist,
1:32:31–1:32:37
oder Vietnamesisch, oder du Mitglied der indigenen Bevölkerung bist in Kanada,
1:32:37–1:32:40
dass du eine Webseite machen kannst, wo du eine Schrift hast.
1:32:40–1:32:47
Dass du Auswahl hast an Expressionen, dass es halt nicht nur eine Schrift gibt.
1:32:47–1:32:50
Wir wollen ja auch, also es wäre furchtbar, wenn alle Webseiten auf Englisch
1:32:50–1:32:51
oder auf Deutsch in Arial wären.
1:32:52–1:32:56
Genauso wollen wir eben, dass es Diversität gibt in allen Schriftarten.
1:32:57–1:33:00
Das heißt, wir sind im Moment mehr fokussiert, natürlich,
1:33:00–1:33:04
also wir arbeiten auch weiter am lateinischen Alphabet,
1:33:04–1:33:10
aber wir sind im Moment mehr fokussiert darauf, zum Beispiel Schriften zu erweitern
1:33:10–1:33:16
für das erweiterte lateinische Alphabet, was in Sub-Saharan-Afrika benutzt wird.
1:33:22–1:33:28
Weil die Internetbevölkerung südlich von der Sahara wächst gerade ganz drastisch
1:33:28–1:33:33
und die Bevölkerung zieht ins Internet.
1:33:34–1:33:40
Und viele Sprachen, die da benutzt werden, die die europäischen Kolonialisten,
1:33:40–1:33:44
die haben das lateinische Alphabet mitgebracht.
1:33:45–1:33:49
Und die Sprachen haben angefangen, das lateinische Alphabet zu benutzen,
1:33:49–1:33:53
aber weil das lateinische Alphabet nicht alle Sprachen abbilden konnte,
1:33:53–1:33:57
gibt es Sonderzeichen, die in den ganzen Schriften nicht vorhanden sind.
1:33:57–1:34:02
Das heißt, die Leute benutzen Workarounds oder ändern die Buchstaben,
1:34:02–1:34:06
die sie benutzen, wenn sie ihre digitalen Geräte benutzen, so,
1:34:06–1:34:09
dass es eigentlich nicht gut ist.
1:34:11–1:34:15
Die benutzen, die machen, die remappen Unicodes zum Beispiel.
1:34:15–1:34:21
Das heißt, du kannst eine Schrift machen, wo du quasi deinen Unicode-Punkt auf
1:34:21–1:34:22
ein anderes Zeichen zeigen lässt.
1:34:23–1:34:26
Was dann, wenn du es in eine andere Schrift umstellst, ist es plötzlich gibberish,
1:34:26–1:34:30
weil die Schrift macht dann das richtige Zeichen für den eigentlichen Unicode-Punkt
1:34:30–1:34:32
und dann macht es keinen Sinn mehr.
1:34:32–1:34:35
Das heißt, das ist zum Beispiel ein Projekt, an dem wir gerade arbeiten,
1:34:35–1:34:39
Schriften, existierende Schriften zu erweitern,
1:34:39–1:34:44
damit die dieses erweiterte lateinische Alphabet haben, um das abzubilden und
1:34:44–1:34:46
mit Designern vor Ort zu arbeiten,
1:34:46–1:34:51
um neue Schriften zu machen, die auch den stilistischen oder den kulturellen
1:34:51–1:34:55
Sensitivität einfangen von den Schriften, die die Leute da erwarten,
1:34:55–1:34:59
damit die Leute nicht existierende europäische amerikanische Schriften benutzen
1:34:59–1:35:01
müssen mit den Schriftzeichen.
Florian Clauß
1:35:02–1:35:10
Ja, das klingt jetzt alles so total selbstlos, aber klar, die Frage ist natürlich,
1:35:10–1:35:13
was hat Google davon, in diese Diversität dann auch entsprechend.
1:35:15–1:35:21
Zu bilden, hat ja auch den Vorteil, dass du einen gewissen Markt dann schließt.
1:35:22–1:35:26
Also ich meine, das ist ja absolut nachvollziehbar, aber gleichzeitig ist es
1:35:26–1:35:30
ja auch gut, dass es diese Projekte gibt, um dann halt, und das ist glaube ich
1:35:30–1:35:34
der Punkt, dass man die in der Standardisierung dann wieder einführt.
1:35:35–1:35:41
Und dann eben über Open Source die freien Lizenzen und so weiter dann wieder
1:35:41–1:35:42
verfügbar macht für alle.
1:35:44–1:35:50
Und Google sich das jetzt leisten kann, das dann auch zu entwickeln,
1:35:50–1:35:53
und davon auch noch was hat.
1:35:53–1:35:56
Aber eigentlich ist es ja eine ganz gute Bewegung, dass man da...
Tobias Kunisch
1:35:56–1:35:59
Ja, ich finde es ganz schön, dass da in dem Fall so die...
1:36:03–1:36:07
Quasi das Business-Interesse an einem größeren Markt, an einer größeren Internetbevölkerung
1:36:07–1:36:09
quasi Hand in Hand geht mit.
Florian Clauß
1:36:09–1:36:14
Die Leute profitieren dann aber nicht davon. Genau, weil du ja im Prinzip dann
1:36:14–1:36:20
auch die Diversität dann entsprechend förderst, ne? Und das ist ja so, das Ding dabei.
1:36:22–1:36:26
Ja, wir sind wieder angekommen, wo wir gestartet sind. Also ich würde auch sagen,
1:36:26–1:36:27
das war unser Workaround.
1:36:30–1:36:32
Tobes, vielen Dank für deinen...
1:36:34–1:36:35
Für deine Teilnahme.
Tobias Kunisch
1:36:38–1:36:41
Eigentlich ganz schön so laufen und sehen und reden und laufen.
Florian Clauß
1:36:41–1:36:49
Ja, macht Spaß. Also ich hoffe du lernst das Format quasi auch als Produzent zu schätzen.
1:36:50–1:36:52
Vielleicht lade ich dich nochmal ein.
1:36:54–1:36:56
Kommt auf die Clickbates an.
Tobias Kunisch
1:36:56–1:36:58
Mal gucken wie das Feedback ist.
Florian Clauß
1:36:59–1:37:03
Aber ich glaube wir haben auch viele andere Themen, die wir gemeinsam Teil,
1:37:03–1:37:09
die wir auch besprechen können. Und je nachdem, wie lange du hier auch verfügbar
1:37:09–1:37:12
bist, weil du bist ja auch nur temporär in Berlin.
Tobias Kunisch
1:37:14–1:37:17
Ja, aber wir haben in San Francisco auch Internet.
Florian Clauß
1:37:18–1:37:20
Ja, aber wir können nicht laufen beim Reden.
1:37:23–1:37:27
Das Problem hatte ich neulich schon mit Chris. Ich warte immer, bis er dann da ist.
1:37:28–1:37:31
Also meine Gäste sind immer irgendwie in Kalifornien. Das finde ich auch cool.
Tobias Kunisch
1:37:32–1:37:35
Ja, da muss man dann quasi parallel laufen.
Florian Clauß
1:37:35–1:37:39
Genau. Und ich dachte auch so, wenn Chris, der wohnt ja in Berkeley.
Tobias Kunisch
1:37:39–1:37:41
Ja, die Berkeley Hills sind schön zum Urlaub. Genau.
Florian Clauß
1:37:41–1:37:47
Und das wäre irgendwie ein geiler, wirklich ein geiler Mehrwert für unsere Netzseite.
1:37:47–1:37:49
Wir haben irgendwie einen Walk auf Berkeley Hills. Ja.
1:37:50–1:37:54
Ja, ihr könnt ja nicht parallel, weil hier ist ja was Flo gelaufen ist in Berlin
1:37:54–1:37:59
und hier ist was Christian Berkeley gelaufen ist. Ja, mal schauen.
1:37:59–1:38:02
Also, vielen, vielen Dank für deine Teilnahme.
Tobias Kunisch
1:38:02–1:38:04
Ja, war mir ein Fest.
Florian Clauß
1:38:04–1:38:04
Ja, sehr gut.
Tobias Kunisch
1:38:04–1:38:06
Vielen Dank für die Einladung.
Florian Clauß
1:38:07–1:38:11
Und ja, also wie gesagt, das ist bestimmt nicht das letzte Mal, dass wir uns sprechen.
1:38:12–1:38:18
Und in eigentlich Podcast. Das Ganze könnt ihr eben, wie schon in der einen
1:38:18–1:38:23
Werbepause gesagt, auf, eigentlich, Ich will immer WWW sagen,
1:38:23–1:38:27
aber es ist natürlich WWW. WWW. Dopp, dopp, dopp.
1:38:30–1:38:36
Nein, aber ohne. Wir kommen ohne WWW aus. Eigentlich MinusPodcast.de.
1:38:36–1:38:37
Hören und nachlaufen, runterladen.
1:38:39–1:38:45
Wir stellen Informationen, die wir jetzt auch hier so gedroppt haben, nochmal da zusammen.
1:38:45–1:38:49
Und ja, danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.
Tobias Kunisch
1:38:50–1:38:53
Feedback über alles, was ich falsch gesagt hab, kann nur an Flo geschickt werden.
1:38:53–1:38:58
Und da eigentlich jetzt Flo ist dafür alles verantwortlich ... Okay.
Florian Clauß
1:39:00–1:39:03
Genau, ich richte dir eine Mailadresse ein.
Tobias Kunisch
1:39:03–1:39:03
Bloß nicht.
Florian Clauß
1:39:04–1:39:05
Okay, macht's gut!
Tobias Kunisch
1:39:05–1:39:05
Tschüss!

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"Biologisch betrachtet, verschafft aber die Mutterschaft, bezie­hungsweise die Fähigkeit zu ihr, der Frau eine ganz unbestreit­bare und nicht geringe physiologische Überlegenheit." Karen Horney 1926

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Mitwirkende

avatar
Micz Flor
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Florian Clauß
0:00:04–0:00:04
Läuft.
Micz Flor
0:00:04–0:00:07
Warte mal, wir klatschen, wir brauchen ein bisschen Vorlauf.
0:00:15–0:00:20
Ich schneide immer den Klatscher auf. Oder nicht den Klatscher immer,
0:00:20–0:00:21
manchmal schneide ich auf.
0:00:21–0:00:25
Sag mal, gibt es eigentlich irgendjemand, der dir beim Jingle mal irgendwie
0:00:25–0:00:31
die Frage gestellt hat, Ob da wirklich immer eine Hübschraube über uns drüber fliegt?
Florian Clauß
0:00:31–0:00:35
Nee. Hat keiner bisher.
Micz Flor
0:00:36–0:00:41
Gut, also jetzt Augen auf. Wir haben vor zwei Wochen gesagt,
0:00:41–0:00:45
träumen weiter. Es geht um Träume, aber es geht vor allen Dingen auch um Märchen.
0:00:46–0:00:49
Eigentlich auch ganz schön, weil wir vielleicht die letzte Folge dann jetzt
0:00:49–0:00:52
wirklich, das kann ich jetzt noch gar nicht sagen, weil wir machen einfach weiter.
0:00:52–0:00:56
Die letzte Folge liegt jetzt vielleicht unter der Kategorie Psychotherapie.
0:00:57–0:01:03
Und diese Folge kann aus ganzem Herzen, mit bestem Wissen und Gewissen komplett
0:01:03–0:01:05
in deiner Märchenreihe landen.
Florian Clauß
0:01:05–0:01:11
Ja, das ist schön. Hallo, hier ist Flo, Florian Claus und zu meiner Linken läuft...
Micz Flor
0:01:12–0:01:12
Mitch Flohr.
Florian Clauß
0:01:14–0:01:18
Und wie Mitch schon gerade erwähnt hat, ist das die Fortsetzung von Träumen.
0:01:21–0:01:26
Und diesmal auch in praktischer Anwendung mit den Märchen. und ich habe schon
0:01:26–0:01:30
gehört, und ihr habt es auch schon gehört, Rotkäppchen mit.
0:01:31–0:01:36
Ja, jetzt können wir voll in die Analyse gehen und haben auch einen großen Baukasten
0:01:36–0:01:42
und können quasi aus dem Set Jung, Freud, Fromm auswählen, was wir uns da nehmen.
Micz Flor
0:01:43–0:01:47
Also das, oder wir machen es einfach so ein bisschen Anlehnung an den Eisenhans.
0:01:48–0:01:52
Da hattest du Sachen in der Hinterhand, die du quasi vorher schon recherchiert
0:01:52–0:01:53
oder dir plausibel schien.
0:01:54–0:02:03
Und ich hatte die Vorhand hart auf die Grundlinie geschlagen mit meinen Analysen.
0:02:03–0:02:05
Und jetzt machen wir das ähnlich. Wir machen das Rotkäppchen.
0:02:06–0:02:09
Aber ich kann das jetzt wahrscheinlich nicht so gut im Kapitel machen wie du,
0:02:09–0:02:12
weil ich das nicht so vorbereitet habe.
0:02:13–0:02:18
Ich lese einfach die Zusammenfassung von Wikipedia vor und dann gucken wir rein,
0:02:18–0:02:19
reden ein bisschen drüber.
0:02:19–0:02:22
Drüber und ich fütter dann immer hinterher erich
0:02:22–0:02:26
fromms deutung möchte ich
0:02:26–0:02:29
sagen oder analyse des märchens und
0:02:29–0:02:31
dann erfahren wir noch mal ein chat mit dem prompt was
0:02:31–0:02:40
würde freut er zu sagen ja das sollte auf alle fälle machen das immer amusing
0:02:40–0:02:46
ok ich bin gespannt leg los der inhalt von rotkäppchen laut wgp der zusammengefasst
0:02:46–0:02:49
ist wie folgt ich lasse gerade mal die leute Tschüß!
0:02:52–0:02:56
Da geht ein kleines Mädchen an uns vorbei mit rosa Gummistiefeln.
0:02:56–0:03:01
Aber nein, hier geht ein kleines Mädchen, dem seine Großmutter einst eine rote
0:03:01–0:03:04
Kappe geschenkt hatte. Es wird Rotkäppchen genannt.
0:03:05–0:03:10
Es wird von der Mutter zu der in einem Haus im Wald wohnenden,
0:03:10–0:03:14
bettlägerigen, kranken Großmutter mit einem Korb mit Leckereien,
0:03:14–0:03:16
Kuchen und Wein geschickt.
0:03:16–0:03:20
Die Mutter warnt Rotkäppchen eindringlich, es solle nicht vom Weg abgehen.
0:03:21–0:03:24
Im Wald lässt es sich auf ein Gespräch mit einem Wolf ein.
0:03:25–0:03:30
Dieser horcht Rotkäppchen aus und macht es auf die schönen Blumen an der nahen
0:03:30–0:03:35
Wiese aufmerksam, worauf Rotkäppchen beschließt, noch einen Blumenstrauß zu pflücken.
0:03:36–0:03:37
Der Warnung der Mutter zum Trotz.
0:03:38–0:03:41
Der Wolf eilt geradewegs zur Großmutter und verschlingt sie.
0:03:42–0:03:46
Er legt sich in deren Nachthemd in ihr Bett und wartet auf Rotkäppchen.
0:03:47–0:03:53
Bald darauf erreicht Rotkäppchen das Haus, tritt ein und begibt sich in bzw.
0:03:55–0:04:01
An. In ist Perot, das ist der Franzose, der das ursprünglich aufgeschrieben hat.
0:04:04–0:04:09
Und bei an sind die Gebrüder Grimm. Also bald darauf erreicht Rotkäppchen das
0:04:09–0:04:13
Haus, tritt ein und begibt sich in Großmuttersbett in der original französischen
0:04:13–0:04:18
Version oder an Großmutters Bett in der Version bei den Gebrüdern Grimm.
Florian Clauß
0:04:18–0:04:22
Wenn du das jetzt gerade so unterscheidest, hat das eine Bedeutung?
Micz Flor
0:04:27–0:04:31
Ja, irgendwie schon, Retrospekt schon.
Florian Clauß
0:04:31–0:04:36
Es geht darum, dass in tatsächlich heißt, sie legt sich in das Bett zur Großmutter.
0:04:36–0:04:38
Und an heißt, sie tritt heran.
Micz Flor
0:04:40–0:04:43
Mut wundert sich Rotkäppchen über die Gestalt seiner Großmutter,
0:04:43–0:04:46
erkennt aber den Wolf nicht, bevor es ebenfalls verschlungen wird.
0:04:49–0:04:52
Bei Perrault, dem Franzosen, endet das Märchen hier.
0:04:54–0:04:58
Großmutter und Rotkäppchen werden bei den Gebrüdern Grimm vom Jäger aus dem
0:04:58–0:05:00
Bauch des schlafenden Wolfes befreit.
0:05:01–0:05:05
Dem Wolf werden stattdessen Steine in den Bauch gefüllt. Wegen des Gewichts
0:05:05–0:05:07
der Steine kann der Wolf nicht fliehen und stirbt.
0:05:08–0:05:12
In einer italienischen Version, die falsche Großmutter befreit sich Rotkäppchen
0:05:12–0:05:15
durch seine eigene Schlauheit und flieht, der Wolf stirbt anschließend.
0:05:15–0:05:19
Also bei Gebrüdern Grimm, und darauf beziehen wir uns jetzt auch, ist es so,
0:05:19–0:05:23
dass der Schluss ist quasi, Großmutter und Rotkäppchen werden bei den Brüdern
0:05:23–0:05:26
Grimm vom Jäger aus dem Bauch des schlafenden Wolfs befreit,
0:05:26–0:05:30
dem Wolf werden stattdessen Steine in den Bauch gelegt, und wegen des Gewichts
0:05:30–0:05:33
der Steine kann der Wolf nicht fliehen und stirbt, bzw.
0:05:33–0:05:37
Ich kenne auch irgendwie eine Version, wo er so Durst hat von den Steinen,
0:05:37–0:05:40
trinkt und Kenn ich auch, genau, das wollte ich gerade noch sagen.
0:05:40–0:05:44
Das ist wahrscheinlich dann irgendwie noch Europa, Schallplatte oder Kalender.
0:05:46–0:05:52
Ja, und jetzt wäre natürlich, jetzt weißt du mal wie sich das anfühlt,
0:05:52–0:05:53
wenn man da sowas hingeknallt kriegt.
0:05:54–0:06:00
Und meine Frage an dich, was denkst du, das kleine Mädchen, dem seine Großmutter
0:06:00–0:06:03
eine rote Kappe geschenkt hatte, wird Rotkäppchen genannt.
0:06:03–0:06:09
Es wird von der Mutter zu dem Haus im Wald wohnenden, bettlägerigen,
0:06:09–0:06:12
kranken Großmutter mit einem Korb mit Leckereien geschickt.
0:06:13–0:06:16
Was ist so, wenn du jetzt einfach mal so frei assoziierst?
0:06:18–0:06:23
Du hast ja schon gesagt, wir können jetzt irgendwie verdrängte Triebe denken,
0:06:23–0:06:28
wir können Archetypen oder quasi so kulturelle Artefakte, die dadurch schimmern, denken.
0:06:28–0:06:32
Wir können in diesem Fall wenig denken,
0:06:32–0:06:35
dass es sich um ein Individuum handelt, was einfach eine, oh wow,
0:06:35–0:06:44
hier ist ein Ast abgebrochen, um eine erstellte Traumgeschichte handelt.
0:06:44–0:06:48
Also es geht ja hier schon um eine Form von kollektives Märchen und Mythen.
0:06:48–0:06:52
Es ist nicht der eigene Traum, den wir jetzt analysieren, wo wir jetzt assoziativ
0:06:52–0:06:56
irgendjemand fragen können, sondern wir müssen mit dem Material arbeiten, was wir haben.
0:06:58–0:07:03
Und wie können wir dann irgendwie erleben, ob das wahr ist oder nicht.
0:07:03–0:07:06
Das ist dann ein bisschen, was ich auch bei dem Eisenhans gesagt habe,
0:07:06–0:07:07
dieser Begriff der Hermeneutik.
0:07:07–0:07:14
Wir deuten quasi den Text, so wie in der letzten Folge hier zu dem Thema Fromm
0:07:14–0:07:19
auch dann das Jona im Bauch des Fisches gedeutet hat.
0:07:22–0:07:27
Und wir deuten den Text und dann können wir vielleicht so Momente erleben,
0:07:27–0:07:30
Das kennt man ja aus, wenn man so einen Film bespricht, dass man auf einmal,
0:07:30–0:07:34
es kribbelt so, es ergreift irgendwie, da kann was dran sein.
0:07:35–0:07:40
Das ist eigentlich der einzige Messstab, den wir haben, weil plausibel ist viel zu schwer.
Florian Clauß
0:07:41–0:07:44
Also es gibt kein richtig und falsch, sondern es gibt dann einfach,
0:07:44–0:07:46
wenn es kribbelt, dann ist es okay.
Micz Flor
0:07:46–0:07:48
Das ist ein Spiel. Wir sitzen jetzt quasi...
Florian Clauß
0:07:48–0:07:49
Das macht Spaß.
Micz Flor
0:07:49–0:07:50
Es ist genau...
Florian Clauß
0:07:50–0:07:54
Aber du, wie gehen das jetzt so satzweise durch? Oder...
Micz Flor
0:07:54–0:07:55
Weiß ich gar nicht genau.
Florian Clauß
0:07:55–0:08:01
Also wir gehen jetzt einfach das durch. Du hast jetzt gerade so diese Ausgangssituation
0:08:01–0:08:04
nochmal vorgelesen aus der Zusammenfassung.
Micz Flor
0:08:05–0:08:05
Ja.
Florian Clauß
0:08:07–0:08:09
Und wirfst mir jetzt den Ball rüber, dass ich dazu was...
Micz Flor
0:08:11–0:08:18
Ja, jetzt mal eben genau mit der Brille eines Deutenden oder eines analytischen,
0:08:18–0:08:21
also einer Traumanalyse oder Märchendeutung wohl eher.
0:08:22–0:08:24
Was fällt dir da so ein?
Florian Clauß
0:08:24–0:08:30
Ich muss nochmal kurz Begrifflichkeiten, die du ganz, ganz am Anfang der letzten Folge erwähnt hast.
0:08:30–0:08:35
Und die fand ich sehr handgreiflich, weil das eine war so, was dann quasi die
0:08:35–0:08:39
kausalen Zusammenhänge innerhalb eines Traumes dann mit beschreibt.
0:08:39–0:08:46
Dann gibt es das eine ist dann so eher assoziativ und das dritte war,
0:08:46–0:08:49
kannst du das noch mal kurz, damit man...
Micz Flor
0:08:49–0:08:53
Also es gab diese drei Symbolebenen, das war die konventionelle,
0:08:53–0:08:58
der Tisch, die Sprache, da geht es um sowas, was man irgendwie abgemacht hat.
0:08:58–0:09:00
Da hatten wir beim Eisenhans, glaube ich, auch so ein bisschen drin,
0:09:00–0:09:03
als wir zum Schluss eben über diese Flaggen und die Armeen und sowas gesprochen
0:09:03–0:09:06
haben, wo wir beide so das Gefühl hatten, Das ist alles plausibel,
0:09:06–0:09:09
aber irgendwie ist das nichts, was einen so tief ergreift, sondern vielleicht
0:09:09–0:09:12
hat die Farbe der Ritter irgendwie eine historische Bedeutung.
Florian Clauß
0:09:12–0:09:15
Also konventionell.
Micz Flor
0:09:15–0:09:16
Genau.
Florian Clauß
0:09:16–0:09:19
Es geht um die Symbolik, konventionelle Symbolik.
Micz Flor
0:09:19–0:09:25
Dann die zufällige Symbolik, das ist das, was so idiosynkratisch ist, was für dich gilt.
Florian Clauß
0:09:25–0:09:25
Genau, die individuelle.
Micz Flor
0:09:26–0:09:29
Dieser Park hast du in der letzten Folge erklärt, da bist du viel gejoggt.
0:09:29–0:09:35
Wenn du hier durchläufst mit mir, dann erlebst du etwas, für was der Park steht.
0:09:35–0:09:39
So ein Lebensabschnitt, Tageszeit, vielleicht bestimmte Jahreszeiten.
0:09:40–0:09:42
Vielleicht hast du dich mal hier verletzt, vielleicht hast du dich hier verliebt.
0:09:42–0:09:47
Also dieser Park bedeutet für dich ein Symbol für etwas, was aber nur für dich gilt.
0:09:48–0:09:52
Und dann gibt es die universelle Symbolik. Das sind solche großen Bilder wie
0:09:52–0:09:57
das Feuer, das Wasser, die Sinnflut, das Schiff vielleicht.
0:09:58–0:10:01
Diese Sachen, die einen einladen, das vielleicht auch mit Jung zu verbinden, mit Jungsarchetypen.
0:10:02–0:10:07
Aber Fromm grenzt sich davon ab. Er sagt, das Universale ist nichts,
0:10:07–0:10:11
was wahrhaftig von uns transzendental spricht durch den Traum,
0:10:11–0:10:15
sondern selbst die Sonne, die ja so richtig archaisch-universal zu sein scheint,
0:10:15–0:10:17
kann kulturelle Unterschiede auffassen.
0:10:18–0:10:21
Und das andere waren halt eben die Manifesten und die latenten Inhalte.
0:10:23–0:10:26
Märchentraum, Mythen, Inhalte. Die Manifesten sind die Geschichten,
0:10:26–0:10:28
der Plot in gewisser Weise.
0:10:29–0:10:33
Und die Latenten sind die Dinge, die unten drunter liegen. Und man kann ja sich
0:10:33–0:10:36
sehr gut vorstellen, dass die Geschichte...
0:10:37–0:10:40
Also einfach ein Plot, das kennt man so eher aus dem Film, wir sind ja auch
0:10:40–0:10:44
eigentlich ein Filmpodcast, ein Plot kann einfach schlecht umgesetzt sein,
0:10:44–0:10:47
sowohl in der Kameraarbeit, mit den Schauspielern, wie auch immer,
0:10:47–0:10:48
da funktioniert der einfach nicht.
0:10:48–0:10:54
Und der gleiche Dialog, gleiche Länge, gleiches Timing kann da besser funktionieren als da.
0:10:54–0:11:00
Und da passiert irgendwie was, was nicht eben nur in diesem Manifestengeschichtsthema
0:11:00–0:11:03
drin ist, sondern das ist das Latente, da steckt noch irgendwie was dahinter.
0:11:03–0:11:06
Das ist vielleicht die Performance, das Performance-Thema.
0:11:07–0:11:11
Das sind Dinge, die halt nicht alleine über den Plot machbar sind.
0:11:11–0:11:13
Du kannst es nicht konstruieren.
Florian Clauß
0:11:13–0:11:17
Ich glaube, das ist so ein ganz gutes Vokabular, mit dem man dann erst mal so
0:11:17–0:11:21
arbeiten kann. Okay, die Auftakt-Szene zu Rotkäppchen, würde ich sagen.
Micz Flor
0:11:21–0:11:25
Das Manifesto, wenn wir das jetzt nehmen, ist halt, die Mutter schickt Rotkäppchen
0:11:25–0:11:32
in den Wald zur Großmutter mit einem Korb mit Kuchen und Wein und sagt, verlasse nicht den Weg.
Florian Clauß
0:11:32–0:11:40
Ja, also jetzt so rein konventionell ist das ja erst mal so ein valides Set.
Micz Flor
0:11:42–0:11:45
Genau, das ist die Geschichte. Es geht los.
0:11:46–0:11:52
Wir werden mitten reingeschmissen und wir haben auf so einer Märchenebene,
0:11:52–0:11:55
würdest du wahrscheinlich auch sagen, du hattest es ja ganz gut beschrieben,
0:11:55–0:12:01
wie bei Grimm auch diese Märchen alle so katalogisiert sind in unterschiedlichen
0:12:01–0:12:04
Kategorien, wo die reinfallen. Ich weiß nicht, wo Rotkäppchen hingehört.
0:12:05–0:12:08
Ich hab's sogar irgendwie mal mehr rausgeschrieben.
0:12:10–0:12:13
Ich kann's nicht so schnell sehen. Ähm,
0:12:13–0:12:16
und da ist es so, dass zum Beispiel der Wald oder so was, das wäre dann vielleicht
0:12:16–0:12:18
für eine Märchensprache,
0:12:18–0:12:23
so wie der Tisch als Wort dem Gegenstand Tisch verweist, kann's ja sein,
0:12:23–0:12:27
dass in so einer Märchensymbolik steht der Wald für irgendetwas,
0:12:27–0:12:29
steht der Korb für irgendetwas. quasi das konventionelle.
Florian Clauß
0:12:32–0:12:38
An der Ebene, die da für mich sich auch reinlesen lässt, ist quasi so ein Generationsvertrag.
0:12:39–0:12:46
Das heißt, da sind wir wieder in den indigenen Kulturen, die Jungen sorgen für die Alten.
0:12:46–0:12:50
Das ist ja auch nicht immer selbstverständlich, aber es ist ja so,
0:12:50–0:12:56
es geht von der Mutter, es geht von der Tochter über die Mutter zur Großmutter.
0:12:57–0:13:02
Das heißt, wir haben hier drei Generationen und die irgendwie zusammenhalten, ja.
0:13:03–0:13:08
Also die sind erstmal in so einem Konsensraum drin, ne. Wobei...
Micz Flor
0:13:08–0:13:13
Und Fürsorge eben, das Kuchen und Wein ist dann schon auch eine Form der transgenerationalen
0:13:13–0:13:17
Politik, möchte man fast sagen. Also man sorgt sich umeinander.
Florian Clauß
0:13:18–0:13:23
Genau, man sorgt sich umeinander, man verkostet den anderen und...
0:13:26–0:13:30
Sorgen auch in dem Ausspruch, komm nicht vom rechten Weg ab,
0:13:30–0:13:35
komm nicht vom rechten Weg ab, hatte ich jetzt gerade so, also bleib auf der
0:13:35–0:13:40
Linie, bleib straight, ja, das ist ja so der Klassiker, ne?
0:13:47–0:13:59
Und man weiß ja, dass quasi Menschen im Adolescentenalter natürlich ganz viel Grenzen testen.
0:14:00–0:14:06
Grenzen testen, gucken, wie geht's weiter, wie weit, und auch eben Vergnügen haben.
0:14:08–0:14:11
In gewissen Überschreitungen und auch experimentieren und so weiter.
0:14:12–0:14:16
Und das ist wahrscheinlich dann nochmal so ein Pass auf, Kind,
0:14:16–0:14:20
dass du auf der Linie bleibst, ja? Ja, so ähm...
0:14:24–0:14:28
Ja, also ganz banal ist das so, ne. Gleichzeitig kann man sagen,
0:14:28–0:14:35
die Verantwortung, die sich jetzt auch von der einen Generation auf die andere überträgt,
0:14:35–0:14:42
das heißt, es ist vielleicht auch ein initialer Akt, dass die Mutter jetzt auch
0:14:42–0:14:47
ihr Kind dazu anleiten kann, die Großmutter zu versorgen.
0:14:47–0:14:54
Sie bekommt eine Verantwortung übertragen, kriegt den Korb und soll dafür sorgen.
0:14:54–0:14:57
Also gleichzeitig ist das auch...
Micz Flor
0:14:57–0:15:00
Ganz kurz, ich unterbreche dich nicht, sondern wir sind ganz kurz bei der Tour.
0:15:00–0:15:03
Wir gehen jetzt zurück über diese Brücke, die wir damals angekommen sind.
0:15:04–0:15:05
Ist das Zufall oder ist das...
Florian Clauß
0:15:05–0:15:09
Ne, das ist nicht Zufall. Das ist tatsächlich hier Rundlauf.
0:15:10–0:15:14
Also das heißt, wir gehen jetzt über die Brücke zurück. Die Brücke ist so eine kleine Schneise.
0:15:15–0:15:19
Wir könnten sonst nur hier über die größere Straße, deswegen gehen wir hier
0:15:19–0:15:21
den gleichen Weg über die Brücke.
0:15:24–0:15:29
Aber die nördlichen Wege, die wir das letzte Mal durch den Park gelaufen sind,
0:15:29–0:15:31
gehen wir eher so die südlichen Wege zu.
0:15:32–0:15:33
Aber wir sind ungefähr immer auf Sichtweite.
Micz Flor
0:15:34–0:15:36
Weil es so ein schmaler Grundstreifen ist.
Florian Clauß
0:15:36–0:15:39
Genau.
Micz Flor
0:15:39–0:15:41
Ein Reenactment der Berliner Mauer.
Florian Clauß
0:15:41–0:15:43
Ja, wie die Rummelsburger Wucht,
0:15:43–0:15:48
Nord-Süd-Seite und den Schärfegrad des Chiemschuhs hatten wir alles.
0:15:49–0:16:03
Gut, also das Mädchen bekommt eben die Aufgabe und gleichzeitig in dem bewussten Wissen der Mutter,
0:16:03–0:16:07
das ist jetzt eine Behauptung, dass damit Gefahren verbunden sind,
0:16:07–0:16:10
dass was passieren kann auf dem Weg.
0:16:11–0:16:13
Deswegen der Rat, komm nicht vom Weg ab.
0:16:18–0:16:21
Ist ja so ein Loslassen-Prozess, das kennt man ja selber, ne?
0:16:21–0:16:27
Wenn die Kinder dann in einem gewissen Alter sind, dann kann man auch nicht immer hinterher sein.
0:16:28–0:16:33
Man muss eben lernen, das da auch loszulassen, Vertrauen haben,
0:16:33–0:16:36
dass die das selber ganz gut organisiert bekommen.
0:16:36–0:16:43
Das ist so, glaub ich, auch noch mal so ein Schritt, dann auch die Rolle als
0:16:43–0:16:48
der erziehende Part quasi langsam aufzulösen zu so einem,
0:16:56–0:16:57
Kind-Eltern-Beziehung. Ein bisschen weit ...
Micz Flor
0:16:57–0:17:00
Nee, ich find das ein ganz schönes Bild.
0:17:00–0:17:05
Ich bin ja bei dir so mit dem freien Denken. Weil ansonsten bin ich ja die Stimme
0:17:05–0:17:08
von Erich Fromm, dessen Text ich dann quasi dem dagegenhalte.
0:17:08–0:17:12
Oder danebenhalte. Da fand ich das Bild, was du gerade gesagt hast,
0:17:12–0:17:13
auch ganz schön. Dass man ...
0:17:17–0:17:21
Die Mutter ist dann einfach natürlich so in einer gewissen Form auch unsichtbar,
0:17:21–0:17:24
die spielt ja auch keine so große Rolle mehr, die sagt einfach los.
0:17:25–0:17:29
Und dass dann dieses Kind, dieses Mädchen bis zur Großmutter,
0:17:29–0:17:32
dass es einfach den Lebensweg beschreitet.
0:17:32–0:17:39
Also es geht los und geht dann auf dem rechten Weg und wird dann irgendwann zur Oma.
Florian Clauß
0:17:40–0:17:43
Also dass man das jetzt quasi in so einer zeitlichen Dimension,
0:17:43–0:17:47
dieses Altern dann da reinlesen kann.
Micz Flor
0:17:47–0:17:50
Ja, dass es so ist. Also das ist der Weg des Lebens. Du gehst jetzt den Weg
0:17:50–0:17:54
des Lebens und dann wirst du irgendwann in einer alleinstehenden Hütte im Wald,
0:17:54–0:17:58
die Rente ist zwar sicher, aber du kannst viele große Sprünge nicht machen,
0:17:58–0:18:01
wirst krank und wirst dann irgendwann vom Wolf gefressen.
0:18:03–0:18:04
So weit geht dann die Analogie nicht.
Florian Clauß
0:18:04–0:18:10
Ja gut, aber könnte man insofern auch sagen, weil Am Anfang heißt es ja noch
0:18:10–0:18:22
Mutter-Tochter und dann aber die direkte Präsenz von der Tochter zur Großmutter
0:18:22–0:18:23
ist ja auch immer unterbrochen.
0:18:24–0:18:30
Also nachdem eben der Wolf schon zugeschlagen hat. Ja, also die sind nie so
0:18:30–0:18:31
richtig in einem Raum drin.
Micz Flor
0:18:35–0:18:39
Willst du mal hören, was Erich Fromm sagt?
Florian Clauß
0:18:39–0:18:40
Gerne, ja.
Micz Flor
0:18:41–0:18:43
Das Rotkäppchen ist ein Symbol der Menstruation.
Florian Clauß
0:18:44–0:18:47
Ja, gut, das wollte ich auch noch ... Klar, das ist natürlich ...
0:18:47–0:18:55
Das ist alles, was auch quasi bei Kikis Delivery Service von Studio Ghibli natürlich
0:18:55–0:18:56
ist, die Menstruation, ja.
0:18:57–0:19:02
Das ... ja, klar. Und die Fruchtbarkeit, dieser ganze Zyklus, steht auch dahinter.
Micz Flor
0:19:04–0:19:09
Das kleine Mädchen, von dessen Abenteuer wir hören, ist eine reife Frau geworden
0:19:09–0:19:11
und sieht sich jetzt mit ihrer Sexualität konfrontiert.
0:19:13–0:19:18
Die Warnung, nicht vom Weg abzugehen und das Glas nicht zu zerbrechen,
0:19:18–0:19:23
ist eine deutliche Warnung vor den Gefahren der Sexualität und dem Verlust der
0:19:23–0:19:28
Jungfräulichkeit. Jungfräulichkeit. Ist irgendwie so beide.
Florian Clauß
0:19:29–0:19:30
Ja, das ist so banal.
Micz Flor
0:19:30–0:19:35
Das ist gleichzeitig banal, aber auch irgendwie, also es erpackt einen dann
0:19:35–0:19:39
schon irgendwie. Du hast ja so, wie du reagiert hast, so ging es mir auch.
Florian Clauß
0:19:40–0:19:45
Also ich wollte es jetzt nicht gleich so aussprechen. Ich wollte nicht Gleich
0:19:45–0:19:47
wieder so die Vagina, so wie du.
Micz Flor
0:19:47–0:19:52
Ja, stimmt. Der Wald, genau, im Wald geht's.
Florian Clauß
0:19:52–0:19:52
Die Vagina.
Micz Flor
0:19:54–0:19:56
Wild, Wald, ist ja alles gesagt. Genau.
Florian Clauß
0:19:56–0:19:57
Next!
0:20:01–0:20:02
Okay, war's das?
Micz Flor
0:20:02–0:20:10
Nee? Jetzt kommt dieser Wolf rein, der im Original dem Mädchen nahelegt,
0:20:10–0:20:12
auch eine Blume zu pflücken. Das will ja die Großmutter.
0:20:13–0:20:17
Das macht sie dann auch, findet es eine super Idee, obwohl man ihr das alles
0:20:17–0:20:20
verboten hatte, mit dem Wolf zu sprechen. Der rennt dann los Richtung Haus.
0:20:22–0:20:28
Ja, also was ist der Wolf in dieser ... Deutung, die du hattest anfangs?
0:20:30–0:20:31
Welche Rolle spielt der Wolf?
Florian Clauß
0:20:32–0:20:33
Naja, ich meine, er ist ja auch
0:20:33–0:20:39
schon so... Also er ist ja erstmal ja natürlich die Bedrohung bei Wolf.
0:20:40–0:20:45
Es ist ja quasi die Gefahr, auf der einen Seite.
0:20:47–0:20:55
Aber gleichzeitig schafft er ja auch so eine Brücke zur Freude, zum Spaß.
0:20:55–0:21:01
Ja, was dann sicher wieder so mit der Sexualität dann thematisch zusammengerückt werden kann.
Micz Flor
0:21:01–0:21:04
Du meinst in Richtung Blumen, ne?
Florian Clauß
0:21:04–0:21:09
Genau, Blumen. Also das heißt, er ist ja dann auch in irgendeiner Form so,
0:21:09–0:21:12
ja, was interessieren die Blumen, ja.
0:21:12–0:21:16
Aber irgendwie fängt er ja an, dann auch zu instrumentalisieren,
0:21:16–0:21:23
das Mädchen, indem er sagt, hier, guck mal, Blumen, das macht dir vielleicht Spaß.
0:21:23–0:21:29
Also das heißt, er lenkt sie ja ab vom Weg her,
0:21:29–0:21:40
wenn man jetzt dann auch diese Deutung von rechten Weg und dann eben mit der
0:21:40–0:21:43
Sexualität in den Zusammenhang bringt, Dann, ähm...
0:21:48–0:21:53
Könnte man ja meinen, dass der Wolf in dem Moment seinen Vorteil irgendwo auch
0:21:53–0:22:00
sieht und eben sich über das Mädchen hermacht, ja?
0:22:00–0:22:06
Und das ist halt so ein komischer Shift in diesem Märchen. Da sagt der,
0:22:06–0:22:10
ja guck mal hier, Blumen und geht zur Großmutter. Warum?
0:22:15–0:22:20
Also wenn man das jetzt so ein bisschen auch quasi dann den Eisenhans,
0:22:20–0:22:25
jetzt von dir interpretiert, da rein holt, dann könnte man ja vielleicht sagen,
0:22:25–0:22:29
das Mädchen oder Wolf ist eine Person.
Micz Flor
0:22:30–0:22:34
Ja, total spannend, habe ich nämlich lustigerweise, als du ins Stolpern kamst
0:22:34–0:22:36
oder nicht ins Stolpern,
0:22:36–0:22:41
sondern eher so leicht erzürnt warst, was soll das eigentlich,
0:22:41–0:22:44
habe ich genau den gleichen Gedanken gehabt, erst mal alles auf die gleiche
0:22:44–0:22:45
Bühne stellen, was dann passiert.
0:22:45–0:22:49
Und dann würde man, das klingt ein bisschen freudianisch, dann würde man natürlich
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sagen, die Mutter schickt das Kind zwar los, aber natürlich sind Mutter und
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Großmutter in einer Sache sehr vereint, nämlich sie sind das Über-Ich, das soziale Wünschte.
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Es ist natürlich eine Form von Kümmern, Fürsorge Man möchte das nur das Beste
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für das Kind und gleichzeitig ist es in dem Moment dann so,
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wenn der Wolf und das Mädchen eins sind, ist natürlich das Spannende,
0:23:13–0:23:17
dass der Wolf die Blumen sieht als Teil des Mädchens.
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Den Film hast du mir empfohlen, den habe ich noch nicht fertig gesehen,
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wo der Typ irgendwie so sieben unterschiedliche Charaktere spielt.
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Kannst ist das nicht von dem gleichen auch der.
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Glas gemacht hat ja genau
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das ist der ich glaube der
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dritte teil von von der trilogie ja ich habe vergessen wie der hieß du hast
0:23:50–0:23:53
mir den ich habe den jahr der war schon echt sehr beeindruckend ich habe den
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nicht fertig gemacht ein bisschen bedrängt aber das wäre ja dann sowas der wolf
0:23:57–0:24:03
ist genauso da wie das mädchen beides ist wahr und an dieser rotkäppchen Menstruation, Pubertät.
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Und dann ist der Wolf, der auch das Mädchen ist, frisst die Großmutter.
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Das heißt, der macht jetzt über ich aus. Der macht meinem Freund hier anstrengend
0:24:10–0:24:16
dieses gesellschaftliche sollste, darfste nicht und sowas. Das frisst er einfach auf.
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Rein in die Blumen, gleichzeitig die Mutter auf, äh die Großmutter auffressen.
Florian Clauß
0:24:21–0:24:24
Also ist der dann nicht so, ne, ist er einfach dann irgendwie Yippie die Heide
0:24:24–0:24:29
blüht und scheiß drauf. Ich mach, was mir gefällt.
Micz Flor
0:24:30–0:24:32
Ja, finde ich total gut. Ich glaube, wir sind jetzt schon besser,
0:24:32–0:24:34
als was Erich Fromm da noch zu bieten hat.
0:24:35–0:24:39
Wobei, nachher hat er noch einen super Twist, den ich ganz toll finde,
0:24:39–0:24:41
wo es nochmal so eine andere psychoanalytische Schule.
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So das sexuelle Begehren des Wolfs wird durch den Anblick des Mädchen geweckt,
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sagt er. Natürlich sagen wir das nicht. Wir sagen, das ist eine Person. Aber das sagt er.
0:24:52–0:24:58
Er versucht, es zu verführen. Sieh mal die schönen Blumen, die ringsumher stehen.
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Warum schaust du dich nicht um? Ich glaube, du hörst gar nicht,
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wie die Vögler ihn so lieblich singen. Also versucht es zu verführen.
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Und im Märchen im Original schlägt dann Rotkäppchen die Augen auf und befolgt den Rat des Wolfs.
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Zitat aus dem Märchen, geriet immer tiefer in den Wald hinein.
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Es macht dann laut Fromm, wir haben den Text jetzt nur verkürzt gelesen,
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es rationalisiert quasi sein Tun, indem es sich selber einrät,
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es tut ja nichts Unrechtes, die Großmutter wird sich bestimmt über die Blumen freuen.
0:25:40–0:25:45
Und da kommt dann eben dieses, was wir im Märchen auch manchmal haben,
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Eben diese erhobene Zeigefinger oder die Rute, die sagt, dass das Abweichen
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vom geraden Weg der Tugend schwer bestraft wird.
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Also es droht jetzt schon irgendwie. Ja.
Florian Clauß
0:25:56–0:26:03
Und wie ist jetzt, also er erweckt, also das Mädchen, Anblick des Mädchens erweckt
0:26:03–0:26:04
die sexuelle Lust beim Wolf.
Micz Flor
0:26:04–0:26:04
Ja.
Florian Clauß
0:26:04–0:26:08
Und er sagt, sieh mal, was ist dann die Symbolik da?
Micz Flor
0:26:08–0:26:12
Ja, also was wir jetzt natürlich haben, ist der latente Trauminhalt wäre dann,
0:26:12–0:26:18
Märcheninhalt wäre dann im Rahmen von dieser Verdichtung zu sagen, Wolf und Kind sind eins.
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In diesem menstruierenden Mädchen sind sexuelle Lüste, die in den Märchen so
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dargestellt werden, dass der Wolf, das ist ein gutes Beispiel für Verdichtung,
0:26:28–0:26:30
was du ja am letzten Mal auch gefragt hast.
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Jetzt haben wir ein Beispiel. In unserer Interpretation sind Wolf und Mädchen eins.
0:26:35–0:26:41
Dass wir verdichten, dieses Motiv, dieses eine Kind ist gleichzeitig fressendes,
0:26:41–0:26:46
zerfleischendes Ungeheuer in seiner Lust, aber auch unschuldiges,
0:26:46–0:26:50
kleines Mädchen, das immer noch so selber internalisierte Über-Ich-Aspekte hat
0:26:50–0:26:54
und sagt, na ja, genau, das habe ich verstanden, aber ich versuche ja egal die
0:26:54–0:26:56
Argumentation von Fromm dann nachzuvollziehen.
0:26:56–0:27:00
Der bleibt dann bei dem, nicht Latenza, bei dem Manifesteninhalt.
0:27:00–0:27:08
Wir haben diesen Wolf als Akteur im Märchen und der Wolf, also das kommt dann später.
Florian Clauß
0:27:08–0:27:13
Ja, aber warum fällt der dann nicht über sie her? Warum macht er das halt?
0:27:13–0:27:15
Warum geht er den Umweg zur Großmutter?
0:27:15–0:27:17
Also, ist es da vielleicht...
0:27:19–0:27:26
Also, will er erst mal was essen, bevor er dann Sex hat, oder?
Micz Flor
0:27:26–0:27:32
Mhm. Ja, also, Erich Fromm macht dann, glaub ich, sogar einen Witz in seinem Text.
0:27:32–0:27:36
Weil nachdem dann der Wolf die Großmutter und das Rotkäppchen gefressen hat,
0:27:36–0:27:41
dann schreibt Fromm, als er seinen Appetit gestillt hat, schläft er ein.
0:27:41–0:27:45
Das ist so ein sehr männliches ... Mhm.
Florian Clauß
0:27:45–0:27:47
Raucht er ein und schläft ein.
Micz Flor
0:27:47–0:27:50
Schlafen ja ok
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ok also wir bleiben jetzt noch immer wir sagen
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jetzt wolf und
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rotkäppchen eine person wir bleiben dabei ja also
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da würden wir jetzt denke ich ein bisschen an deine märchen da mit den fuchsschwänzen
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wir sind dann so ein bisschen hinten raus natürlich in der situation in der
0:28:11–0:28:17
der wolf das rotkäppchen auch schluckt das heißt die unschuld verliert und ganz wolfe wird?
Florian Clauß
0:28:18–0:28:19
Nein, die Großmutter.
Micz Flor
0:28:19–0:28:23
Der erste Großmutter verschluckt das Über-Ich quasi in sich,
0:28:23–0:28:26
natürlich in sich aufnimmt, aber gleichzeitig auch irgendwie...
0:28:27–0:28:29
Oh, interessant, wir haben noch eine kleine Wendung.
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Der Wolf verschluckt das Über-Ich und integriert es, aber nicht verschluckt
0:28:36–0:28:40
auch nur das Rotkäppchen, wird dann in diesem Moment halt ganz Monster,
0:28:40–0:28:42
so direkt nach der Menstruation.
Florian Clauß
0:28:44–0:28:45
Warum nach der Menstruation?
Micz Flor
0:28:46–0:28:50
Weil da einfach die Natur durchschießt. Also sie sprießt und fließt.
Florian Clauß
0:28:53–0:28:55
Aber die Menstruation ist doch genau
0:28:55–0:28:59
das Zeichen dafür, dass eben die Fruchtbarkeit nicht aufgegangen ist.
0:29:01–0:29:06
Also die Menstruation ist ja quasi das Ergebnis, dass eben nicht die Natur sich weiter...
Micz Flor
0:29:07–0:29:10
Ah, okay. Nee, ich hatte das ja als Lebensabschnitt gesehen,
0:29:10–0:29:13
quasi nach der Pubertät. Damit eröffnet sich dann diese...
Florian Clauß
0:29:13–0:29:16
Also jetzt nicht nach dem Akt des Menstruierens? Nein, ich hatte genau...
Micz Flor
0:29:16–0:29:20
Das ist ein menstruierendes Mädchen jetzt. Das heißt, es ist fruchtbar.
0:29:22–0:29:26
Und der Wolf, der das Mädchen auch ist, der schluckt das Überich,
0:29:26–0:29:31
schluckt dann auch sein kindliches Ich und ist dann in diesem Moment aber dann
0:29:31–0:29:32
auch irgendwie einschlafbereit.
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Das Überich wirkt langsam wie so ein aspirierendes Komplex,
0:29:39–0:29:42
und setzt sich, weil er ist jetzt hier alle,
0:29:42–0:29:46
also wir gehen jetzt hier ein bisschen all in, er ist jetzt alle Agenten auf
0:29:46–0:29:53
der Bühne, das heißt auch der Jäger, gesellschaftliches Regulativ,
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das watscht ihn hier dann irgendwie ab.
0:29:56–0:30:00
Oder sie, ist ja eigentlich das Mädchen, das heißt in dem Moment kommt dann
0:30:00–0:30:09
ein Mann auf die Bühne, ein Jäger, der dem Wolf sagt, Ne, so geht das nicht.
0:30:10–0:30:14
Coole Wendung, also du hast mir die Augen geöffnet, was dieses Märchen angeht.
0:30:14–0:30:18
Ich muss jetzt leider kurz zurückgehen und hier einen Umweg gehen, damit wir deiner...
0:30:18–0:30:22
Es wird eine kurze Folge, aber total aufregend. Ich bin ganz tief ergriffen.
Florian Clauß
0:30:22–0:30:24
Du freust mich auch gar nicht mehr.
Micz Flor
0:30:27–0:30:30
Na gut, was soll ich jemanden fragen, der Candy Crush neben mir spielt?
0:30:30–0:30:31
Nein, stimmt ja gar nicht.
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Ich bin schon Level 5000. Jetzt machen wir hier Pause auf Flo's Deutung und
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gucken noch mal kurz, was Fromm sagt, weil es ist ein spannender Diskurs,
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auch innerhalb der Psychoanalyse.
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Und zwar, welche Rolle spielt der Mann und wie wird die Sexualität dargestellt?
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Der Mann wird als rücksichtsloses, listiges Tier und der Geschlechtsakt als
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kannibalisches Handlung geschildert.
Florian Clauß
0:31:03–0:31:05
Aber wo ist denn der Geschlechtsakt?
Micz Flor
0:31:06–0:31:09
Naja, das ist das, die Großmutter fressen und das Kind fressen.
Florian Clauß
0:31:09–0:31:14
Also das heißt, er macht da halt auch irgendwie so in so einer Kategorie Sex,
0:31:14–0:31:18
die man normalerweise auf irgendwelchen Internetseiten, Portalen findet.
Micz Flor
0:31:20–0:31:25
Also er geht jetzt weiter und sagt halt so, dass er sagt, Frauen,
0:31:25–0:31:28
die Männer lieben und sich an der Sexualität erfreuen, teilen diese Ansicht nicht.
0:31:31–0:31:36
Aber der Hass und das Vorurteil gegen die Männer treten am Schluss der Geschichte nur deutlicher hervor.
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Das heißt, er sieht das jetzt als eine, also es sind drei Frauen,
0:31:45–0:31:48
die Großmutter, die Mutter und die Tochter.
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Und dem gegenüber steht halt der Wolf als kannibalische,
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lustvolle und rücksichtslosige, tierische Geschlechtsakt, Sexualitätsinvasion,
0:32:01–0:32:04
Ich weiß nicht, wie man das nennen möchte.
0:32:05–0:32:07
Und der Jäger, der ist wie so ein bisschen so eine Randfigur,
0:32:07–0:32:10
ist auch ein Mann, aber der wird ja nicht weiter spürbar. Der ist eher so eine Rolle.
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Und er sagt jetzt halt, dass das so ein Bild ist von der männlichen Sexualität,
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vor dem halt gewarnt wird. Und vor allen Dingen auch Frauen,
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die selber keinen Spaß an der Sexualität haben, unterstellt er jetzt hier,
0:32:23–0:32:24
ist nicht meine Meinung.
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Die haben so ein Männerbild. Also sag ich jetzt mal komplett verkürzt und das
0:32:29–0:32:30
ist nicht meine Meinung.
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Jetzt wird es aber spannend und dann kommen wir indirekt wieder zurück auf das, was du sagst.
0:32:38–0:32:41
Jetzt ist die Frage, was passiert denn mit dem Wolf? Und er sagt hier,
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fragt dann, wie wird der Wolf lächerlich gemacht?
0:32:45–0:32:50
Es wird geschildert, wie er versucht, die Rolle einer schwangeren Frau zu spielen,
0:32:50–0:32:52
die lebende Gewesen, die er im Leib hat.
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Rotkäppchen steckt Steine, das Symbol der Unfruchtbarkeit, in seinen Bauch und
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der Wolf bricht zusammen und stirbt.
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Jetzt sind wir ein bisschen durcheinander. Ich glaube, wahrscheinlich in der
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Version, die Erich Fromm vorliegt, ist das Rotkäppchen nicht verschlungen.
0:33:09–0:33:12
Ach nee, Quatsch, das wird befreit, rausgeschnitten und dann kommen Steine rein.
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Ja, ja, genau. Also Rotkäppchen macht das aber.
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Ich glaube aber, die Jäger sind eigentlich beteiligt in der Version,
0:33:18–0:33:19
die ich irgendwie verändert habe.
Florian Clauß
0:33:19–0:33:20
Ja, die kenne ich auch, ja.
Micz Flor
0:33:21–0:33:25
So, und das ist so ein Kniff in Richtung Karen Horney.
0:33:29–0:33:34
Das ist eine deutsche Psychoanalytikerin, die dann aber auch in Amerika,
0:33:34–0:33:40
die leider nicht sehr alt geworden ist, aber die in Amerika dann auch ihre Arbeit fortgesetzt hat,
0:33:40–0:33:45
die hat gegenüber der kompletten versammelten Männerschaft,
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die die Psychoanalyse begründet haben, einmal diese Behauptung aufgestellt,
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die ich kongenial finde, um alles mal zu hinterfragen,
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und sagt halt, dieser Penisneid,
0:33:56–0:34:00
den die Mädchen angeblich hätten vor Männern, die halt so einen Penis haben,
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die den so rumwedeln können, im Stehen pinkeln und so weiter,
0:34:03–0:34:10
Dieser Penis-Knight ist eigentlich, da sind wir beim richtig schönen eigentlich-Twist, Abwehr.
0:34:15–0:34:20
Des Gefühls, den Frauen unterlegen zu sein, weil nur Frauen können Leben gebären,
0:34:20–0:34:21
Männer können das nicht.
Florian Clauß
0:34:21–0:34:23
Naja, das ist der klassische Gebärmutterkomplex.
Micz Flor
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Und das ist diese Sache, die halt dann in den 20er Jahren, auch die Neopsychoanalyse,
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der Karen Horney auch mit aktiv ist, also dem auch zugerechnet wird, kam das halt so rein.
0:34:38–0:34:42
Und das webt er hier rein, dass er halt sagt, da wird der Mann lächerlich gemacht,
0:34:42–0:34:46
indem der dann irgendwie diese Steine reinkriegt. Und damit geht gar nichts mehr.
0:34:47–0:34:55
Das ist einfach nur ein lächerlicher Versuch, der Frau irgendwie ähnlich zu werden.
Florian Clauß
0:34:55–0:35:00
Naja, also ich meine, das fängt ja schon vorher an, weil ich habe mich ja schon
0:35:00–0:35:09
als Kind immer wieder gefragt, wie kann das sein, dass der Rolf mehr Pokémon-Karten hat als ich.
0:35:12–0:35:14
Nein, das ist der Wolf.
Micz Flor
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Ich kann es dir sagen, weil wenn du den Wolf rückwärts liest, dann ist das...
Florian Clauß
0:35:18–0:35:24
Da! Mr. Follower.
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Okay, warum der Wolf jemanden so konsumieren kann, dass er ihn nicht zerbeißt,
0:35:31–0:35:33
sondern als Ganzes schluckt.
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Und das ist, finde ich, halt so... Das hat mich total beschäftigt.
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Aber, wenn man jetzt quasi diesen Interpretationsansatz, dann ist ja quasi die einzige Methode...
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Dass eben ein Mann dann etwas Lebendiges im Leibe hat, das als Ganzes zu verschlucken.
0:35:58–0:36:03
Das ist ja dann so ein bisschen so dieser Schlüsselmoment bei dem Film.
Micz Flor
0:36:06–0:36:06
Alien.
Florian Clauß
0:36:07–0:36:14
Alien auch, genau, Alien auch, aber ich dachte jetzt eher an den asiatischen Film. Aber...
Micz Flor
0:36:15–0:36:16
Sag mal, welchen?
Florian Clauß
0:36:16–0:36:23
Das ist dieser ultra brutale Rache-Film, wo der dann mit einem Hammer rumläuft.
Micz Flor
0:36:23–0:36:25
Ah ja, koreanisch ist der.
Florian Clauß
0:36:26–0:36:30
Koreanisch, genau. Und da gibt es auch diesen Schlüsselmoment,
0:36:30–0:36:36
wo er dann einen lebendigen Tintenfisch verschluckt und du siehst,
0:36:36–0:36:42
wie das Zentakel aus seinem Mund um ihn herum auf den Backen das zu tasten beginnt.
0:36:43–0:36:49
Das war jetzt so diese konditionierte Methode, um ihm dann die Erinnerung wieder zurückzubringen.
0:36:52–0:36:55
Und da fängt es ja dann schon an mit dem Verschlucken. Da muss er nicht die
0:36:55–0:36:58
Steine haben. Also die Steine sind die Negation von... Er ist es,
0:36:58–0:37:01
diese Simulation von Schwangerschaft.
0:37:01–0:37:05
Ja, das finde ich eigentlich ziemlich stark, das Bild. Ja, schwanger zu werden.
0:37:06–0:37:13
Wenn man das jetzt so in diesem... Von uns in der Präterzionsansatz ist alles eine Person.
0:37:13–0:37:19
Dann ist es ja auch vielleicht dann so ein Akt eben so Sexualität zu haben ohne schwanger zu werden.
Micz Flor
0:37:20–0:37:24
Ja oder das ist halt das, was ich spannend finde, weil ich weiß nicht,
0:37:24–0:37:32
ob Albert Einstein oder Karl Jaspers ja oder sagt, bei unterschiedlichen Erklärungsansätzen
0:37:32–0:37:35
für ein Phänomen oder so, dann ist das Einfachste das Wahrscheinlichste.
0:37:36–0:37:40
Und ich finde halt bei dem Ansatz und dann, Wenn wir die auf eine Bühne stellen,
0:37:40–0:37:44
dann haben wir eine ganz kurze Geschichte, in der halt das Kind auf den Weg...
0:37:46–0:37:51
Und auf diesem Weg, nach der Menstruation, kommt der Anteil Wolf auch irgendwie reinkommt.
0:37:53–0:37:58
Der Anteil Wolf ist dann irgendwie auch einfach so mächtig, dass er das Über-Ich wegschluckt.
0:37:59–0:38:05
Und im Endeffekt dann sogar das kindliche Kind wegschluckt. Die Folge ist nur,
0:38:05–0:38:07
wenn man das so macht, dass man halt schwanger wird.
0:38:07–0:38:11
Und wenn man schwanger wird, dann geht das böse aus. Das ist dann eben auch
0:38:11–0:38:13
wieder ein latenter Inhalt.
0:38:13–0:38:17
Du hast dann dieses Stein im Bauch, passt bloß auf. Ja, der Wolf hat dann natürlich
0:38:17–0:38:19
die Steine im Bauch, aber der Wolf ist ja dann das Mädchen.
Florian Clauß
0:38:19–0:38:28
Ja, aber dann ist es wie in der Sache, dass der Jäger quasi der Arzt ist,
0:38:28–0:38:29
der die Abtreibung vornimmt.
0:38:31–0:38:37
Also könnte man dann so weiter spinnen, ja, aber ist ja auch ein legitimes Mittel.
Micz Flor
0:38:38–0:38:42
Ist ein legitimes Mittel, genau. Du hattest aber auch mal mit diesem einen Künstler...
Florian Clauß
0:38:42–0:38:43
Das ist quasi Pro-Abtreibung, Rotkäppchen.
Micz Flor
0:38:43–0:38:47
Du hast doch mit diesem einen Künstlern Weimer auch mal so ein interaktives
0:38:47–0:38:51
Online-Videoprojekt gemacht, das auch eben um Abtreibung ging, oder?
Florian Clauß
0:38:52–0:38:58
Also um historische Methoden zur Abtreibung, da gab es diesen eines Gewächs,
0:38:58–0:39:05
also einen Baum, der auch immer in irgendwelchen Gärten von Fürstenhöfen gefunden wurde,
0:39:06–0:39:10
und der damals wahrscheinlich als Abtreibungsmittel eingesetzt wurde.
0:39:11–0:39:16
Und natürlich, weil die Fürsten, also in den Häusern der Fürsten,
0:39:16–0:39:20
wurde halt rauf und runter getrieben. Und da musste natürlich auch damit entsprechend
0:39:20–0:39:21
vermütet oder abgetrieben werden.
Micz Flor
0:39:22–0:39:25
Also mit dem rauf und runter, das ist natürlich jetzt ein aggressiver Akt gegenüber
0:39:25–0:39:28
der Geschichte, weil das wissen wir jetzt nicht, das vermuten wir.
0:39:29–0:39:34
Allerdings ist es gleichzeitig, diese Pflanze ist halt ein ganz tolles Beispiel
0:39:34–0:39:38
für dieses Schopenhauer, Freud, Nietzsche-mäßige Denken.
0:39:38–0:39:44
Es ist dann halt nicht die Aufklärung, sondern am Hof gibt es dann wirklich
0:39:44–0:39:52
im Garten so Pflanzen, wo man Tee macht und das hilft dann, dass quasi die Menstruation kommt.
Florian Clauß
0:39:52–0:39:55
Ja, es ist auch nur ein Interpretationsansatz.
0:39:56–0:40:01
Es war eher so eine künstlerische Belegung als wirklich eine historische.
Micz Flor
0:40:02–0:40:04
Ich glaube, es gab schon eine historische Geschichte.
Florian Clauß
0:40:04–0:40:06
Es gab nicht so viele Geschichten, aber es ist glaube ich...
Micz Flor
0:40:07–0:40:09
Hörster und ein Mädchen am Markt oder so was...
Florian Clauß
0:40:10–0:40:15
Ja, ja, es war so... Ja spannend, also spannend, ja.
0:40:18–0:40:26
Dieser Twist, den du grade so von der Frau, die sich dann gegen diese psychoanalytische
0:40:26–0:40:28
Männerwelt dann aufgelehnt hat ... Ähm ...
Micz Flor
0:40:28–0:40:31
Das ist von Fromm. Aber das ist eben auch ...
Florian Clauß
0:40:31–0:40:34
Und das ist der Twist, den du vorher angekündigt hast.
Micz Flor
0:40:34–0:40:37
Ja, das fand ich halt ganz schön, nee, das war das. Ich fand das irgendwie ganz
0:40:37–0:40:40
schön, dass er das noch mal eingebaut hat, eben dieser Mann,
0:40:40–0:40:47
der halt lächerlich ist, wenn er halt irgendwie versucht, Steine auszutragen, mehr kann er nicht.
0:40:47–0:40:51
Dass das irgendwie da auch mit angelegt ist, dass Männer...
Florian Clauß
0:40:52–0:40:55
Und das andere, was ich mich als Kind, entschuldige, dass ich unterbreche,
0:40:55–0:40:58
aber was ich als Kind als Kind als Kind, also mein ganzes Verschlucken,
0:40:58–0:41:02
und das andere, was ich mich auch immer gefragt habe, wie können die den Wolf
0:41:02–0:41:04
quasi den Bauch aufschneiden, ohne dass er es merkt?
Micz Flor
0:41:06–0:41:07
Das hat mich auch beschäftigt.
Florian Clauß
0:41:07–0:41:11
Ich glaube, das beschäftigt jedes Kind. Aber das ist dann vielleicht,
0:41:11–0:41:15
wenn man jetzt in dieser Symbolik-Ebene arbeite,
0:41:15–0:41:24
dass es dann sowas Reintun, also es ist ja was, also was drüberstehend ist,
0:41:24–0:41:26
also eine assoziative Symbolik.
0:41:28–0:41:36
Ja spannend, ja mit, also vielen Dank für diese inspirierende Folge. Macht Spaß und so.
Micz Flor
0:41:37–0:41:39
Wir machen ganz viele Märchen. Nur noch Märchen.
Florian Clauß
0:41:40–0:41:44
Wir gucken, ob das anderen, unseren Zuhörerinnen auch Spaß macht.
0:41:45–0:41:50
Dann würde ich sagen, wenn du jetzt nichts noch hinzuzufügen hast.
0:41:50–0:41:53
Ich finde es jetzt gerade rund.
Micz Flor
0:41:53–0:41:59
Wir machen jetzt hier Schluss. Den etwas kurzen Querweg, den wir gelaufen sind,
0:41:59–0:42:01
könnt ihr auf der Webseite sehen.
0:42:01–0:42:09
Eigentlich-podcast.de Und ja, mal gucken. Weißt du schon, was die nächste Folge wird?
Florian Clauß
0:42:10–0:42:13
Nee, ich kann noch nicht sagen, was die nächste Folge wird.
Micz Flor
0:42:14–0:42:15
Wir sind so tagesaktiv.

Mehr

"Spieglein, Spieglein an der Wand..."

Wir begeben uns mal wieder in die Welt der Märchen. Flo hat das Märchen Sneewittchen der 1. Fassung von 1812 aus dem KHM (Kinder- und Hausmärchen) der Gebrüder Grimm mitgebracht. Flo hat das Märchen vorher eingesprochen, weil im Laufen Vorlesen nicht zu seinen Kernkompetenzen gehört. Wir hören uns das an, während wir über den samstäglichen Kreativ- und Fressmarkt am Maybachufer spazieren. Unsere Route führt uns am Kanal am Weigandufer entlang zur Neuköllner Kolonie "Freiheit". Wir sprechen über die Unterschiede von der 1. und letzten Fassung von Schneewittchen (KHM 6. Auflage 1850). Micz hat da einiges vorbereitet, was aus einem psychoanalytischen Blickwinkel sehr spannend ist. Wir kommen auch auf die narzisstische Persönlichkeit der Mutter / Stiefmutter zu sprechen und steigen tiefer in eine Narzissmus-Betrachtung ein. Flo hebt die Kulturgeschichte des Spiegels hervor und die astronomischen Aspekte des Märchens Schneewittchen. Die sieben Zwerge stellen mit Schneewittchen eine kosmologische Ordnung dar, wie die Planeten mit der Erde auf der Eklipse um die Sonne wandern. Eine böse Entität stört diese Raum- und Zeiteinheit, das muss wiederhergestellt werden. Wir steigen auch kurz in die Welt der Farben in diesem Märchen ab, die Farben Weiß, Rot, Schwarz machen die komplette dramatische Erzählung aus, wobei Weiß für die Unschuld, das Reine, das Gute steht und Schwarz für das Böse und Vergängliche. Rot verbindet die Anziehung, den Aufbruch, das (sexuell) Attraktive, die Leidenschaft und das Leben, was eben diese Ordnung von Schwarz und Weiß stören kann. Letztlich kommen wir auf gesellschaftlich erwartete Rolle der Frau zu sprechen, die Schneewittchen einnehmen muss, um von den Zwergen und dem Prinzen akzeptiert zu werden. Sie muss vor allen Dingen schön sein und haushälterische Tätigkeiten übernehmen. Selbst wenn sie vom Apfel beißt und in einem todesähnlichen Zustand verharrt, ist sie so schön, dass der Prinz sie überall hin mitträgt wie eine Instakachel im Smartphone. Flo spricht noch über die Geschichte der Fotografie und Selfie-Culture. Am Ende sind sich Flo und Micz einig, dass das Märchen Schneewittchen unglaublich viele Interpretationsansätze bietet und in der Komplexität und Ambivalenz einen sehr verdienten Platz in der Popkultur gefunden hat.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Florian Clauß
Erzähler
avatar
Micz Flor

Transcript

Florian Clauß
0:00:00–0:00:01
Machst du denn die Einleitung?
Micz Flor
0:00:01–0:00:07
Natürlich.
Florian Clauß
0:00:07–0:00:08
Ich bin Flo.
Micz Flor
0:00:08–0:00:12
Du bist Flo, ich bin Mitch. Du bist heute dran mit dem Thema.
0:00:13–0:00:15
Ich weiß auch schon, was es ist, das hast du mir vorher verraten.
0:00:15–0:00:16
Ich freue mich sehr drauf.
Florian Clauß
0:00:18–0:00:20
Sprichst du schon in echt ein?
Micz Flor
0:00:21–0:00:26
Ja, so bin ich. Ganz zart. Zart. Nee, so bist du normalerweise nicht.
0:00:26–0:00:30
Du musst doch erst mal die Zuhörerinnen und Zuhörer auch begrüßen.
0:00:31–0:00:34
Hallo, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer.
0:00:35–0:00:41
Mein Name ist Mitch und neben mir läuft Flo, der heute ein Thema vorbereitet
0:00:41–0:00:42
hat, was ich auch schon kenne.
0:00:44–0:00:48
Und wo ich mich auch sehr drauf freue. Bin mal gespannt. Also ich weiß,
0:00:48–0:00:50
was es ist. Ich kann mir vorstellen, wie es läuft.
0:00:50–0:00:53
Ich noch nicht genau womit Flo dann so um die Ecke kommt.
0:00:53–0:00:55
Das ist ja wie immer wahrscheinlich sehr gut vorbereitet.
0:00:58–0:01:02
Wir sind jetzt auch wieder an einem schönen sonnigen Tag. Das Wetter ist ja
0:01:02–0:01:04
mal so mal so aktuell unterwegs.
0:01:06–0:01:08
Und was ist denn unsere Tour heute?
Florian Clauß
0:01:09–0:01:15
Ja, also ich dachte wir knüpfen an an unseren Entstehungsmythos die Corona Walks.
0:01:15–0:01:24
Wir haben uns ja hier in Kreuzberg dann getroffen und sind runter Richtung Neukölln den Kanal entlang.
0:01:24–0:01:27
Also wir werden erst den Landwehrkanal und ich weiß nicht wie der Kanal dann
0:01:27–0:01:31
heißt. Der geht dann ab vom Landwehrkanal an diesem Dreiländereck.
0:01:34–0:01:38
Berg Neukölln zusammentreffen und mal gucken, wie weit es uns treibt.
0:01:39–0:01:42
Dann werden wir Richtung, ja wahrscheinlich bis zur Sonnenallee,
0:01:42–0:01:46
parallel zur Kiefholzstraße, so ein bisschen eine Kleingartensiedlung erkunden.
0:01:47–0:01:52
Die kenne ich noch nicht, aber wir streifen natürlich auch unsere vorherigen
0:01:52–0:01:58
Podcastaufnahmen in Kanto. Werden wir an einem Punkt quasi mitnehmen.
Micz Flor
0:02:01–0:02:09
Deine Folge, eine der frühen folgen und ja wir haben jetzt eigentlich podcast
0:02:09–0:02:16
episode 34 und für die die sich wundern warum wir so eine tour beschreiben wir
0:02:16–0:02:19
sind bei eigentlich minus podcast.de,
0:02:20–0:02:24
auch im netz auffindbar vielleicht ist jemand zum ersten mal dabei und kennt
0:02:24–0:02:31
die geschichte noch nicht Wir haben unseren Slogan, der ist Laufen beim Reden und laufend reden.
0:02:33–0:02:36
Wir sind einfach unterwegs und lassen unseren Gedanken freien Lauf,
0:02:36–0:02:37
haben aber immer ein Thema.
0:02:37–0:02:42
Einer bereitet das immer ein bisschen vor und die ganzen Tracks werden als GPS
0:02:42–0:02:48
auch dann auf eigentlich-podcast.de online bereitgestellt.
0:02:48–0:02:53
Also wer Lust hat, kann sich das dann quasi Sogar eigentlich umschnallen,
0:02:53–0:02:56
mitlaufen, zuhören, so als ob wir nebenher laufen.
Florian Clauß
0:02:56–0:02:59
Ja, irgendwann machen wir mal so eine öffentliche Eigentlichtour.
0:02:59–0:03:04
Da kriegt jeder so ein kleines Mikrofon, äh, kleines Headset mit Funkverbindung
0:03:04–0:03:06
und dann laufen wir vorweg.
0:03:06–0:03:11
Und hinter uns die Traube an Menschen und an Zuhörerinnen und Zuhörer,
0:03:11–0:03:19
die dann von uns quasi auf den Spaziergang ein bisschen bespielt wird. Naja, vielleicht.
Micz Flor
0:03:19–0:03:21
Zukunftsmusik.
Florian Clauß
0:03:21–0:03:26
So was möchte ich gerne machen. Jetzt kommen wir hier unter dem Haus, direkt am Kottchen.
0:03:28–0:03:31
Und hier geht ein Durchgang. Wir gehen jetzt hier dahinten durch,
0:03:31–0:03:34
da gibt es so diesen Spielplatz. Kennst du den, Mitch?
Micz Flor
0:03:34–0:03:38
Ja, ja, hier die Gegend kenne ich sehr gut. Wir sind jetzt an der Bücherei.
0:03:39–0:03:43
Dahinter ist der Spielplatz in diesem großen Gebäude.
0:03:43–0:03:47
Und ich glaube, ich habe das schon mal gesagt, es gibt einen Dokumentarfilm,
0:03:47–0:03:48
der lief hier auch in Berlin in
0:03:48–0:03:57
ein paar Kinos über die Entstehung von diesem UFO-ähnlichen Wohnrondell,
0:03:57–0:03:59
was da am Kotti gelandet ist.
0:04:00–0:04:03
Und den könnten wir vielleicht auch mal, wir sind ja eigentlich ein Film-Hotcast,
0:04:03–0:04:05
den könnten wir vielleicht uns mal angucken und besprechen.
Florian Clauß
0:04:05–0:04:10
Ja, eigentlich Film-Hotcast. Wir kommen jetzt auch hier gleich in der Unterführung. Ups!
Micz Flor
0:04:12–0:04:13
Das ist der Spielplatz.
Florian Clauß
0:04:15–0:04:21
Kommen wir auch an ein Imbiss vorbei, wo eine Schlüsselszene von Herr Lehmann
0:04:21–0:04:23
gespielt hat. Das ist doch hier.
Micz Flor
0:04:23–0:04:26
Ja, das ist der genau. Aber der ist inzwischen, ich weiß nicht,
0:04:26–0:04:29
ob er einen Besitzer gewechselt hat, aber auf jeden Fall hat er sich total umgebaut.
0:04:29–0:04:32
Gerade neulich bin ich da vorbei und da wurde der Boden neu gemacht.
0:04:34–0:04:37
Der heißt auch, glaube ich, wirklich inzwischen anders und ist komplett ausgetauscht.
0:04:37–0:04:41
Aber der war noch ziemlich lange nach dem Film in genau dem Zustand.
Florian Clauß
0:04:42–0:04:48
Wir gehen jetzt die Reichenberger Straße lang und ich habe tatsächlich auch
0:04:48–0:04:50
heute habe ich was vorbereitet.
0:04:50–0:04:53
Ja, ich habe was vorbereitet, da können wir nochmal reinholen.
0:04:53–0:04:55
Ich habe ein Märchen mitgebracht und ein Märchen,
0:04:55–0:05:04
das ist glaube ich so eines der Märchen ist, was am meisten so rezipiert wurde,
0:05:04–0:05:07
was viel Popkultur ausgelöst hat. Es ist Schneewittchen.
Micz Flor
0:05:10–0:05:13
Schneewittchen, wie ich weiß. Ja, das weißt du. Und jetzt machen wir uns das alle gemeinsam an.
Florian Clauß
0:05:14–0:05:17
Und ja, gleich, ich wollte nur noch das nochmal so einordnen,
0:05:17–0:05:19
weil wir kennen aus anderen Folgen von eigentlich...
0:05:21–0:05:26
Diese Kategorisierung. Natürlich ist es auch ein Märchen,
0:05:26–0:05:34
was die Gebrüder Grimm dann in ihrem sehr berühmten Buch Kinder und Hausmärchen der Gebrüder Grimm,
0:05:34–0:05:43
das abgekürzt KHM heißt, also Kinderhausmärchen, das hat da in diesem Kontext
0:05:43–0:05:47
den Index, muss ich mal gucken, 53 Schnellwittchen.
0:05:49–0:05:57
Und wir kennen noch einen anderen Index. Das ist der sogenannte Kategorien-Dings da, ne?
Micz Flor
0:05:57–0:06:00
Also welche Art von Märchen ist das?
Florian Clauß
0:06:00–0:06:02
Genau, also wie es eingeordnet wird, das ist der Arne-Thomson-Uther-Index.
0:06:04–0:06:10
Der setzt sich halt aus den Sprachforscher, die quasi Arne-Thomson und Uther,
0:06:10–0:06:12
jeweils drei verschiedene, die haben diesen Index aufgebaut.
0:06:13–0:06:16
Und was der zum Ziel hatte, ist eben dann so eine europäische Vergleichbarkeit herzustellen.
0:06:20–0:06:27
Und die Brüder Grimm haben das eben, ihre Version, so verdichtet in diesem einen Buch.
0:06:28–0:06:33
Und das ist eigentlich so ein unglaublich populäres Buch geworden.
0:06:33–0:06:34
Also es hat sich verbreitet.
0:06:35–0:06:40
Die Märchen waren ja vorher so ein bisschen lose, irgendwo in den jeweiligen Erzählkulturen.
0:06:42–0:06:46
Und ja, da kam ein Geburt der Grimm, haben das eben zusammengesammelt,
0:06:46–0:06:49
kategorisiert, haben dann auch einen wissenschaftlichen Ansatz entwickelt und
0:06:49–0:06:52
haben halt dieses Buch rausgebracht, was dann zur Folge hatte,
0:06:52–0:06:54
dass diese Märchen unglaublich verbreitet wurden.
0:06:55–0:06:57
Weil eben zur Zeit des Buchdrucks...
0:06:58–0:07:01
Das war sehr beliebt und das heißt, die Märchen wurden da so bekannt.
0:07:01–0:07:03
Ja, das ist nochmal so kurz zur Einordnung.
Micz Flor
0:07:03–0:07:07
Das war wahrscheinlich dann so wie das Streaming-Service, das jetzt für Filme
0:07:07–0:07:11
machen, war dann damals eben das gedruckte Buch für Märchen.
0:07:11–0:07:15
Man konnte die halt irgendwie kaufen, verschenken und hatte die dann quasi zu
0:07:15–0:07:20
Hause, hat die aufgeschlagen und hat dann damals noch gelesen, was man heute guckt.
Florian Clauß
0:07:20–0:07:24
Genau, also genau, das wollte ich nochmal so in dem Kontext der Mediengeschichte
0:07:24–0:07:26
nochmal so ein bisschen platzieren.
0:07:27–0:07:33
Ich möchte auch noch mal der ATU-Index von dem Märchen Schneewittchen ist 709
0:07:33–0:07:36
und es gibt diese sieben,
0:07:36–0:07:43
also die hunderte Nummer klassifiziert das auch so ein bisschen und die 700
0:07:43–0:07:49
bis 749 steht quasi im ATU für andere übernatürliche Geschehnisse.
0:07:52–0:07:59
Jetzt wollte ich noch mal die Nachbarn von Schneewittchen vorlesen, was da auftaucht.
0:07:59–0:08:06
Das ist zum Beispiel ATU 706, das Mädchen ohne Hände, dann die keusche Nonne,
0:08:06–0:08:12
der Vater, der seine Tochter heiraten wollte. 707 ist die drei goldenen Kinder,
0:08:12–0:08:14
das Wunderkind und 709 dann schließlich Schneewittchen.
0:08:15–0:08:18
Und 709a ist die Schwester von neun Brüdern.
Micz Flor
0:08:20–0:08:24
Okay, das ist interessant, weil man denkt, man kennt halt die Gebrüder Grimm,
0:08:24–0:08:30
aber ich kenne halt wirklich nur die Sachen, die dann auch in irgendwelchen
0:08:30–0:08:33
öffentlich-rechtlichen Produktionen rauf und runter kommen.
Florian Clauß
0:08:34–0:08:40
Ja, man hat das natürlich schon so ein bisschen aggregiert und ich möchte nicht die offizielle,
0:08:40–0:08:50
Die letzte Ausgabe von dem KM kam 1853 raus, das war die siebte Auflage und
0:08:50–0:08:52
ich möchte aber jetzt die Version von Schneewittchen.
0:08:55–0:09:00
Dann nicht Schmittchen, sondern Sneewittchen. Also das wird nicht ausgesprochen.
0:09:00–0:09:07
Snee ist die niederdeutsche Bezeichnung von Schnee in der ersten Fassung,
0:09:07–0:09:10
also im ersten KHM-Buch von 1812, die ihr mitbringt.
0:09:13–0:09:20
Und dafür, weil ich jetzt, da sie im Laufen vorlesen ist nicht so meine Kernkompetenz
0:09:20–0:09:26
habe ich das wieder eingesprochen und das hören wir uns jetzt erst mal an. Ja, Mitch?
Micz Flor
0:09:27–0:09:29
Ich freue mich drauf. Schneewittchen, Schneeweißchen.
Florian Clauß
0:09:29–0:09:37
In der ersten Auflage von 1812 von den Gebrüdern Grimm.
0:09:38–0:09:42
Es war einmal mitten im Winter und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel.
0:09:42–0:09:48
Da saß eine schönige Königin an einem Fenster. Das hatte einen Rahmen von schwarzem Ebenholz und nähte.
0:09:49–0:09:52
Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der
0:09:52–0:09:57
Nadel in den Finger und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee.
0:09:57–0:10:02
Und weil das Rote in dem Weißen so schön aussah, so dachte sie,
0:10:02–0:10:08
hätte ich doch ein Kind, so weiß wie Schnee, so rot wie Blut und so schwarz wie dieser Rahmen.
0:10:08–0:10:12
Und bald darauf bekam sie ein kleines Töchterlein, so weiß wie der Schnee,
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so rot wie das Blut und so so schwarz wie Ebenholz, und darum ward es Sneewittchen genannt.
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Die Königin war die schönste im ganzen Land und gar stolz auf ihre Schönheit.
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Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle Morgen und fragte,
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»Spieglein, Spieglein, an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«
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Da sprach das Spieglein allzeit, »Ihr, Frau Königin, seid die schönste Frau im Land.«.
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Und da wusste sie gewiss, dass niemand schöner war auf der Welt.
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Aber wuchs heran, und als es sieben Jahre alt war, war es so schön,
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dass es selbst die Königin an Schönheit übertraf, und als diese ihren Spiegel
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fragte, »Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«,
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sagte der Spiegel, »Frau Königin, ihr seid die Schönste hier,
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aber Schneewittchen ist noch tausendmal schöner als ihr.« Wie die Königin den
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Spiegel so sprechen hörte, war sie blass vor Neid, und von Stund an hasste sie das Schneewittchen.
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Und wenn sie es ansah und gedacht, dass durch seine Schuld sie nicht mehr die
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Schönste auf der Welt sei, kehrte sich das Herz herum.
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Da ließ ihr der Neid keine Ruhe, und sie rief einen Jäger und sagte zu ihm,
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Führ das Schneewittchen hinaus in den Wald, an einen weit abgelegenen Ort,
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da sticht's tot, und zum Wahrzeichen bring mir seine Lunge und seine Leber mit,
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die will ich mit Salz kochen und essen.
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Der Jäger Er nahm das Snewittchen und führte es hinaus. Wie er aber den Hirschfänger
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gezogen hatte und ihm zustechen wollte, da fing es an zu weinen und bat so sehr
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er mögt ihm sein Leben lassen, es wollte nimmermehr zurückkommen,
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sondern in den Wald fortlaufen.
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Den Jäger erbarmte es, weil es so schön war, und gedachte, die wilden Tiere
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werden es doch bald gefressen haben.
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Ich bin froh, dass ich es nicht zu töten brauche.
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Und weil gerade ein junger Frischling gelaufen kam, stach er den nieder,
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nahm Lunge und Leber heraus und brachte es als Wahrzeichen der Königin mit.
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Die kochte sie mit Salz und aß sie auf und meinte, sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen.
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Schneewittchen aber war in dem großen Wald mutterselig allein,
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sodass ihm recht Angst war und es fing an zu laufen und zu laufen über die spitzen
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Steine und durch die Dornen den ganzen Tag.
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Endlich, als die Sonne untergehen wollte, kam es zu einem kleinen Häuschen.
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Das Häuschen gehörte sieben Zwerge, die waren aber nicht zu Hause,
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sondern in das Werkwerk gegangen.
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Schneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich.
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Da stand ein Tischlein mit sieben kleinen Tellern, dabei sieben Löffelein,
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sieben Messerlein und Gäbelein, sieben Becherlein und an der Wand standen sieben
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Bettlein nebeneinander.
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Frischgedeckt. Sneewittchen war so hungrig und durstig, aß von jedem Teller
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ein wenig Gemüse und Brot, trank aus dem Gläschen einen Tropfen Wein und weil
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es so müde war, wollte es sich schlafen legen.
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Da probierte sie die sieben Bettlein nacheinander aus, keins war ihm aber recht,
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bis auf das siebte, denn das legte sich hinein und schlief ein.
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Wie es Nacht war, kamen die sieben Zwerge von ihrer Arbeit heim und steckten
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ihre sieben Lichtlein an. Da sahen sie, dass jemand in ihrem Haus gewesen war.
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Der erste sprach, wer hat auf mein Stühlchen gesessen?
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Der zweite, wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Der dritte,
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wer hat von meinem Brötchen genommen?
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Der vierte, wer hat von meinem Gemüsechen gegessen? Und der fünfte,
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wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen. Der sechste.
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Wer hat mit meinem Messerchen geschnitten? Der siebende. Der hat aus meinem Dächerlein getrunken.
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Danach sah er sich herum und sagte, Wer hat in mein Bettchen getreten?
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Der zweite, Ei, in mein Bettchen hat auch jemand gelegen.
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Und so alle weiter bis zum siebten. Wie der nach seinem Bettchen sah,
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da fand er das Sneewittchen darin liegen und schlafen.
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Da kamen die Zwerge alle gelaufen und schrien vor Verwunderung und holten ihre
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sieben Lichtlein herbei und betrachteten das Sneewittchen.
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Ei, du mein Gott, ei, du mein Gott, riefen sie, was ist das schön?
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Sie hatten große Freude an ihm, weckten es aber nicht auf und ließen es in dem
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Bettlein liegen. Der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen,
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bei jedem eine Stunde, da war die Nacht herum.
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Als nun Sneewittchen aufwachte, fragten sie es, wer es sei und wie es in ihr Haus gekommen wäre.
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Da erzählte es ihm, wie seine Mutter es habe umbringen wollen,
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der Jäger ihm aber das Leben geschenkt, und wie es den ganzen Tag gelaufen und
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endlich zu diesem Häuslein gekommen sei.
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Da hatten die Zwerge Mitleiden und sagten, wenn du unseren Haushalt versehen
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und kochen, nähen, betten, waschen, stricken willst, auch alles ordentlich und
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reinig halten, sollst du bei uns bleiben und es soll dir nichts fehlen.
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Abends kommen wir nach Hause und da muss das Essen fertig sein.
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Am Tage aber sind wir im Bergwerk und graben Gold, da bist du für dich alleine.
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Hüt' dich vor der Königin und lass' niemanden herein.
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Die Königin aber glaubte, sie sei wieder die Allerschönste im Land,
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trat morgens vor den Spiegel und fragte, »Spieglein, Spieglein an der Wand,
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wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«,
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Da antwortete der Spiegel aber wieder, »Frau Königin, ihr seid die Schönste
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hier, aber Snewittchen über den Sieben Bergen ist noch tausendmal schöner als ihr.«
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Wie die Königin das hörte, erschrak sie und sah wohl, dass sie betrogen wurde
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und der Jäger Snevitzing nicht getötet hatte.
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Weil aber niemand als die sieben Zwerglein in den sieben Bergen war,
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da wusste sie gleich, dass es sich zu diesen gerettet hatte,
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und nun sahen sie von Neulen nach, wie sie es umbringen könnte,
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denn solange der Spiegel nicht sagte, dass sie wäre die schönste Frau im ganzen
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Land, hatte sie keine Ruhe.
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Da war ihr alles nicht sicher und gewiss genug, und sie verkleidete sich selber
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als alte Krämerin, färbte ihr Gesicht, dass auch kein Mensch sie erkannte,
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und ging hinaus vor das Zwergenhaus.
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Sie klopfte an die Tür und rief, »Macht auf, macht auf, ich bin eine alte Krämerin,
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die gute Ware feil hat.« Snewittchen guckte aus dem Fenster, »Was habt ihr denn?«,
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»Schnürriem, liebes Kind«, sagte die Alte und holte einen hervor,
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der noch von gelber und roter und blauer Seide geflochten war.
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»Willst du den haben?« »Aja«, sprach Snewittchen und dachte,
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die gute alte Frau kann mich wohl hineinlassen.
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»Die meint's redlich«, regelte also die Türe auf und handelte sich den Schnürriem.
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Aber wie bist du schlampig geschnürt, sagte die Alte, komm, ich will dich einmal besser schnüren.
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Schneewittchen stellte sich vor ihr, da nahm sie den Schnürriemen und schnürte
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und schnürte so fest, dass ihm der Atem verging und es für tot hinfiel.
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Danach war sie zufrieden und ging fort. Bald darauf war es Nacht,
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und da kamen die sieben Zwerge nach Haus, die erschraken recht,
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als sie ihr liebe Schneewittchen auf der Erde liegen fanden, als wäre es tot.
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Sie hoben es in die Höhe, da sahen sie, dass es so fest geschnürt war,
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schnitten den Schnürringen in zwei, da atmete es erst und dann war das wieder lebendig.
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Das ist niemand gewesen, als die Königin, sprachen sie, die hat dir das Leben
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nehmen wollen, hüte dich und lass kein Menschen herein.
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Die Königin aber fragte den Spiegel.
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Spiegel, Spiegel, an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?
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Der Spiegel antwortete, Frau Königin, ihr seid die schönste,
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aber Schneewittchen bei den sieben Zwergchen ist tausendmal schöner als ihr.
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Sie erschrak, dass ihr Blut, dass das Blut ihr all zum Herz lief,
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da sie sah, dass Schneewittchen wiederlebendig geworden war.
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Danach sahen sie den ganzen Tag und die Nacht, wie sie es doch noch fangen wollte
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und machte einen giftigen Kamm, verkleidete sich in eine andere Gestalt und ging wieder hinaus.
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Sie klopfte an die Tür, das Schnewittchen aber rief, ich darf niemanden hier
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reinlassen. Da zog sie den Kamm hervor und als das Schnewittchen den Blinken
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sah und es auch jemand ganz Fremdes war, so machte es doch auf und kaufte den Kamm ab.
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Komm, ich will dich auch damit kennen, sagte die Krämerin, aber kaum starkt
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der Kamm dem Schneewittchen in den Haaren, da fiel es nieder und war tot.
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Nun wirst du liegenbleiben, sagte die Königin, und ihr Herz war leicht geworden und sie ging heim.
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Die Zwerge aber kamen zur rechten Zeit, sahen, dass was geschehen und zogen
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den giftigen Kamm aus den Haaren und da schlug Schneewittchen die Augen auf
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und es war wieder lebendig und versprach den Zwergen, es wolle gewiss niemanden mehr hereinlassen.
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Die Königin aber stellte sich vor den Spiegel, Spieglein, Spieglein an der Wand,
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wer ist die schönste Frau im ganzen Land. Der Spiegel antwortete,
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Frau Königin, ihr seid die schönste hier aber Snewittchen bei den sieben Zwergchen
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ist tausendmal schöner als ihr.
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Wie das die Königin hörte, zitterte sie und bebte sie vor Zorn.
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So soll das Newidtchen noch sterben, wenn und wenn es mein Leben kostet.
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Dann ging sie in ihre heimlichste Stube, und niemand durfte vor sie kommen,
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und da machte sie einen giftigen, giftigen Apfel, äußerlich war er schön und
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rotbäckig, und jeder, der ihn sah, bekam Lust dazu.
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Darauf verkleidete sie sich nun als Bauersfrau, ging vor das Werkhaus und klopfte an.
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Siewittchen guckte und sagte, ich darf keinen Menschen einlassen,
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die Zwerge haben mir das beim Leibe verboten.
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Nun, wenn ihr nicht wollt, sagt die Bäuerin, kann ich euch nicht zwingen,
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meine Äpfel will ich auch schon loswerden, da einen will ich euch zur Probe schenken.
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Nein, ich darf auch nichts geschenkt nehmen, die Zwerge wollen es nicht haben.
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Ihr mögt euch wohl fürchten, da will ich den Apfel in zwei schneiden und die
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Hälfte essen, da den schönen roten Backen sollt ihr haben.
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Der Apfel war aber so künstlich gemacht, dass nur die rote Hälfte vergiftet war.
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Da saß Schneewittchen, das die Bäuerin selbst davon aß, und seine Gelüste danach ward immer größer.
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Da ließ es sich endlich die andere Hälfte durchs Fenster reichen und bis hinein.
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Kaum aber hatte sie ein bisschen den Mund, so fiel es tot zur Erde.
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Die Königin aber freute sich, ging nach Haus und fragte den Spiegel.
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»Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?«
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Da antwortete er, Ihr, Frau Königin, seid die schönste Frau im Land.
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Nun habe ich Ruhe, sprach sie, da ich wieder die schönste im Land bin und Sneewittchen
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wird diesmal wohltot bleiben.
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Die Zwerglein kamen abends aus den Bergwerken nach Haus, da lag das Newittchen
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auf dem Boden und war tot. Sie schnürten es auf und sahen, dass sie nichts Giftiges
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in den Haaren fänden, es half auch nichts, sie konnten es nicht wieder lebendig machen.
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Sie legten es auf eine Bahre, setzten sich alle sieben da ran,
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weinten und weinten drei Tage lang, dann wollten sie es begraben.
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Da sahen sie aber, dass es noch frisch und gar nicht wie ein Toter aussah und
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dass es auch seine schönen roten Backen noch hatte.
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Da ließen sie ein Sarg von Glas machen, legten es hinein, dass man es recht
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sehen konnte, schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf und seine
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Abstammung, und einer blieb jeden Tag zu Hause und bewachte es.
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So lag es ein Wittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und verweste nicht,
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war noch so weiß wie als Schnee, so rot als Blut, und wenn es die Äuglein hätte
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auftun können, wären sie so schwarz wie eben Holz, denn es lag, als wenn es das schlief.
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Einmal kam ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und wollte darin übernachten,
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und wie er in die Stube kam und Snewittchen in dem Glassack liegen sah,
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auf das die siebten Lichtlein so recht ihren Schein warfen, konnte er sich nicht
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satt sehen an seiner Schönheit und und las die goldene Inschrift und sah,
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dass es eine Königstochter war.
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Da bat er die Zwerglein, sie sollten ihm den Sarg mit den toten Snidwittchen
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verkaufen, die aber wollten um alles Gold nicht.
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Da bat er sie, sie mögten es ihm schenken, er könne nicht leben, ohne es zu sehen.
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Und er wolle es so hoch halten und ehren, wie sein Liebstes auf der Welt.
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Da waren die Zwerglein mitleidig und gaben ihm den Sarg. Der Prinz aber ließ
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ihn in seinem Schloss tragen und ließ ihn in die Stube setzen.
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Er selber saß den ganzen Tag dabei und konnte die Augen nicht abwenden.
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Und wenn er ausmusste und konnte Schneewittchen nicht sehen,
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war der traurig. Und er konnte auch kein Bissen essen, wenn der Sarg nicht neben ihm stand.
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Die Diener aber, die beständig den Sarg herumtragen mussten,
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waren bös darüber, und Eidam machte einmal den Sarg auf, hob Snewittchen in
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die Höhe und sagte, »Um so ein totes Mädchen willen, werden wir den ganzen Tag
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geplagt«, und gab ihm mit der Hand einen Stumpf in den Rücken.
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Da fuhr ihm der garstige Apfelkruz, den es abgebissen hatte,
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aus dem Hals, und Snewittchen war wieder lebendig.
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Da ging es zu dem Prinzen, der nicht wusste, was er für Freude tun sollte,
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als sein liebes Snewittchen lebendig war, und sie setzten sich alle zusammen
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an die Tafel und aßen in Freude.
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Auf den anderen Tag war die Hochzeit bestellt und Snewittchens gottlose Mutter war auch eingeladen.
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Wie sie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und sprach, spieglein,
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spieglein an der Wand, wer ist die schönste Frau im ganzen Land?
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Da antwortete er, Frau Königin, ihr seid die schönste hier, aber die junge Königin
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ist tausendmal schöner als ihr.
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Als sie das hörte, erschrak sie, und es war ihr so Angst, dass sie es nicht
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sagen konnte. Doch trieb sie der Neid, dass sie auf der Hochzeit der jungen
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Königin sehen wollte, und wie sie ankam, sah sie, dass es eine Wittchen war.
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Da waren eisernen Pantoffeln im Feuer glühend gemacht. Sie musste sie anziehen
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und darin tanzen, und ihre Füße wurden jämmerlich verbrannt,
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und sie durfte nicht aufhören, bis sie sich zu Tode getanzt hatte.
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Ja, das war das Märchen von 1812.
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Bevor wir jetzt einsteigen, ganz kurz, siehst du, kannst du dir aus dem Kopf,
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kannst du da die andere Fassung erinnern und den Hauptunterschied zu dieser
0:24:01–0:24:03
ersten Fassung benennen?
Micz Flor
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Ja, das ist sogar eine der Sachen, die ich vorbereitend hatte,
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weil wir springen ja quasi um dieses Märchenthema so ein bisschen rum und ich
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habe gemerkt, dass ich diesmal anders darin vorgehe als das letzte Mal.
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Wir hatten ja in meiner letzten Folge, sollte es ja eigentlich schon um Rotkäppchen gehen.
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Das haben wir dann aber gesplittet. Die letzte Folge war eben diese Traum-Mythen-Thematik
0:24:34–0:24:40
von Erich Fromm mit einer Unterscheidung von der Art und Weise,
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wie zum Beispiel Traumdeutung bei Freud, bei Jung oder bei Fromm,
0:24:44–0:24:49
was dann eher so ein bisschen schon in die Richtung von Neopsychoanalyse-Gestalttherapie
0:24:49–0:24:51
geht, sich unterscheidet.
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Und das Lustige ist jetzt, das haben wir dann quasi Rotkäppchen in der nächsten Folge.
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Und ich fühle mich jetzt aber schon ein bisschen weiter in diesem Märchenthema.
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Da habe ich zum Beispiel mal drauf geguckt, was waren denn so die Veränderungen
0:25:06–0:25:12
alleine in den Fassungen von den Gebrüdern Grimm.
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Genau zu machen, könnte ich das kurz vorlesen.
Florian Clauß
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Ja, gerne. Du hast ja auch was vorbereitet mit.
Micz Flor
0:25:22–0:25:26
Ja, ich wusste ja, was es ist, dann hab ich gedacht, probier ich mal was anderes.
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Ich hab zwei Sachen vorbereitet. Ich hab dann auch eben als Weiterführung von
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dem, was das nächste Mal kommt, nämlich Freud, Jung und Fromm,
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hab ich dann Bettelheim diesmal als psychodynamischen ...
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Natürlich Analytiker eben, der dann auch eine Deutung hat. Das wollte ich dann
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später auch noch hier reinbringen.
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Also ich berufe mich jetzt auf die Frau Katrin Allersang-Gestrebter,
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die eine ihrer PhD 2009 in Wien Arbeit abgelegt hat.
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Und da hat sie eben einen Abschnitt gerade zum Thema dieses Märchens und was
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da so sich verändert hat.
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Und sie schreibt da, 1908 bis 1957 gab es wohl mindestens sechs Versionen von dem Ganzen. Ja.
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Wenn ich mich recht erinnere, das habe ich jetzt nicht aufgeschrieben,
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war es sogar ein jüngerer Bruder von den beiden, die der Autoren von diesem
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Kinder- und Hausmärchenbuch sind, der die erste Fassung aufgeschrieben hat,
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die dann umgeschrieben wurde.
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Und Wilhelm Grimm hat diese Urform dann seinen Idealvorstellungen so angepasst.
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Er hat da zum Beispiel, wenn man so durch diese Veränderung geht,
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ein bisschen auch geschaut, Das Schneewittchen,
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die dann Schneewittchen hieß, aber die wohl in der ganz frühen Version Schneeweißchen
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sogar noch hieß, die hat immer mehr in diesen Formen dann so eine typisch bürgerliche
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Tugend für Frauenverhalten angenommen.
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Die war dann eben sehr keusch, fast asexuell.
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Als sie bei den Zwergen war, muss bei den Zwergen ja auch diese bürgerlichen
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Sachen irgendwie lernen.
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Damit sie bei den Zwergenwirt bleiben darf, muss sie halt im Prinzip naiv sein,
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unschuldig, schön, lieb, fromm, arbeitsam, christlich, muss den Haushalt führen, all diese Sachen.
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Das war generell das Motiv für dieses junge Mädchen, Schneewittchen,
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wie es dann zum Schluss hieß.
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Und das sind eben so diese beliebtesten Klischees weiblicher Helden aus dieser Zeit,
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die dann Und das finde ich wichtig, nicht unterschiedliche Fassungen aus unterschiedlichen
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Ländern, sondern wirklich innerhalb der Revisionen von Grimm, von den Geburten Grimm.
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Schneewittchen selbst hat sich ein bisschen verändert. Die war wohl am Anfang
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eine junge Frau und wurde dann aber wieder ein Kind, oder wurde Kind genannt in späteren Versionen.
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Aber es gab vor allen Dingen eine Fassung, wahrscheinlich die allererste,
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die muss noch vor deiner gewesen sein wo schneewittchen ursprünglich gelbe haare
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hatte und gar keine schwarzen haare das war wohl oder eben ebenholz schwarz wie der fenster rahmen,
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Dann ist es so, dass der Vater jetzt in deiner Version ja auch schon nicht mehr
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existent ist. Da nimmt man dann an, dass der Jäger irgendwie die Rolle des Vaters
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ist. Es gibt auch eine analytische Deutung, die sagt, der Spiegel ist der Vater.
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Der guckt sich die Frauen an und beurteilt so.
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Und also heute in der gängigen Version ist der Vater eigentlich mehr oder weniger abwesend.
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Aber in früheren Versionen ist es wohl so, dass der sogar noch damit beauftragt
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war, auch den Sarg zu finden. So zumindest hier die Doktorandin.
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Und die Rolle der Mutter hat sich auch verändert. Es war anfangs eben eine Mutter
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bei deiner Version auch noch.
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Wurde dann später aber ersetzt. Und zwar 1819 wurde, starb die Mutter und die
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Stiefmutter, also die neue Frau, war dann die Böse sozusagen.
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Das ist, könnte man vielleicht sogar gleich mal so sagen, ein bisschen,
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da wird das ein bisschen harmonischer gemacht. Also, dass die Mutter wirklich
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sogar kannibalistisch gegenüber ihrer eigenen Tochter vorgeht,
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ist vielleicht einmal ein bisschen hart.
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Und wenn es die Stiefmutter ist, vielleicht verkaufen sich dann mehr Bücher.
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Und deshalb ändert sich natürlich dann auch ein bisschen die Thematik,
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weil es geht ja nicht mehr um Mutter-Tochter-Konflikt, sondern dann kommt der
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Spiegel und die Schönheit mehr in den Vordergrund.
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Grund. Sobald es dann die Stiefmutter ist, geht es natürlich um eine Familiendynamik,
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aber so diese klassische Generationskonflikt ist da nicht mehr drin,
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sondern eben dieses Schöne.
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Der Sarg, der ursprüngliche Glassarg, den du auch noch drin hast,
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der diente wohl auch um die Verwesung auszuhalten.
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Später war es dann wohl auch so, dass das Schneewittchen einfach auch ohne Sarg
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schön blieb. Die war so schön, die war einfach nicht mehr verwesbar.
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Und die Rettung hat sich wohl auch geändert.
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Es gab, da bin ich mir jetzt aber nicht sicher, ich glaube, das waren wirklich
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andere Varianten des Schneewittchen, Schneeweißchen, Schneewittchen-Märchens,
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wo Ärzte versuchen, sie wieder zu beleben.
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Es gibt aber auch wohl eine Fassung,
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wo die die Zwerge selber mit einem Hämmerchen versuchen, Schneewittchen wieder
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zu beleben und das fand ich dann ganz schön,
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deshalb möchte ich da die Doktorandin zitieren, die dann schreibt,
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dass es so ist, dann kann die Endversion nicht ohne den handelsüblichen Prinzen auskommen,
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der in nekrophiler Manier das scheintote Mädchen mit sich nehmen will,
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wobei diesem nach einem durch Stolpern hervorgerufenen Rutsch des Sarges der
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Apfelbutzen und damit die Ursache des Zustands wieder aus dem Hals fährt.
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Der hat also dann neben dem Kannibalistischen, hat sie dann eben auch nochmal
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gesagt, so Durch diesen Eko-Fahrer.
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Prinz einfach unbedingt diesen Leichnam mitnehmen möchte.
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Das Ende der Königin hat sich wohl auch verändert. In der einfachsten Fassung
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fällt sie vor Schrecktod um.
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Und die, die du auch vorgelesen hast, die auch in dem Europa-Märchen,
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das war so meine Kindheit, die Schallplatten,
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wo beide Seiten dann Märchen drauf waren, da ist es auch so,
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dass sie dann, das hat mich immer sehr gegruselt, tanzte sie dann mit den glühenden
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Schuhen, bis sie tot umfiel.
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Das war jetzt bei deiner Fassung auch.
Florian Clauß
0:31:52–0:31:53
Ja.
Micz Flor
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Dann gibt es noch eine kleine Änderung in den ursprünglich handschriftlichen Aufzeichnungen.
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Was bei dir auch noch mit drin ist, ist, dass bei den Zwergen sie von jedem
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Tellerchen ein bisschen was isst.
0:32:09–0:32:15
In späteren Versionen ist sie bei den Sachen so, dass sie dann nicht von allen was isst.
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Dann sucht sie genau aus, was für sie passt und was nicht.
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Das gilt auch für das Bett. Da geht sie nicht in alle Betten,
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sondern sucht scheinbar nur das eine, wo sie dann sagt, okay, das nehme ich.
Florian Clauß
0:32:28–0:32:35
Genau, also die Zwerge, wo sie nicht überall nascht und ins Bett steigt und so weiter.
Micz Flor
0:32:36–0:32:39
Das Allerletzte, was dann wirklich andere Versionen des Märchens sind,
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fand ich aber noch ganz interessant.
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Die Zwerge sind in anderen europäischen Versionen der Erzählung auch mal Diebe,
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Räuber, Riesen oder Elfen. In Finnland wohl eine Mordbande, die sie als Schwester
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adoptieren, was es auch im Dänischen und Schwedischen gibt.
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Und die Zwerge gibt es wohl in einer Schweizer Fassung, richtig als rätische
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Erzählung, Wo sie dann demokratisch abstimmen, ob sie Schneewittchen aufnehmen oder nicht.
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Und dann aber auch Forderungen stellen.
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Und sie drohen dem Mädchen dann nach dem Besuch der Krämerin zum ersten Mal,
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dass wenn sie jetzt nicht gehorcht, dass sie beim nächsten Mal in der Pfanne gebraten wird.
0:33:20–0:33:25
Das waren jetzt so die Sachen, die ich da aus dieser Doktorarbeit rausgefuselt habe.
Florian Clauß
0:33:29–0:33:31
Und warum habe ich das gemacht?
Micz Flor
0:33:31–0:33:37
Weil ich glaube ich, nachdem wir zuerst mit deinen Märchen so angefangen haben,
0:33:37–0:33:40
einfach mal so aus dem Bauch zu deuten, dann hatten wir diese,
0:33:43–0:33:48
in meinem letzten Spaziergang diese Rotkäppchendeutung, die jetzt allerdings
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erst in zwei Wochen dann wirklich im Podcast auftaucht.
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Und in all diesen Deutungsansätzen geht es ja immer so ein bisschen eben so
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dieser Wunsch ins Mythische,
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ins ganz Frühe, ins Archetypische, wie Jungs sagen würde, so zurückzugehen,
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wie durch so ein Tor des Märchens.
0:34:10–0:34:12
Und da habe ich dann irgendwie gedacht, okay, das will ich aber mal wissen,
0:34:12–0:34:17
Weil ich wusste, auch von deiner Erzählung schon, dass die Gebrüder Grimm ihre
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Sachen auch immer wieder rausgebracht haben.
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Und das war ja früher auch bei Buchversion wirklich so,
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dass dann oft, wenn das Ganze wieder gedruckt wurde, es halt umgeschrieben,
0:34:28–0:34:35
das war selbst bei The Origin of Species, war das wohl so, dass es da mit jedem
0:34:35–0:34:37
neuen Auflage eigentlich eine völlig neue Buchversion gehabt mit neuem.
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Also es war anders als heute, wo die Dinge so eingefroren werden.
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Was wir auch in diesem Index hören, den du hast.
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Da hat es mich einfach mal interessiert zu gucken, was haben die denn da so umgeschrieben?
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Und was würde das denn tun für unseren Wunsch, durch dieses Märchen wie durch
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ein Fenster zu blicken auf das urgeschichtliche, sagenhafte,
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mythische Menschliche?
Florian Clauß
0:34:58–0:34:59
Ja.
Micz Flor
0:34:59–0:35:04
Das fand ich eigentlich ganz interessant, dass es halt dann auch da schon Tendenzen
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gab, alles ein bisschen bürgerlicher und abgeschwächter aufzuschreiben.
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Wie es dann halt wirklich in die Zeit passt, leicht wirklich auch Bücher verkaufen wollte.
Florian Clauß
0:35:12–0:35:17
Genau, und weil es auch eben im Titel Kinder und Hausmärchen trägt.
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Ja, danke nochmal für diese Herausarbeitung der Unterschiede.
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Es ist jetzt doch etwas etwas akademischer geworden, als ich jetzt so vermutet
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habe. Aber zwei, du weißt, im Prinzip, es sind viele Kleinigkeiten,
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die sich geändert haben.
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Aber zwei Punkte, die ich auch noch mal herausheben wollte. Das eine ist eben,
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dass die leibliche Mutter Schneewittchen tötet.
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Das ist, glaube ich, so ein ganz massiver Unterschied. Und das andere ist,
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wie sich dieses Apfelstückchen in dem Hals von Schneewittchen löst.
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In der letzten Fassung ist es so, dass einer der Diener stolpert und den Sarg
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tragend und dann eben das Schneewittchen aus dem Sarg geworfen wird und dabei
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sich das Stückchen löst.
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Diese Fassung ist so, dass die Diener so ein bisschen geplagt werden von dem
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Prinzen, der die ganze Zeit Schneewittchen dahin getragen haben möchte, wo er ist.
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Und einer von den Dienern macht halt diesen Scherz, Schneewittchen,
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da wollen wir dich rumtragen und haut ihr dann so auf den Rücken und dabei löst
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sich das Abbestückchen.
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Eine ganz andere Motivation, aber das finde ich nochmal so, ich finde diese
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erste Fassung fast besser als die letzte. So würde ich jetzt mal, was ich da kenne, ja.
0:36:46–0:36:52
Zur ersten Fassung, dass die Mutter, also dass es die leibliche Mutter ist und
0:36:52–0:36:53
nicht die böse Stiefmutter,
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weil es gibt dann auch eine, auch von Jungen eine Deutung,
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Archetyps der Stiefmutter, die dann so aufgeladen wird, die kommt dann auch
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erst später rein, mit der Implementierung, Installierung der bürgerlichen Familie,
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wo sich das auch anders auflöst und die Stiefmutter.
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Als dass das Böse, das Schwarze dann so bedeckt wird,
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ist das ihre leibliche Mutter und da habe ich nochmal ein bisschen geguckt,
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was gibt es denn da tatsächlich für Mythen, wo die leibliche Mutter ihre Kinder
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tötet und ein bekannter,
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eine bekannte griechische Die Tragödie ist Medea, die zusammen mit Jason, Jason, Kinder hat.
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Sie muss ihre Familie verlassen. Sie wird dann auch von Jason betrogen.
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Und aus Rache, Eifersucht und Verzweiflung tötet sie ihre Kinder.
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Also die Motivation, das krasseste Mittel, was irgendwie eine Mutter anwenden
0:38:01–0:38:05
kann, ist, ihre eigenen Kinder zu töten in dieser griechischen Tragödie.
0:38:05–0:38:09
Es ist aber irgendwie psychologisch nachvollziehbar, dass sie an so diesen Verzweiflungspunkt
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kommt, wo sie ihre Kinder tötet. Es gibt eine Filmadaption mit ihr aus den 90ern,
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ich weiß nicht genau von wem, die das ganz eindringlich auch schildert.
0:38:21–0:38:24
Diese Verzweiflungstat als letzte Tat, eigentlich auch gegen sich selbst gerichtet,
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dann eben zu diesem Schritt zu kommen. Diese ganze Motivation finden wir überhaupt
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nicht bei Schneewittchen in dieser Variante.
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Schneewittchen wird geboren, dann gibt es keine Mutter-Kind-Liebebeziehung,
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wird überhaupt nicht ausgewalzt.
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Insofern finde ich das gar nicht mal so, wie soll ich sagen,
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so rein erzähltechnisch einen großen Affront,
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eine Schwiegermutter einzuführen, weil diese psychologische Bindung von Tochter
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und Mutter spielt keine Rolle in der Entwicklung des Märchen.
Micz Flor
0:39:03–0:39:08
Das stimmt, aber ich denke die Bewertung des Verhaltens, Also das hast du ja
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vorhin schon gesagt bei Medea und das ist ja auch bei uns.
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Der Kaukasische Kreidekreis ist ja auch so ein Motiv, wo zwei Frauen behaupten,
0:39:18–0:39:20
das kleine Kind, das Baby gehört ihnen.
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Und dann sagt der weise, ja, Richter nicht, aber der, der die Entscheidung finden
0:39:26–0:39:29
soll, sagt halt, okay, dann schneiden wir das einfach in der Mitte durch.
0:39:29–0:39:32
Hat jeder die Hälfte, dann ist es gerecht. Dann sagt die eine,
0:39:32–0:39:36
nein, dann soll sie das Kind haben. Dann gibt er der Mutter das Kind,
0:39:36–0:39:40
die die ist, die das Kind natürlich nicht zerteilen möchte.
0:39:42–0:39:46
Da steckt ja dann so ein bisschen drin, eben beim Medea oder Kaukasischen Kreidekreis,
0:39:46–0:39:53
dass diese Mutter natürlich alles tun wird, um ihr Kind zu schützen und zu pflegen
0:39:53–0:39:55
und zu halten und zu nähern.
0:39:55–0:39:59
Und wenn die an einen Punkt kommt, wie beim Medea, wo sie die Kinder umbringt,
0:39:59–0:40:02
dann muss da wirklich schon alles kaputt sein innerlich, seelisch.
0:40:03–0:40:10
Und wenn beim Kaukasischen Kreidekreis dem Kind Schaden angedroht wird,
0:40:10–0:40:12
dann ist es auch die Mutter, die sagt, nein, um Himmels Willen,
0:40:12–0:40:17
dann bin ich hier raus. Auf jeden Fall soll das Kind in dem Fall sogar ganz bleiben.
0:40:19–0:40:26
Und das ist dann schon ein Unterschied. Also nicht in der Entwicklung der Charaktere für das,
0:40:26–0:40:35
was sie sind, sondern für die emotionale Annahme, die man für diese Rolle dann
0:40:35–0:40:37
irgendwie hat. Da finde ich, macht schon großen Unterschied.
Florian Clauß
0:40:37–0:40:46
Das stimmt. Ein Punkt, der mir jetzt auch auffällt, ist eben diese nicht erzählte
0:40:46–0:40:50
Mutter-Kind-Liebe macht das andere Motiv sehr, sehr viel stärker,
0:40:50–0:40:50
nämlich die Eigenliebe.
0:40:51–0:40:54
Die Eigenliebe der Mutter durch den Spiegel. Das ist so ein bisschen,
0:40:54–0:40:56
und da möchte ich jetzt aber auch tiefer einsteigen.
0:40:57–0:41:05
Ich glaube, wir können jetzt nicht in dieser Folge dann so in eine psychologischen
0:41:05–0:41:09
Interpretationsansätze gehen in dieses Märchen.
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Deswegen würde ich auch jetzt vorschlagen, dass wir uns nur so die Sachen rauspicken,
0:41:12–0:41:16
die uns da irgendwo auch beschäftigen oder wo wir es zu sagen möchten,
0:41:16–0:41:22
aber eben nicht irgendwie da eine Vollständigkeit von diesen Märchen als Interpretation zu liefern.
0:41:22–0:41:25
Und eine Sache ist natürlich, die mich da total interessiert,
0:41:25–0:41:28
ist die Mediengeschichte, die jemand erzählt wird.
Micz Flor
0:41:28–0:41:29
Die Mediengeschichte?
Florian Clauß
0:41:29–0:41:32
Die Mediengeschichte wird erzählt, ja. Dann
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gibt es noch eine kosmologische oder eine astronomische Komponente des Märchens
0:41:38–0:41:49
in den Figuren der Zwerge und deswegen habe ich dir das auch vorher so ein bisschen
0:41:49–0:41:51
auch erzählt oder dich gefragt,
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ob du dich mit vorbereiten möchtest, nämlich dieses Motiv von Narzis,
0:41:57–0:42:02
Narzissmus, in Form des Spiegels, in Form der Mutter. Ähm...
0:42:07–0:42:11
Und es gibt dann diese mystischen, magischen Zahlen, die uns wieder begegnen,
0:42:11–0:42:16
wo wir auch das letzte Mal bei Eisenhans gesagt haben, die gibt es aber.
0:42:17–0:42:21
Das ist die 3 und die 7. Die kommen ja in ganz unterschiedlichen Varianten vor.
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Und vielleicht nur das am Anfang, die Zutaten einer guten Geschichte,
0:42:26–0:42:31
das finde ich auch so ganz gut. Das habe ich, glaube ich, auf Wikipedia gelesen zu Schneewittchen.
0:42:32–0:42:38
Es sind die Wittchen, nämlich wir haben schwarz, wir haben weiß und wir haben rot.
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Und was ist schwarz? Schwarz ist dann das Böse und die Dunkelheit wird repräsentiert.
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Weiß ist dann auf der anderen Seite die Unschuld und die Reinheit, das es verkörpert.
0:42:53–0:42:58
Und rot ist das Leben, die Leidenschaft und aber auch die Gefahr, die symbolisiert wird.
0:42:59–0:43:04
Und eigentlich hast du da so diese drei Grundkomponenten, um irgendwie eine
0:43:04–0:43:05
gute Geschichte daraus zu stricken.
0:43:05–0:43:09
Also, wenn du dir anguckst, so Geschichten, es gibt was Böses,
0:43:09–0:43:15
es gibt was Reines, es gibt dazwischen das Leben, und diese drei Zutaten vermengen
0:43:15–0:43:18
sich, und es gibt dann eine Geschichte, die hinten rausfällt,
0:43:18–0:43:19
die wir erzählen können.
Micz Flor
0:43:19–0:43:23
Ganz kurz, eine Frage, weil bei Eisenhans war es ja so, dass es diese drei Ritter
0:43:23–0:43:25
in unterschiedlichen Farben gab.
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Ich weiß nicht mehr, was die Farben waren, aber da war ich zumindest so ein
0:43:31–0:43:35
bisschen ratlos und dachte, na gut, das ist vielleicht einfach irgendwas aus
0:43:35–0:43:39
der Zeit der Entstehung des Märchens, was dann eine politische Bedeutung hatte oder so.
0:43:40–0:43:44
Aber waren das auch die Farben weißer Ritter, schwarzer Ritter, roter Ritter?
Florian Clauß
0:43:45–0:43:52
Ich bin mir nicht sicher, ob es ein weißer Ritter war. Das waren der Rapper,
0:43:52–0:43:56
der Schimmel, also das waren die Farben der Pferde.
0:43:57–0:44:00
Also schwarz, weiß und aber rot.
Micz Flor
0:44:00–0:44:01
Dann der Fuchs.
Florian Clauß
0:44:01–0:44:06
Fuchs, genau. Ja, doch, das waren, glaube ich, genau. Das waren die, ja, die kommen wieder.
Micz Flor
0:44:07–0:44:10
Da haben wir wieder ein Code geknackt. Wir haben ihn geknackt und wissen nicht
0:44:10–0:44:14
genau, warum. Aber wir nehmen, alles hat damit zu tun, dass alles da ist.
0:44:14–0:44:17
Da ist das Böse, das Unschuldige und das leidenschaftlich Blutig.
Florian Clauß
0:44:21–0:44:27
Und dann zu der Zahl sieben, also in dem Zusammenhang die sieben Zwerge,
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es gibt dann die sieben Berge, also hinter den sieben Bergen,
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wo die sieben Zwerge, das ist ja quasi eine Raumzeitbeschreibung.
0:44:39–0:44:42
Also es ist hinter den Bergen, sieben Berge, sieben Gebirge,
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weil ja auch so das hessische Siebengebirge ist damit auch so vielleicht gemeint,
0:44:47–0:44:51
also das ist ja nicht so klar, du hast ja schon gesagt, Es kommt aus verschiedenen
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Teilen von Europa, die dann zusammengezogen werden.
0:44:54–0:44:57
Aber es war so ein bisschen Siebengebirge, könnte man meinen,
0:44:57–0:44:58
dann Siebenzwerge und so weiter.
0:44:58–0:45:06
Aber die Zahl Sieben hat in dem Zeitalter, also so in der ersten Hälfte des 19.
0:45:07–0:45:09
Jahrhunderts, dann natürlich eine kosmologische Entsprechung.
0:45:12–0:45:14
Kannst du dir vorstellen, was das bedeutet?
Micz Flor
0:45:14–0:45:15
Die sieben.
0:45:17–0:45:23
Vielleicht hat man damals sieben der Planeten gefunden gehabt?
Florian Clauß
0:45:23–0:45:25
Richtig, genau. Es beschreibt die Ekliptik.
0:45:28–0:45:34
Die Ekliptik, und zwar werden die Gestirne oder die Himmelskörper,
0:45:34–0:45:36
Mond und Sonne mit einberechnet.
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Aber wir haben Mars, Venus, Jupiter, Saturn und Merkur.
0:45:49–0:45:53
Und diese sieben Planeten stehen auch immer für die einzelnen Wochentage.
0:45:55–0:45:56
Das ist ja auch so.
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Tage und so in der in dem Interpretations also ganz viel Märchen haben auch
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immer wieder so eine astronomische Bedeutung.
0:46:08–0:46:14
Da werden bestimmte Konstellationen werden beschrieben, die auch so ein Allgemeinwissen
0:46:14–0:46:17
waren, die immer wieder vorkommen in der Konstellation.
Micz Flor
0:46:18–0:46:21
Was du gesagt hast natürlich auch interessant vor dem Hintergrund,
0:46:21–0:46:26
dass wenn man diese Jungsche Idee von Da öffnet sich was in so eine Art von
0:46:26–0:46:31
fast schon metamenschlichem, archetypischem Gesamt.
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Nicht nur Wissen, sondern Sein.
0:46:35–0:46:39
Wenn das Sieben wirklich mit diesen Gestirnen zu tun hat und wenn natürlich
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dann noch manche gar nicht entdeckt waren, dass es weder die technischen Mittel
0:46:42–0:46:47
gab, noch das Verständnis, wo gucken wir denn jetzt noch hin.
0:46:49–0:46:53
Dann könnte man ja sagen, okay, das Mädchensnewittchen, das Märchensnewittchen
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muss irgendwie zumindest umgeschrieben worden sein.
0:46:58–0:47:02
Alles, was die Zahl 7 hat im Märchen, muss irgendwie in der Form entstanden
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sein, nachdem man mit unserem Erdentrabanten noch sechs weitere Himmelskörper
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in unserem Sonnensystem entdeckt hat.
Florian Clauß
0:47:09–0:47:12
Ja, vielleicht. Ja, also vielleicht ist das dann so.
0:47:13–0:47:17
Es ist auf jeden Fall, ich glaube, es ist auch ein ganz altes Wissen.
0:47:17–0:47:21
Also ich glaube, das Wissen geht auch so mit der Selbsthaftigkeit und mit dem
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Getreideanbau und so weiter einher.
0:47:26–0:47:32
Dass du dann natürlich viel mehr auf den Himmel achten musst,
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um zu gucken, die Jahreszeiten, um bestimmte Abfolgen auch identifizieren zu können.
0:47:38–0:47:43
Und diese Ekliptik, die Ekliptik ist ja das, was sich so in einem scheinbar statischen Universum,
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Von wegen, die Sterne ändern sich ja jetzt nur nach Position der Erde,
0:47:47–0:47:50
aber in dem statischen Universum ist die Ekliptik,
0:47:50–0:47:54
also die Ekliptik ist quasi die Achse im Himmel,
0:47:54–0:48:01
wo die Sonne langläuft und mit der Sonne, weil sich ja das ganze planetare System
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ja in einer Scheibe bewegt, mit wenig Abweichung auch die ganzen Planeten mit langlaufen.
0:48:08–0:48:14
Das heißt, wenn wir jetzt in der Himmelsnacht einen Planeten wie Venus,
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was auch gerade wieder hell leuchtet, beobachten, dann wissen wir,
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da läuft auch die Sonne und der Mond lang.
0:48:22–0:48:25
Und das ist so eine gewisse, es gibt so eine Zeittaktung.
Micz Flor
0:48:25–0:48:27
Ist unser Mond auch in dieser Ebene?
Florian Clauß
0:48:27–0:48:31
Ja, der ist auch in der Ebene, aber wie gesagt mit etwas Abweichung,
0:48:31–0:48:35
aber weil natürlich eine gebundene Rotation um die Erde, der dann auch in dieser Ebene läuft.
Micz Flor
0:48:36–0:48:43
Aber bei Uranus ist es doch so, dass die Monde nicht in der gleichen Ebene kreisen, oder?
Florian Clauß
0:48:43–0:48:46
Ja, weil Uranus, glaube ich, auch gegen seine eigene Achse rollt.
0:48:46–0:48:50
Also da gibt es wahrscheinlich irgendwie so... Also der dreht sich nicht um
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sich selbst, sondern der rollt quasi auf seiner Bahn. Und da muss irgendein
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Ereignis stattgefunden haben, das ihn total durcheinandergeworfen hat.
0:48:57–0:49:00
Deswegen weicht der so ein bisschen ab in der... Aber wie gesagt,
0:49:00–0:49:04
das ist jetzt kein Maßstab Getreues.
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Also es gibt Varianten eben durch gewisse Abweichungen in den Ellipsen der einzelnen Planetenbahnen.
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Damit wird eben eine Zeittaktung beschrieben. Und das Repetitive,
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was die Zwerge dann auch so durchmachen, wer hat von meinem Tellerchen gegessen?
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Das ist ja quasi die Abfolge der Wochentage. Deswegen wird das auch so ein bisschen
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nervig, weil jeder Zwerg irgendwie was sagt.
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Aber es geht, glaube ich, ganz klar darum, um so ein Ordnungssystem herzustellen,
0:49:37–0:49:42
was jetzt einmal eine Universumskonstante ist.
0:49:43–0:49:49
Und in dieser Interpretation von der kosmologischen Ansicht ist dann Schneewittchen die Erde.
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Und dann haben wir wieder so diese Grundkonstellationen von Universum irgendwo
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in dieser Geschichte abgebildet.
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In dieser Beziehung von Schneewittchen zu den sieben Zwergen.
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Also diese Konstellation, dieser Rhythmus, dieses Zusammenwirken ist so festgeschrieben,
0:50:10–0:50:14
dass jetzt nichts von außen diese Ordnung stören darf.
0:50:15–0:50:18
Also ein bisschen wie bei Oppenheimer, was wir auch gesagt haben.
0:50:18–0:50:25
Diese Krishna Geschichte, also diese indische, war das Krishna? Wie heißt es nochmal?
Micz Flor
0:50:25–0:50:26
Shiva war das, glaube ich.
Florian Clauß
0:50:26–0:50:32
Shiva, genau. Shiva, die Zerstörerin und die Gebärerin, also die dann auch dafür
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zuständig ist, eben diesen Kosmos in der Struktur auch beherrschen zu können,
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also zu zerstören und aber auch zu erschaffen.
0:50:41–0:50:44
Das ist ja so dieses ... Und da ist diese ...
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Diese, die Mutter als diejenigen, die sie diese göttliche Ordnung irgendwo auch
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zerstören kann, diese Verbindung, dieses ...
0:50:56–0:51:00
Spielt da diese Rolle, ne? Sie kommt dann immer wieder rein und versucht,
0:51:00–0:51:03
Schneewittchen, also die Erde, aus der Bahn zu werfen.
Micz Flor
0:51:03–0:51:04
Ah, okay.
Florian Clauß
0:51:04–0:51:08
Und dann kommen halt die ganzen anderen und bauen sie wieder auf, so düt-düt-düt-düt.
0:51:10–0:51:17
Also jetzt mal so ganz frei assoziiert, aber das steckt da auch mit drin,
0:51:17–0:51:19
möchte man interpretieren.
Micz Flor
0:51:21–0:51:23
Naja, ist spannend, weil das ja wirklich dann um die...
0:51:23–0:51:27
Also was ich nämlich gerade noch gedacht habe, ist mit dem,
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was ich aus dieser Doktorarbeit genommen habe,
0:51:30–0:51:36
die Rolle von Schneewittchen, die dann immer bürgerlicher wurde,
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quasi keusch und brav und so, dass das in die Geschichte hineingeschrieben wurde.
0:51:43–0:51:46
Und als er das mit den Wochentagen erzählt, das dachte ich, ach,
0:51:46–0:51:50
sehr interessant. Und das Märchen selbst hat dann auch noch einen didaktischen
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Wert, dass die Kinder die Wochentage lernen.
0:51:53–0:51:59
Auf zwei Ebenen. Im Märchen drin lernt man durch Beobachtungslernen,
0:51:59–0:52:00
wie man sich zu verhalten hat.
0:52:01–0:52:04
Und wenn man das Märchen immer wieder hört, irgendwann verbindet man mit dem
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Gäbelchen, mit dem Tellerchen, so für die einzelnen Wochentage.
Florian Clauß
0:52:07–0:52:10
Richtig. Ja, ja, nee, doch, durchaus. Diese Komponente ist da auch mit drin.
0:52:10–0:52:14
Würde ich jetzt nicht abstreiten. ein bisschen so ein...
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Der mich da irgendwie so ein bisschen angefixt hat. Die andere Geschichte,
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was ich schon gesagt habe, ist die Mediengeschichte.
0:52:22–0:52:26
Mediengeschichte haben wir da mit konnotiert, nämlich der Spiegel.
0:52:28–0:52:34
Der Spiegel an der Wand. Und da möchte ich auch nochmal ein bisschen ausholen
0:52:34–0:52:41
und wieder auf eine Folge von Geschichten aus der Geschichte referenzieren oder nennen.
0:52:42–0:52:45
Ja, das ist nämlich die Folge über die Geschichte des Spiegels,
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also eine Kulturgeschichte, die sehr spannend ist.
0:52:51–0:52:54
Ganz kurz zusammengefasst, also Spiegel waren in der Geschichte,
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wenn man jetzt auch vor der Zeitenwende schaut, dann eher immer so eine königliche Geschichte, d.h.
0:53:04–0:53:06
Die Herrscher, also auch die Pharaonen jetzt im alten Ägypten,
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hatten dann auch die entsprechenden Mittel, um sich dann als spiegelndes Material
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zu beschaffen und sich dann auch anzugucken.
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Also dieser Spiegel als Relikt taucht immer wieder in der Geschichte auf,
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in irgendwelchen Bildern.
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Bis dann tatsächlich so eine.
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Größerflächige Spiegelproduktion dann tatsächlich passieren konnte,
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musste auch erstmal entsprechend die Industrie und so weiter aufgebaut werden.
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Und das war dann so im Mittelalter, hat sich das so formiert.
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Also das Wissen, wie man Spiegelflächen gewinnen kann, wie Glas gewonnen wird
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und so weiter, das war vor allen Dingen in Wedelig dann verbreitet.
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Und ja, zu Zeit des... Also früher gab es halt immer so kleinere Spiegel.
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Und dann irgendwann kamen halt diese großen Spiegel auf, wo man sich dann in
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der kompletten Gestalt sehen konnte.
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Und das war natürlich für den Abel, für die Astrokratie und für die Königs-
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und Kaiserfamilien war das natürlich sehr reizvoll, weil man sich dann halt
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quasi so als Hofstaat spiegeln konnte in der Ganzkörpergestalt.
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Und das war mit Ludwig XIV., der dann in Versailles zum Beispiel auch so den
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größten Spiegelsaal errichtet hat.
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Das war so eine Modeerscheinung, die dann in allen möglichen Höfen kopiert wurde.
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Und weil die Spiegel sehr teuer waren, gab es dann auch eben so eine Spionage,
0:54:35–0:54:38
das erzählt Geschichten aus der Geschichte, wie dann eben diese Produktion dieser
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Spiegel verläuft, weil die mussten alles quasi aus Italien einkaufen und irgendwann
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haben die Franzosen ihre eigene Spiegelproduktion aufgebaut.
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So, aber das ist natürlich, was du sagst, dieses...
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Bild der Gesellschaft, die sich dann in den Spiegel wiederfindet,
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die sich auch irgendwie manifestiert durch den Spiegel.
0:54:57–0:55:01
Der Spiegel ermöglicht auf der einen Seite eine Selbstreflektion,
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sich selber zu schauen, auf der anderen Seite aber auch die Möglichkeit,
0:55:05–0:55:10
und da haben wir diesen Mythos des Nazis, diese Eigenliebe zu entwickeln.
0:55:11–0:55:16
Also das heißt, es hat dann auch immer eine autoerotische Komponente,
0:55:16–0:55:18
in einer psychologischen Erklärung.
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Vielleicht kannst du da noch mal einsteigen und da weitermachen.
Micz Flor
0:55:24–0:55:25
Ja, also der ...
0:55:28–0:55:33
Dieses Wort Narziss, das ist ein Narziss, das ist jetzt so ein bisschen ...
0:55:34–0:55:37
Sehr weit verbreitet, ne? Das ist jetzt quasi, da steht meistens dafür,
0:55:37–0:55:42
so die Narzissen, die sind nicht wirklich beziehungsfähig,
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nicht wirklich liebesfähig, die sind zwar charmant und smart,
0:55:45–0:55:49
aber die sind irgendwie auch kalt, also das sind so Sachen,
0:55:49–0:55:52
die ähnlich wie Traumatisierungen, mein Gott,
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ich bin traumatisiert von meinem Twitter-Account oder sowas,
0:55:56–0:55:59
oder von dem, was da gerade mit Twitter passiert, das sind alles so Sachen,
0:55:59–0:56:07
die eben aus einer psychiatrischen, ich möchte nicht sagen medizinischen,
0:56:07–0:56:09
aber es sind halt so Worte, die jetzt auch dann,
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weithin genutzt werden, in einer Form, die nicht unbedingt dem entspricht,
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was da auf einer klinischen Ebene zugesagt wird.
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Das Urbild, wie du schon gesagt hast, Narcissus ist eben ein ein Jüngling,
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der das Spiegelbild im Wasser entdeckt und sich dann so da hineinverliebt ist von sich selbst.
Florian Clauß
0:56:32–0:56:35
Also es ist sehr populär wissenschaftlich geprägt. Also ich glaube,
0:56:35–0:56:42
das, was dann tatsächlich in diesem klinischen Kontext verwendet wird,
0:56:42–0:56:43
ist nochmal eine andere Bedeutung.
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Jeder meint irgendwie, dieses Wort Narzisst so verwenden zu können in der Bedeutung,
0:56:50–0:56:53
ja. Aber das ist, glaube ich, auch eben sehr populär wissenschaftlich.
Micz Flor
0:56:53–0:57:01
Ja, also man könnte vielleicht auch so, man würde vielleicht von drei Typen sprechen.
0:57:01–0:57:04
Das eine ist dann eben dieser exaltierte Narzisst,
0:57:04–0:57:07
der auch gemeinhin eben in Beziehung
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als der gesehen wird der halt ja der
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dann irgendwie hinter der Fassade doch gefühlskalt ist der entweder hochnäsig
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ist oder einfach nur wirklich arrogant der sich selbst sehr hoch einschätzt
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und der andere sehr niedermachen kann der trotzdem charismatisch und erfolgreich
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ist das zweite wäre dann das Gegenteil was dann so ich wollte sagen Volksmut,
0:57:31–0:57:34
weil wir bei Märchen sind, aber was so allgemein gar nicht so richtig gesehen
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wird, Das ist eher als Depression.
0:57:39–0:57:45
Besprochen, wenn man so in der Populärliteratur rumguckt, das ist die Gegenseite
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der gleichen narzisstischen Persönlichkeitsstörung oder Persönlichkeitsorganisation.
0:57:50–0:57:54
Dass nämlich diese Überhöhung auch sehr schnell mal ins Gegenteil umschlagen
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kann. Wenn man dann narzisstisch gekränkt wird, wie man sagt,
0:57:57–0:58:01
dann kann es auch ... Getränkt. Getränkt, ja.
0:58:02–0:58:07
Dann ist man schnell auch an einem Punkt, wo man wirklich dann wie so ein Soufflé
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in sich zusammenfällt und sagt, ach, das ist doch alles scheiße,
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ist doch gar nichts wert, ich kann nichts. Also wo man das Gegenteil irgendwie macht.
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Und es gibt ja in der psychodynamischen, therapeutischen Arbeit auch dieses
0:58:18–0:58:19
Konzept der Gegenübertragung.
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Also dass du im Kontakt mit Menschen, die Hilfe suchen, die zu dir kommen,
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dass du auch natürlich selber diesen Kontakt erlebst und diesen Kontakt natürlich
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auch mitlebst. Natürlich auf eine andere Art.
0:58:33–0:58:36
Aber was dann gerade bei narzisstischen Störungen oft auch kommt,
0:58:36–0:58:41
ist, dass man diagnostisch nutzen kann, dass wenn man als Therapeut oder Therapeutin merkt,
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ich habe das Gefühl, ich muss hier richtig was leisten,
0:58:45–0:58:49
dann ist das vielleicht sogar diagnostisch wertvoll, nochmal nachzugucken,
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kann es sich da um eine narzisstische Persönlichkeitsstörung handeln oder Persönlichkeitsstruktur
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handeln, weil das passiert dann oft.
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Also wenn da jemand dir gegenüber sitzt, der immer nur das Beste hat,
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besten Personal Trainer, das beste Auto und jetzt auch so froh ist,
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dass er den besten Therapeuten gefunden hat, das setzt einen schon unter Druck.
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Und die Leute lassen dann angeblich einen auch genauso schnell fallen,
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stoßen einen vom Sockel, ja, entwerten.
0:59:16–0:59:20
Und das ist aber auch was, was man in der Gegenübertragung auch schon selber erleben kann,
0:59:20–0:59:23
dass man dieser Person gegenüber vor allem das Gefühl hat,
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komisch, ich hatte vorhin zwei Sitzungen, ich habe nachher noch zwei Sitzungen,
0:59:26–0:59:29
da weiß ich, dass es anders ist, aber jetzt gerade habe Gefühl,
0:59:29–0:59:33
mir fällt nichts ein, mein Mund ist trocken, ich kann nix, was mache ich hier
0:59:33–0:59:35
eigentlich, jetzt fliegt alles auf, ich bin doch nur...
0:59:36–0:59:40
Das sind dann auch in der Gegenübertragung Dinge, die vielleicht...
0:59:42–0:59:49
Auch in der Aufrichterhaltung dieser auratischen Person, die einem gegenüber
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sitzt, unbewusst oder vorbewusst sind.
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Also die Person kommt natürlich auch nur in eine Behandlung,
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wenn sie, wenn andere Leute Probleme haben.
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Wenn die Frau irgendwie oder der Mann oder der Chef oder die Chefin oder die Kinder,
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also irgendwas stellt diese narzisstische Persönlichkeitsorganisation auf die
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Probe und dann entstehen Probleme, die aber natürlich erst im Selbstschutz nach
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außen projiziert werden, weil man selber ist ja so großartig.
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In der Psychodynamik ist so, dass der Begriff des Narziss eigentlich über so
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pathologische Sexualverhalten im späten 19.
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Jahrhundert in die Psychiatrie reinkam. Da gab es einen deutschen Arzt,
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der diesen Begriff aus dem Englischen übernommen hat.
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Da hieß es Narcissus-like, also so ähnlich wie Narcissus. Der hat einfach Narzisst
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dann gesagt im Deutschen. Und da ging es um, du hast es ja schon angesprochen,
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Autoerotik, da ging es um Masturbation.
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Und das war klinisch auffallend, das war pathologisch, das war ungesund und.
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Zysmus hatte darüber eine Öffnung in die Psychodynamik.
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Denn als Freud dann kam und sich natürlich auch mit Sexualentwicklung sehr beschäftigt hat,
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weil er hat ja viel eben über diese Triebe und das Verdrängen von Trieben,
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das war ja so diese Art, wie er versucht hat, den Leib komplett zu beschreiben,
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sowohl auf geistiger als auch auf körperlicher Ebene.
1:01:33–1:01:38
Und da war es so, dass in dieser ersten Entwicklungsphase, nämlich der oralen Phase,
1:01:38–1:01:42
das Kind direkt nach der Geburt einfach sehr, sehr libidinös,
1:01:42–1:01:50
also sehr ungehemmt, sehr autoerotisch auch ist und einfach alles lutscht,
1:01:50–1:01:52
sich selbst lutscht, anfasst.
1:01:52–1:01:58
Also da ist halt diese Idee von Autoerotik völlig gesund.
1:01:59–1:02:01
Freud spricht deshalb von einem primären Narzissmus.
1:02:02–1:02:06
Der hat dann eben gesagt, nee, das Autoerotische ist nicht pathologisch,
1:02:06–1:02:13
sondern es ist ein früher notwendiger Abschnitt, durch den man quasi,
1:02:13–1:02:15
in Anführungszeichen, durch muss.
1:02:15–1:02:20
Und später gibt es dann sekulären Narzissmus, das sind dann erwachsene Menschen,
1:02:20–1:02:24
die aus welchem Grund auch immer, so richtige Gründe benennt er dafür nicht,
1:02:24–1:02:35
sind diese Narzissen nicht in der Lage, ihre Libido auf- oder quasi von sich abzuziehen.
1:02:36–1:02:39
Ihre Libido, diese Selbstliebe, was du auch gesagt hast als Stichwort,
1:02:39–1:02:42
das klebt alles an denen dran.
1:02:43–1:02:48
Während die Psychoanalyse in der frühen Form, Freud selbst gesagt hat,
1:02:48–1:02:51
wir können mit diesen Narzissten, können wir gar nicht arbeiten,
1:02:51–1:02:53
weil die sind so bei sich selber,
1:02:53–1:02:59
die schaffen das gar nicht, dieses Gegenüber-System zu öffnen oder geschweige denn,
1:02:59–1:03:03
die anderen eigene Libido da drauf zu legen,
1:03:03–1:03:10
da drauf zu werfen, da dran zu kleben und deshalb können wir in der Psychoanalyse
1:03:10–1:03:15
auch in der Zusammenarbeit keine Übertragungsneurose herstellen.
1:03:15–1:03:19
Und diese Übertragungsneurose war quasi die Grundlage der frühen psychoanalytischen Arbeit,
1:03:19–1:03:22
das war die Hypothese, dass in der
1:03:22–1:03:26
Übertragungsneurose diese ganzen Beziehungsthematiken wieder auftauchen,
1:03:26–1:03:30
die zu intrapsychischen, bei Freuden auch intrapsychischen Problemen führten
1:03:30–1:03:34
und die lösen sich dann auf, wenn man eine korrigierende emotionale Erfahrung
1:03:34–1:03:36
in der übertragenen Narrose machen kann.
1:03:37–1:03:40
Narzissten konnten sich diesem Gegenüber nicht öffnen und deshalb hat...
1:03:43–1:03:46
Gesagt, dass die Leute einfach für die Psychoanalyse nicht erreichbar sind.
Florian Clauß
1:03:47–1:03:53
Im Prinzip dann auch eine Art von jetzt nicht jetzt eine krankhafte Bezeichnung
1:03:53–1:03:58
auch, aber vor allen Dingen auch, um eine Arbeitsgrundlage zu bekommen,
1:03:58–1:04:01
ja, so eine gewisse Kategorisierung von Patienten.
Micz Flor
1:04:01–1:04:05
Ja, das war eine Trennung. Wir sprechen ja heute auch noch von Borderline.
1:04:06–1:04:10
Es gibt jetzt in diesem, das hat sich ja schon neulich angedeutet,
1:04:10–1:04:15
da habe ich eine Gestalttherapie 2,
1:04:15–1:04:21
der ICD-10 als Kategorien-System, in dem eben Pathologien drin sind und da gibt
1:04:21–1:04:24
es auch Persönlichkeitsstörungen und das wurde jetzt bei dem ICD-11,
1:04:24–1:04:29
der offiziell seit letztem Jahr 2022 schon gilt, aber den noch nicht wirklich
1:04:29–1:04:36
Anwendung findet, da wurden eigentlich diese Persönlichkeitsstörungen als solche
1:04:36–1:04:39
abgeschafft, bis auf Borderline.
1:04:39–1:04:43
Dann hat man beibehalten, weil das wirklich so sehr, sehr, sehr stark beforscht
1:04:43–1:04:47
wurde und weil es da auch viel Evidenzstudien für bestimmte Behandlungsansätze
1:04:47–1:04:54
gibt, die dann eben auch weiterhin verfügbar sein sollten für Patienten mit genau dieser Störung.
1:04:54–1:04:57
Und diese Störung, das habe ich ja auch schon bei Encanto gesagt,
1:04:57–1:05:01
ist halt eben diese Einteilung neurotisch auf der einen Seite,
1:05:01–1:05:06
das kann man psychoanalytisch behandeln, psychotisch auf der ganz anderen Seite,
1:05:06–1:05:09
das sind diese drei Töchter gewesen in Encanto, auf der ersten Ebene.
1:05:10–1:05:14
Und in der Mitte Borderline, das sind Menschen,
1:05:14–1:05:18
die noch einen Realitätsbezug haben,
1:05:18–1:05:23
die Impulskontrollstörungen haben, die sich symptomatisch dadurch auszeichnen,
1:05:23–1:05:27
dass sie intensive Beziehungen führen, dass diese Beziehungen aber oft nicht
1:05:27–1:05:33
sehr lange dauern oder immer wieder auch von großen Krisen geprägt sind.
1:05:33–1:05:39
Und dieses Borderline ist quasi der Schritt ins Psychotische, dieser Durchgang.
1:05:40–1:05:46
Und für die Königin oder die Stiefmutter jetzt bei Schneewittchen,
1:05:46–1:05:48
Schneewittchen oder Schneeweißchen.
Florian Clauß
1:05:52–1:05:55
Schneeweißchen, ja, Schneeweißchen ist auch eine Form.
Micz Flor
1:05:56–1:06:01
Da wäre natürlich dann die Königin über den Spiegel,
1:06:01–1:06:05
in so einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur,
1:06:05–1:06:13
der Persönlichkeitsstörung, dass die selbst ihre eigene Tochter eher auffressen würde,
1:06:13–1:06:22
als zulassen kann, dass sie diese Beziehung irgendwie erlebt, sich dem öffnet oder so.
1:06:22–1:06:24
Das ist schlecht ausgedrückt. Aber die ist quasi am Spiegel.
1:06:25–1:06:28
Das ist das Bild dafür, dass sie bei sich selber bleibt.
Florian Clauß
1:06:28–1:06:32
Das heißt, du würdest ihr auch da tatsächlich so eine narzisstische Störung attestieren?
Micz Flor
1:06:34–1:06:40
Ja, das ist dann wieder eine Interpretationsfrage. Okay. Weil der Spiegel wird dann ...
1:06:41–1:06:44
Psychodynamisch gibt's zwei Deutungen für den Spiegel. Was du jetzt sagst,
1:06:44–1:06:48
ist halt so, in diesem klassischen Bild von Narcissus ist die mit ihrem eigenen
1:06:48–1:06:49
Spiegelbild beschäftigt.
1:06:50–1:06:53
Und wenn man dann noch anguckt, was kriegt die denn auf die Rolle,
1:06:53–1:07:01
dann legt die alles daran, ihre Tochter umzubringen, weil die Tochter ihre Grandiosität,
1:07:01–1:07:04
ihre Schönheit in Frage stellt, oder sie übertrumpfen könnte.
1:07:05–1:07:09
Und das löst in der Mutter einfach etwas aus, wo es ihr lieber ist,
1:07:09–1:07:15
die Tochter umbringen zu lassen und aufzufressen, als dass sie mit dieser Veränderung
1:07:15–1:07:18
und auch dem eigenen Werdegang, dem eigenen Leben umgeht.
1:07:18–1:07:22
Es ist also eine ganz, ganz große, ganz tiefgehende Krise, die bei ihr wirklich
1:07:22–1:07:25
Unmenschliches auslösen kann.
1:07:25–1:07:29
Das ist dann ein bisschen eben auch das, was man auch so gemeinhin in den sozialen
1:07:29–1:07:32
Medien als Narzissist irgendwie beschreibt.
1:07:32–1:07:37
Menschen, die halt von jetzt auf gleich irgendwie unberechenbar reagieren und
1:07:37–1:07:40
bei der geringsten Kritik Kritik dann irgendwie gleich zu tun.
1:07:40–1:07:47
Und um sich schlagen mit Wörtern oder auch echt. Also das wäre diese ganz konkrete Deutung.
1:07:48–1:07:52
Weil man den Spiegel wirklich wie bei Narzissus sieht, als diese Wasseroberfläche.
1:07:54–1:07:58
Es gibt halt diese beiden anderen. Das eine, hab ich ja schon gesagt, ist der Vater.
1:07:59–1:08:04
Ähm ... Ich glaub, der hieß Daf, das ist auch so eine psychoanalytische Deutung.
1:08:04–1:08:08
Die ziemlich extrem ist, der Spiegel ist der Vater.
1:08:08–1:08:12
Und da musste ich dann so ein bisschen schmunzeln, als du vorhin vorgelesen
1:08:12–1:08:17
hast, eines der Märchen der gleichen Kategorie ist auch das Märchen vom Vater.
1:08:17–1:08:21
Ich fand es halt so ein bisschen absurd,
1:08:21–1:08:24
dass es ein Märchen jetzt auf einer symbolischen Ebene sein kann,
1:08:24–1:08:28
dass der Spiegel der Vater ist und der Vater dann seiner Frau sagt,
1:08:28–1:08:33
also jetzt finde ich deine Tochter, also wirklich gerade irgendwie sieht die attraktiver aus als du.
1:08:33–1:08:36
Aus als du. Das ist eine ganz komische Familie, die da auch entsteht.
1:08:38–1:08:42
Aber es bleibt plausibel. Also irgendwie kann man da mit der Deutung was anfangen.
1:08:42–1:08:46
Und die andere Deutung, das ist eben die von Bettelheim, der sagt,
1:08:46–1:08:50
der Spiegel, das ist die Tochter. Also das Märchen wird quasi erzählt von der Tochter.
1:08:50–1:08:55
Und gerade als Beweis führt auch an, dass der Spiegel, glaube ich,
1:08:55–1:08:59
beim zweiten Mal irgendwie so was sagt, ja, die ist tausendmal schöner als du.
1:09:00–1:09:04
Und das ist dann irgendwie wie so ein pubertierendes Mädchentalk,
1:09:04–1:09:08
so meint er. Das ist dann quasi nochmal ein Hinweis, dass dieser Spiegel eigentlich
1:09:08–1:09:10
die Tochter ist, die Stimme der Tochter.
Florian Clauß
1:09:10–1:09:18
Und kann man jetzt, wenn Freud dann sagt, dass in einer gewissen Phase normal
1:09:18–1:09:21
ist, dass das so ein Ich-Bezug da ist, ja?
1:09:22–1:09:26
Kann man sagen, dass die Mutter in dieser Phase dass er irgendwie hängen geblieben ist.
Micz Flor
1:09:29–1:09:33
Also, wenn du eine narzisstische Persönlichkeitsstörung hast,
1:09:33–1:09:35
da geht man eigentlich ...
1:09:38–1:09:43
Im Psychodynamischen immer davon aus, dass es sich um eine frühkindliche und
1:09:43–1:09:44
eine Bindungsstörung handelt.
1:09:44–1:09:49
Das heißt, du hast eine primäre Bezugsperson, meistens die Mutter,
1:09:49–1:09:54
die kalt, abweisend, aggressiv oder so ...
1:09:55–1:09:57
Vielleicht unberechenbar auch irgendwie war.
1:09:58–1:10:09
Und als Schutzfunktion hat das Kind dann entweder diese Überhöhung schon mitentwickelt
1:10:09–1:10:13
als Schutz oder eben aber auch eine depressive Akzeptanz der Situation.
1:10:14–1:10:17
Aber man geht dann davon aus, dass die Königin, um das zu übertragen,
1:10:17–1:10:23
dass die selber als sehr frühes Kind, also diese orale Phase,
1:10:23–1:10:26
in der das passieren würde, ist so von 0 bis erstes Lebensjahr.
1:10:26–1:10:33
Dass das die Zeit ist, in der sie auf der Bindungsebene zu ihrem primären Bezugsperson,
1:10:33–1:10:39
Personen, einfach keine angemessene Spiegelung,
1:10:39–1:10:49
Annahme, keine Emotionalität erlebt hat, sondern im Prinzip in einer kalten,
1:10:49–1:10:53
abgegrenzten, gespaltenen vielleicht sogar Beziehung war.
Florian Clauß
1:10:53–1:11:02
Ja. Aber dieses äh diese Erfahrung scheint sie ja dann nicht auch Schneewittchen erleben zu lassen,
1:11:02–1:11:10
weil Schneewittchen scheint ja erst mal so als ein normales Kind dann auch zu zu wirkt ja dann so.
Micz Flor
1:11:10–1:11:14
Ja, das ist dann eben auch wieder diese Frage von diesem Umschreiben,
1:11:14–1:11:18
das hat ihr vorhin gesagt, das hat die Mutter in deiner Version,
1:11:18–1:11:23
dann wird's die Stiefmutter und ich Ich frage mich dann, warum wurde aus der
1:11:23–1:11:24
Mutter die Stiefmutter?
1:11:24–1:11:28
Wurde die Stiefmutter da raus, weil dann zum Beispiel diese Mutter-Tochter-Beziehung
1:11:28–1:11:31
ein bisschen entschärft wird, die Dramatik?
1:11:32–1:11:36
Oder vielleicht sogar wirklich, weil das Kannibalistische dann auch so ein bisschen
1:11:36–1:11:39
entschärft wird? Vielleicht war es einfach zu krass, wenn die Mutter ihr Kind ist?
1:11:40–1:11:44
Vielleicht war es besser, wenn die Stiefmutter das Kind ist?
1:11:44–1:11:48
Irgendwie konnte man das vielleicht eher zulassen, ne? Das konnte man eher weitererzählen.
1:11:50–1:11:58
Aber diese Weitergabe, ich habe in der Vorbereitung auch noch mal so ein bisschen versucht,
1:11:58–1:12:02
deshalb hier die Europa-Märchen-Sache, ich habe es mir nicht noch mal angehört,
1:12:02–1:12:05
aber ich habe noch mal versucht, wie war das denn damals, was habe ich denn
1:12:05–1:12:06
da so erlebt, wenn ich das gehört habe.
1:12:07–1:12:12
Weil natürlich alle Interpretationen, ob jetzt kosmologisch oder psychodynamisch,
1:12:12–1:12:14
leben auch von der Plausibilität.
1:12:15–1:12:19
Und die Plausibilität ist ja dann immer auch zeitgeistig eingepackt,
1:12:19–1:12:22
kulturell eingepackt, passt das bei uns oder nicht?
1:12:23–1:12:30
Und da war das so, ich habe das wirklich vor meiner sexuellen Aufklärung,
1:12:30–1:12:33
vielleicht sogar vor der Grundschule, der ersten Grundschule,
1:12:33–1:12:38
da habe ich das gehört, da habe ich mich mit den Märchen so auf der Schallplatte beschäftigt.
1:12:38–1:12:42
Und ich weiß noch, dass die Tatsache, dass Schneewittchen bei den sieben Zwergen
1:12:42–1:12:45
ist, irgendwas daran war mir so ein bisschen mulmig.
1:12:45–1:12:49
Also das war wirklich, ich würde jetzt nicht sagen, es war sexuell aufgeladen,
1:12:49–1:12:54
aber es geht irgendwie in die Richtung. Ich hatte so das Gefühl, das ist aber komisch.
1:12:58–1:13:01
Also deshalb finde ich, das fand ich so ganz interessant, weil wenn man jetzt
1:13:01–1:13:03
zu viel reindeutet, dann verliert man das vielleicht auch wieder,
1:13:03–1:13:08
dass man dann wirklich nur auf so eine Ratio-Ebene geht und das deutet und dann
1:13:08–1:13:09
immer Anknüpfungspunkte findet.
1:13:11–1:13:15
Und ich schon, ich weiß nicht, kannst du dich daran erinnern?
1:13:16–1:13:17
Aus der Kindheit noch oder ...
Florian Clauß
1:13:18–1:13:25
Nee, nicht wirklich. aber irgendwie ja so die Zwerge waren ja schon so eine
1:13:25–1:13:31
gewisse Identifikationseinheit für Kind und dann die Vorstellung,
1:13:31–1:13:36
dass ein wunderschönes Mädchen kommt und in dem Haushalt mitwirkt,
1:13:36–1:13:37
das hat ja schon was Anziehendes.
Micz Flor
1:13:39–1:13:44
Ja, also irgendwas war damit, das heißt dieses Gefüge tut was,
1:13:44–1:13:47
was wirklich über die Wochentage hinausgeht.
1:13:50–1:13:55
Und in der psychodynamischen Spettelheims-Analyse geht es halt dann,
1:13:55–1:13:58
oder Deutung, Entschuldigung, geht es dann darum, dass,
1:13:58–1:14:00
wie du auch schon gesagt hast,
1:14:00–1:14:03
natürlich das Schneewittchen gleichzeitig unschuldig ist, ist weiß,
1:14:03–1:14:09
ist aber auch gleichzeitig an der Schwelle eben zur jungen Frau,
1:14:09–1:14:15
das ist das Rote, das ist die blutung das ist dann irgendwie wie bei rotkäppchen
1:14:15–1:14:16
auch also das ist dann diese,
1:14:21–1:14:22
einsetzende Regelblutung.
Florian Clauß
1:14:22–1:14:24
Ja, und auch vor allen Dingen die Sexualität, die sie entwickelt,
1:14:24–1:14:25
und diese Lebhaftigkeit.
1:14:27–1:14:31
Sie ist ja auch so, oh ja, dann komm mal rein. Ja. Oh, kein Problem.
1:14:33–1:14:36
Schneewittchen, denk doch mal ein bisschen weiter, ja?
Micz Flor
1:14:36–1:14:39
Ja, und das ist nämlich aber auch, wenn man sich mal überlegt,
1:14:39–1:14:43
ist dann auch wieder bei Bettelheim der Beweis für diese Hypothese,
1:14:43–1:14:47
was bringt die denn mit, diese Krämerin?
1:14:47–1:14:52
Die bringt Schnürriemen, einen Kamm, also alles Dinge, um sich schön zu machen.
1:14:54–1:14:59
Da wird doppelt das Verführerische angesprochen. Einerseits lässt sie sich von
1:14:59–1:15:03
der Kämmerin verführen mit Dingen, die sie als junge Frau darstellen können.
1:15:03–1:15:08
Und gleichzeitig ist diese Darstellung selber auch so, dass sie den Wunsch hat,
1:15:08–1:15:12
verführerisch zu werden, also sich schön zu machen. Sie würde vielleicht nicht
1:15:12–1:15:17
verführerisch als Wort verwenden, aber man merkt schon, dass sie so an der Schwelle steht.
1:15:18–1:15:20
Und die Zwerge sind in gewisser Weise an dem Punkt abgehängt.
1:15:22–1:15:27
Also das sagt Bettelheim auch, die sind quasi auf einer kindlichen Ebene stecken geblieben,
1:15:27–1:15:31
die noch vor diesem ödipalen Dreieck ist, weil Bettelheim auch sagt,
1:15:31–1:15:39
die Grundproblematik in diesem Märchen ist halt der ödipale Konflikt.
1:15:39–1:15:41
Also Tochter, Mutter, Tochter, Vater.
1:15:42–1:15:46
So, jetzt sind wir eine kurze Pause, sind wir hier angekommen an dieser Kleingartenanlage.
1:15:48–1:15:51
Die heißt Freiheit, aber die Tür ist abgeschlossen.
Florian Clauß
1:15:51–1:15:57
Abgeschlossen. Ja, ich dachte, hier kämen wir durch, aber hier scheint alles...
1:15:59–1:16:03
Abgeschlossen zu sein. Also wir müssen irgendwie anders uns durchkämpfen, Mitch.
Micz Flor
1:16:03–1:16:05
Wir sind gar nicht mehr am Kanal, oder?
Florian Clauß
1:16:05–1:16:07
Wir sind schon lange nicht mehr am Kanal.
Micz Flor
1:16:08–1:16:09
Das ist mir gar nie aufgefallen.
Florian Clauß
1:16:10–1:16:17
Das ist so ein kleiner verlassener Arm, der zwischen eben, ja der noch zu Neukölln
1:16:17–1:16:23
gehört hier, würde ich mal sagen, aber parallel quasi zur Kiefholzstraße läuft.
1:16:24–1:16:27
Das ist immer diese Silhouette an den Hochhäusern, Hochhäusern,
1:16:27–1:16:28
die man dann von Weitem sieht.
Micz Flor
1:16:28–1:16:33
Ja, das ist interessant. Hier kommt wirklich ganz viel Berlin zusammen.
1:16:33–1:16:41
Also diese Nachkriegs-West-Bauten, Hochhäuser, um die Leute unterzubringen,
1:16:41–1:16:43
weil der Raum ein bisschen begrenzt war innerhalb der Mauer.
1:16:43–1:16:47
Und die Kleingartenanlage, die gerade sagt, es ist genug Platz für alle da.
Florian Clauß
1:16:47–1:16:50
Ja, und vor allen Dingen, die konnte sich ja quasi, Kleingartenanlagen hatten
1:16:50–1:16:54
wir auch an der Grenze. Also am Potsdamer Platz, das war ja auch voll von Kleingartenanlagen.
1:16:55–1:16:58
Die mussten jetzt alle weichen. Hier ist noch so ein Mauerstreifen,
1:16:58–1:17:02
wo die sich dann noch so halten konnten über die ganzen 30, 40 Jahre.
1:17:02–1:17:07
Also das, ja, zur Stadtentwicklung ist das ja ein ganz interessantes Gebiet.
1:17:12–1:17:13
Okay, lassen Sie mal zurückkehren zu Schneewittchen.
1:17:17–1:17:18
So, deine letzte Anmerkung.
Micz Flor
1:17:19–1:17:22
Was in dieser psychodynamischen Deutung auch noch vorkommt,
1:17:22–1:17:27
ist, dass diese Apfel,
1:17:27–1:17:31
also diese Riemen und der Kamm zuerst,
1:17:31–1:17:34
Riemen und Kamm,
1:17:34–1:17:42
da können die Zwerge sie noch zurückholen, aber wenn sie in den roten Apfel beißt,
1:17:42–1:17:45
Nicht in irgendeinem Apfel, sondern in die rote Seite des Apfels,
1:17:45–1:17:51
also dieser Biss, der ist in dem Fall tödlich.
1:17:52–1:17:56
Erinnert mich dann auch wieder an Oppenheimer, so mit der Spritze im Apfel.
Florian Clauß
1:17:56–1:17:58
Ja, die eine Seite des Apfels.
Micz Flor
1:18:00–1:18:04
Oder Turing, der sich ja selber so umgebracht hat auch.
Florian Clauß
1:18:05–1:18:06
Hat er sich mit einem Apfel umgebracht?
Micz Flor
1:18:06–1:18:09
Ich glaube, der hat einen Apfel vergiftet, einen vergifteten Apfel gegessen.
Florian Clauß
1:18:09–1:18:10
Okay. Krass.
Micz Flor
1:18:16–1:18:19
Da beißt sie dann also den Apfel. Das ist jetzt nichts mehr,
1:18:19–1:18:22
was sie so äußerlich sich hübsch macht, sondern sie beißt zu.
1:18:23–1:18:28
Und in dem Moment können die Zwerge nichts mehr ausrichten.
Florian Clauß
1:18:29–1:18:37
Ja, weil es halt quasi kein äußerliches Mangel ist, sondern der ist ja dann internalisiert.
1:18:41–1:18:48
Und das heißt, da wird sie ja quasi zu einem Porträt, das ist auch so.
1:18:50–1:18:54
Ich wollte jetzt nochmal den Strang aufgreifen, nämlich,
1:18:54–1:19:01
was du gesagt hast mit das Schneewittchen durch diese Praktiken bei den Zwergen,
1:19:01–1:19:09
dann sich als junge Frau, also quasi als ein erwartetes Gesellschaftsbild instanziert,
1:19:09–1:19:12
um die Rolle der Frau da zu spielen.
1:19:12–1:19:16
Das ist ja so, du musst nähen, du musst waschen, du musst kochen,
1:19:16–1:19:19
du musst hübsch sein, bitte mach das und dann kannst du hier bleiben.
1:19:19–1:19:22
Das ist ja so ein ganz männlicher Blick.
1:19:23–1:19:31
Also die Frau als Accessoire, die dann geduldet wird, solange sie ihre Rolle dann ausfüllt, ja.
1:19:31–1:19:35
Das ist ja so, ne, das was dann auch und sie friert ja dann,
1:19:35–1:19:39
sie führt ja ihre Rolle weiter aus in dem Moment, wenn sie diesen Apfel schluckt
1:19:39–1:19:45
und nicht stirbt, nicht vergeht, sondern sie wird ja dann quasi in ihrer Schönheit wird sie dann fixiert.
1:19:45–1:19:48
Das ist quasi so, also wenn du jetzt in der Mediengeschichte,
1:19:48–1:19:50
das wollte ich dann auch nochmal einbringen,
1:19:50–1:19:55
der Spiegel ist so, so als quasi als das bürgerliche Relikt,
1:19:55–1:19:59
dass es auch im bürgerlichen Haushalt eingesetzt werden konnte,
1:19:59–1:20:04
fing dann an, weil dann die Produktion so günstig war, dass jeder sich einen
1:20:04–1:20:09
Spiegel leisten konnte, dass damit auch die bürgerliche Familie so fixiert wurde.
1:20:11–1:20:15
Man konnte sich selber sehen, es war nicht mehr nur die Pfütze,
1:20:15–1:20:23
sondern es war tatsächlich ein Accessoire, mit dem die Selbstreflexion dann gemacht werden konnte.
1:20:23–1:20:27
Und damit halt auch durch so ein gesellschaftliches Bild. Das heißt,
1:20:27–1:20:30
auf der einen Seite wird auch in der Kulturgeschichte des Spiegels gesagt,
1:20:30–1:20:34
dass es zu einer Emanzipation von Frauen kommt, weil sie sich so sehen konnten,
1:20:34–1:20:36
wie sie sich sehen wollen.
1:20:36–1:20:40
Gleichzeitig aber auch der männliche Blick in diesem Spiegel mit drin hängt,
1:20:40–1:20:43
nämlich genau dieses Rollenbild von der
1:20:43–1:20:46
Frau, wie sie erwartet wird in der Gesellschaft, dass die das erfüllen.
1:20:46–1:20:52
Und dieser Blick im Spiegel, der eine scheinbar objektive Instanz ist,
1:20:52–1:20:56
Weil dieses magische Relikt, was dann die Königin einsetzt, um zu wissen,
1:20:56–1:21:00
ob sie die schönste ist, ist ja so, ja, der Spiegel weiß halt auch,
1:21:00–1:21:02
dass es auch noch eine Wittchen lebt.
1:21:02–1:21:07
Also dieses Magische in dem Spiegel, der aber so eine objektivierbare,
1:21:07–1:21:11
eine objektive Instanz ist und die dann nicht lügt.
1:21:12–1:21:18
Das heißt, hier haben wir so den Spiegel als eine Art von Globalisierungseinheit.
1:21:22–1:21:26
Das heißt, der Spiegel weiß Bescheid über alle Bilder in der Welt.
1:21:26–1:21:32
Und kann das dann wieder so rausprojizieren und als Information dann der Königin geben.
1:21:33–1:21:37
Und daraufhin wird ja quasi ihre Motivation, die Tochter umzubringen, ausgelöst.
1:21:41–1:21:45
Und jetzt will ich jetzt meinen Schritt in Richtung,
1:21:45–1:21:49
was hat das heute noch für eine Bedeutung,
1:21:49–1:21:53
ist, dass natürlich irgendwo diese ganze Selfie-Culture,
1:21:53–1:21:57
diese ganzen Filter und alles Mögliche,
1:21:57–1:22:03
was man in diesen sozialen Medien als Techniken findet, um sich selber zu präsentieren,
1:22:03–1:22:09
um sich selber dann auch schöner zu machen, um so ein äußerliches Bild der Schönheit dann darzustellen.
1:22:09–1:22:15
Das ist ja so diese Selfie-Culture, das was dann die Fotografie schließt ja dann irgendwann an.
1:22:15–1:22:22
Die ersten Fotos wurden 1827 oder so gemacht und bis dann halt technische Verfahren
1:22:22–1:22:26
entwickelt wurden, die jetzt nicht irgendwie, wo man sich nicht drei Stunden
1:22:26–1:22:28
lang hinsetzen müsste, um belichtet zu werden.
1:22:28–1:22:33
Also es ging dann irgendwann so 1850, 1860 waren dann so die Fotografien,
1:22:33–1:22:35
haben dann auch irgendwann die Porträtmalerei abgelöst. Das heißt...
1:22:36–1:22:40
Die Möglichkeit, irgendwelche Bilder, gesellschaftliche Bilder zu fixieren und
1:22:40–1:22:43
so eine Schönheit auch zu fixieren.
1:22:43–1:22:48
Also Festzeit, was vorher nur im Porträtmalerei, aber dieses immer näher dran
1:22:48–1:22:54
an der Echtheit zu sein, in dem dann eben so ein Spiegelbild quasi eingefroren
1:22:54–1:22:56
wird. Und das haben wir in diesem gläsernen Sarg.
1:22:57–1:23:00
Der gläserne Sarg, der nix anderes ist als so eine Instakachel, ja?
1:23:04–1:23:08
Der Prinz verliebt sich ja auch nur in ein Spiegelbild. Du hast ja das,
1:23:08–1:23:13
was die Königin sich selber in dem Spiegel sieht, sich da selber verliebt drin.
1:23:13–1:23:17
Das ist ja nichts anderes als beim Prinzen. Der kennt ja gar nicht Schneewittchen.
1:23:17–1:23:19
Er sieht nur ihre Schönheit und verliebt sich in diese Schönheit.
1:23:20–1:23:25
Und das ist ja auch genau so eine, wie soll man sagen, das ist ja auch eine
1:23:25–1:23:28
völlige Irreführung von Liebe oder von Erkenntnis.
1:23:29–1:23:34
Weil es halt nur eine eingefrorene Kachel ist und die schleppt er überall mithin.
1:23:34–1:23:38
Ja, also das ist ja auch so ein bisschen so ein narzisstischer Gedanke von einem
1:23:38–1:23:41
Prinzen. Er lässt die überall mithin schleppen und dann finde ich wieder diese
1:23:41–1:23:46
Motivation von dem Kameradiener, der dann halt sagt, ich habe keinen Bock mehr,
1:23:46–1:23:47
die Frau überall hinzuschleppen.
1:23:48–1:23:52
Und dann mit der dann halt so rummantiert, dass es dann eben der Absech löst
1:23:52–1:23:53
und das zum Leben erweckt wird. Und dann...
Micz Flor
1:23:53–1:23:54
Das ist admin.
Florian Clauß
1:23:54–1:23:59
Das ist genau so, ja. Und dann fängt das halt wieder so von vorne an.
1:23:59–1:24:05
Und dann wird geheiratet und die böse Einheit wird dann aus der Welt entfernt,
1:24:05–1:24:09
tanzend, in glühenden... Und ich glaube, wenn du fragst, was ist mir gehäng
1:24:09–1:24:12
geblieben als Kind, dann ist mir dieses Bild schon sehr eingebrannt.
1:24:13–1:24:17
Das mit glühenden Pantoffeln zu Tode tanzen.
1:24:17–1:24:22
Das ist dann auch wieder so eine Bösartigkeit, die dann auch in so einer Rache
1:24:22–1:24:25
auch wieder so brachial ist,
1:24:25–1:24:30
wie halt die Leber zu essen von, ne, die Leber war ja woanders,
1:24:30–1:24:33
die Lunge. Und die Leber, oder?
Micz Flor
1:24:33–1:24:34
Leber und Lunge des Geschlechts.
Florian Clauß
1:24:34–1:24:39
Ja, ja, ja, ja, gut. Das ist dann wieder Prometheus, der da quasi mit anklang.
1:24:40–1:24:43
Also muss man mal gucken, für was steht eigentlich die Leber, ne?
1:24:43–1:24:48
Die Leber wird wahrscheinlich auch in dieser, in dieser Säftelehre dann irgendwo
1:24:48–1:24:51
eine Einheit haben, die dann auch irgendwie, müsste man mal gucken,
1:24:51–1:24:56
warum bei Prometheus die Leber und warum hier die Leber Und was die Lunge bedeutet.
1:24:56–1:24:59
Also ich glaube, man kann unglaublich viele verschiedene...
1:25:01–1:25:06
Folien anlegen, das Märchen finde ich nach wie vor faszinierend,
1:25:06–1:25:16
hat in der Komplexität und der Ambivalenz wieder so einen Platz in der Popkultur,
1:25:16–1:25:21
dass das auch einfach gerechtfertigt ist.
1:25:22–1:25:27
Du merkst, ich suche so langsam den Ausgang aus unserer Episode.
1:25:28–1:25:32
Ich versuche, abschließende Worte zu finden, was mir nicht gelungen ist.
Micz Flor
1:25:32–1:25:39
Bettelheim hat ja noch was anderes gesagt. Dieses Freezing, nachdem sie einen
1:25:39–1:25:42
Apfel gebissen hat, ist ja für ihn einfach wirklich der Tod.
1:25:42–1:25:45
In dem Moment ist es quasi vollzogen.
1:25:46–1:25:50
Der Geschlechtsakt ist vollzogen, auch wenn es die Mutter war, die das zugeführt hat.
1:25:50–1:25:54
Und das Kind stirbt. Und es erwacht danach dann eben die Frau.
1:25:54–1:25:55
Also wie so eine Schmetterlingsmetamorphose.
Florian Clauß
1:25:57–1:26:04
Ja gut, dann auch der Sarg quasi als Einheit für die Bildung des Imagos.
Micz Flor
1:26:05–1:26:10
Und dann kommt auf der anderen Seite kommt dann eben die Frau raus. Das war bei ihm das.
1:26:12–1:26:16
Und ja, aber ist das ein besserer Ausgang? Ich dachte, vielleicht kann ich dir helfen.
Florian Clauß
1:26:16–1:26:21
Ne, ja, auch. Aber ich würde sagen, wir sind da auch ziemlich durch.
1:26:22–1:26:30
Ich habe mir noch mal Man notiert das Spiegel als magische Einheit auch in der Tastatur.
1:26:31–1:26:36
In der ganzen Kulturgeschichte immer wieder vorkommt, dass man Spiegel verhängt,
1:26:36–1:26:40
sobald jemand gestorben ist, weil man die Angst hatte, dass dann die Seele des
1:26:40–1:26:42
Verstorbenen gefangen wird.
1:26:42–1:26:49
Der Spiegel, ähnlich wie die Fotografie, und deswegen ist diese Medienrezeption
1:26:49–1:26:51
von Fotografie und Spiegel sehr parallel.
1:26:54–1:26:58
Die Fotografie, wo man auch die Angst hatte, es kann Seelen einfrieren, verdammt.
1:26:59–1:27:02
Und da gibt es ja auch genügend Filme, die dann auch so damit spielen, ja.
1:27:03–1:27:08
Und der Spiegel, wo auch der Basilisk zum Beispiel, wenn er,
1:27:08–1:27:12
sobald er in sein eigenes Spiegelbild guckt, wird der dann, kann er bekämpft
1:27:12–1:27:14
werden, wird er eingefroren.
1:27:14–1:27:20
Ja, also der Spiegel taucht in verschiedenen Sagen und Märchen immer wieder
1:27:20–1:27:24
als so eine magische Größe auf, die...
Micz Flor
1:27:25–1:27:31
Klar, der Vampir, der sich eben nicht selber sehen kann Selbst bei Harry Potter
1:27:31–1:27:35
gibt es ja diesen Spiegel, wo Harry dann seine Eltern sieht oder sowas,
1:27:35–1:27:37
weil man sieht, was man sich wünscht.
1:27:38–1:27:40
Das ist ja auch eine Weiterführung. Also das bleibt bestehen.
1:27:43–1:27:47
Das ist dann auch wieder das narzisstische Thema, was man allgemein so ein bisschen
1:27:47–1:27:50
als schlecht, hochnäsig, arrogant hinstellt.
1:27:50–1:27:55
Aber in Wahrheit ist es natürlich so, dass jeder auch einen konstruktiven Narzissmus in sich hat.
1:27:55–1:27:59
Sich hat. Das ist in der Regel sogar allein durch die Scham,
1:27:59–1:28:03
die man so hat, schon mit angelegt, dass wir uns schön machen.
1:28:03–1:28:05
Deswegen ist es auch, dass wir nach was aussehen wollen.
1:28:06–1:28:10
Und bei Menschen, die diese Scham verloren haben und die auch keinen konstruktiven
1:28:10–1:28:11
Narzissmus mehr an sich,
1:28:11–1:28:16
also sich selber nicht mehr kleiden oder sich einfach nicht mehr kümmern um
1:28:16–1:28:20
Hygiene und so, das ist dann eher auch schon was, was man im ersten Kontakt
1:28:20–1:28:24
gleich sieht und bewertet und was dann auch und dann eher auf die Straße.
1:28:24–1:28:29
Also wenn man Narzissmus gar nicht mitbringt in so einer konstruktiven Form,
1:28:29–1:28:32
dann ist es auf alle Fälle auch schwieriger, mit Menschen in Kontakt zu treten.
1:28:32–1:28:33
Also es ist nicht alles negativ.
Florian Clauß
1:28:35–1:28:38
Ja, also nochmal zurück zu Harry Potter-Spiegel.
1:28:39–1:28:43
Ein Spiegel, der auch die Idee besteht, dass alle Reflektionen,
1:28:43–1:28:46
die in dem Spiegel dann so jemals aufgetaucht sind,
1:28:46–1:28:50
dass die dann auch irgendwo von dem Spiegel dann gemerkt werden,
1:28:50–1:28:58
dass er diese Bilder speichert oder bei Harry Potter halt quasi so Welten zeigt,
1:28:58–1:29:03
die jetzt noch nicht eingetreten sind, also dann so als so ein Propheteierungstool,
1:29:03–1:29:11
ja, also so eine Wahrsagerei wird häufig auch dann Spiegel eingesetzt als ein Relikt.
1:29:12–1:29:18
Also man Man sieht, der Spiegel ist da sehr vielfältig in der Sagenkultur.
Micz Flor
1:29:22–1:29:29
Jetzt gehen wir dann für die nächste Folge, gehen wir dann eben weiter in deine Märchenkategorien.
1:29:29–1:29:32
Da gehen wir dann von Schneewittchen zu Rotkäppchen.
1:29:34–1:29:37
Und gleichzeitig haben Sachen, die wir jetzt schon angeführt haben,
1:29:37–1:29:39
die finden dann erst einen theoretischen Hintergrund.
1:29:40–1:29:43
Werden da vielleicht erst erklärt. Und trotzdem habe ich für mich das Gefühl,
1:29:43–1:29:46
dass ich in dieser Folge jetzt schon ein bisschen weiter bin als bei Rotkäppchen,
1:29:46–1:29:51
was das Märchenthema angeht, indem ich mich ein bisschen mehr noch Erich Fromm
1:29:51–1:29:56
anschließe, der beim Märchendeutung auch sagt, es geht immer darum,
1:29:56–1:30:00
was diese Bedeutung für die Person hat, also wenn wir Traumdeutung machen.
1:30:01–1:30:05
Es geht nicht um generelle Archetypen, es geht nicht nur um verdrängte Sexualität,
1:30:05–1:30:08
sondern es geht darum, dass die Dinge auch zukunftsgerichtet sein können,
1:30:08–1:30:11
dass da Bilder entstehen können, die einem auch helfen können,
1:30:11–1:30:13
da auch konstruktive Anteile drin sein können.
1:30:13–1:30:16
Und bei Märchen, und das hast du ja auch schon mal gesagt, warum wird dieses
1:30:16–1:30:20
Märchen immer noch vervielfältigt, umgeschrieben, neu aufgelegt?
1:30:21–1:30:26
Das ist dann auch so ein bisschen ein Zeichen einfach, dass Märchen wie Träume
1:30:26–1:30:29
für die Gesellschaft funktionieren und scheinbar in der Gesellschaft das einfach
1:30:29–1:30:30
noch eine Anbindung findet.
1:30:30–1:30:35
Und das fand ich jetzt noch mal ganz spannend. Auch die Sachen,
1:30:35–1:30:39
die du gehört hast, hatte ich noch nie gehört, die du mitgebracht hast,
1:30:39–1:30:40
Kosmologie und so, fand ich die Teilchen.
Florian Clauß
1:30:40–1:30:44
Ja, ja, da gibt es halt wirklich viele Erklärungsansätze. Guck mal,
1:30:44–1:30:48
hier können wir in den Bus steigen, oder?
Micz Flor
1:30:48–1:30:50
41er. 41er, wo fährt der lang?
Florian Clauß
1:30:52–1:30:54
Sonnenallee, da haben wir Platz. Ja, dann nehmen wir den doch.
1:30:55–1:31:00
Also Mitch, das war meine Episode, wo du einen ganz maßgeblichen Teil von getragen hast.
Micz Flor
1:31:01–1:31:03
Vielen Dank für die Vorbereitung. Ich hab eine Sache vergessen,
1:31:03–1:31:07
die mach ich, bevor wir schlussendlich rein. Diese drei Formen des Narzissmus.
1:31:07–1:31:10
Das eine ist das, was man gemeinhin so als ...
1:31:14–1:31:18
Als blasierte, arrogante, vielleicht auch aggressive ... Person wahrnimmt.
1:31:18–1:31:20
Das Zweite ist die Kehrseite dessen, das Depressive.
1:31:21–1:31:25
Die Person hat keine Depression, sondern ihr Selbstwertgefühl ist implodiert,
1:31:25–1:31:30
in sich zusammengefallen, eher eine Folge von der narzisstischen Persönlichkeitsstörung
1:31:30–1:31:34
ist, aber sich auf der Symptomebene im ersten Anschein als Depression äußert,
1:31:34–1:31:39
was aber trotzdem einfach anders behandelt werden müsste, wenn man genauer hinschaut.
1:31:39–1:31:44
Und das Dritte, was jetzt ein bisschen eben auch das Thema für die Stiefmutter gewesen wäre,
1:31:44–1:31:50
ist der maligne Narzisst oder Narzisstin, das ist die Persönlichkeitsstörung,
1:31:50–1:31:55
in der dann zusätzlich eben auch noch Dinge dazukommen, die dazukommen,
1:31:55–1:31:57
die dazu führen, dass diese Person einfach...
1:31:59–1:32:03
Profil, was man früher Psychopath genannt hat. Also dieses Serialkiller-Ding
1:32:03–1:32:11
so mit reinbringen, dass die dann eben smart anwesend sind, aber eben ohne moralische Bremsen.
1:32:13–1:32:17
Die dann wirklich eben auch ihre Tochter töten, bloß weil die schöner ist als sie.
Florian Clauß
1:32:17–1:32:21
Okay, das war jetzt eigentlich Podcast Episode 34.
1:32:22–1:32:26
Wir sind hier auch durch so einen periferen Teil von Neukölln gelaufen.
1:32:26–1:32:29
Ich fand es ganz spannend, auch wenn wir dann nicht durch die Kleine Garten
1:32:29–1:32:34
Zwiebeln gekommen sind, um dann hinten Richtung Köpenick weiter zu laufen.
1:32:36–1:32:40
Aber ihr könnt die Tracks sehen auf eigentlich-podcast.de, die wir gelaufen
1:32:40–1:32:43
sind. Da kriegt ihr auch mehr Informationen, Shownotes und so weiter.
1:32:43–1:32:48
Ja, wir sagen Tschüss, bis zum nächsten Mal. Ich hoffe, ihr konntet ein bisschen was mitnehmen.
1:32:49–1:32:53
Wir setzen auf jeden Fall in der nächsten Episode die Märchenreihe fort und
1:32:53–1:32:56
werden sicher auch das hin und wieder aufgreifen.
Micz Flor
1:32:58–1:33:02
Dem kann ich nichts mehr hinzufügen, nur noch ein herzliches Tschüss. Tschüss!

Mehr

Wir sind der Autor, es ist unser Traum, wir haben die Handlung erfunden.

In dieser Episode betrachten wir Erich Fromm und sein Buch “Märchen, Mythen, Träume” als Teil der Eigentlich-Serie über Märchen. Erich Fromm betrachtet in seinem Text die Verbindung zwischen Traumdeutung und Märcheninterpretation. Er beginnt mit einer Betrachtung des Symbolismus und unterscheidet zwischen manifesten und latenten Inhalten in Mythen und Märchen. Dies führt ihn zur Traumdeutung, bei der ebenfalls Symbole und latente Inhalte gedeutet werden. Fromm stellt die Ansätze von Sigmund Freud und Carl Gustav Jung zur Traumdeutung vor, grenzt sich jedoch von beiden ab. Er argumentiert, dass weder Jungs mythische Ansätze noch Freuds Fokus auf irrationale libidinöse Kräfte ausreichend sind. Stattdessen betont er, dass das Denken und Fühlen durch unser Handeln beeinflusst wird. Zuletzt wollten wir Fromms Interpretation des Rotkäppchen Märchens vorstellen, die haben wir dann aber um einen Monat in die Zukunft verschoben.

Shownotes

Mitwirkende

Transcript

Micz Flor
0:00:03–0:00:06
Und? Regnet noch? Da ist Norden, oder? Ist da Norden oder Süden,
0:00:06–0:00:08
was meinst du? Da ist Norden. Da ist Norden, da ist Süden. Können wir unten
0:00:08–0:00:12
rum, zu dem anderen Ausgang? Jetzt klatschen wir mal ganz kurz. Da ist Norden, oder?
0:00:14–0:00:18
Ist da Norden oder Süden? Was meinst du? Da ist Norden.
0:00:19–0:00:24
Da ist Norden, da ist Süden. Können wir unten rum?
0:00:25–0:00:29
Zu dem anderen Ausgang? Jetzt klatschen wir mal ganz kurz.
Florian Clauß
0:00:34–0:00:38
Hallo und herzlich Willkommen bei eigentlich Podcast.
0:00:41–0:00:44
Der Podcast, bei dem wir laufend reden und im Laufen reden.
0:00:48–0:00:51
Und jetzt stehen wir gerade, weil wir stehen vor einer Regenwand.
Micz Flor
0:00:52–0:00:54
Weil es laufend regnet.
Florian Clauß
0:00:54–0:00:55
Das passt eigentlich ganz gut zu mir.
Micz Flor
0:00:55–0:01:02
Den GPS-Track auf der Webseite, da wird heute nicht so viel passieren, es wird gleich auf.
Florian Clauß
0:01:02–0:01:09
Wir sind quasi am Bayerischen Platz, laufen von einem Uhrausgang zum anderen,
0:01:09–0:01:11
während Mitch seine Geschichte erzählt.
Micz Flor
0:01:11–0:01:12
Wir laufen hin und her.
Florian Clauß
0:01:13–0:01:15
Ich bin natürlich gespannt, um was es geht.
Micz Flor
0:01:17–0:01:22
Also eigentlich sollte das hier das Ende sein, am Bayerischen Platz 1 in Berlin,
0:01:22–0:01:24
werden wir eine Plakette sehen. Kette sehen und dann dachte ich,
0:01:24–0:01:26
okay, jetzt hat sich das alles wegen
0:01:26–0:01:28
dem Regen so ein bisschen hin und her geschoben, dass wir hier anfangen.
0:01:30–0:01:33
Aber wer weiß, vielleicht ist es trotzdem noch das Ende der Folge,
0:01:33–0:01:38
weil wenn der Regen nicht aufhört, werden wir diese 120 Meter bis zu dieser
0:01:38–0:01:39
Plakette nicht schaffen.
Florian Clauß
0:01:40–0:01:48
Nicht trocken schaffen. Aber ich habe ja vorgesorgt, ich habe meinen Regencape an.
0:01:49–0:01:51
Allerdings ohne Kapuze.
Micz Flor
0:01:53–0:01:57
Ja und ich habe nicht vorgesorgt. Ich bin völlig überrascht worden.
Florian Clauß
0:01:58–0:02:02
Du bist quasi das Schweinchen, bei den drei Schweinchen und der Wolf,
0:02:02–0:02:05
das einfach so sein Haus aus Stroh baut.
Micz Flor
0:02:06–0:02:11
Genau, ich bin der Strohkopf in der Familie. Deshalb bin ich pitschenass schon,
0:02:11–0:02:14
weil ich irgendwie zur U-Bahn gerannt bin, um hierherzufahren.
0:02:15–0:02:21
Und die Folge, die ich heute machen möchte, vielleicht, wir sind gerade unten
0:02:21–0:02:24
Vielleicht finden wir ja sogar eine Person, die ich möchte.
0:02:26–0:02:31
Also Ausgangspunkt ist die Märchenserie, die du angefangen hast.
0:02:31–0:02:32
Dazu möchte ich was machen.
0:02:34–0:02:39
Und ganz speziell hattest du ja gemeint, du wolltest ja bei dem Eisenhans dieses
0:02:39–0:02:44
Thema, so wie würde man in der Therapie oder wie könnte das so genutzt werden.
0:02:44–0:02:47
Und dann habe ich mich an ein Buch erinnert, das ich gekauft,
0:02:47–0:02:49
aber nie gelesen hatte. Und jetzt habe ich es fast gelesen.
0:02:51–0:02:56
Das ist von Erich Fromm und dessen Plakette sehen wir nachher in Leseport.
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Vielleicht ist er aber hier unten auch irgendwo abgebildet.
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Erich Fromm ist Psychoanalytiker, ist auch eine Brücke zu dem Gestaltherapie-Thema.
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Er hat zusammen mit Gottfried Benn...
Florian Clauß
0:03:10–0:03:11
Bringt dir was?
Micz Flor
0:03:12–0:03:15
Gottfried Benn ist total interessant, aber bringt mir jetzt gerade nichts.
0:03:15–0:03:18
Aber wir werden ihn finden, das sind ja hier unten alle irgendwie aufgeführt.
0:03:21–0:03:23
Albert Einstein, da ist allerdings nicht gesagt, warum.
Florian Clauß
0:03:23–0:03:27
Weißt du, warum die hier aufgeführt sind? Oder gibt's noch mehr?
Micz Flor
0:03:29–0:03:35
Ich nehme mal an, weil die in der Nähe gewohnt haben. Wer wohnt und arbeitet
0:03:35–0:03:37
noch im Bayerischen Viertel? Okay, da stehen sie doch alle.
0:03:38–0:03:41
Hier, da ist er, Erich Fromm. 1900 bis 1980, Psychoanalytiker,
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Bayerischer Platz eins.
Florian Clauß
0:03:43–0:03:45
Hatte der hier seine Praxis?
Micz Flor
0:03:45–0:03:46
Von 1930 bis 1933.
Florian Clauß
0:03:48–0:03:49
Hatte er seine Praxis, steht ja da.
Micz Flor
0:03:53–0:04:00
Und der ist eigentlich auch Soziologe, auch aus Frankfurt, hat Parallelen mit,
0:04:04–0:04:11
auch bevor es die Gestalttherapie gab, die analytische Ausbildung parallel gemacht.
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Die haben zeitlang auch in Amerika nach der Emigration wohl Kontakt gehabt und
0:04:17–0:04:18
überlegt, ob sie zusammen was machen würden.
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Insofern ist da auch eine Verbindung, das wird man auch später sehen in der
0:04:23–0:04:27
Art und Weise, wie Erich Fromm darüber spricht, Träume zu analysieren,
0:04:27–0:04:30
weil da ist ein Unterschied. Wir werden ein bisschen über Freud sprechen,
0:04:30–0:04:34
ein ein bisschen über Jung sprechen und aber auch über die Gestalttherapie bzw.
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Speziell Erich Fromm, der nicht Gestalttherapeut ist, sondern der der Neo-Psychoanalyse
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angehört, die versucht hat, so ein bisschen ab 1920 so ein bisschen zu reformieren,
0:04:48–0:04:50
die Psychoanalyse ein bisschen zu reformieren.
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Soviel ganz kurz zur Einleitung. Es ist zu laut hier.
Florian Clauß
0:05:00–0:05:01
Spannend, spannendes Thema.
Micz Flor
0:05:01–0:05:02
Ja, es ist lustig.
Florian Clauß
0:05:03–0:05:07
Ich finde auch, ich meine, Erich Fromm, das ist ja auch so eine prägende Gestalt,
0:05:07–0:05:11
der doch Haben oder Sein geschrieben wurde. Das ist doch das Buch,
0:05:11–0:05:13
was man dann als Teenie liest.
Micz Flor
0:05:13–0:05:17
Und die Kunst zu lieben hieß auch ein Buch. Da wurde er so richtig...
Florian Clauß
0:05:17–0:05:22
So ein bisschen wie mit Hermann Hesse und Erich Fromm, das sind so die prägenden Teenie-Bücher.
0:05:23–0:05:27
Ich will das aber jetzt... Ja, ja, haben oder seien wir es gelesen.
0:05:29–0:05:36
Und das Glasperlenspiel, wenn uns das weiterhilft. Das wird witzig werden.
Micz Flor
0:05:36–0:05:42
Ich habe das Gefühl, auch wenn wir jetzt über Märchen und Träumen und Mythen sprechen,
0:05:42–0:05:45
aber wenn wir über Psychotherapie und Psychoanalyse nachdenken,
0:05:45–0:05:50
dass wir jetzt hier mit Mikrosanitären und so brabbeln, ist ja irgendwie okay,
0:05:50–0:05:51
sind Gott sei Dank ja nicht eine Person.
0:05:52–0:05:56
Wir reden miteinander, aber trotzdem merke ich, dass es für mich so ein unwohles
0:05:56–0:05:59
Gefühl ist, dass wir jetzt hier sehr, obwohl niemand da ist,
0:05:59–0:06:01
fühle ich mich hier auf einmal sehr eingeengt.
Florian Clauß
0:06:03–0:06:07
Störung muss man zulassen. Das haben wir gelernt in der anderen Episode.
0:06:10–0:06:15
Aber ich fühle mich ganz wohl, weil gerade diese Regenwand sperrt so ein ein
0:06:15–0:06:19
bisschen die Menschen in diesen U-Bahn-Stationen und S-Bahn-Stationen ein und
0:06:19–0:06:22
es schafft auf einmal so eine Gemeinschaft,
0:06:22–0:06:28
die eigentlich nie so richtig in der S-Bahn passiert, weil die Leute können nicht raus.
Micz Flor
0:06:29–0:06:33
Ja, ich bin in Wilmersdorf auf der Straße eingestiegen und da gehen so drei
0:06:33–0:06:37
Treppen runter Richtung U-Bahn und auf halber Strecke sind noch so ein paar
0:06:37–0:06:41
Shops, Asia Snack und so eine Bäckerei und so.
0:06:41–0:06:44
Und dann haben die so architektonische Löcher in der Decke gelassen,
0:06:44–0:06:47
das heißt, von oben hast du immer Sonnenlicht, aber jetzt hat es halt auch Regen.
0:06:47–0:06:51
Ich bin da so die Treppe runtergelaufen und dann war sowieso schon wie so ein
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kleiner Wasserfäller auf den Treppenstufen.
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Und dann unten war aber auch alles total rutschig und nass und du kamst so runter
0:06:58–0:06:59
und da standen dann auch so,
0:07:02–0:07:05
Es ist ja relativ leer. Es ist eine ganz komische Stimmung. Es könnte auch ein
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Traum sein. Damit sind wir schon mitten im Thema.
Florian Clauß
0:07:08–0:07:09
Genau, dann Mitch.
0:07:13–0:07:14
Also Erich Fromm und Traumanalyse.
0:07:18–0:07:22
Und hast du mir da noch vielleicht ein Märchen mitgebracht?
Micz Flor
0:07:22–0:07:25
Ich habe dir ein Märchen mitgebracht? Also eigentlich wäre es hier andersrum
0:07:25–0:07:28
gewesen. Wir fangen jetzt mit Erich Fromm an, obwohl wir an diese Plakette wahrscheinlich
0:07:28–0:07:33
wirklich erst drankommen, Wir werden uns Rotkäppchen anschauen.
0:07:35–0:07:36
Dann machen wir das Spiel andersrum.
Florian Clauß
0:07:36–0:07:41
Also jetzt habe ich quasi was auf der Karte. Okay. Ah ja, ich muss nur kurz.
Micz Flor
0:07:43–0:07:44
Flugmodus bitte, Flugmodus.
Florian Clauß
0:07:44–0:07:45
Oh ja, Flugmodus.
Micz Flor
0:07:47–0:07:49
Genau, dann werde ich dich immer so ein bisschen vorneweg fragen,
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was fällt dir dazu ein? Ich werde es aber nicht genau vorlesen und ich habe
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es auch nicht vorproduziert, sondern ich habe die Zusammenfassung.
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Das kennt ja auch irgendwie jeder.
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Aus Wikipedia werde ich vorlesen, die inhaltliche Zusammenfassung,
0:08:01–0:08:01
nicht den Originaltext.
0:08:02–0:08:06
Und das sollte dann eigentlich das Thema sein, nämlich wir machen Märchen,
0:08:06–0:08:07
wir machen Rotkälbchen.
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Ich mache das mal quasi angelehnt an Erich Fromms Analyse und wir kommen dann
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zum Schluss hier an und sprechen zum Schluss ein bisschen über die Biografie
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des Mannes und die Einbindung.
Florian Clauß
0:08:19–0:08:23
Aber dann kannst du ja mit der Biografie starten oder willst du lieber mit dem Märchen starten?
Micz Flor
0:08:24–0:08:28
Ich fange einfach andersherum an. Ich habe Erich Fromm vorgestellt, ganz kurz,
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und würde jetzt gleich mal ein Zitat aus dem Buch, das weiß ich gar nicht,
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warum das Märchenmythen träume, erschien es erst mal, glaube ich,
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1951 in Amerika und 1957 in der deutschen Übersetzung.
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Und da drin ist auf Seite 12 ein einleitendes Zitat, was ich ganz gut finde.
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Er sagt, wenn wir schlafen, erwachen wir in einer anderen Daseinsform.
0:08:55–0:09:00
Wir träumen. Wir erfinden Geschichten, die sich nie ereignet haben und für die
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es im wirklichen Leben manchmal keine Entsprechung gibt.
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Manchmal sind wir der Held, manchmal der Bösewicht, manchmal erleben wir die
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herrlichsten Dinge und sind glücklich.
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Oft werden wir in höchsten Schrecken versetzt. Doch welche Rolle wir auch immer
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im Traum spielen, wir sind Autor. Es ist unser Traum. Wir haben die Handlung.
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Diese große Pause zwischen Handlung und Erfunden war ein Zufall, aber passt ganz gut.
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Und es steht im Originaltext, wir sind der Autor. Da habe ich gesagt,
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wir sind Autor. Ich habe das sehr verschluckt, um das nicht gegenderte ein bisschen zu entschärfen.
0:09:43–0:09:47
Aber es ist eben aus einer anderen Zeit, in der Gendern einfach kein Thema war.
0:09:48–0:09:51
Aber es fällt, finde ich, inzwischen auf, wenn man sowas liest.
0:09:52–0:09:55
Also in diesem Zitat, was ich schön finde, ist, wenn wir schlafen,
0:09:55–0:09:56
gehen wir in eine andere Daseinsform.
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Er zitiert in dem Zusammenhang auch einen japanischen Philosophen,
0:10:01–0:10:05
der mal gesagt hat, gestern habe ich geträumt, ich sei ein Schmetterling und
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heute weiß ich nicht, ob ich ein Mensch bin, der träumt, ein Schmetterling zu
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sein oder ein Schmetterling, der träumt, ein Mensch zu sein.
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Also dieses Gefühl, dass im Traum fast mehr noch, als wenn wir in Anführungszeichen
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wach sind, wir gar nicht genau wissen, dass wir träumen.
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Das sind ja eigentlich Film-Podcasts bei Inception. Da gibt es ja auch diese
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Sicherung, die die einbauen, diesen Kreisel bei Inception, der irgendwie diese
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Rolle hat, dass er checken kann, ob er träumt oder quasi in so einem Traum gefangen ist oder nicht.
0:10:37–0:10:41
Und diese Idee, wenn wir schlafen, erwachen wir zu einer anderen Daseinsform,
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finde ich auch schön, dass wir halt eben nicht weg sind, sondern dass wir in
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etwas anderes, es ist so ein bisschen, als ob es einen doppelten Vorhang gibt.
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Du gehst von der einen Bühne in die andere Bühne, die auch du bist.
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Und da erfinden wir Geschichten. Und diese Geschichten, die wir erfinden,
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das ist ganz wichtig für ihn und auch in der Gestalttherapie eben.
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Wir sind Autor. Es ist unser Traum. Also so eine Art von Verantwortungsübernahme,
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Ownership. Wir haben das hergestellt.
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Und das ist natürlich nochmal ganz wichtig, gerade auch, wenn man so ein bisschen
0:11:13–0:11:15
in eher sekularisierte,
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wissenschaftliche, medizinische Konzepte reinschaut,
0:11:20–0:11:24
wo oft ja gesagt wird, na gut, das ist alles nur Zufallswerk,
0:11:24–0:11:28
wir brauchen da doch nicht uns mit auseinandersetzen, das sagt nichts über mich,
0:11:28–0:11:33
sondern das ist einfach nur, weil mein Hirn träumen muss, damit es gereinigt werden kann.
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In dem Buch ist es so, dass er in den Kapiteln als erstes so ein bisschen über Symbolismus spricht.
0:11:41–0:11:45
Das wirkt auch so ein bisschen antiquiert, aber er macht da so Unterscheidungen
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in drei Formen des Symbolen. Das eine ist das konventionelle Symbol,
0:11:49–0:11:54
das andere ist das zufällige Symbol und das dritte ist das universelle Symbol.
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Und dieses universelle Symbol, da müssen wir dann ein bisschen auch über Jung sprechen,
0:12:00–0:12:06
der mit seinen Archetypen da so ein bisschen an etwas so kratzt,
0:12:06–0:12:10
was wir in der kurzen Serie über künstliche Intelligenz auch schon besprochen hatten.
0:12:12–0:12:15
Konventionelle Symbole darunter fasst ja zum Beispiel einfach auch die Sprache
0:12:15–0:12:22
oder die Schrift. Das Wort Tisch, T-I-S-T-H, das ist ein konventionelles Symbol für einen Tisch.
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Wenn es ein F ist, kein T, ist es ein Fisch. Also wir können dann quasi in diesem...
0:12:28–0:12:34
Das ist so für zumindest eine kleine Gruppe, die deutsch spricht und die irgendwie
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Buchstaben lesen können, ist das konventionelle Symbol Tisch.
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Synonym oder Referenz auf den Tisch. Es gibt dann sowas wie ein zufälliges Symbol, wie er es nennt.
0:12:45–0:12:48
Das ist etwas, was wir für uns kennen,
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was ganz individuell sein kann, was in gewisser Weise Dinge triggern kann,
0:12:53–0:12:56
Erfahrungen, Erinnerungen, wo etwas, in seinem Beispiel ist es so,
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dass ein Stadtname zum Beispiel eine bestimmte Erinnerung hervorrufen kann,
0:13:00–0:13:01
die angenehm und unangenehm ist.
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Und wenn dann diese Stadt zum Beispiel auch in Träumen vorkommt,
0:13:04–0:13:06
dann hat das eine symbolische Bedeutung.
0:13:08–0:13:13
Allerdings ist es sehr, sehr individuell und das knüpft dann zum Beispiel auch
0:13:13–0:13:14
ein bisschen an die Frage an.
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Bei Freud ist es ja so, dass die Assoziation ganz wichtig ist,
0:13:19–0:13:22
um das Individuelle herauszufinden, was den Traum ausmacht.
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Und in solchen Fällen kann es wirklich einfach so idiosynkratisch sein,
0:13:26–0:13:32
dass das eben die Arbeit ist, die man in der Traumdeutung leistet und das dritte
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Symbol ist das universelle Symbol.
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Da nimmt ihr das Beispiel Feuer, was ja dann so beschreibt, dass etwas,
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was wenn wir an Feuer denken oder uns Feuer anschauen, das fesselt uns.
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Das hat mit Lebendigkeit zu tun, mit Kraft, Anmut und Leichtigkeit,
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wie die Flammen so züngelt.
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Trotzdem hat es auch was Zerstörerisches und so und vergleicht es dann mit etwas
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anderem, was auch so universell ist, wie das Wasser.
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Das Wasser fließt und hat irgendwie auch viel Ähnlichkeit mit dem Feuer,
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aber es gibt einen großen Unterschied, sagt er, das Feuer steht für Überraschungen,
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ist auf eine gewisse Weise gefährlich und das Wasser, das fließt in so einen Fluss,
0:14:05–0:14:10
einen Ozean, das hat so eine Voraussagbarkeit, also man weiß dann irgendwie,
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wie es damit umgeht und das sind von ihm Beispiele für eine universelle,
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Nicht universelle, sondern universelle Symbole, Feuer oder Wasser.
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Beispiel nimmt er dann, um das mal so ein bisschen zu erklären,
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wie so universelle Symbole funktionieren, aus der Bibel das Buch Jonah.
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Das ist die Geschichte, wo Jonah einen Auftrag von Gott bekommt,
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den er eigentlich nicht annehmen möchte.
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Er soll quasi eine Warnung oder eine Bedrohung von Gott aussprechen in einer
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Stadt, in der er nur gesündigt wird.
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Das will er aber nicht und er flüchtet dem so ein bisschen und dann irgendwann
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geht er auf so ein Schiff und dieses Schiff, das kommt dann in Unwetter,
0:14:55–0:14:59
dann geht Jonah irgendwie in den Bauch des Schiffes und dann schläft er da ein.
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Dann kommen die Seemänner und wecken ihn und fragen, ob er das nicht sei,
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ob er vielleicht Schuld daran hätte, dass der Herrgott eben jetzt diesen Sturm gebracht hat.
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Er meint, das kann schon sein, weil er hatte Er hatte denen wohl vorher gesagt,
0:15:15–0:15:20
dass er vor Gottes Auftrag flüchtet und dann sagt er von sich aus,
0:15:20–0:15:25
schmeiß mich ins Meer und die sind dann erstmal aber sehr, sehr kulant,
0:15:25–0:15:28
sagen, nee, wir wollten das nur checken und versuchen alles mögliche,
0:15:28–0:15:30
aber es klappt nichts und dann schmeißen sie doch ins Meer.
0:15:30–0:15:34
Und wenn er, sobald er ins Meer fällt, hört der Sturm auf, dann kommt der große
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Fisch, schluckt ihn, er ist drei Tage im Fisch und betet und ich muss gestehen,
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ich weiß jetzt gar nicht genau, wie es ausgeht.
0:15:42–0:15:48
Aber es ist so, dass an diesem Beispiel Erich Fromme erklärt,
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was der Unterschied zwischen einem Manifesten und einer latenten Erzählung ist.
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Die Manifesterzählung ist diese Perlenkette von Ereignissen,
0:15:55–0:15:56
die hintereinander herlaufen.
0:15:56–0:16:00
Das ist dieses klassische Wachdenken von Ursachen und Wirkungen.
0:16:00–0:16:05
Das heißt, die Dinge, die aufeinander folgen können, das Spätere kann vom Vorherigen bewirkt sein.
0:16:06–0:16:11
Und eine latente Erzählung, die funktioniert anders, die funktioniert über Gleichheiten,
0:16:11–0:16:17
Unterschiede, über Korrelate, über Assoziationen und da sagt er in diesem Beispiel,
0:16:17–0:16:20
dass da dreimal das Gleiche vorkommt.
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Also er steigt in den Bauch des Schiffes, dann fällt er in den Schlaf da drin,
0:16:26–0:16:30
dann springt er in das Meer hinein, dann ist er im Meer und dann schluckt ihn
0:16:30–0:16:34
auch noch der Fisch. Also dreimal so dieses Gefühl, dass man in etwas drin ist.
0:16:34–0:16:38
Und er beschreibt dann das in in dieser latenten Bedeutung,
0:16:38–0:16:43
in der latenten Erzählung sind dann eben die Dinge einfach verwandt miteinander
0:16:43–0:16:47
und können dann nicht eine Reihenfolge ausdrücken,
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wie in der Geschichte sonst als Plot immer noch drin wäre,
0:16:51–0:16:55
sondern die Gleichzeitigkeit ausdrücken, können das verdichten,
0:16:55–0:16:59
zusammenschieben, können sagen, okay, dieser Typ hat sich sowas von abgegrenzt,
0:16:59–0:17:02
irgendwas ist da, was er irgendwie nicht bearbeitet hat.
0:17:02–0:17:06
Wird jetzt nicht weiter gedeutet, aber das Beispiel fand ich irgendwie ganz gut.
0:17:08–0:17:14
Und das ist sein Bereich zum Thema Symbole und dann spricht er eben über die
0:17:14–0:17:20
Träume und macht da in gewisser Weise Vergleiche, weil auch die Träume haben
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manifest und latente Inhalte.
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Manifeste, Inhalte werden wieder dann zum Beispiel die Tagesliste.
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Oh, ich habe geträumt, ich schreibe ich dir morgen. Ich habe geträumt,
0:17:29–0:17:32
wir müssten einen Podcast aufnehmen und es hat gehagelt.
0:17:33–0:17:38
Dann gibt es so etwas wie Referenzen zu dem, was wir heute erlebt haben, das heißt Tagesreste.
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Und dann passiert ja auch eine Geschichte. Die Geschichte ist vielleicht nicht
0:17:42–0:17:50
sinnvoll, da gibt es vielleicht Sprünge oder Dinge, die dann irgendwie interpretiert werden könnten.
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Aber es gibt auf alle Fälle erstmal Manifestentraum-Inhalte.
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Das Latente wäre dann das, wo man eben auch den Blick noch drauf richtet.
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Dazu sagt Fromm in dem Buch, es war Freud, der zu Anfang des 20.
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Jahrhunderts die alte Auffassung neu bestätigte.
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Mit alter Auffassung meint er, dass vor der Aufklärung,
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vor der Säkularisierung und vor der wissenschaftlichen Aufarbeitung und Ergründung
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des Körpers und der Psyche und so weiter,
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war Traumdeutung, das ist auch eines der Zitate ganz am Anfang des Buches,
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im Talmud steht wohl drin, ein ungedeuteter Traum ist wie ein ungelesenes Buch,
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also da steht was drin und wir haben uns aber dem verweigert, es zu lesen.
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Und diese alte Tradition wurde dann irgendwie gebrochen,
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da wurde dann eben dem Organismus, dem Körper, wurde das metaphysische,
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spirituelle erstmal aberkannt und es muss irgendwie eine andere Erklärung geben,
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Bauchschmerzen, schlecht gegessen oder so in der Art.
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Und Freud war das, der halt hier nach Fromms Worten diese alte Auffassung neu bestätigte,
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dass die Träume sinn- und bedeutungsvoll sind, dass wir nichts träumen,
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was nicht ein wichtiger Ausdruck unseres Innenlebens ist und dass man alle Träume
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verstehen kann, Wenn man nur den Schlüssel...
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Und im gleichen Absatz sagt er auch noch dann, dass es aber natürlich so ist,
0:19:13–0:19:18
dass wenn man physiologisch den Schlaf betrachtet, dann ist es ein Zustand,
0:19:18–0:19:21
wie er sagt, der chemischen Regeneration des Organismus.
0:19:21–0:19:24
Und das ist auch was, was man heute immer noch irgendwie unterstreicht.
0:19:24–0:19:29
Da gab es unterschiedliche Theorien, was denn Schlaf und Träum eigentlich sein könnte.
0:19:29–0:19:34
Aber der Schlaf ist, das hat man wohl heute auch noch immer als Theorie,
0:19:34–0:19:40
die Zeit, in der sich das Gehirn entgiftet oder entschlackt.
Florian Clauß
0:19:40–0:19:43
Also da, wenn ich da mal kurz einhaken darf,
0:19:43–0:19:48
also Schlafträume ist eine andere Kiste, aber Schlaf ist tatsächlich,
0:19:48–0:19:53
und das ist auch so die jüngste Forschung in der Biologie, so,
0:19:53–0:19:57
dass alle Organismen irgendwie schlafen.
0:19:57–0:20:01
Das war eine ... Ich hatte da neulich eine Dokumentation, ich glaub,
0:20:01–0:20:04
die lief auf Arte oder so, gesehen. War sehr faszinierend.
0:20:06–0:20:11
Ähm, ja, haben die auch zum Beispiel so Schnecken untersucht, die ...
0:20:12–0:20:15
Also, oder waren das Fadenwürmer? Es waren Nacktschnecken, aber die relativ
0:20:15–0:20:16
wenige Neuronen haben, ja.
0:20:17–0:20:20
Also, die mit so einem kleinen Gehirn ganz gut zurechtgekommen sind.
0:20:20–0:20:24
Und das Einzige, was die machen, ist fressen, ficken, schlafen.
0:20:25–0:20:29
Mehr können die nicht. Doch, sie können sogar noch ihr Geschlecht ändern.
0:20:29–0:20:30
Ja, ja, sowieso. Ja, stimmt.
0:20:31–0:20:37
Und dann wurden die bei dem Schlaf oder dann die eine Gruppe gestört,
0:20:37–0:20:42
die Kontrollgruppe nicht, und dann mussten die halt irgendwie eine Aufgabe lösen,
0:20:42–0:20:44
um zum Fressen, ich krieg's nicht mehr ganz zusammen, zu kommen.
0:20:44–0:20:49
Ja, und es war dann signifikant so, dass die, die dann beim Schlaf gestört,
0:20:49–0:20:54
die Gruppe einfach auch viel weniger gegessen hat und die Aufgaben nicht richtig lösen konnten.
0:20:55–0:20:59
Das ist diese Regeneration und auch diese Verarbeitung, das Lernen.
0:20:59–0:21:04
Also das vor allen Dingen Schlaf und Lernen wird ganz, ganz nah beieinander gesehen.
Micz Flor
0:21:05–0:21:10
Ja, das ist auch eben nachts diese Lernprozesse, diese Träume.
0:21:10–0:21:14
Das ist ja auch so eine Theorie, dass Träume quasi noch mal so eine Art Nachbearbeitung
0:21:14–0:21:17
von Erlebten sind, um es dann irgendwie noch mal anders zu speichern.
Florian Clauß
0:21:17–0:21:22
So, jetzt treten wir ins Freie. Vielleicht hört man es am Sound,
0:21:22–0:21:27
aber ich überlege, wie wir die Aufonik-Filterwelt drüber bügeln.
Micz Flor
0:21:27–0:21:29
Ja, mal gucken, wie lange wir das hier aushalten.
Florian Clauß
0:21:29–0:21:36
Und jetzt ist es wirklich so, dass der Regenstreifen mit Gewitter durchgezogen
0:21:36–0:21:38
ist. Und wir sind jetzt am Bayerischen Platz.
0:21:39–0:21:43
Und wir gucken, wenn das jetzt noch in deine Geschichte passt,
0:21:43–0:21:49
wir schauen jetzt mal, ob wir die Tafel, die Gedenktafel von Erich Fromms Praxis finden.
Micz Flor
0:21:50–0:21:54
Am Bayerischen Platz 1 und ich glaube das ist eins von diesen Häusern da am
0:21:54–0:21:57
nördlichen Ende, wenn ich das in der karte richtig gesehen habe,
0:22:00–0:22:03
Es ist jetzt so ein bisschen, ich habe so ein bisschen Sorge,
0:22:03–0:22:07
weil wir natürlich hier auch mit Mikro und Handy rumlaufen und ich habe keine Regenjacke und nichts.
0:22:08–0:22:13
Beuge mich so über, ich komme mir jetzt gerade vor wie eine von diesen gestörten Schnecken.
Florian Clauß
0:22:13–0:22:19
Ja, also ich glaube die Sorge ist, naja es kommt so ein bisschen nach Regen,
0:22:19–0:22:21
aber ich glaube da kommt nicht mehr viel.
0:22:22–0:22:25
Ansonsten kann ich, ich habe zwei Jacken, kann ich dir eine geben.
Micz Flor
0:22:27–0:22:29
Als ich denke, habe ich eine fitte Schnecke neben mir.
Florian Clauß
0:22:30–0:22:34
Genau, eine fitte Schnecke, die die Aufgaben für heute gelöst hat.
0:22:34–0:22:37
Nein, aber apropos Aufgabe, ich freue mich auf das Märchen.
Micz Flor
0:22:39–0:22:43
Genau, wir rennen jetzt eben Richtung Rotkäppchen, um das noch mal irgendwie
0:22:43–0:22:47
hier fest zu verhaken. Wir haben es nicht vergessen, Rotkäppchen kommt noch.
0:22:50–0:22:55
Bayerischer Platz eins, da steht's. Jetzt ist es dann ... Da ist sie ja auch schon. Uah!
0:22:56–0:22:58
Und der Regen von dem Gerüst tropft runter.
0:23:01–0:23:04
Und wir stehen hier vor der Plakette von Erich Frong.
0:23:06–0:23:12
Am 23.03.1900 in Frankfurt geboren, 18.03.1980 in Locarno gestorben,
0:23:12–0:23:19
Sozialwissenschaftler, Humanist und Psychoanalytiker und lebte zwischen 1928 und 1930 in Berlin.
0:23:20–0:23:22
Die Praxis stand unten, war von 1930 bis 1933.
0:23:23–0:23:27
Müssen wir jetzt noch mal ein bisschen hier Quellen suchen, was jetzt stimmt.
0:23:28–0:23:32
Erlebt ihr, um die Psychoanalyse am Berliner Psychoanalytischen Institut systematisch zu lernen.
0:23:33–0:23:36
Mitbegründer des Frankfurter Psychoanalytischen Instituts und Mitarbeiter am
0:23:36–0:23:39
Institut für Sozialforschung in Frankfurt. in Frankfurt und wie gesagt auch
0:23:39–0:23:43
da war eben Fritz Perls und.
0:23:46–0:23:52
Lohre oder Laura Perls, das ist die Frau von Fritz Perls, oder umgekehrt eben
0:23:52–0:23:55
auch Mitbegründerin der Gestalttherapie, die ist auch aus Berlin,
0:23:55–0:24:00
die hat hier als Gestaltpsychologin zuerst gearbeitet und dann auch die analytische
0:24:00–0:24:01
Ausbildung in Berlin gemacht.
0:24:02–0:24:07
Zurück zu Erich Vong, er emigrierte 1934 in die USA und entfaltete dort seine
0:24:07–0:24:10
kritischen und politischen Gedanken in Forschung und Lehre.
0:24:10–0:24:16
Er wurde zu einer der Leitfiguren der Studentenbewegung, das ist bis zu Floh
0:24:16–0:24:22
durchgedrungen, haben oder sein, die Kunst zu lieben, das waren die wichtigen Bücher.
0:24:22–0:24:27
Er ist Mitbegründer der International Federation of Psychoanalytic Societies,
0:24:27–0:24:30
dem Dachverband nicht-orthodoxer psychoanalytischer Gesellschaften, 1962.
Florian Clauß
0:24:32–0:24:39
Würdest du Gestalttherapie auch in einem Raster nicht-orthodoxer psychoanalytischer
0:24:39–0:24:41
Gesellschaften einordnen?
Micz Flor
0:24:41–0:24:47
Ja, die Gestalttherapie ist schon so ein Bruch einerseits, aber andererseits
0:24:47–0:24:52
finde ich, dass es eine sehr, sehr klare Linie von der Psychoanalyse in die Gestalttherapie gibt.
0:24:52–0:24:56
Es ist eigentlich eher so ein Zweig. Also in den 20er Jahren spätestens ging
0:24:56–0:25:03
das los, dass über die Neo-Psychoanalyse neue Dinge integriert wurden,
0:25:03–0:25:04
Sachen umgebaut wurden.
0:25:04–0:25:11
Es gab da dann schon eine ganze Reihe von unterschiedlichen Schulen,
0:25:11–0:25:12
die auch unterschiedlich arbeiten.
0:25:13–0:25:19
Die Charakteranalyse, die Ich-Psychologie hatte ich schon mal erwähnt. Ähm...
0:25:21–0:25:24
Ja, eine ganze Reihe brauchen wir jetzt irgendwie, glaube ich, nicht so durchgehen.
Florian Clauß
0:25:24–0:25:28
Auf jeden Fall ist hier nochmal so ein Voucher, der führt auf den Link.
0:25:28–0:25:33
Und da gibt es nochmal ganz viel Zusatzinformationen, einen Voucher, einen QR-Code.
0:25:34–0:25:39
Unter anderem gibt es auch sogar ein verlinktes Interview mit ihm.
0:25:41–0:25:43
Und das können wir uns schon mal packen.
Micz Flor
0:25:44–0:25:48
Also es ist vielleicht irgendwann mal so ein anderer Gang, wobei der vielleicht
0:25:48–0:25:48
ein bisschen langweilig ist.
0:25:48–0:25:52
Aber hier und dann hoch Richtung Charlottenburg, wo wir eigentlich loslaufen
0:25:52–0:25:56
sollten, gibt es eine ganze Reihe von Orten, an denen PsychoanalytikerInnen
0:25:56–0:25:59
gearbeitet oder gewohnt haben.
0:25:59–0:26:03
Und diese Plakette mit anderen ist halt auch Teil des Projektes mit Freud in
0:26:03–0:26:06
Berlin. Das werden wir dann unten verlinken. Freud in Berlin?
0:26:06–0:26:09
Mit Freude. Das ist, glaube ich, der Wortwitz. Richtig.
0:26:10–0:26:13
Mit Freud in Berlin, ganz fromm heute.
0:26:20–0:26:24
Ich bin ganz kühl und feucht und gleichzeitig heiß, darauf weiterzumachen.
0:26:25–0:26:32
Und was du vorhin angesprochen hast, da wollte ich auch noch eine Referenz,
0:26:32–0:26:36
ein Buch, was ich auch sehr spannend finde, das heißt Egotunnel, glaube ich 2007,
0:26:36–0:26:44
8 oder 9 erschienen von Thomas Metzinger, ein Philosoph mit dem Untertitel von
0:26:44–0:26:45
der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik.
0:26:47–0:26:52
Und da geht es eben teilweise auch um dieses Bewusstsein, das ist natürlich
0:26:52–0:26:53
noch mal eine andere Ebene.
0:26:53–0:26:56
Da geht es jetzt nicht um Träume, aber natürlich geht es, wenn man über Träume
0:26:56–0:27:01
spricht, auch darum, warum ist man im Traum, weiß man, dass man im Traum ist, kann man das wissen.
0:27:01–0:27:06
Es gibt diese Form der Wachträume, wo man den Trauminhalt auch verändern kann
0:27:06–0:27:08
und trotzdem weiter schläft und träumt, das aber weiß.
0:27:10–0:27:15
Es gibt so manchmal so Wahrnehmungsthemen wie Deja Vu zum Beispiel, wo man...
0:27:17–0:27:20
Sich auch fragt, wie ist das mit der Bewusstsein, mit dem Bewusstsein alles verkoppelt.
0:27:20–0:27:25
Und in diesem Buch geht es eben auch in einem Kapitel um das Träumen per se.
0:27:25–0:27:28
Und da wird dann neurophysiologisch aufgeführt, die Theorie,
0:27:28–0:27:34
dass wir müssen immer wieder mal Temperatur checken. Das ist evolutionär bei uns so drin.
0:27:35–0:27:41
Und dieses Temperatur checken, dazu muss man dann quasi das Auto anschmeißen.
0:27:41–0:27:46
Das heißt, man kann jetzt nicht aufwachen, um die Temperatur zu checken.
0:27:46–0:27:52
Das Gehirn hat die Möglichkeit, über bestimmte Interneuronen die ganze Motorik abzuschalten.
0:27:53–0:27:58
Bei Leuten, die schlafen, ist das nicht ganz abgeschaltet. Das ist dann so eine Mischform.
0:28:00–0:28:05
Und vor allen Dingen der REM-Schlaf, also wenn die Augenbewegung sichtbar ist,
0:28:05–0:28:10
auch wenn jemand träumt, hat damit zu tun, dass die Augenmuskeln nicht durch
0:28:10–0:28:15
die medulla Oblongata, also im Rückenmark, gehen und deshalb nicht vom Körper
0:28:15–0:28:16
abgeschaltet werden können.
0:28:16–0:28:21
Die Augen bewegen sich, sonst würde der ganze Körper sich beim Träumen.
Florian Clauß
0:28:21–0:28:28
Also das ist quasi so ein neurologisches Indiz dafür, dass bestimmte Nervenbahnen dann aktiv sind.
Micz Flor
0:28:29–0:28:34
In dem Fall geht es jetzt nur darum, dass die halt sagen, der Schlaf wurde erfunden,
0:28:34–0:28:39
damit der Körper seine Temperatur überprüfen kann, ohne dass er sich bewegen
0:28:39–0:28:42
muss, was die Energie kostet und das Schlafzweig halt irgendwie wichtig.
0:28:45–0:28:48
Zu dem anderen Thema, was du meintest, ich kenne die Doku nicht,
0:28:48–0:28:51
ich finde Schlaf auch total spannend, weil Schlaf ist erst mal was,
0:28:51–0:28:52
was wir so alleine machen.
0:28:52–0:28:56
Bei ganz vielen Tieren ist es so, das kennst du wahrscheinlich auch,
0:28:56–0:28:59
dass die Gehirnhälften abwechselnd schlafen.
Florian Clauß
0:28:59–0:29:02
Ja, bei Zuchtvögeln, ne? Und bei ...
0:29:04–0:29:05
Ja, teilweise bei Meeressäugern.
Micz Flor
0:29:05–0:29:07
Ja, bei Delfinen, aber auch bei ...
Florian Clauß
0:29:07–0:29:08
Heiden, glaub ich, auch.
Micz Flor
0:29:08–0:29:12
Nee, es gibt, glaub ich, sogar Landsäugetiere, wo das so ist.
0:29:13–0:29:17
Auf jeden Fall ist es auch so, das fand ich total irre, dass halt Schlaf in
0:29:17–0:29:20
gewisser Form trotzdem sogar auch ein Gruppenphänomen ist.
0:29:21–0:29:25
Und zwar ist es bei Fischottern in Kanada so, dass wenn die schlafen,
0:29:25–0:29:27
halten die sich fest, dass sie nicht abgetrieben werden.
Florian Clauß
0:29:27–0:29:30
Das sieht so süß aus. Das ist so knuffig.
Micz Flor
0:29:30–0:29:34
Und das andere, da habe ich aber, weil ich hatte das auch mal recherchiert,
0:29:34–0:29:41
habe ich gar nicht so viel im Netz dazu gefunden, aber wenn Vögel schlafen, sind ja auch bedrohten.
0:29:42–0:29:50
Da gibt es Fotos, da sitzen dann so ein paar Enten, vielleicht so acht Enten
0:29:50–0:29:55
nebeneinander und die Enten ganz außen, ganz rechts außen, hat das linke Auge auf.
0:29:56–0:30:00
Die Enten der Entenschlange, ganz rechts hat das linke Auge auf,
0:30:00–0:30:05
ganz links hat das rechte Auge auf und guckt dann mit diesem Weitwinkel weg
0:30:05–0:30:08
von dieser Gruppe. Die Die monitoren mit der halben Gehirnhälfte,
0:30:08–0:30:10
ob da irgendwas sich denen annähert.
0:30:10–0:30:14
Und das machen nur die Äußeren. Und manchmal wechseln die auch die Position,
0:30:14–0:30:16
dass die auch mal mit beiden Hälften schlafen können.
0:30:16–0:30:22
Das finde ich total irre, dass halt so wirklich dieser Schlaf dann wirklich ein Gruppenevent wird.
0:30:23–0:30:26
Natürlich kann man wachestehen nicht, aber das hat sich ja scheinbar wirklich
0:30:26–0:30:29
so ins Verhalten und das ganze Zusammenleben eingespielt.
0:30:30–0:30:34
Wir wissen ja sowieso, dass alles miteinander verbunden ist,
0:30:34–0:30:41
dass Schlaf auch ein Gruppenphänomen Das gibt ja, kennt man auch,
0:30:41–0:30:43
wenn man kleine Kinder hat, wenn die dann irgendwann so müde sind,
0:30:43–0:30:45
und dann zieht er es selber auch runter.
0:30:46–0:30:49
Beim wandern auf der hütte ist irgendwann einfach klar jetzt schlafen alle
0:30:49–0:30:52
es gibt so einen punkt da gibt es dann da reißt.
0:30:52–0:30:58
Man sich gegenseitig runter also.
0:30:58–0:31:01
Das ist eine ganz spannende tour hier
0:31:01–0:31:04
ausgesucht da vorne ist doch
0:31:04–0:31:07
das schöne berger rathaus oder genau das
0:31:07–0:31:11
flommarkt auch immer also wir
0:31:11–0:31:14
gehen jetzt mal ganz kurz bevor wir dann bei rotkäppchen ankommen gehen
0:31:14–0:31:17
wir jetzt mal kurz durch freud ein bisschen durch und
0:31:17–0:31:20
dann durch jung so ein bisschen durch um dann
0:31:20–0:31:24
zurückzukommen wieder zu fromms auch zwei folgen ausmachen
0:31:24–0:31:27
das ist glaube ich das ist glaube ich
0:31:27–0:31:30
eine folge und dann ist gut gut ich
0:31:30–0:31:33
finde ich finde mit freud und jung sind so zwei sehr
0:31:33–0:31:37
unterschiedliche ansätze spürbar und
0:31:37–0:31:44
frau hat dann so einen ansatz den ich persönlich auch war
0:31:44–0:31:48
oder falsch kann man nicht sagen am anwendbarsten
0:31:48–0:31:51
oder anwendbar verbindlichsten wenn man mit den patienten
0:31:51–0:31:55
arbeitet das heißt in
0:31:55–0:32:00
der praktischen arbeit genau wenn wir mit freud anfangen dann wir hatten ja
0:32:00–0:32:04
schon ein bisschen anderen folgen da so ein hintergrund wichtig für uns ist
0:32:04–0:32:07
jetzt hier zu verstehen das in
0:32:07–0:32:13
Freuds ursprünglichem Denken und die Traumdeutung erschien im Jahre 1900,
0:32:13–0:32:18
erschien aber eigentlich oder ging quasi in Druck und ich weiß nicht genau,
0:32:18–0:32:20
wie das zusammenhing, 1899.
0:32:24–0:32:27
Und was ich ganz lustig finde bei der Ausgabe, die ich habe,
0:32:27–0:32:34
von Erich Fromms Buch, ist das Kapitel, die Kunst, glaube ich,
0:32:34–0:32:38
die Kunst der Traumdeutung ist auch auf der Seite 99 geht's los.
0:32:38–0:32:40
So als ob wir da nochmal einen Punkt machen wollten, so von wegen das war 1899,
0:32:40–0:32:43
nicht 1900, Aber auf jeden Fall.
0:32:45–0:32:49
Freud ging ja davon aus, dass das Ich, was wir quasi wahrnehmen,
0:32:49–0:32:53
als Bewusstsein, als Vernunft, als ethisch-moralische Instanz,
0:32:53–0:32:55
dass das nur so ein ganz kleiner Teil ist.
0:32:55–0:32:59
Das meiste in seinem ersten Entwurf kommt aus dem Es,
0:32:59–0:33:02
aus dem Unbewussten, das Triebhafte, die Libido,
0:33:02–0:33:06
das Drängt, all die Dinge, die man eigentlich nicht machen darf,
0:33:06–0:33:10
nicht machen kann, nicht machen sollte, die einem abtrainiert werden schon in
0:33:10–0:33:16
frühester Kindheit oder die sich selbst nie traut oder aber auch Versuchungen,
0:33:16–0:33:22
denen man ausgeliefert ist, jeden Tag die Kollegin am Arbeitsplatz zu sehen,
0:33:22–0:33:25
wo man dann so große Lust hat, die man sich verbietet.
0:33:25–0:33:29
All diese Sachen, die drängen permanent auf dieses kleine Ich.
0:33:32–0:33:38
Und während des Traumes passiert Folgendes. Also erst mal sagt Freud, wir müssen schlafen.
0:33:39–0:33:45
Das heißt, der Traum, die Art und Weise, wie wir mit dem Traummaterial umgehen
0:33:45–0:33:50
oder die Geschichte, die daraus geformt wird, die ist in der Regel so ein bisschen
0:33:50–0:33:53
abgemildert, auch damit wir weiter schlafen können.
0:33:53–0:33:57
Also das würden wir ja dauernd aufwachen, so ein bisschen wie bei Metzingers
0:33:57–0:34:00
Fußnote mit dem Temperaturmessen.
0:34:01–0:34:05
Also Freud sagt, der Trauminhalt, der wird auch modifiziert,
0:34:05–0:34:07
damit wir einfach schlafen können, weil das ist ja notwendig.
0:34:08–0:34:13
Und das Zweite ist aber natürlich, dass diese Trauminhalte, die da reindrängen,
0:34:13–0:34:18
das sind eben genau solche unterdrückten Wünsche oder solche nicht zugelassenen
0:34:18–0:34:21
Versuchungen, solche Eßimpulse und Triebe.
0:34:21–0:34:23
Jetzt wird es schon ruhig, jetzt sind wir gleich im Park.
0:34:24–0:34:26
Und die bestimmen den Trauminhalt.
0:34:31–0:34:38
Und die Art und Weise, wie heißt das, wo wir gerade gucken?
Florian Clauß
0:34:39–0:34:41
Ja, das ist die U-Bahn-Station Rathaus-Schöneberg.
0:34:43–0:34:48
Die ist wirklich so hier in diesem Palais eingefasst. Also, wenn man da drinnen
0:34:48–0:34:51
steht, dann hat das schon was irgendwie ...
0:34:52–0:34:55
Eine schöne Kombination zwischen U-Bahn und Architektur.
Micz Flor
0:34:55–0:34:57
Mhm. Oh, sehr schön.
0:35:00–0:35:00
Ähm ...
0:35:03–0:35:06
Die Hauptformel, mit der wir die Träume ...
0:35:09–0:35:14
Das Traummaterial verändern, sind laut Freud die Verdichtung und die Verschiebung.
0:35:15–0:35:17
Also die Verschiebung ist so eine leichte Form der Verdrängung.
0:35:18–0:35:22
Verschiebung bedeutet, dass wir dann irgendwie im letzten Meter noch irgendwie
0:35:22–0:35:25
abbiegen und nicht wirklich im Traum klar erleben,
0:35:25–0:35:30
was wir als Impulse, als Wunsch haben, sondern das wird eben so ein bisschen
0:35:30–0:35:34
abgeschoben, weil es eben zensiert ist. spricht auch von der Zensur.
0:35:35–0:35:38
Und Verdichtung auf der anderen Seite ist so ein bisschen wie das,
0:35:38–0:35:42
was ich jetzt auch mit dem Erich Fromm Beispiel gesagt habe,
0:35:42–0:35:47
im Bauch des Schiffes, im Meer und dann wieder im Fisch drin.
0:35:47–0:35:49
Also dass manche Dinge einfach sehr dicht zusammenkommen.
0:35:50–0:35:52
Da fallen irgendwie ganz viele Dinge zusammen.
Florian Clauß
0:35:53–0:35:56
Bedeutet dicht in dem Sinne auch bedeutungsaufgeladen?
Micz Flor
0:36:02–0:36:07
Das beste Bild, was man sich dazu heranziehen kann, ist, dass es wirklich von unten drängt.
0:36:07–0:36:11
Es darf aber nicht durchbrechen, so ein bisschen wie ein Alien, dieser Korbs.
0:36:13–0:36:20
Und um es nicht durchbrechen zu lassen, wird der Druck quasi größer, es wird verdichtet.
Florian Clauß
0:36:23–0:36:28
Also quasi wie ein Stern, der jetzt von der Supernova steht.
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Und man weiß nicht genau wann, aber du weißt, da drin geht es total ab und irgendwann
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ist dann halt auch der Stern, der Strahlendruck so groß, dass es halt ausbricht.
Micz Flor
0:36:38–0:36:42
Jetzt sprichst du von dem Stern im Gürtel des Orion, der ja gerade...
Florian Clauß
0:36:42–0:36:48
Ja, genau, der wird sich beobachten und sagen, jederzeit könnte da eine Supernovae passieren.
Micz Flor
0:36:48–0:36:53
Ja, da sitzen ganz viele elektroastronomische Geräte, die die ganze Zeit mit
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trockenen Augen in die gleiche Richtung gucken.
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Und dann ist es ganz wichtig, dass es natürlich eben um Verbotenes geht,
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was man sich nicht zugestehen kann, was man wegen alter Erziehungsmaßnahmen
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sich nicht traut anzunehmen oder zuzulassen. Das sind quasi diese Trauminhalte.
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Es gibt dann auch immer die Tagesreste, das habe ich ja vorhin schon gesagt
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mit dem Beispiel, ich habe geträumt, es hagelt die ganze Zeit,
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während wir aufnehmen und die Mikros gehen kaputt oder man hört nichts oder wie auch immer.
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Jetzt springen wir noch mal kurz zu Jung, der beobachtet oder dann so ein bisschen
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reflektiert über die Traumdeutung von Freud, wo er sagt, es ist ja alles so
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ein bisschen nach hinten gerichtet. Es sind oft kindliche Themen auch.
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Das heißt, in einem Traum geht es eigentlich dann immer nur der Blick nach hinten.
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Es entsteht nichts Neues im Traum. Dabei ist doch der Traum so ein kreativer Moment.
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Kann denn da nicht auch Neues entstehen? Und er sagt dann,
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dass der Traum eben sowohl den Blick nach hinten hat, aber auch den Blick nach
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vorne in die Zukunft, also dass man auch schon Dinge erahnt,
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die einen vielleicht irgendwann erreichen könnten, dass man auch neue Wege sieht.
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Er guckt da anders drauf.
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Und was ganz wichtig ist bei Jung ist, und jetzt möchte ich wieder ein Zitat
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vorlesen, wo Fromm Jung zitiert, also ist das quasi doppelt gemoppelt,
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aber ich finde das ganz wichtig.
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Jung sagt dazu, die Seele ist Durchgangspunkt, daher notwendigerweise nach zwei Seiten bestimmt.
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Sie gibt einerseits ein Bild vom Niederschlag alles Vergangenen und in diesem
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andererseits ein Bild der keimenden Erkenntnis alles Kommenden.
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Insofern die Seele selber die Zukunft schafft.
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Das klingt, finde ich, kann man gut annehmen, dass man auch so das Gefühl hat,
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dass man schon im Traum, gerade wenn man den wie Fromm sagt, auch herstellt.
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Wir sind ja der Agent oder die Agentin, die das Ganze schreibt,
0:39:02–0:39:07
die das Ganze herstellt, dass wir dann vielleicht auch Dinge einpacken und zulassen,
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die nach vorne gucken könnten und nicht nur das Verdrängte die ganze Zeit reindrückt.
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Das Ding bei Jung ist, dass er ...
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Da sehr spirituell religiös wird. Also er spricht davon, dass das Träumen quasi
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ohne Zweifel ein grundlegendes religiöses Phänomen ist.
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Und eine Stimme, die dann in unseren Träumen spreche, die sei nicht die eigene,
0:39:32–0:39:35
sondern kommt aus der Quelle, die uns transzendiert.
0:39:38–0:39:42
Also da spricht dann was Höheres, was hinter uns steht. Und das ist dann auch
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was, was verknüpft ist mit Grüße an Chris, verknüpft ist mit Jungs-Konzept von den Archetypen.
0:39:52–0:39:57
Archetypen sind nach Jung nicht Dinge, und das ist dann auch die Brücke zu unserer
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eigenen Folge über die künstliche Intelligenz.
Florian Clauß
0:40:00–0:40:01
Eigentlich-Folge.
Micz Flor
0:40:01–0:40:02
Die eigentliche Eigentlich-Folge.
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Archetypen sind eher der Hintergrund, auf dem wir auch sind.
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Und nichts, was wir in unserem kulturellen Zusammenspiel erfunden haben.
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Und damit ist es so ein bisschen verwandt eben mit diesem panpsychischen.
0:40:22–0:40:26
Ich weiß nicht, ob du dich daran erinnern kannst. Also diese Idee,
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dass Bewusstsein etwas ist, was angelegt ist, in irgendwie Quantenmechanik,
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wie auch immer, das heißt Bewusstsein ist da.
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Und es ist nicht so, dass wir komplex genug sind, dass wir uns selbst bewusst
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werden, Sondern wir sind komplex genug, dass wir dieses Bewusstwerden erleben,
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beschreiben und damit umgehen können.
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Und bei ihm ist es irgendwie so ähnlich. Und er hat dann einmal,
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das fand ich ein ganz schönes Beispiel, wo er das wirklich auch deutlich macht
0:40:55–0:40:59
und sich da auch nicht versteckt, weil das ist einfach seine feste Überzeugung.
0:41:01–0:41:08
Und da wurde er gefragt, ob die Stimme, die in den Träumen die Geschichte schreibt, das sind doch wir.
0:41:09–0:41:16
Und dann sagte er, ich würde einen Gedanken nur dann mein eigener nennen,
0:41:16–0:41:21
wenn ich ihn gedacht habe, ebenso wie ich Geld nur dann als mein eigenes bezeichnen
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würde, wenn ich es bewusst und legitim erworben habe.
0:41:25–0:41:28
Wenn jemand mir das Geld als Geschenk gibt, dann werde ich zu meinem Wohltäter
0:41:28–0:41:31
sicherlich nichts sagen. Ich danke dir für mein Geld.
0:41:32–0:41:37
Obwohl ich nachher zu einem dritten Person sagen könnte, das ist mein eigenes Geld.
0:41:38–0:41:41
Mit der Stimme bin ich in einer ähnlichen Lage. Die Stimme gibt mir gewisse
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Inhalte genauso, wie ein Freund mir seine Ideen mitteilen würde.
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Es wäre weder anständig noch weitsgemäß, sondern ein Plagiat zu behaupten,
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dass was er sagt ursprünglich und zuerst meine eigenen Ideen gewesen seien.
0:41:56–0:41:58
Also da merkst du, das ist glaube ich ganz deutlich, dass das,
0:41:58–0:42:03
was wir in den Träumen, das ist eine Öffnung in den Träumen zu etwas Transzendiertem,
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was uns diese Bilder, diese Öffnung nach vorne, nach oben auch geben.
0:42:09–0:42:14
Und wenn sie dann bei uns angekommen ist, dann ist sie auch unsere,
0:42:14–0:42:17
dann erzähle ich dir meinen Traum.
0:42:18–0:42:22
Aber es wäre trotzdem nicht komplett wahr zu sagen, dass das alles meine Ideen
0:42:22–0:42:27
sind. Und das ist, denke ich, natürlich dann ganz deutlich noch so ein anderer Sprung.
Florian Clauß
0:42:27–0:42:32
Ja, es ist ungefähr wie wenn wir jetzt diese Folge mit dem neuen Feature von
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Auphonic einfach die Zusammenfassung schreiben lassen.
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Ja, über Whisper und Chat-GPT.
0:42:39–0:42:43
Kann das auch Phonik? Ja, das hab ich dir da geschickt. Und automatisch Kapitelmarken
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setzen. Dann ist das jetzt nicht deine Stimme, sondern du hast die geliehen.
0:42:48–0:42:52
Und du musst dankbar sein. Ich hab sie bezahlt.
Micz Flor
0:42:53–0:42:58
Mit meinem Geld. Es ist nicht meine Stimme, aber es ist mein Geld und deshalb
0:42:58–0:42:59
ist es auch meine Stimme.
Florian Clauß
0:42:59–0:43:05
Meine Stimme. Ja, okay. Ja, so kann man es sehen, ne? Besitz und Idee.
Micz Flor
0:43:05–0:43:10
Und da ist es jetzt noch mal ganz wichtig, Erich Fromm habe ich ja eingeleitet,
0:43:10–0:43:12
wie er über das Symbolische gesprochen hat.
0:43:12–0:43:16
Und da hat er zugelassen zu sagen, es gibt sowas wie Feuer oder Wasser,
0:43:16–0:43:23
das sind universelle symbolische oder Symbole, die alle irgendwie verstehen.
0:43:23–0:43:27
Er relativiert es dann auch noch, er sagt zum Beispiel die Sonne ist jetzt eher
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in nördlichen Regionen dann vielleicht etwas,
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was nur positiv gesehen wird,
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weil es einfach so wenig Licht gibt dann nördlich des Polarkreises zum Beispiel,
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deshalb ist die Sonne immer gut für Ernte und so weiter, während in anderen
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Regionen der Welt vielleicht die Sonne auch als etwas Destruktives,
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Zerstörerisches, Verbrennendes gesehen werden kann.
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Also er meint, diese Wirkmacht, die solche universalen Symbole haben,
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die ist für alle Menschen spürbar und es kann trotzdem,
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regionale Unterschiede geben, was er hier eigentlich diesen konventionellen
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Symbolen vorbehalten hat.
Florian Clauß
0:44:03–0:44:08
Und das ist, nochmal den links, sind das Archetypen?
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Ist das quasi die Folie, wo der Geist dann halt so quasi gedeiht?
0:44:16–0:44:19
Kann man sich das, also ganz platt gesprochen?
Micz Flor
0:44:21–0:44:28
Die Archetypen, also wie ich das erlebe, es ist so ein bisschen wie die Titanen
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in der griechischen Mythologie. Die waren schon immer da, die hat man irgendwie weggesperrt.
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Also die griechischen Götter, die wir kennen, Zeus hat halt seine ganzen Titanen,
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älteren Kronos und sowas, hat er alles weggesperrt.
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Aber die wühlen und wirken, die sind nicht wirklich weg.
Florian Clauß
0:44:43–0:44:49
Aber die wirken ja dann über die Individualität der einzelnen Leuten irgendwie
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so in so ein kollektives Gedächtnis rein.
Micz Flor
0:44:57–0:45:02
Ja, und dieses kollektive Gedächtnis ist etwas, was Fromm zum Beispiel gut annehmen
0:45:02–0:45:06
kann. Dass er sagt, das kulturelle, unser Hintergrund, das ist ja dann auch
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ein Gestaltthema, Hintergrund werde das Vordergrund.
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Der kulturelle Hintergrund wirkt rein und um die Bedeutung des Vordergrunds
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zu verstehen, müssen wir auch den Hintergrund wissen.
0:45:15–0:45:19
Das ist das, was Fromm indirekt sagt, wenn jemand von der Sonne träumt und ich
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würde mit dieser Person über den Traum sprechen wollen, dann ist es hilfreich
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zu erfahren, dass diese Person aufgrund von Dürre die Sonne immer als was Gefährliches wahrgenommen hat
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oder diese Person hat aufgrund von Dunkelheit Sonne immer als was Positives wahrgenommen.
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Das ist sozusagen der kulturelle Hintergrund, den Fromm auch so annehmen würde.
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Und mit dem Vordergrund und Hintergrund spreche ich quasi in gestalterapeutischen Begriffen.
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Und bei Jung wäre es aber in der Reinform, so wie er das geschrieben hat,
0:45:48–0:45:53
anders. anders. Die Archetypen, die sind vor uns.
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Ja, so verstehe ich. Ich bin jetzt auch kein Experte. Vielleicht muss ich mich
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da mal reinlesen, wirklich dazu eine Folge machen. Dann habe ich es endlich auch kapiert.
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Learning by teaching in der Art.
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Aber in dem Verständnis, was ich jetzt gerade habe, sind die Archetypen nicht
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einfach nur kollektive,
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kulturelle, unbewusste Artefakte von Jahrtausenden der Menschheitsgeschichte,
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was natürlich für Mythen auch wieder gilt.
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Also zum Beispiel das Bild Sinnflut, da gab es ja dann irgendwelche Erkenntnisse vor ein paar Jahren,
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das glaube ich am Schwarzen Meer war, dass es wohl irgendwann so mal einen Bruch
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gegeben haben muss, wo unendliche Wassermassen sich in kürzester Zeit da so
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reingegossen haben und vermutet, ob dieses Bild der Sinnflut sich da einfach gehalten hat.
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Und wir können uns natürlich vorstellen, dass die Sinnflut einfach ein archaisches
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Bild ist, was man als Plottbild irgendwie so erfindet, aber es ist nicht auszuschließen,
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dass es eben auch Erfahrungen sind, die das Ganze so ins Rollen gebracht haben.
Florian Clauß
0:46:59–0:47:01
Ja, also es gibt ja auch,
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so bestimmte Trends, wo dann, ja wie soll ich sagen, dieses Indigene quasi so
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als ein Ort der Wahrhaftigkeit.
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Und da werden auch alle Indigene Kulturen zusammen gemixt,
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aber es gibt dann halt so, das habe ich jetzt irgendwo mal auf YouTube so einen Vortrag gesehen,
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das fand ich so ein bisschen strange,
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aber es ist ja so ein bisschen so, was Archetypisch,
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was Indigenes, was Wahrhaftiges und da kommt man an so eine Schicht und ich weiß nicht,
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ob das eine reine Projektion ist, aber so der Wunsch vielleicht vielleicht auch,
0:47:47–0:47:53
dass da was ist, was dann alles irgendwie so auch ein bisschen in Bedeutung
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und eine Kausalität bringt.
Micz Flor
0:47:57–0:48:04
Ja, das ist vielleicht so ein bisschen auch wieder so ein Gestalthema,
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das hat sich ja in der letzten Folge mit der emotionsfokussierten Therapie auch
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so ein bisschen besprochen, diese Rolle von Emotionen.
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Also man möchte vielleicht, wenn ich das jetzt so verbinde, man möchte vielleicht
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über solche indigenen Verbindungen auch irgendwie ein Gefühl dafür entwickeln
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können, dass wir alle miteinander verbunden sind.
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Und darin natürlich dann auch so ein bisschen dieses Konfluente,
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die sich auflösen, möglich ist.
Florian Clauß
0:48:31–0:48:36
Ja, das geht in die Richtung, das stimmt. So dieses Konfluent und das Verbindende
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und wo dann den indigenen Kulturen nachgesagt wird, dass die auch den Schlüssel
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dazu haben, eben das zu spüren.
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Und der dann in der westlichen Konsumwelt irgendwo verloren gegangen ist.
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Das ist immer eine Konsumpolitik. Wir gehen jetzt hier über diese kleine Brücke.
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Wir können über das Wasser laufen, noch so ein Archetyp.
Micz Flor
0:48:57–0:49:00
Nee, wir gehen durch diese Pfütze oder um diese Pfütze.
Florian Clauß
0:49:00–0:49:02
Nee, ich glaub, durch die Pfütze kommen wir nicht.
Micz Flor
0:49:02–0:49:04
Wir müssen da hoch über die Brücke.
Florian Clauß
0:49:04–0:49:09
Wir müssen da hoch. Da müssen wir hier diesen Pfad lang gehen.
Micz Flor
0:49:09–0:49:12
Also, ich wette, ich treff dich oben. Ich wette, man kommt hier rum.
Florian Clauß
0:49:14–0:49:21
Okay, also, wir haben jetzt so Ansätze von Freud kennengelernt, Ansätze von Jung.
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Und sind auch immer wieder mit Frommen dann dabei.
Micz Flor
0:49:26–0:49:29
Also um diese drei Schubladen so ein bisschen zu belabeln, ja,
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es ist halt irgendwie bei Freud so, dass er diese Strömung des 19.
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Jahrhunderts, späten 19. Jahrhunderts, Schopenhauer-Nietzsche aufgenommen hat,
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die sich gegen diese reine Aufklärung und Moral irgendwie gewehrt haben,
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gesagt haben, es ist nicht alles so super cool und weiße Weste und hochgeknöpft, wie alle so tun.
0:49:52–0:49:58
Da gibt es mehr. Das ist halt das, was man vielleicht dann nicht sagt, Aber das heißt nicht...
0:50:00–0:50:04
Und vor dem Hintergrund hat er dann eben diese Traumidee entwickelt,
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dass der Traum geprägt ist von diesen unbewussten Drängen, Trieben,
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Wünschen, die allerdings im Traum verändert werden.
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Die Mechanismen sind das Verdichten, was dann vielleicht sogar auch was gut
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ausgeht, was im Alltag nie gut ausgeht, damit man nicht aufwacht.
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Das andere ist eben das Verschieben, dass man zum Beispiel seinen Menschen,
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auf den die ganze Begierde gerichtet ist oder der ganze Hass gerichtet ist,
0:50:35–0:50:36
im Traum dann irgendwie verschiebt.
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Dann ist er auf einmal ein Platzhalter, eine historische Figur oder ein anderer
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Gegenstand, weil man sonst eben auch
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wieder aufwachen würde und nicht weiterschlafen kann, verkürzt gesagt.
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Jung hat als Kritik angebracht, okay, es geht ja nicht nur um das Vergangene
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und diese Kindheitsthemen,
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verdrängt, sondern es geht auch darum, dass im Traum mal was konstruktiv entworfen werden kann,
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in Zukunft gesehen werden kann und kommt dann aber im zweiten Schritt mit den Archetypen,
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das also hinter den die Träume in gewisser Weise eine transzendentale Öffnung darstellen,
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in denen wir empfänglich sind für buchstäblich Stimmen, die allerdings nicht
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unsere sind, sondern die zu uns kommen.
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Und Fromm eben auch in der Anlehnung an den Zeitgeist der damaligen Zeit,
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die Neopsychoanalyse, die auch versucht hat, mit ein paar Sachen aufzuräumen.
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Das kommt dann nachher auch in dem Rotkäppchen-Thema noch mal ein bisschen.
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Und aber eben auch die Gestalttherapie in der Verwandtschaft mit diesem existenziellen
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Denken, die sagt, Wir haben Verantwortung, wir sind Akteure.
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Wenn wir diese Verantwortung übernehmen, in vollem Gewahrsein,
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dann ist das in sich selbst schon ein wichtiger Schritt für Wachstum oder Heilung,
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wenn wir uns als krank wahrnehmen.
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Für Traumdeutung heißt es, oder die Träume selbst, dass wir das Material und
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die Geschichten selber herstellen.
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Das sind unsere Geschichten, wir machen die im Traum. Und da ist es doch nur
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spannend, mal zu treffen.
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Diese Geschichten für uns bedeuten könnten. Das ist nicht ausgeschlossen,
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dass wir archätypisch denken, dass für bestimmte Kulturen bestimmte Dinge etwas
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bedeuten und auch im Traumland vielleicht diese Bedeutung einnehmen.
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Es kann aber auch sein, dass es eine Verschiebung ist. Da ist es jetzt nicht
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so, dass man das dann komplett alles über Bord schmeißt.
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Aber der wichtigste Punkt ist eben, wir können auch nach vorne gucken und es
0:52:38–0:52:40
ist nicht nur verdrängt, dass was hochkommt, sondern es sind einfach Geschichten,
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die wir uns erzählen. Also es ist sehr viel mehr Eigenverantwortung mit dabei, auch beim Träumen.
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Aktive oder konstruktivistische Themen vielleicht sogar. Wir erschaffen,
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wie er ja sagt, wenn wir einschlafen, erwachen wir in eine andere Welt.
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Und in dieser Welt erschaffen wir Gebilde, Geschichten, können auch vielleicht
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Probleme umwälzen, Dinge herstellen.
Florian Clauß
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Ich verstehe, also so ein bisschen, wenn man das jetzt sehr übertragen vergleichen
0:53:08–0:53:10
mag mit den verschiedenen,
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Konfessionen von Katholizismus, Katholiken und Protestanten, so, dass für die,
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Katholiken der Ostersonntag der höchste Feiertag ist, weil dann die Auferstehung gefeiert wird,
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Also eher jenseitsbezogen, während für die Protestanten der Karfreitag der höchste Feiertag ist.
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Eben das Leiden und Sterben von Jesus Christi, weil es eher diesseitsbezogen ist.
Micz Flor
0:53:49–0:53:54
Ah, da kennst du dich besser aus als ich. Und der Buddhismus wäre dann die dritte,
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weil ich hatte ja drei quasi auf dem Buffet.
Florian Clauß
0:53:56–0:53:59
Nein, nein, ich versuche ja, ich sehe gerade so dieses...
Micz Flor
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Wenn es mosaische Religionen sind, dann wäre natürlich das Judentum der Dritte.
0:54:07–0:54:10
Die dritte Religion da, aber das kann ich dir nicht so richtig beantworten.
Florian Clauß
0:54:10–0:54:14
Aber natürlich ist es... Es geht mir jetzt darum, dass es so ein bisschen,
0:54:14–0:54:19
also was ich jetzt verstehe, der Punkt, wo du jetzt dann bei der Gestalttherapie
0:54:19–0:54:22
rauskommst, ist ja, dass es dann eher so anwendungsbezogen wird.
Micz Flor
0:54:22–0:54:28
Ja, also für mich ist es in der Arbeit so, dass ich das anwendungsbezogen finde
0:54:28–0:54:29
und ich bin mir sicher, dass...
Florian Clauß
0:54:29–0:54:32
Und nicht so sehr quasi fatalistisch wahrgenommen wird, ne?
0:54:32–0:54:36
Weißt du, du kannst ja immer, wenn du irgendwie was Rückblickendes hast,
0:54:36–0:54:42
dann sind das ja auch irgendwelche Zwänge, die vielleicht dann nicht so einfach
0:54:42–0:54:47
loszuwerden sind. Und wenn man dann erguckt, was kommt, dann hast du ja einen anderen Freiraum.
Micz Flor
0:54:47–0:54:54
Ja, man würde in vollem Wachzustand dann sogar über sowas wie Ressourcenaktivierung sprechen oder so.
0:54:54–0:54:59
Aber bei der Traumdeutung sind dann eben die Unterschiede bei Freud,
0:54:59–0:55:08
Dass die E-Striebe, die verändert werden, bei Jungen die Stimmen der Transzendenz,
0:55:08–0:55:09
die sie erreichen können.
0:55:10–0:55:12
Und in der Gestalttherapie das Existenzialistische.
0:55:13–0:55:18
Wir sind komplexe Wesen, die so viel können. Wir können sogar Träume machen.
0:55:19–0:55:22
Und mit diesen Träumen, genauso wie mit Musik, können wir uns auseinandersetzen.
0:55:23–0:55:26
Oder eben mit Märchen. Das ist dann vielleicht sogar der Bezug auf so einer
0:55:26–0:55:30
kulturellen Ebene. Märchen sind dann auch gemachte Geschichten,
0:55:30–0:55:32
die überleben durften, weil die scheinbar irgendwas beinhalten.
Florian Clauß
0:55:34–0:55:36
Märchen, ist das jetzt der Stichpunkt?
Micz Flor
0:55:36–0:55:37
Das ist der Stichpunkt.
Florian Clauß
0:55:37–0:55:44
Wow. Mitch, ganz kurz. Wir sind, wir haben, also danke erstmal für diesen Überbau.
0:55:44–0:55:46
Ich habe einiges gelernt und...
Micz Flor
0:55:46–0:55:53
Oder habe ich das falsch gemacht? Nein. Vielen Dank für dieses Interview.
Florian Clauß
0:55:55–0:56:01
Ich habe einiges gelernt und denke mir zumindest, dass ich es verstanden habe.
0:56:03–0:56:09
Du hattest ja die Episode angekündigt, dass wir jetzt noch mal in so eine quasi
0:56:09–0:56:13
eine Interpretation eines Märchens reingehen.
Micz Flor
0:56:14–0:56:16
Das kommt jetzt, genau.
Florian Clauß
0:56:17–0:56:21
Aber ich möchte vielleicht, weil wir haben jetzt schon eine Stunde aufgenommen
0:56:21–0:56:26
und ich fände es total super, wenn wir jetzt hier so einen Cliffhanger machen,
0:56:26–0:56:29
weißt du, quasi so einen theoretischen Cliffhanger,
0:56:29–0:56:33
weil alle unsere Zuhörerinnen und Zuhörer sind jetzt schon ganz heiß nach dieser
0:56:33–0:56:35
Theorie auf die Praxis zu kommen und sagen,
0:56:35–0:56:44
in zwei Wochen erfahrt ihr dann mehr, was wir zu Rotkälbchen mit diesem Überbau zu sagen haben.
0:56:45–0:56:51
Und deswegen mein Vorschlag, wir machen hier einen Cut und nehmen dann weiter
0:56:51–0:56:55
auf in zwei Wochen. Und was hältst du davon?
Micz Flor
0:56:55–0:56:57
Wow. Okay.
Florian Clauß
0:56:57–0:56:59
Oder reißt sich das jetzt gerade zu sehr raus?
Micz Flor
0:56:59–0:57:06
Nee, aber ich finde es super, weil wer hätte gedacht, zwei Folgen in einer Wanderung.
0:57:06–0:57:12
Klasse. Und wir haben zwei Cliffhanger, dann hätten wir auch noch die Tour,
0:57:12–0:57:16
weil du hast ja wahrscheinlich ein geniales Finale für unsere Wanderung noch angedacht.
0:57:17–0:57:20
Und auch, weil die Tour würde ja dann auch einfach weitergehen nächste Woche.
Florian Clauß
0:57:20–0:57:21
Ja, machen wir so.
Micz Flor
0:57:21–0:57:22
Okay, bin ich dabei.
Florian Clauß
0:57:22–0:57:30
Okay, alles klar, also dann sage ich, das war eigentlich Podcast Episode 31.
0:57:32–0:57:41
Heute hat Mitch uns viel Theorie zum Träumen von großen Namen der Psychoanalyse erzählt.
0:57:43–0:57:47
Vielen Dank dafür. Das Ganze mit Material findet ihr auch unter eigentlich-podcast.de.
0:57:49–0:57:55
Und eigentlich Podcast ist der Podcast, bei dem wir laufend reden und im Laufen reden.
Micz Flor
0:57:55–0:57:57
Und im Regen laufen.
Florian Clauß
0:57:57–0:58:00
Und im Regen laufen. Genau. Also bis zum nächsten Mal.
Micz Flor
0:58:00–0:58:04
Bis zum nächsten Mal und träum weiter! Tschüss! Tschüss!

Mehr

"Thank you, sorry, thank you!"

Wie vor einem Jahr ist Chris wieder zu Besuch in Berlin und auch diesmal nehmen Chris und Flo nach Midsommar einen Podcast über das neueste Werk von Ari Aster auf: Beau is afraid. Wir beide verehren den Hauptdarsteller Joaquim Phoenix sehr. Wir unterhalten uns über das tragische Schicksal von Joaquims Bruder River Phoenix, über die Erfolge der Produktionsfirma A24 und Ari Asters Filmografie, bevor wir dann zum eigentlichen Kernstück des Podcast kommen: dem Film "Beau is afraid". Wir sind uns einig, dass die ersten beiden Teile des Films, die Szenen in und um Beaus Wohnung und die Familiengeschichte in der Vorstadt, die stärksten Teile des Films sind. Angst, Schuld und Trauma werden hier in verschiedenen Varianten des gesellschaftlichen und familiären Zusammenlebens ausgelotet, die alptraumhafte Zustände annehmen. Chris bemerkt, dass Beau im Alltag mit einer Sprachfloskel eine Strategie entwickelt hat, mit der er seine Angst in der Konfrontation mit seiner Umwelt bewältigen möchte: "Thank you, sorry, thank you." Doch damit schliddert er von einer katastrophalen Situation in die nächste, ohne die Möglichkeit zu bekommen, die Situation selbst in die Hand nehmen zu können. Der Zuschauer könnte annehmen, dass Beau in einer fast schuldlosen Weise seinem Schicksal ausgeliefert sei, wäre da nicht seine Mutter. Die zweite Hälfte des Films wird von einem Mutter-Sohn Konflikt dominiert, der manchmal so banal ist, dass nur die überladenen und ausschweifenden Bilderwelten von Ari Aster der Leinwand etwas Gehaltvolles geben können. Der Film schafft trotz allem und gerade dank der genialen Kameraführung und des ausschweifenden Set-Designs mächtige Bilder, die im Kopf hängen bleiben. Wir tauchen in verschiedenen Tiefen des Films ab, sind uns uneins über die Bedeutung des Ganzen, finden aber schöne Referenzen in anderen Werken und gesellschaftlichen Phänomenen. Unsere Route führt uns durch das periphere Lichtenberg an einem heißen Nachmittag unter der Woche, das so leer und leblos wirken kann wie das Ende des Films Beau is afraid.

Shownotes

Mitwirkende

avatar
Chris Flor
Erzähler
avatar
Florian Clauß

Transcript

Florian Clauß
0:00:00–0:00:05
Schon mal gut gelaufen. Jetzt gehen wir da lang. So, und jetzt starte ich den Track.
0:00:07–0:00:09
Bitte nicht stören. Hast du deinen Störn angemacht?
Chris Flor
0:00:09–0:00:12
Ach so, ja, Störn ist auch gut.
Florian Clauß
0:00:12–0:00:13
Nee, das ist nicht Störn.
Chris Flor
0:00:14–0:00:20
Den Fokus, den kannst du hier. Hier, Fokus. Do not disturb. Okay.
Florian Clauß
0:00:21–0:00:25
Hallo und herzlich willkommen bei eigentlich Episode 32.
0:00:27–0:00:34
Und heute, ich muss sagen, es ist nicht eine Premiere, sondern das zweite Mal zu Gast.
0:00:35–0:00:38
Ich bin sehr, sehr, sehr froh, dass es geklappt hat.
0:00:38–0:00:41
Nämlich Chris, Chris Flohr. Hallo.
Chris Flor
0:00:41–0:00:42
Tada, hallo.
Florian Clauß
0:00:43–0:00:47
Freut mich. Also ich habe schon, das, es ist immer nicht ganz einfach,
0:00:47–0:00:53
dass wir uns zusammenfinden für eine Episode, weil du wohnst ja nicht hier in
0:00:53–0:00:54
Europa, sondern in Kalifornien.
0:00:58–0:01:03
Deswegen einmal im Jahr auf Heimatbesuch treffen wir uns.
0:01:03–0:01:07
Und jetzt wird es auch geklappt, dass wir eine Folge aufnehmen zusammen.
0:01:07–0:01:13
Und was tatsächlich auch der Fall ist, das letzte Mal haben wir ja zusammen
0:01:13–0:01:16
über Midsommar geredet von Ari Aster.
0:01:16–0:01:23
Und heute wollen wir auch über Ari Aster reden, nämlich über seinen neuen Film Bo is Afraid.
0:01:24–0:01:28
Zu Genese von diesem Thema vielleicht gesagt,
0:01:28–0:01:34
dass du hattest den geguckt, Chris, hattest du mich dann noch mal angeschrieben
0:01:34–0:01:40
und meintest so gucken, unbedingt gucken und ich hatte den auch auf meiner Watchlist,
0:01:40–0:01:42
aber hat mich natürlich dann total motiviert.
0:01:43–0:01:46
Wir steigen so ein bisschen ein, das Thema.
Chris Flor
0:01:46–0:01:52
Ja, ich habe so ein bisschen so eine Idee, wie ich dann halt so sagen,
0:01:52–0:01:54
wie ich dann da so reinkommen konnte.
Florian Clauß
0:01:57–0:02:01
Aber okay, wir werden auf jeden Fall spoilern. Also das heißt,
0:02:01–0:02:06
wir werden Inhalte vorwegnehmen. Wer den Film noch nicht gesehen hat und ihn sehen möchte, der...
Chris Flor
0:02:07–0:02:08
Und nicht gespoilert werden möchte.
Florian Clauß
0:02:08–0:02:13
Genau, und nicht gespoilert werden möchte, der sollte dann diesen Podcast nicht anhören.
0:02:14–0:02:20
Wir fangen bei Ari Aster an. Ari Aster ist der dritte Regiefilm von ihm,
0:02:20–0:02:23
wieder von A24 produziert.
0:02:26–0:02:30
Hatten wir das letzte Mal, glaube ich, nicht erwähnt, das hatten wir ganz groß
0:02:30–0:02:34
auf der Liste. Was für eine geniale Produktionsfirma A24 ist.
0:02:38–0:02:43
A24 hat zuletzt sogar mehrere Oscars gewonnen, mit Zeitreisen parallel, once.
Chris Flor
0:02:44–0:02:48
I feel like I did everything, everywhere, all at once.
Florian Clauß
0:02:48–0:02:51
Yeah, you know, everything, everywhere, all at once.
0:02:53–0:02:59
Da war, glaube ich, der große Erfolg von A24. Aber ich weiß nicht.
0:03:01–0:03:04
Nicht in Vorbereitung dieser Sendung, aber so ein bisschen, man könnte schon
0:03:04–0:03:07
sagen, dass die A24 auch viele Independent-Filme produziert.
0:03:09–0:03:13
Wie zum Beispiel Kelly Reichardt, also wo wir auch schon mal eine Episode hatten
0:03:13–0:03:17
mit First Cow. Kelly Reichardt wird... und einige Horrorfilme.
0:03:20–0:03:25
Und Ari Aster hat, glaube ich, alle drei Filme sind von A24 produziert.
0:03:26–0:03:29
So weit ich bin ich
0:03:29–0:03:32
mir nicht 100
0:03:32–0:03:35
prozentig hereditary war ja
0:03:35–0:03:43
der erste das debüt von ari aster ich glaube 2018 ist er rausgekommen und da
0:03:43–0:03:48
war er schon nach diesem debüt wurde als sehr vielversprechend gehandelt mit
0:03:48–0:03:53
summer ist glaube ich so der stern von ari aster wobei Da war ich halt wieder,
0:03:53–0:03:59
auch Leute kenne, die mir sagten, sie machten Hereditary sehr gerne und fanden
0:03:59–0:04:01
Midsommar blöd. Ja, die haben halt keine Ahnung.
Chris Flor
0:04:01–0:04:04
Die haben keine Ahnung und ich weiß auch nicht, wo die jetzt stehen würden mit diesem.
Florian Clauß
0:04:04–0:04:11
Genau, und dieser Film, ich glaube, man muss sehr viel von einem Regisseur halten,
0:04:11–0:04:12
dass er so einen Film machen kann.
0:04:13–0:04:19
Also, ich glaube, es gibt wenig Filme, die, oder wenig Produktionsbedingungen,
0:04:19–0:04:23
die so viel Freiheit dem Regisseur lassen, dass er eben so einen Film produzieren kann.
0:04:24–0:04:28
Also das ist soweit vorweggenommen von Bo is Afraid.
0:04:29–0:04:38
Das Cast von dem Film ist mit Joaquim Phoenix natürlich auch wirklich so top angesiedelt.
0:04:41–0:04:44
Was fällt dir noch? Fällt dir noch irgendein bekannter Schauspieler ein?
Chris Flor
0:04:44–0:04:48
Warte mal, Parker Posey ist da drin auch.
0:04:48–0:04:54
Das ist ja so eine Generation X, irgendwie, was weiß ich, Schwarm,
0:04:54–0:05:01
Jungenschwarm von unserer Generation, würde ich mal sagen, die diese Eileen spielt.
Florian Clauß
0:05:01–0:05:02
Ja, genau, ja, ja.
Chris Flor
0:05:03–0:05:05
Sonst, wer, berühmte Schauspieler?
0:05:08–0:05:12
Ja, man kennt die Gesichter halt. Dieser Anwalt dann am Ende,
0:05:12–0:05:15
den kennt man halt von so Comedy, Fernseh-Comedy-Shows.
0:05:23–0:05:28
In der Familie, wo er zwischenzeitlich landet, den Vater, den hat man auch schon
0:05:28–0:05:31
gesehen, aber da habe ich jetzt nicht genau nachgeschaut, wo der her ist.
0:05:31–0:05:37
Da sind ein paar bekannte Gesichter dabei. Der große Name, der einzige große Name ist glaube ich...
0:05:37–0:05:42
Phoenix und Parker Posey ist dann halt so eine Indie-Größe.
Florian Clauß
0:05:44–0:05:47
Ich möchte nochmal kurz so ein bisschen bei Joachim Phoenix bleiben,
0:05:47–0:05:53
weil ich weiß nicht, wann ist dir der Schauspieler Joachim Phoenix das erste
0:05:53–0:05:58
Mal so aufgefallen in deiner Guckenskarriere? Gladiator?
Chris Flor
0:05:58–0:06:05
Ja. Und da wusste man, das war der Bruder von River Phoenix und man dachte irgendwie, River
0:06:05–0:06:11
war ja diese Legende, auch eine Generation X-Legende, der große Schauspieler,
0:06:11–0:06:18
der unser James Dean, weil er halt dann gestorben ist, man dachte,
0:06:18–0:06:23
das würde eine große Karriere werden und dann war der halt dann auf einmal verschwunden.
0:06:23–0:06:28
Joaquin Phoenix, dachte man halt, dass der als Bruder dann halt einfach so noch
0:06:28–0:06:34
eine kleine Seitenkarriere hat.
0:06:34–0:06:38
Das hatte eigentlich niemand gedacht, dass der so eine große Karriere aufmacht
0:06:38–0:06:41
und was für ein großartiger Schauspieler der auch ist. Und er ist auch wirklich
0:06:41–0:06:42
einer meiner Lieblingsschauspieler.
Florian Clauß
0:06:43–0:06:46
Ja genau, also ich stimme dir hundertprozentig zu.
0:06:47–0:06:51
Das ist tatsächlich Joachim Phoenix ist für mich auch einer wirklich ein großartiger Schauspieler.
0:06:52–0:06:55
Ich mag ihn total gerne, ich finde ihn auch richtig schön.
0:06:56–0:07:03
Und auch die Parallele zu dem Titel Bo is Afraid heißt ja nichts anderes als Schön hat Angst.
0:07:03–0:07:06
Ja, ja, ja. Schön hat Angst, ja.
0:07:06–0:07:15
Und ich finde bei Bo is Afraid, ich finde es unglaublich, wie er nicht dieses
0:07:15–0:07:20
typische Jack-im-Phoenix-Gesicht hat, weil der hat ein unglaubliches Charisma.
0:07:20–0:07:23
Der muss nur ein bestimmtes Gesicht machen, hat eine unglaubliche Präsenz.
0:07:24–0:07:28
Und in dem Film kommt das nicht einmal vor, ja. Es kommt so in Augenzwickern
0:07:28–0:07:31
vor, wo du dann denkst, Du denkst so, ja, das ist Joachim Fenix, wie ich ihn kenne.
0:07:32–0:07:38
Und das finde ich, also auch die Schauspieler, die schon ihre Leistung, sehr, sehr stark.
Chris Flor
0:07:38–0:07:40
Hast du ihn in Inherent Vice gesehen?
Florian Clauß
0:07:40–0:07:42
Nee, den habe ich nicht gesehen.
Chris Flor
0:07:42–0:07:45
Thomas Pynchon. Und da ist es so relativ ähnlich.
0:07:46–0:07:51
Also nicht ganz anders natürlich, aber halt die Sprachmelodie und so weiter ist relativ ähnlich.
0:07:51–0:07:57
Da ist der Charakter die meiste Zeit auf irgendwelchen Drogen drauf muss dann deswegen,
0:07:57–0:08:02
ist halt unsicher, muss die Sachen so verstehen aus dieser Drogenerfahrung heraus
0:08:02–0:08:08
und ich fand so vom Klang der Stimme und so weiter fand ich ihn da am Nächsten.
Florian Clauß
0:08:10–0:08:11
Inherent Vice?
Chris Flor
0:08:11–0:08:13
Inherent Vice. Das habe ich gesehen.
Florian Clauß
0:08:13–0:08:14
Das ist doch auch die Literaturverschiebung.
Chris Flor
0:08:15–0:08:16
Thomas Pynchon. bisschen.
Florian Clauß
0:08:20–0:08:25
Von der Art her hat mich der erinnert. Bicklebowski soll ich sagen.
0:08:25–0:08:30
Bicklebowski, nein, wo die auch die ganze Zeit Drogen nehmen und in Las Vegas sind.
Chris Flor
0:08:30–0:08:33
Ah, ja, vielen Leuten in Las Vegas, genau, diese beiden Filme. Ja, vielen Leuten.
0:08:33–0:08:39
Und ich finde auch, selbst der Roman von Pinschern hat auch von beidem was,
0:08:39–0:08:41
aber ist auch ein klasse Roman.
0:08:41–0:08:44
Der liest sich auch ruckzuck durch und der macht Spaß. Das ist,
0:08:44–0:08:49
würde ich mal sagen, auch wenn jemand so Respekt und ein bisschen Angst davor
0:08:49–0:08:54
hat, Pinschenbuch zu lesen, dann sollte er mit Herr Inherent Weiss anfangen, er oder sie.
Florian Clauß
0:08:56–0:09:00
So, wir verlassen jetzt die Straße. Ich habe extra gesagt, Chris,
0:09:00–0:09:02
wir suchen uns einen Weg, wo wir nicht viele Autos haben.
0:09:03–0:09:06
Aber wir werden dir natürlich alles mit KI ausbügeln, von Authentic.
0:09:09–0:09:14
Wir hören uns dann wieder so schnaufend im Studio an. Mal gucken,
0:09:14–0:09:16
wie weit wir das dann reinfiltern, rausfiltern.
0:09:17–0:09:20
Joachim Phoenix, noch ganz kurz zu seiner Biografie, weil du hattest schon angesprochen,
0:09:20–0:09:25
River Phoenix, sein Bruder, hat seinen letzten großartigen Film,
0:09:25–0:09:28
der hat mich damals total geprägt, My Private Idaho.
Chris Flor
0:09:28–0:09:30
Oh, oh, ja, ja, ja. Ja. Das war sein letzter Film?
Florian Clauß
0:09:30–0:09:35
Das war der letzte, oder es hat, glaube ich, angefangen und es wäre in den anderen Filmen gestorben.
0:09:36–0:09:41
Und es hat tatsächlich gestorben in den Armen von, von, äh, Jackie Phoenix.
Chris Flor
0:09:41–0:09:43
Ah, wirklich? Woran ist er gestorben?
Florian Clauß
0:09:43–0:09:43
Na ja, Speedball.
Chris Flor
0:09:44–0:09:44
Ah, shit.
Florian Clauß
0:09:44–0:09:45
Also das war ja so die Partyprobe.
Chris Flor
0:09:45–0:09:47
Klassiker.
Florian Clauß
0:09:47–0:09:50
Ja, Klassiker. bekannte Schauspieler
0:09:50–0:09:54
oder Musiker. Sweet Boy ist eine Mischung aus Heroin und Kokain.
0:09:55–0:10:00
Das Fatale daran ist, dass eine Überdosierung dann nicht unbedingt gemerkt wird,
0:10:00–0:10:03
da das eine putscht, das andere zieht einen runter.
0:10:04–0:10:10
Und viele sterben dann eben dann über diese Dosierung. – Euphorie und eins beruhigt
0:10:10–0:10:13
und das andere… – Ich weiß noch,
0:10:13–0:10:17
das war für mich tatsächlich dramatischer als der Tod von Kurt Cobain.
0:10:17–0:10:23
Weil er ungefähr, das war ja so 92, 93, Kurt Cobain 94, ich weiß nicht mehr.
0:10:23–0:10:27
Er hat auch einen der Jungs in Stand By Me gespielt. Damit ist er groß geworden,
0:10:27–0:10:28
war halt so ein Kinderschauspieler.
0:10:29–0:10:34
Die Familie, die waren in einer Sekte Mitglied, Children of God,
0:10:34–0:10:38
wie man sich so eine Sekte dann halt damals irgendwie so vorstellt,
0:10:38–0:10:40
muss halt recht hart gewesen sein.
0:10:40–0:10:43
Und die haben sich auch komplett distanziert, also sie sind ausgetreten,
0:10:43–0:10:45
haben dann abgeschworen und...
Chris Flor
0:10:46–0:10:48
Nur die Kinder oder auch die Eltern?
Florian Clauß
0:10:48–0:10:51
Alle, alle die Eltern auch. Also es war ja zu der Zeit, ne? Und ich glaube,
0:10:51–0:10:55
dann waren die noch jung, da haben die ja so ein bisschen Erfahrung gemacht.
0:10:56–0:10:59
Er ist aber auch in der Zeit, und ich glaube, das hat er dann auch durch das
0:10:59–0:11:05
Sektenleben mitbekommen, er lebt, glaube ich, seit seiner Kindheit vegan und
0:11:05–0:11:06
ist auch ein ganz starker Tierschützer.
0:11:07–0:11:11
Das trifft sich, ich glaube, dann mit deinen Themen sehr gut.
Chris Flor
0:11:11–0:11:14
Ja, also deswegen ist er mir halt auch noch mal sehr nah.
0:11:14–0:11:18
Also ich würde den als Schauspieler auch super finden, aber ich finde dann halt auch,
0:11:18–0:11:25
Ich kenne dann halt eben auch die Videos, wo er dann erst mal einen Preis verliehen
0:11:25–0:11:30
bekommt und dann genau dieselben Sachen sagt, die ich halt dann überall schon
0:11:30–0:11:33
gelesen hatte und ich halt auch zutiefst empfinde.
0:11:33–0:11:38
Ich freue mich darüber, dass wir so einen guten Schauspieler halt auch haben,
0:11:38–0:11:44
dem halt das Tierwohl auch im Zentrum steht und der so eine Situation wie eine
0:11:44–0:11:48
Preisverleihung dann halt dazu verwendet,
0:11:48–0:11:52
auch wenn es natürlich sehr vielen Leuten irgendwie auf die Nerven geht,
0:11:52–0:11:55
wenn sowas passiert und das jetzt nicht um...
Florian Clauß
0:11:55–0:12:01
Ja, also ich würde sagen, der Werte-Kompass zeigt in eine ähnliche Richtung
0:12:01–0:12:04
und das finde ich auch gut,
0:12:04–0:12:08
wenn eben Schauspieler oder bekannte öffentliche Persönlichkeiten dann auch
0:12:08–0:12:12
die Gelegenheit nutzen, das auch entsprechend die Werte dann zu vertreten.
0:12:12–0:12:13
Das ist ja nicht immer selbstverständlich.
0:12:14–0:12:18
Zu meinem Private Idol, da kommen wir so ein bisschen in diesen Kosmos von Gus van Zandt.
0:12:19–0:12:24
Der hat einen Film gedreht, ich weiß nicht, ob du den geguckt hast, Last Days.
0:12:25–0:12:27
Das sind die letzten Tage von Kurt Cobain, so ein bisschen.
Chris Flor
0:12:27–0:12:28
Ah, so habe ich gesehen.
Florian Clauß
0:12:28–0:12:31
Ja, den finde ich auch super stark.
Chris Flor
0:12:31–0:12:37
Ja, der ist anstrengend auch. Also, der ist auch sehr anstrengend,
0:12:37–0:12:39
weil man schaut den sich an und denkt dann, dass man halt irgendwie so einen
0:12:39–0:12:44
coolen Kurt Cobain mitkriegt und dann ist das halt wirklich eine nervige Figur.
0:12:44–0:12:49
Du siehst einfach, wie der verfallen ist.
Florian Clauß
0:12:49–0:12:52
Das finde ich so eindrücklich, dass er so nahe erzählt, wie er auch überhaupt
0:12:52–0:12:56
nicht mehr kommunizieren kann, wie er nur noch seine Rituale hat,
0:12:56–0:12:56
seine Cornflakes-Packung.
0:12:56–0:13:03
Völlig desolat. Also Also dieser ganze Ruhm ist einfach total abgefallen,
0:13:03–0:13:04
das ist einfach ein kaputter Typ.
0:13:04–0:13:07
Und das finde ich schon, ja der ist anstrengend, aber finde ich irgendwie so
0:13:07–0:13:10
erzählt, dass es fast ein Dokumentarfilm ist.
0:13:11–0:13:19
Okay, jetzt langer Bogen durch die Filmgeschichte hin zu dem Film, Bow is Afraid.
0:13:22–0:13:27
Und ja, vielleicht fangen wir mal einfach an, so mit einem Eindrücken und gehen
0:13:27–0:13:28
dann in die Geschichte rein.
Chris Flor
0:13:28–0:13:34
Also ja, der kam raus und ich habe mich auf den gefreut, aber halt auch wusste
0:13:34–0:13:35
von den Previews nichts.
0:13:36–0:13:40
Ich gucke bei Previews oft nicht so genau hin, weil ich mir nichts Spoiler lassen
0:13:40–0:13:43
wollte. Habe dann aber doch geguckt und wusste dann wirklich nicht,
0:13:43–0:13:44
was ich davon erwarten sollte.
0:13:45–0:13:49
Habe mich dann da schon darauf gefreut, wollte mir den aber auch nicht im Kino
0:13:49–0:13:53
ansehen, weil ich ja eigentlich nicht mehr so gerne ins Kino gehe.
0:13:55–0:13:59
Und dann dauerte es ja Ewigkeiten, bis der digital erhältlich wurde.
0:13:59–0:14:04
Als der dann im Kino war, ich habe so eine Signalgruppe, so eine Filmgruppe
0:14:04–0:14:10
und da war eine davon, war in dem Film und hat während des Filmes über die Signalgruppe
0:14:10–0:14:11
hat sich da halt gemeldet.
0:14:12–0:14:15
Also ich schaue mir den an, es ist so unangenehm, ich habe so Angst.
0:14:19–0:14:22
Und die Gruppe hat das dann halt so gelesen und wir haben uns dann gefragt,
0:14:22–0:14:26
bist du an deinem Handy, während du in dem Film sitzt, bist du wahnsinnig?
0:14:26–0:14:28
Da hat jemand gesagt, ja, ich kann nicht anders, ich konnte nicht anders.
0:14:29–0:14:32
Und die hatte dann nachher gesagt, dass ihr der Film...
0:14:33–0:14:36
Also sie hat gesagt, er wäre sehr anstrengend gewesen und er hat ihr nicht gefallen.
0:14:39–0:14:42
Auch eine Tierschützerin und halt auch sehr interessiert an guten Filmen,
0:14:42–0:14:46
aber hat ihr halt nicht gefallen. Das war ihr aber, glaube ich,
0:14:46–0:14:47
einfach zu anstrengend.
0:14:48–0:14:49
Als ich den dann...
Florian Clauß
0:14:50–0:14:56
Ganz kurz, der Film ist ja quasi so als, wie sagt man, Psychothriller,
0:14:56–0:14:58
Horror und aber auch Komödie.
Chris Flor
0:14:59–0:14:59
Ja, ja.
Florian Clauß
0:15:00–0:15:02
Also er hat auch noch die Komödie mit drin.
Chris Flor
0:15:02–0:15:07
Ja, das ist ja alles drin, aber man hat trotzdem so, eigentlich hat man halt
0:15:07–0:15:11
kurz mittendrin eine Verschnaufpause, aber es gibt halt diesen Comic Relief
0:15:11–0:15:15
gibt es nicht. Also selbst die komödienhaften Dinge sind ja trotzdem sehr anstrengend.
0:15:15–0:15:22
Da zum Beispiel halt diese überspitzten Szenen, wo er wohnt in seinem Wohnbezirk.
0:15:23–0:15:30
Das ist halt alles natürlich irgendwie lustig, wie das halt so diese überspitzte
0:15:30–0:15:31
Variante von Urban Life.
0:15:33–0:15:37
Also das ist ja wie sich dann hier irgendwie Fox News irgendwie Downtown San
0:15:37–0:15:39
Francisco oder so was vorstellt.
0:15:39–0:15:42
Irgendwie wo man halt die ganze Zeit Angst um sein Leben haben muss,
0:15:42–0:15:44
wo es geklaut wird und so weiter.
Florian Clauß
0:15:47–0:15:53
Also der Film ist so grob in vier Teile gegliedert, würde ich jetzt mal so sagen.
0:15:53–0:15:57
Der erste Teil ist da, was du jetzt gerade beschrieben hast.
Chris Flor
0:15:58–0:16:02
Ja, ich würde nochmal gerne zurückgehen, also worum er geht.
0:16:02–0:16:05
Also, Bo is afraid, der geht zum Angst.
0:16:07–0:16:11
Ich wollte einfach mal schauen, welche Themen du in dem Film siehst.
0:16:12–0:16:16
Also erstmal halt die Angst, der Typ hat halt eine Angststörung,
0:16:16–0:16:21
geht halt auch zum Psychologen deswegen, nimmt Medikamente gegen die Angst.
0:16:22–0:16:32
Geht um Kindheitstrauma und Kindheitstrauma verursacht wohl durch eine narzisstische
0:16:32–0:16:34
Mutter, würde ich sagen.
0:16:35–0:16:43
Es geht auch um Trauer wieder, wie der Mitzoma, also um den Verlust der Familie
0:16:43–0:16:49
und allein in der Welt sein und auch um Familie finden und so weiter.
0:16:49–0:16:53
Siehst du, hast du noch andere Themen?
Florian Clauß
0:16:53–0:16:59
Ja, du hast es implizit genannt, aber ein ganz starkes Motiv ist die,
0:16:59–0:17:05
also die nazistische Mutter, quasi die Störung von Vater-Mutter,
0:17:05–0:17:12
Sohn-Mutter-Beziehung und der Verlust des Vaters, Der Vater ist der,
0:17:12–0:17:15
der bei der Zeugung gestorben ist.
Chris Flor
0:17:16–0:17:22
Weil er genau wie Bo halt auch ein Herzrumor hat. Wie nennt sich das? A heart grow?
Florian Clauß
0:17:22–0:17:23
Murmur.
Chris Flor
0:17:23–0:17:29
Nein, hart Murmur wird das im Film genannt. Aber hat halt einfach so ein Herzgeräusch,
0:17:29–0:17:31
den Bo auch hat. Das wird halt von der Mutter...
0:17:32–0:17:35
Aber es ist halt ja nicht unbedingt klar und das löst sich auch nicht auf,
0:17:35–0:17:37
ob das jetzt stimmt oder nicht.
Florian Clauß
0:17:37–0:17:41
Wirklich. Und es geht viel um toxische Beziehungen,
0:17:41–0:17:46
toxische ist ja so ein Schlagwort, aber die toxischen Beziehungen,
0:17:46–0:17:53
die natürlich zwischen Sohn und Mutter, aber auch dann in dieser anderen Familie
0:17:53–0:17:54
auch, da diese Beziehungen.
0:18:02–0:18:05
Angststörung, dann damit zusammenhängt, dieses ganze Surreale,
0:18:05–0:18:09
es geht ja auch ins Psychedelische, ganz stark.
0:18:12–0:18:15
Und dann Familie und diese Vaterlinie, die dann auch nochmal da,
0:18:15–0:18:19
Großvater und so weiter dann aufgezeigt wird.
Chris Flor
0:18:19–0:18:22
Also ja, auch eben diese Sache,
0:18:22–0:18:25
gute Mutter, böse Mutter, diese Geschichte,
0:18:25–0:18:30
oder halt insgesamt ein Elternteil, das Conditional,
0:18:30–0:18:37
Unconditional Love, diese, mir fallen halt die ganzen Worte nur in Englisch an,
0:18:37–0:18:42
deswegen, also diese Nurturing Mother und halt eben diese narzisstische Mutter,
0:18:42–0:18:47
Die Sachen, da tauchen ja auch verschiedene Frauenfiguren auf,
0:18:47–0:18:54
die dann halt dann auch ein bisschen so was vorleben, wie so eine nurturing mother oder halt auch so,
0:19:03–0:19:06
eine gesunde, unterstützende, emotional unterstützende Familie dann halt irgendwie so vorleben.
0:19:06–0:19:13
Besonders in der mittleren Szene im Wald, da gibt es halt diese Verschnaufpause,
0:19:13–0:19:17
wo sich die Leute umeinander kümmern und halt aneinander verstehen.
Florian Clauß
0:19:17–0:19:21
Es gibt so eine Parallelgesellschaft, die so eine kleine Utopie da ausbaut.
0:19:22–0:19:25
Aber, ich glaube, das haben wir nicht explizit genannt, aber das wird explizit
0:19:25–0:19:29
in den ersten Minuten des Films ganz stark als Motiv.
Chris Flor
0:19:29–0:19:30
Die Geburt?
Florian Clauß
0:19:30–0:19:40
Die Geburt auch, aber es geht um Angst und Schuld. Guilty! Das ist der Kernmoment
0:19:40–0:19:44
für die Hauptmotive, die diese Handlung treiben.
Chris Flor
0:19:44–0:19:48
Ja, und das fand ich, ja gut, das war halt dieses Wort war halt toll,
0:19:48–0:19:52
weil der Arzt fragt ihn...
0:19:53–0:19:58
Fragt Beau, ob er sich schuldig fühlt, dass er längere Zeit nicht bei seiner Mutter war.
0:19:58–0:20:00
Fühlst du dich schuldig, dass du längere Zeit nicht bei meiner Mutter warst?
0:20:00–0:20:05
Und er beantwortet das nicht so richtig, sagt halt nichts.
0:20:05–0:20:08
Und dann schreibt der Arzt, schreibt dann guilty auf seinen Blog.
0:20:08–0:20:11
Also er schreibt nicht feels guilty, sondern schreibt halt guilty.
0:20:11–0:20:16
Also da ist die Schuld, wird dann halt so festgeschrieben auch.
0:20:16–0:20:19
Und ja genau, um diese Schuld geht es ja die ganze Zeit.
Florian Clauß
0:20:20–0:20:25
Aber du wolltest jetzt nochmal, quasi bevor wir in die Teile der Geschichte
0:20:25–0:20:30
einsteigen, nochmal den Bogen spannen mit den Motiven, was sich da noch für...
Chris Flor
0:20:30–0:20:34
Ja, genau. Ja, ich glaube, aber die hatten wir jetzt eigentlich alle schon so...
0:20:34–0:20:38
Hatten wir genannt, ne? Hatten wir angesprochen und natürlich gehen die alle ineinander über.
Florian Clauß
0:20:39–0:20:44
Ja, ja. Ja, und generell bei einem Film ist es, glaube ich, ganz schwierig und
0:20:44–0:20:46
das ist, glaube ich, in den ersten Teilen sehr gut gelungen.
0:20:47–0:20:52
Also wenn man jetzt von vier, fünf Teilen ausgeht, den ersten Teil, was jetzt quasi...
Chris Flor
0:20:53–0:20:56
Ich hatte den eigentlich als einen normalen Dreiakter gesehen.
Florian Clauß
0:20:56–0:20:59
Okay, also ich würde jetzt, kann ich auch gleich nochmal sagen,
0:20:59–0:21:06
aber was bei dem Film jetzt tatsächlich stattfindet, passiert als reale Handlung,
0:21:06–0:21:13
was von ihm halluziniert ist, ja, und was einfach nur so ein Traumzustand ist, ja.
0:21:13–0:21:18
Also es wird nicht richtig aufgelöst, man weiß nicht, was jetzt tatsächlich
0:21:18–0:21:21
wahr ist. Das ist ein klar syrilistisches Prinzip.
0:21:23–0:21:26
Was dann für meine Ansicht irgendwann umkippt.
0:21:27–0:21:32
Also jetzt zu den Teilen. Es gibt den ersten Teil, oder was ich jetzt Teil bezeichnen
0:21:32–0:21:35
will, wo er beschrieben wird in New York, seiner Wohnung.
Chris Flor
0:21:36–0:21:38
Ist das New York? Das ist New York.
Florian Clauß
0:21:38–0:21:42
Soll New York darstellen. Ist in Kanada gedreht.
0:21:42–0:21:46
Soll New York darstellen. Die Wohnung ist in einem total verwahrlosten Viertel.
0:21:46–0:21:50
Es liegt ein Leich auf der Straße. Es sind obskure Nachtgestalten.
0:21:54–0:21:57
Irgendwelche obdachlosen, irgendwelche voll tätowierten, komischen Leute.
Chris Flor
0:22:00–0:22:04
Auch läuft Latin-Music, zu der die tanzen, und ich glaube, da ist halt eben
0:22:04–0:22:05
auch wieder der Verweis,
0:22:05–0:22:13
diese Angst, die halt geschürt wird von so Rassenrechten, so rechte Nachrichtensender
0:22:13–0:22:17
in den USA, Also da spielt halt auch rein.
0:22:17–0:22:24
Ich habe halt auch immer diesen Winkel auf, was verursacht hier Angst?
Florian Clauß
0:22:26–0:22:31
Also gesellschaftlich, in diesem ganzen Wokeness, dann ist natürlich dann die
0:22:31–0:22:36
Integration und die Diversität ein ganz wichtiges Motiv,
0:22:36–0:22:41
aber gleichzeitig natürlich auch gesellschaftlich, was dann Angst bereitet und
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was nicht kennengelernt, was man nicht kennt.
0:22:43–0:22:46
Das zu solchen Zuständen führen kann.
Chris Flor
0:22:46–0:22:52
Ich kenne Menschen in meiner Umgebung, in den USA, die halt sehr viel Fox News und so weiter hören.
0:22:53–0:22:57
Und die haben zum Beispiel, wir hatten gesagt, wir würden uns in unserem Büro
0:22:57–0:22:59
in San Francisco treffen.
0:22:59–0:23:02
Und der hatte am helllichten Tag, und der hatte tatsächlich Angst,
0:23:02–0:23:07
zu Fuß in San Francisco rumzugehen,
0:23:07–0:23:15
weil er diese Bilder hatte, Großstadt, USA Großstadt, dass es halt wirklich
0:23:15–0:23:18
gefährlich ist, dass es wirklich so ist, dass einer mit einem Messer ankommen
0:23:18–0:23:20
könnte und einen ersticht oder so was.
0:23:22–0:23:29
Also ich glaube halt diese Angst, diese Vorstellung ist dann halt da dargestellt in, also...
0:23:31–0:23:39
Selbst in dieser Flohmarktszene, wo man sich eine Waffe anguckt und die Waffe lädt im Flohmarkt.
Florian Clauß
0:23:41–0:23:45
Das sind so dystopische Zustände, die eine jenseitige Gesellschaft beschreiben.
0:23:47–0:23:52
Und klar, das passiert ja auch. Aber man weiß nicht, ob es tatsächlich passiert.
0:23:52–0:23:56
Aber das ist so, wie man sich das ausmalen könnte in einem Albtraum.
0:23:56–0:23:59
Also das ist albtraumhafte, die Kulisse, die da entsteht.
0:23:59–0:24:04
Die da auch super, also von der Stimmung her, finde ich den ersten Teil ganz grandios.
Chris Flor
0:24:04–0:24:08
Aber ich glaube halt nicht nur ein Albtraum, ich glaube, dass so ein kollektiver
0:24:08–0:24:12
Albtraum, so ein kollektiver Fiebertraum über urbanes Leben,
0:24:12–0:24:15
glaube ich, ist da schon, über ein multikulturelles urbanes Leben,
0:24:15–0:24:18
wird dann halt so dargestellt auch.
Florian Clauß
0:24:18–0:24:22
Ja, dann sind wir ja natürlich wieder so bei den Archetypen,
0:24:22–0:24:25
dann müssten wir nochmal mit mit den jüngsten Archetypen,
0:24:25–0:24:30
Aber die werden da auch so, also das ist halt diese Logik aus so einem Albtraum,
0:24:30–0:24:34
die dann ganz stark hochkommt und die auch solche Motive so gesellschaftlich
0:24:34–0:24:41
irgendwo verankert in so einer Mimesis, aber jetzt natürlich total übertrieben
0:24:41–0:24:42
und überspitzt dargestellt.
0:24:43–0:24:49
Und der zweite Teil ist dann, nach einem Unfall wacht er dann bei einer Familie
0:24:49–0:24:55
in so einem vor Ort auf und besetzt quasi das Jugendzimmer der Tochter der Familie
0:24:55–0:24:58
und er wird unglaublich von denen,
0:24:58–0:25:02
die ihn angefahren haben, wird er gepflegt,
0:25:02–0:25:07
gesund gepflegt und er wird dann, wie sagt man, er kriegt dann halt so eine
0:25:07–0:25:12
unglaubliche Aufmerksamkeit und wird fast wie so ein zweites Kind dann auch
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in der Familie behandelt.
0:25:13–0:25:17
Hat aber gleichzeitig einen Fußfessel. Es gibt auch wieder die surrealen Momente
0:25:17–0:25:20
in diesem. Das ist der zweite Teil. Kommen wir auch gleich nochmal.
Chris Flor
0:25:20–0:25:21
Dann der dritte Teil.
Florian Clauß
0:25:21–0:25:24
Der dritte Teil wäre für mich dann eben diese, was wir schon angedeutet haben,
0:25:24–0:25:27
diese Parallelgesellschaft, diese im Wald, diese Theatergruppe.
0:25:29–0:25:34
Theatergruppe, auch wieder Parallele zum Midsommar. Dann gibt es da tatsächlich
0:25:34–0:25:40
ein Theaterspiel und dann fängt der Film, das Stilmittel zu wechseln.
0:25:40–0:25:45
Er erzählt eine Geschichte, wie er mit seinen Söhnen, Also er als Hauptfigur
0:25:45–0:25:49
in einer kompletten animierten Szene und ganz unterschiedlichen Animationstechniken.
0:25:51–0:25:55
Einmal Stop Motion, auch gezeichnet und so weiter.
Chris Flor
0:25:55–0:25:56
Völlig unterschiedlich.
0:25:59–0:26:01
Pappkultisten, die so hochklappen und drehen.
Florian Clauß
0:26:01–0:26:05
So wie Wes Anderson teilweise. Also völlig unterschiedlich.
0:26:05–0:26:11
Und dann kommt es zu der Beerdigung von seiner Mutter, die angeblich gestorben
0:26:11–0:26:18
sei, gibt es diese Odyssee, wie er dann zu dem Haus kommt und trifft dort auf seine Mutter.
0:26:18–0:26:24
Das ist so der vierte Teil, der sich dann mehr oder weniger auflösen und dann
0:26:24–0:26:27
am Ende die Verhandlung könnte man dann das hier machen.
0:26:28–0:26:35
So grob einteilen und ich will es mal in meiner Meinung vorwegnehmen,
0:26:35–0:26:42
dass ich den Film bis zur Hälfte, ziemlich genau, quasi in der 90.
0:26:42–0:26:44
Minute, fängt er an zu kippen.
Chris Flor
0:26:44–0:26:45
Okay.
Florian Clauß
0:26:45–0:26:49
Also für mich jetzt. Davor fand ich ihn unglaublich stark und dachte,
0:26:49–0:26:55
wow, und dann kommt da so eine Willkürlichkeit rein, dass ich den nicht mehr ernst nehmen kann.
Chris Flor
0:26:55–0:26:57
Okay, und das wäre dann quasi...
Florian Clauß
0:26:57–0:27:01
Mit dem Anfang der Animationsszenen. Okay.
0:27:01–0:27:09
Also, das war so, ne? Also, diese ganzen Szenen und die ganze Geschichte bis
0:27:09–0:27:16
zu dieser Wandertheatergruppe, wo ich mich auch sehr stark an Station Eleven erinnere.
Chris Flor
0:27:16–0:27:16
Ja, ja, hatte ich auch.
Florian Clauß
0:27:17–0:27:21
Und dann fängt er eben an zu kippen. Also, so ging's mir, und dann fand ich
0:27:21–0:27:24
ihn eher nervig. Also, ich konnte ihn einfach nicht mehr ernst nehmen.
Chris Flor
0:27:24–0:27:25
Ah, okay.
Florian Clauß
0:27:26–0:27:27
Vielleicht sagst du.
Chris Flor
0:27:28–0:27:32
Okay, also ich habe den auch tatsächlich in zwei Etappen geguckt.
0:27:32–0:27:36
Also ich habe den erst, ich habe erst den Anfang geguckt und dann habe ich gemerkt,
0:27:36–0:27:39
okay, jetzt ist nicht genügend Zeit, um den ganz durchzugucken.
0:27:39–0:27:42
Dann habe ich ihn wirklich auch ungefähr bis dahin.
0:27:42–0:27:49
Nee, ich musste auf. Ich musste sogar aufhören, als er bei dieser Familie gelandet
0:27:49–0:27:52
war in dem Vorort mit dieser Schwester.
0:27:52–0:27:57
Ich fand dieses, wie die Schwester sich verhalten hat, fand ich halt enorm anstrengend.
0:27:59–0:28:02
Und hab das dann nicht mehr ertragen und hab dann auch wirklich Angst bekommen.
0:28:02–0:28:08
Und ich muss halt auch sagen, also es ist, also ich hab dann da aufgehört und
0:28:08–0:28:09
hab dann wieder angefangen.
0:28:09–0:28:14
Hab dann aber danach gemerkt, dass mir eben auch ein bisschen der Faden verloren
0:28:14–0:28:17
gegangen ist. Ich hab auf einmal nicht mehr ganz verstanden,
0:28:17–0:28:18
wie der Film funktioniert.
0:28:20–0:28:24
Weil der halt eben läuft und ändert sich und ändert sich und führt dann halt
0:28:24–0:28:28
so hin und natürlich ein Schritt nach dem nächsten. Das ist alles irgendwie
0:28:28–0:28:30
in so einer Logik, in so einer Traumlogik.
0:28:30–0:28:35
Es ist dann doch logisch, wie es halt immer weitergeht und der schließt ja dann
0:28:35–0:28:38
auch irgendwie den Kreis mit dem Thema des Wassers und so weiter.
0:28:41–0:28:44
Aber mir ging es halt auch so ein bisschen so, dass ich den Faden verloren hatte.
0:28:45–0:28:48
Ich war mir dann auch am Ende nicht mehr sicher, ist es wirklich...
0:28:51–0:28:54
Es ist wirklich ein guter Film. Als der Film vorbei war, dem Abend,
0:28:54–0:28:57
habe ich gedacht, er hat mich sehr bewegt.
0:28:58–0:29:01
Ist es ein guter Film? Ich weiß es nicht genau. Habe dann aber gemerkt,
0:29:01–0:29:05
dass ich die nächsten Tage sehr, sehr viel, immer jeden Tag darüber nachgedacht
0:29:05–0:29:09
habe. Und so ungefähr eine Woche lang habe ich mich immer wieder an Sachen erinnert.
0:29:09–0:29:12
Und an mehr kann man halt eigentlich von einem Film nicht erwarten, finde ich.
0:29:14–0:29:17
Und habe mich dann entschieden, okay, das ist dann so oder so halt ein guter Film.
0:29:18–0:29:22
Ich glaube aber halt eben auch, dass er, ich wollte mir halt jetzt für unser
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Gespräch ihn mir noch mal angucken, habe das aber die ganze Zeit vor mir her
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geschoben, weil er wirklich sehr schlimme Gefühle ausgelöst hat.
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Und dann halt kann man ja vielleicht sagen,
0:29:35–0:29:42
dass ich ja durchaus Erfahrungen mit Angstzuständen habe,
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hatte auch zeitlange Medikamente genommen, bin in Therapie gegangen und kenne
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halt auch sehr viele dieser Strategien,
0:29:52–0:29:58
die halt auch Bo selber benutzt, um irgendwie einer gefährlichen Welt irgendwie auszuweichen.
0:29:58–0:30:02
Und das geht eigentlich die ganze Zeit, als roter Faden führt ja diese,
0:30:02–0:30:06
er sagt immer Thank you, sorry, thank you.
0:30:06–0:30:15
Also einfach diese Sache um Gottes Willen bloß nicht Missmut in der Umgebung hervorzurufen.
0:30:15–0:30:21
Einfach damit es halt sicher bleibt in der Umgebung, damit man selber in einer
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sicheren Position ist. und diese Strategie,
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Das ist natürlich bei Beau durch diese Mutterbeziehung,
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diese unberechenbare Mutter, wo er dann auch gerade immer in dieser Kommunikation,
0:30:35–0:30:39
vielleicht können wir da auch jetzt mal anfangen, diese Kommunikation mit seiner,
0:30:39–0:30:41
da kommen wir nicht durch.
Florian Clauß
0:30:41–0:30:42
Nee, da müssen wir schwimmen.
Chris Flor
0:30:43–0:30:45
Aber da kann man doch sehr tatsächlich lachen, oder?
Florian Clauß
0:30:46–0:30:51
Ja, gerne, können wir gerne. Also was du sagst, der hat auch immer Thank you
0:30:51–0:30:53
und... Thank you, sorry, thank you.
Chris Flor
0:30:53–0:30:54
In so dieser Kombination.
Florian Clauß
0:30:55–0:30:59
Und er war ganz oft, es ist immer Whaaat? Wo er dann Was? Whaaat?
0:30:59–0:31:05
Ja, ja. Whaaaat? Guckt immer so das Zeichen Whaaaat? Was machst du hier?
Chris Flor
0:31:05–0:31:06
Was passiert hier? Ja, ja, ja.
Florian Clauß
0:31:07–0:31:09
Und das finde ich so großartig gespielt von ihm.
Chris Flor
0:31:09–0:31:16
Auch, also er versteht schon, dass die Situation, also dass ihm da halt auch Gewalt zugefügt wird,
0:31:16–0:31:22
weil er das in gewisser Weise vielleicht auch zulässt durch diese Attitüde,
0:31:22–0:31:26
Aber er übernimmt nicht wirklich so eine Verantwortung.
Florian Clauß
0:31:27–0:31:29
Das ist ja sein Gült.
Chris Flor
0:31:29–0:31:33
Das ist auch der Vorwurf seiner Mutter, die die Mutter am Ende macht.
0:31:33–0:31:39
Und das einzige Mal, wo sie halt Recht hat auch über ihn, dass er halt eben
0:31:39–0:31:42
nicht die Verantwortung übernehmen muss. Aber es ist auch verständlich.
0:31:43–0:31:50
Wir springen halt jetzt nach vorne. Aber in dieser Rede dann am Ende sagt ja die Mutter so,
0:31:50–0:31:57
Mutter so, dass er genau das, dass er halt nie Verantwortung übernommen hat für sein Leben,
0:31:57–0:32:02
dass er halt immer so ausgelotet hat, wenn ich jetzt das mache oder das nicht
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mache, dann muss ich das nicht machen oder das passiert nicht mit mir oder würde
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dann dies mit mir passieren.
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Aber seine Mutter sagt ihm dann halt aber auch in dieser selben Rede,
0:32:12–0:32:13
ich habe alles für dich gegeben,
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ich habe das bisschen Liebe, was bei mir im Tiefsten war,
0:32:16–0:32:22
muss ich rausdrücken, um dir zu geben, ich habe dir hoffentlich genügend Angst
0:32:22–0:32:25
vor der Welt mitgegeben,
0:32:25–0:32:28
damit du sicher bist in der Welt und die Mutter, das Business, was die Mutter hatte,
0:32:28–0:32:32
das sieht man auch in den Zeitungsausschnitten, geht ja immer um Security,
0:32:32–0:32:37
Safe, also Rasierklingen und Allergiemedikamente und Security und so weiter,
0:32:37–0:32:41
das ist ja so ihr Business und dann – und ich glaube auch Tabletten,
0:32:41–0:32:46
also Pharma – auch Tabletten, aber das da sehe ich halt auch wieder diesen Rückschluss
0:32:46–0:32:52
zur Gesellschaft, halt eben auch wieder diese Security und dann.
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Angst einjagen, um Kontrolle zu behalten, irgendwie ist ja dann,
0:32:58–0:33:03
ist ja eben so eine Technik halt eben auch, wie das, was ich vorher beschrieben
0:33:03–0:33:04
habe, über diese urbane...
Florian Clauß
0:33:05–0:33:09
Ja, und auch ein Gesellschaftszustand in Amerika, weil also diese,
0:33:09–0:33:13
man spricht ja jetzt quasi von der dritten Drogenepidemie in Amerika,
0:33:13–0:33:19
durch eben diesen Oxytocin-Konsum, das ist ja,
0:33:19–0:33:25
also Und da finde ich halt diese Dimension, wo es auch über diesen individuellen
0:33:25–0:33:29
Mutter-Sohn-Konflikt hinausgeht, sondern eine gesellschaftliche Relevanz darstellt,
0:33:29–0:33:30
mit diesem Tablettenkonsum.
0:33:31–0:33:36
Es fängt an bei den Therapisten, der ihnen dann einfach auch eine neue...
0:33:36–0:33:39
Okay, probiere jetzt die Tablette. Es wird ja überhaupt nicht...
Chris Flor
0:33:40–0:33:42
A cool new drug, sagt er oder so.
Florian Clauß
0:33:42–0:33:47
Genau, aber nimm die auf jeden Fall mit Wasser. Und da fängt quasi dieser Horrortrip
0:33:47–0:33:51
an. Man weiß jetzt auch nicht, ob dann diese Tabletten das dann auch evoziert
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haben, ausgelöst, oder ob das jetzt so sein Normalzustand ist.
0:33:57–0:34:01
Was mich daran auch, das möchte ich den Sidekick machen, weil das ist irgendwie
0:34:01–0:34:05
auch einer der wichtigsten Filme von diesem Jahr und letzten Jahrhandel,
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ich glaube, diesmal, ist, ich weiß nicht, ist es ein Dokumentarfilm,
0:34:08–0:34:12
ob du den auch schon gesehen hast, nämlich All the Beauty in the Bloodshed?
Chris Flor
0:34:12–0:34:14
Nee, habe ich nicht gesehen.
Florian Clauß
0:34:14–0:34:14
Das ist von Laura,
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Poitras, die maßgeblich Snowden mit quasi begleitet hat in seinen Leaks und
0:34:27–0:34:31
ihn auch mit geschützt hat und die hat ja diesen Film über Snowden,
0:34:31–0:34:33
den Dokumentarfilm, ich weiß nicht, ob du den geguckt hast?
Chris Flor
0:34:33–0:34:34
Nee, auch nicht.
Florian Clauß
0:34:34–0:34:37
Auch ganz stark. Und das ist eine Biografie von Nan Goldin.
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Nan Goldin ist eine Fotografin, die vor allen Dingen in den 70ern und 80ern
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groß geworden ist und teilweise hier in Berlin gewohnt hat und in diesem ganzen
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transschwulen Umfeld groß geworden ist,
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auch als Aktivistin viel für diese ganz,
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dichten Fotografien gemacht hat.
0:35:00–0:35:06
Und sie, ich hab die auch damals tatsächlich, die war dann im Martin-Gropius-Bau,
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hat eine Ausstellung geöffnet, das war so 2014.
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Und da war die halt total drauf, da dachte ich so, was ist denn mit der los?
0:35:11–0:35:17
Und da war die halt oxyabhängig, also von diesem, ihr wurde das verschrieben,
0:35:17–0:35:21
ja, von einem Arzt, das ist ein Drama in den USA.
Chris Flor
0:35:21–0:35:25
Ich kenne Leute, also ich kenne einen, der das irgendwie, der hat Rückenschmerzen
0:35:25–0:35:30
und der ist dann ganz schlimm da abhängig geworden. Der hat es wieder raus geschafft,
0:35:30–0:35:31
aber der ist auch nicht richtig in Ordnung mehr.
Florian Clauß
0:35:31–0:35:35
Und das ist eine ganze Aktivistengruppe. Also der Film erzählt auf der einen
0:35:35–0:35:40
Seite quasi die Lebensgeschichte von Nangal Goldin. Auf der anderen Seite wird
0:35:40–0:35:41
sie als Aktivistin gezeigt.
0:35:42–0:35:49
Und diese Tabletten, also dieses, wurde ja systematisch von einer Familie,
0:35:49–0:35:51
von der Familie Sackler wurde das dann ja verbreitet.
0:35:52–0:35:57
Man hat dann auch so Empfehlungen den Ärzten gegeben, wenn jetzt Schmerzen,
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wenn Patienten mit leichten Schmerzen kommen, dann verschreibt ihnen doch bitte dieses Medikament.
0:36:03–0:36:08
Und damit, das ist quasi wie so ein ... Also, es ist im Prinzip wie ein Opiumkrieg im eigenen Land.
0:36:08–0:36:13
Also, das, was dann als Opiumkrieg in China gelaufen ist, damit die Briten reinkommen
0:36:13–0:36:19
und da halt irgendwie ihre Sachen exportieren können, ist das da passiert.
0:36:19–0:36:23
Also, das heißt, es sind ganz normale Leute, sind abhängig sind gestorben und
0:36:23–0:36:29
problem auch wenn dann eben das oxy zitin Oxycodone, Oxycodone,
0:36:29–0:36:32
Oxys kann man sagen. Wenn das abgesetzt wird, dann...
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Ist die Abhängigkeit ja nicht weg und viele sind dann eben auf dem Schwarzmarkt
0:36:38–0:36:45
und kaufen sich dann eben Äquivalente und es gibt dieses künstlich hergestellte Heroin Ja,
0:36:45–0:36:50
das ist Fettenau Fettenau,
0:36:50–0:36:54
ja Und das kommt dann rein,
0:36:54–0:36:56
ja und das ist halt super gefährlich, weil man da schnell überdosieren kann
0:36:56–0:37:02
Genau, weil das wirklich so ganz Also wenn das in einem Schwarzmarkt hergestellt
0:37:02–0:37:05
wird, hast du halt so Krümelchen, die dann halt so hoch dosiert sind,
0:37:05–0:37:08
dass wenn du die schnupfst, dann sofort tot bist.
0:37:09–0:37:14
Aber die müssen halt in der Trägersubstanz verteilt werden und diese Verteilung
0:37:14–0:37:16
läuft nicht richtig. Deswegen hast du ganz viele Drogentoten.
Chris Flor
0:37:18–0:37:22
Ja, ich habe gehört, dass dieses Fetanol so gut wie in allen illegalen Drogen
0:37:22–0:37:26
momentan in den USA halt, wenn man irgendwas kauft, selbst eine Ecstasy oder
0:37:26–0:37:29
sowas, ist da irgendwie Fetanol drin.
Florian Clauß
0:37:29–0:37:37
Weil es ist relativ billig zu produzieren, weil es halt synthetisch herstellbares hergestellt wird.
0:37:40–0:37:45
Und der Film zeigt dann Nan Goldin als Aktivistin, wo die gegen die Sackler,
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haben halt so ein Greenwashing gemacht.
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Die haben ganz in ganz vielen bekannten Galerien und Museen,
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haben die halt so einen Ausstellungsraum, da gibt es halt, die haben unglaubliche
0:37:56–0:37:58
Gelder da denen gespendet.
0:38:00–0:38:04
Und du siehst den halt am Anfang, ich glaube, das ist dann das MoMA,
0:38:04–0:38:08
wo die dann auch eben dann eine Aktion machen und sagen hier,
0:38:08–0:38:14
dieser Raum wird gefördert von Säckler und Nie wieder Oxy und so weiter.
0:38:15–0:38:18
Die kriegen dann irgendwann, werden die gehört mit ihrer Kampagne.
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Und das folgt dann so, der Film endet dann halt da.
0:38:21–0:38:25
Und das ist ganz normale Familien, die von dieser Epidemie betroffen sind,
0:38:25–0:38:30
dann in der Konfrontation mit den Settlern. Die müssen dann über acht Stunden
0:38:30–0:38:34
sich anhören, die einzelnen Schicksale. Und die wechseln halt wirklich in drei Minutentakt.
0:38:35–0:38:41
Und das ist so dramatisch, weil wirklich ganz normale Leute ihre Kinder verlieren,
0:38:41–0:38:44
ihre Lebenspartner und so weiter.
Chris Flor
0:38:44–0:38:47
Ja, wobei halt so ganz normale ist ja auch, muss ja noch nicht mal,
0:38:47–0:38:52
es ist ja selbst wenn es, also man muss ja nicht sagen ganz normal.
Florian Clauß
0:38:52–0:38:55
Voll in der gesellschaftlichen Mitte, sonst ist es ja immer so,
0:38:55–0:38:59
weißt du, so diese Opiate sind ja immer irgendwie eine randgesellschaftliche Bewegung.
0:38:59–0:39:03
Also das passiert ja nicht, aber das ist einfach durch diese Verschreibungstaktik,
0:39:03–0:39:08
ist es in so einer gesellschaftlichen Mitte angekommen und betrifft da ganz
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viele. Also es ist wirklich, man spricht wirklich von der dritten Drogenepidemie.
Chris Flor
0:39:14–0:39:19
Ja, ich kenne auch einige Leute, die ziemlich hart abgestürzt sind.
0:39:19–0:39:23
Also nicht das wir jemals verschrieben bekommen haben, aber über den Schwarzmarkt
0:39:23–0:39:29
Oxys ab und zu mal genommen haben, immer mehr genommen haben und dann irgendwie Familie zerstört.
0:39:30–0:39:35
Also ein richtiger, wahnsinniger sozialer Abstieg aus der Mittelklasse raus.
Florian Clauß
0:39:36–0:39:42
Und das, was sich dann so ikonografisch damit verbindet, das ist vielleicht
0:39:42–0:39:46
in Amerika ganz normal, aber in Europa kennt man das nicht. Das sieht man auch
0:39:46–0:39:48
in einem Film, diese orangenen Pillendosen.
Chris Flor
0:39:49–0:39:55
Ja, klar. Aber da würde ich auch nochmal sagen, da geht es wirklich nicht nur um diese Opiate.
0:39:56–0:40:06
Da geht es halt eben um normale Psychopharmaka und halt eben diese Schwester da in diesem Das war's.
0:40:06–0:40:09
Gut, ich glaube, wir brauchen die Geschichte nicht nachzuzählen,
0:40:09–0:40:12
nur weil das hat ja jeder, der sich das hier anschaut, hat es ja.
Florian Clauß
0:40:12–0:40:16
Ja, aber vielleicht nochmal so diese New York-Episode, also dieses,
0:40:16–0:40:21
er kaut sich, er muss dann halt, er kriegt diese Tabletten verschrieben,
0:40:21–0:40:26
dann muss er, wird ihm nochmal gesagt, das darfst du nicht ohne Wasser einnehmen.
Chris Flor
0:40:26–0:40:30
Und er googelt das dann auch und das sieht so aus, als ob man da wirklich auch
0:40:30–0:40:32
strandstirbt, wenn man das nicht mit Wasser trinkt.
0:40:32–0:40:37
Also, we remember John, der hat dann, ein John hat wohl im Internet,
0:40:37–0:40:41
er wird dann gezeigt, er hat wohl die Tablette ohne Wasser genommen.
Florian Clauß
0:40:42–0:40:44
Und er muss dann...
Chris Flor
0:40:44–0:40:47
Ja, aber das ist halt auch so kompliziert zu erklären. Also,
0:40:47–0:40:49
die Sache, diese ganze, das ist wirklich...
0:40:49–0:40:53
Das ist halt, was ich denke, was halt so hart ist in diesem Stück,
0:40:53–0:40:58
in diesem Film, ist, dass es eine Tragödie ist, die einfach abläuft.
0:40:59–0:41:04
Also der hat irgendwie, ist er guilty oder nicht, das ist halt die Frage.
0:41:04–0:41:07
Aber die Sache ist, der Film fängt an und dann läuft es durch,
0:41:07–0:41:13
bis er dann bestraft wird. Also bis er mit dem Tode bestraft wird,
0:41:13–0:41:17
geht es halt von vorne bis hinten. Und es sind einfach ein Ursache,
0:41:17–0:41:18
Wirkung, Ursache, Wirkung.
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Es fängt halt an, es fängt wirklich, da fängt es halt wirklich mit der Tablette an.
0:41:23–0:41:26
Also er kriegt die Tablette verschrieben, die nimmt er, braucht das Wasser,
0:41:27–0:41:30
hat kein Wasser im Haus, weil die Sache abgeschaltet ist.
0:41:31–0:41:35
Der Schlüssel war ihm gestohlen worden, weil er ins Flughafen will,
0:41:35–0:41:44
deswegen muss er die Tür auflassen. Er geht rüber, telefoniert, ja gut, dann...
Florian Clauß
0:41:44–0:41:45
In diesem Rockstore, in diesem...
Chris Flor
0:41:46–0:41:49
In diesem Convenience Store, ja genau. Geht dann, holt dann das Wasser.
0:41:50–0:41:53
Mittlerweile sind die ganzen Leute von der Straße, also die ganzen gefährlichen
0:41:53–0:41:57
Gestalten, sind in seiner Wohnung, machen Party. Er muss draußen warten,
0:41:57–0:42:03
er kommt rein, nimmt ein Bad und dann ist aber auch so eine Brown Recluse-Spinne.
0:42:04–0:42:06
Also diese Spinne, die kennt man hier nicht.
Florian Clauß
0:42:08–0:42:09
Ja, die kennt man in Amerika.
Chris Flor
0:42:10–0:42:13
Sehr bekannt. Und was ist denn das für eine Spinne? Das ist auch eine Ostküstenspinne.
0:42:14–0:42:18
Brown Recluse heißt, die verstecken sich halt auch. Die verstecken sich, kommt dann raus, beißt.
0:42:19–0:42:20
Wenn sie sich bedroht fühlt.
Florian Clauß
0:42:20–0:42:21
Ist sie aggressiv?
Chris Flor
0:42:23–0:42:26
Defensiv, aber halt gefährlich. Also enorm aggressiv-defensiv.
Florian Clauß
0:42:27–0:42:31
Also wenn sie sich bedroht fühlt, dann fängt sie sofort an zu beißen.
Chris Flor
0:42:31–0:42:36
Ja, und beißendes Gift sorgt dafür, also sorgt für eine Entzündung und eine
0:42:36–0:42:38
Wunde, die dann aber nicht heilt.
0:42:38–0:42:44
Und das ist total schwer, selbst ein unterärztlicher Obhut, da muss man halt
0:42:44–0:42:48
wirklich monatelang Tabletten nehmen, Wunde dann halt irgendwann abheilt.
0:42:48–0:42:49
Das ist ganz schlimm, dieses Ding.
Florian Clauß
0:42:49–0:42:52
Ich wusste ja auch nicht, was... also ich dachte auch, das ist eine Referenz,
0:42:52–0:42:55
das ist jetzt auch so ein... so ein Arche... Archäophobie oder Arachnophobie?
Chris Flor
0:42:57–0:42:57
Das ist halt...
Florian Clauß
0:42:58–0:43:01
So ein phobischer Zustand oder ist das halt tatsächlich real?
Chris Flor
0:43:01–0:43:04
Ja, ja, das gibt's halt wirklich und das ist aber auch halt eben was,
0:43:04–0:43:07
wovon man Angst haben kann, natürlich. Arachnophobie natürlich,
0:43:07–0:43:09
aber das ist halt wirklich gefährlich, diese Dinger.
0:43:11–0:43:17
Und dann nimmt ein Bart, dann oben an der Decke hält sich so ein Typ fest,
0:43:17–0:43:20
der sich nicht bewegen möchte, weil die Spinne auf ihm auf dem Rücken sitzt,
0:43:20–0:43:25
der hat halt auch Angst, fällt dann runter ins Bad mit dem, mit Bo,
0:43:25–0:43:29
Bo rennt nackt auf die Straße aus Angst.
0:43:29–0:43:37
Und dann aber zur gleichen Zeit geht dann auch so ein Killer um in seiner Neighborhood,
0:43:37–0:43:46
der halt der nackte Killer irgendwie, der ein weißer Mann, ein unbeschnittener
0:43:46–0:43:48
weißer Mann oder so, wird einfach nur beschrieben.
0:43:50–0:43:53
Und er rennt raus auf die Straße, das war auch eine krasse Szene,
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er rennt dann raus auf die Straße, sieht dann diesen Killer ihm gegenüber,
0:43:58–0:44:01
beide sind nackt. Er rennt dann weg, rennt zu einem Polizisten.
0:44:01–0:44:07
Der Polizist hält dann eine Pistole und denkt, dass der Bo der Killer ist.
0:44:07–0:44:13
Bo hat irgendwie so eine Figur in der Hand, die er seiner Mutter zum Todestag des Faschischen wurde.
Florian Clauß
0:44:14–0:44:14
Das Marienkind.
Chris Flor
0:44:16–0:44:20
Maria mit Kind. Und er sagt dann, drop your weapon.
0:44:20–0:44:23
Und er lässt es wirklich fallen und er steht wirklich da überhaupt nicht mehr
0:44:23–0:44:27
bedrohlich und der Polizist dann so Don't make me do this! Come on man,
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don't make me do this! Und halt aber die ganze Zeit eigentlich ist er wirklich nicht mehr...
0:44:31–0:44:33
Und Bo fragt die ganze Zeit, ja was
0:44:33–0:44:36
soll ich machen? Und das ist halt auch wirklich so ein Thema irgendwie.
0:44:36–0:44:39
Also Bo fragt die ganze Zeit irgendwie die Leute, ja was soll ich denn machen?
0:44:39–0:44:42
Was soll ich machen? Und er kriegt aber auch keine klaren Antworten.
0:44:43–0:44:48
Und er wird aber immer gezwungen, Verantwortung zu übernehmen für Sachen,
0:44:48–0:44:50
wo halt einfach nicht klar ist, was jetzt die Erwartungen sind.
Florian Clauß
0:44:50–0:44:54
Das ist ein ganz gutes Bild, wie du das beschrieben hast, dass die Bühne eigentlich
0:44:54–0:44:59
immer an ihm vorbeigezogen wird und er muss dann in so einem Ursache-Wirkungs-Rad
0:44:59–0:45:04
gucken, wo er bleibt und dann fragen, wo muss ich denn hin, was wollt ihr jetzt von mir?
Chris Flor
0:45:04–0:45:07
Die Sache war ja vorher auch eher...
0:45:08–0:45:11
Wollte die Mutter besuchen und sein Schlüssel wurde geklaut.
0:45:11–0:45:15
Er ruft die Mutter an und sagt hier, ich verpasse den Flug und sie ist halt
0:45:15–0:45:20
total sauernd eingeschnappt, obwohl halt eigentlich Bo halt wirklich ein Problem hat.
0:45:20–0:45:22
Sein Gepäck ist geklaut worden, sein Schlüssel geklaut werden,
0:45:22–0:45:26
er ist nicht sicher in seiner Wohnung mehr, weil halt irgendwelche Kriminellen
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seinen Schlüssel haben und er sagt dann irgendwie, und dann sagt seine Mutter,
0:45:31–0:45:32
ja, I'm sure you'll do what's right.
0:45:34–0:45:38
Und dann fragt er sie, ja, what do you think I should do?
0:45:39–0:45:43
What is right? What do you think I should do? Und sie gibt ihm halt keine Antwort irgendwie.
0:45:44–0:45:50
Das heißt, er wird quasi, also sie könnte ja in einer gesunden Beziehung,
0:45:50–0:45:54
würde die Mutter sagen, ich wünsche mir das und das von dir.
0:45:54–0:45:58
Dann könnte Beau sagen, das ist vielleicht hier und da ein bisschen schwierig.
0:45:58–0:46:01
Ich könnte das und das anbieten. Ich selber wünsche mir das.
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Und dann würde man das verhandeln. Und dann am Ende kommt man zu einer Lösung
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von Mensch zu Mensch und dann ist alles geklärt.
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Und er sagt dann ja auch irgendwie, die Mutter sagt nichts und er sagt dann,
0:46:11–0:46:14
come on, let's fix this, we can do this, we can fix this.
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Aber er hat schon wahrscheinlich durch seine Therapie und so weiter gelernt,
0:46:20–0:46:24
dann irgendwie zu sagen, okay, was sind deine Wünsche und das Ganze zu verhandeln.
0:46:24–0:46:29
Aber die Mutter sperrt sich dem. Das sind halt eben diese narzisstischen Mechanismen,
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um einer Problemlösung aus dem Weg zu gehen, um den Konflikt darzuhalten und
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damit halt die Kontrolle aufrecht zu erhalten. Das passiert halt in diesem Moment.
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Und das ist halt ähnlich, wie spiegelt sich das auch wieder in dieser Situation
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mit dem Polizisten, der natürlich selber auch total gestresst ist.
0:46:45–0:46:52
Aber Beau, durch den ganzen Film durch, so was kann ich denn machen?
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Ich bin doch bereit, das zu machen, was die Situation von mir erwartet.
0:46:58–0:47:01
Aber er kriegt halt einfach diese Ansagen nicht, weil halt alle anderen mit
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sich selber auch so beschäftigt sind, mit den eigenen Ängsten und so weiter,
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dass sie ihre Wünsche nicht ausdrücken können.
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Also muss Bo die ganze Zeit raten, was wollen denn die anderen von ihm?
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Ja, aber das ist dann die Szene, wo er dann halt merkt, der Polizist,
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er schießt ihn gleich. Dann dreht er sich rum und rennt weg und wird dann von dem Auto überfahren.
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Und später stellt sich dann halt noch raus, dass er, Gehirnerschütterung hat
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er wohl erstmal vergessen, aber war doch bei Bewusstsein, dass der Typ ihn dann,
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dieser nackte Killer, ihn dann halt auch ein bisschen erstochen hat,
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durch die Hand durch und in den Bauch.
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Ja, diese prachtige Szene.
Florian Clauß
0:47:43–0:47:47
Ja, so schlimm. Und man sieht auch, das wird so ganz leicht angedeutet,
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dass er halt unglaublich dicke Eier hat. Bo! Like in Phoenix.
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Nein, die Figur. Man weiß auch warum, weil er wahrscheinlich nie irgendwie sich
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getraut hat, jemals irgendwo seinen Samen loszuwerden. Das ist ja nach ihm so.
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Und er hat dann das Problem.
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Und dann wird auch dann in dieser Familie, in der Arztfamilie,
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dann meint der Arzt auch so, dass quasi seine Hoden sehr dick sind und er müsste die mal untersuchen.
Chris Flor
0:48:17–0:48:19
Naja, Ultraschall machen lassen.
Florian Clauß
0:48:20–0:48:24
Und das ist auch so ein absurder, also so ein surrealer Moment, ja.
0:48:24–0:48:28
Also es ist, ja, das kommt aber auch später dann noch mal so,
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ne, dass er tatsächlich nicht ejakulieren will, kann, weil er dann eben die Angst hat zu sterben.
Chris Flor
0:48:38–0:48:41
Weil die Mutter ihm das quasi so eingetrichtet hat,
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der Vater sei gestorben in der Hochzeitsnacht,
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wo er gezeugt wurde, während er gezeugt wurde, weil er halt eben,
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ja und sowohl Boes Vater als auch der Großvater, als auch der Urgroßvater hatten
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alle das gleiche Schicksal.
Florian Clauß
0:48:59–0:49:05
Genau, das ist ja so der, was ihn auch total zeugungsunfähig macht,
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Bewegungslosigkeit, das heißt, diese ganze Sexualität kann er nicht ausleben.
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Das ist ja so sein, auch sein Angstzustand.
Chris Flor
0:49:16–0:49:19
Die andere Sache, aber das sind zwei, also das sind ja zwei Sachen.
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Die eine Sache ist, die Mutter sagte, okay, wenn er halt kommt,
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dann sein Herz versagt, würde sterben, wie die ganzen männlichen Vorfahren.
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Die andere Sache ist, dass die Mutter auch so ihm,
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erzählt, was für ein Frauentyp sein Typ ist.
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Er lernt dann ja, das ist eine Rückblende später,
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raucht er diesen Joint, wo drei Dinge drin sind, wo nicht, was für.
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Drei Dinge sind da drin, bestimmten Typ hätte, dass die Frau müsste wissen,
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was sie will und stark sein und also ich weiß nicht mehr genau,
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wie sie es beschreibt, also quasi wie sie selbst irgendwie hat,
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so quasi dann und sie könnte, da müsste der Mann aber auch stark sein,
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aber dann schiebt sie halt gleich hinterher.
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Sie könnte ihm halt helfen auch, solche Frauen zu verstehen,
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weil in Wirklichkeit nur Frauen Frauen verstehen können.
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Und jede Frau kann sich glücklich schätzen, wenn sie mit Bo zusammen ist.
0:50:45–0:50:53
Aber sie quasi, ja vielleicht, also gut, da können wir da einfach mal bleiben.
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Also diese Kombination, das ist die Art von Frau, die die Mutter,
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die halt so die Autorität hat.
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Die Mutter ist die einzige Person, die in seinem Umfeld die Frauen wirklich verstehen kann.
0:51:05–0:51:08
Er kann also kein Urteil darüber fällen, wer jetzt gut und wer schlecht ist
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als Partner. Dann sagt sie auch noch, dass den richtigen Lebenspartner zu finden,
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ist die wichtigste Entscheidung, die man überhaupt treffen kann, also in seinem Leben.
0:51:22–0:51:27
Dann also auch so, ja, die Frau müsste so sein wie sie selber und sie hat es
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dann so bei der schon beurteilt, Elaine ist wohl in Ordnung,
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so von ihrem Urteil, in dem Fall.
0:51:36–0:51:42
Dann Elaine ja dann irgendwie der Urlaub abgebrochen wird von ihrer Mutter,
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weil Beau und Elaine sich da geküsst haben im Urlaub, muss sie dann abreisen
0:51:47–0:51:56
und die bringt dann Bo dazu, ihm zu versprechen, dass er auf sie wartet, also auch so sexuell.
0:51:56–0:52:03
Das heißt, er ist dann halt quasi durch diese Lüge,
0:52:03–0:52:07
oder man weiß es nicht genau, über dieses Herzversagen beim Geschlechtsverkehr
0:52:07–0:52:16
Und über dieses Versprechen ist er quasi, darf er ja überhaupt niemanden anderes
0:52:16–0:52:17
und alles durch die Mutter verursacht.
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Darf er, hat er nur diese eine Person, mit der er irgendwie sich paaren dürfte.
0:52:23–0:52:24
Und selbst da wäre es gefährlich.
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Und die wird dann, stellt sich später noch raus, die wurde dann auch angestellt
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von der Mutter. Also die war ständig unter Kontrolle der Mutter halt auch.
Florian Clauß
0:52:35–0:52:37
Ja, also im Prinzip verliert der komplett seine Entscheidungswerkzeuge.
0:52:39–0:52:45
Also hat auch die nie irgendwie ausgeprägt, weil er eben in diesen Versprechen
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festhängt und in diesem Angstzustand sein Leben zu verlieren.
Chris Flor
0:52:48–0:52:49
Ja.
Florian Clauß
0:52:50–0:52:51
Bei der Paarung. Ja.
0:52:53–0:52:57
Was ja dann auch später dann passiert in so einer übertragenen Form.
Chris Flor
0:52:57–0:52:58
Ja, ja.
Florian Clauß
0:52:58–0:53:02
Nach diesem Unfall kommt der dann, wird er eben von diesen,
0:53:02–0:53:07
er wird von einem Wohnmobil umgefahren eine frau am steuer von denen erwacht
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dann auf in dem jugendzimmer von der tochter dieser familie dieses dieses ehepaar
0:53:13–0:53:16
ja tony die tochter tony tony Genau.
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Und erlebt da auch so eine absurde Situation. Also da haben wir auch wieder
0:53:22–0:53:23
so die gesellschaftlichen Traumatisierungen.
Chris Flor
0:53:25–0:53:26
Ja, genau. Die gesellschaftlichen Traumatisierungen.
Florian Clauß
0:53:29–0:53:35
Da übernimmt er mehr oder weniger dann die Rolle des verstorbenen Sohnes von
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der Familie. Der Sohn ist in einem, wahrscheinlich Afghanistan, umgekommen.
Chris Flor
0:53:40–0:53:44
Ja, es ist irgendwie ein Fantasyland, glaube ich, vom Namen her.
0:53:44–0:53:46
Ich bin mir nicht sicher, vielleicht gibt es das auch.
Florian Clauß
0:53:47–0:53:51
Genau, er war bei der Armee und ist dann quasi gestorben. Der Freund von ihm, der...
Chris Flor
0:53:52–0:53:59
Ganz kurz, also er wohnt in Tonys Zimmer, obwohl Nathan oder Nathes Zimmer leer
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steht. Genau. Die Leerstelle bleibt dann, ja, die bleibt dann erhalten.
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So ein Museum für den Sohn, das muss leer stehen, also anstatt dass er dann
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da drin sein darf, wohnen kann und Tony in ihrem Zimmer bleiben darf,
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muss Tony im Wohnzimmer schlafen und er schläft im Tons Zimmer,
0:54:17–0:54:18
Naths Zimmer steht leer.
Florian Clauß
0:54:19–0:54:27
Und draußen in einem Wohnwagen wohnt dann der stark traumatisierte Freund von
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dem verstorbenen Sohn, der im gleichen Alter, der auch quasi in dessen Arm er gestorben ist.
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Der wird auch von der Familie aufgenommen, also die Familie ist quasi in Sammelsurium ein Traumata.
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Und gleichzeitig versuchen die eine totale Normalität, Das ist ja die ganze
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Fassade, dieses ganze Interieur ist ja ein absoluter Durchschnitt von der amerikanischen
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kleinbürgerlichen Familie, das da gezeigt wird, mit den ganzen,
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komischen Familienverbindungen. Also Toni, die Tochter, die ist wahrscheinlich so die Normalste.
Chris Flor
0:55:02–0:55:03
Ja, aber halt auch.
Florian Clauß
0:55:03–0:55:04
Auch eben.
Chris Flor
0:55:04–0:55:08
Die nimmt ja auch die ganze Zeit, die hat auch immer diese orangenen Fläschchen mit sich.
Florian Clauß
0:55:08–0:55:10
Ja, die nimmt Tabletten, Drogen, aber...
Chris Flor
0:55:10–0:55:13
Die ganze Zeit ist die eigentlich nur am Tabletten schlucken, wie so M&M's.
Florian Clauß
0:55:14–0:55:19
Aber gleichzeitig wird sie ja nicht ernst genommen. Sie wird ja von ihren Eltern ausgesperrt.
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Sie kriegt nicht die Position in der Familie. Und natürlich führt das dann zu
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so einer gesunden Abwehrreaktion.
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Und Bo ist dann wieder so in so einem Zustand, eingeschränkt durch den Unfall,
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kann sich schwer bewegen, wird dann rumgeschoben und guckt die ganze Zeit und
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ihm passieren wieder so Sachen, ja.
Chris Flor
0:55:42–0:55:45
Ja, was ich da auch nicht so hundertprozentig, was auch nicht, glaube ich,
0:55:45–0:55:55
klar wird, ist, also die Mutter in dieser Situation scheint selbst auch irgendwie Gefangene,
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Also erst mal, sie versucht dann ja schon, sie gibt ihm die Tasse zum Beispiel,
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wo der Nate draufsteht und sie macht mit ihm Puzzles.
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Also sie möchte schon, dass Bo so ein Ersatz Nate ist.
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Andererseits darf er auch nicht in den Raum rein. Und dann versucht sie ihm
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ja dann, also sie scheint auch eine Gefangene zu sein.
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Sie versucht ein paar Mal, ihm wichtige Sachen zu sagen und unter der Hand mitzuteilen,
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ohne dass es der Vater mitkriegt.
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Einmal sagt sie ihm hier, also möchte gerade irgendwas anfangen,
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und dann kommt halt der Mann rein und dann hört sie halt auf und dann flüstert
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sie ihm zu, hier, schau mal auf Kanal 78 im Fernsehen, dann schaut er nach und
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dann sieht er halt, sich selber wird er gefilmt, kann dann auch vorspulen und
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sieht dann wirklich auch das Ende des Filmes halt so in Einzelaufnahmen.
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Dann an einer Stelle gibt sie ihm halt eben diese Nähtasse und dann unten drunter
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ist eine Serviette Wette und da steht dann drauf,
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stop incriminating yourself, also da kommt diese Schuldfrage halt wieder auf,
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dass er sich selbst inkriminiert durch sein Verhalten und dann sagt halt Bo
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wieder, what does it mean?
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Er weiß es ja nicht.
Florian Clauß
0:57:09–0:57:11
Was wir komplett ausgelassen haben, ist nämlich,
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dass Bo noch in der Wohnung da in New York einen Anruf bekommt,
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dass seine Mutter gestorben sind und er dann eigentlich dann also auch das eine
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leiche ohne kopf eine frauen leiche und dann gibt es so indizien wo dann klar wird,
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das ist schon sehr lustig die Szene, genau und er wird informiert,
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Mutter ist gestorben, ja die Szene ist klasse wo dann halt auch das auch realistisch,
0:57:44–0:57:46
also dann doch auch irgendwie.
Chris Flor
0:57:47–0:57:51
Aber dann das, dass dann halt am Telefon er sich mit diesen UPS-Menschen unterhält,
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wo dann halt klar wird, dass...
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Seine Mutter halt gestorben ist, aber er es irgendwie nicht wahrhaben möchte.
Florian Clauß
0:58:01–0:58:07
Und er kommt dann wieder, also er wird dann angeleitet nach dem Unfall und so weiter.
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Dann soll die Beerdigung sein und er muss dahin kommen.
Chris Flor
0:58:11–0:58:15
Nein, nein, nein, aber das kommt ja erst raus, als er bei der Familie steht.
Florian Clauß
0:58:15–0:58:20
Genau, genau, genau. Aber das ist so das nächste Ziel von ihm,
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dass er irgendwie zu dieser Beerdigung muss, weil alle warten auf ihn.
Chris Flor
0:58:25–0:58:30
Alle warten auf ihn, das ist eine Frage der Ehre auch. Es ist eine Beleidigung,
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eine Schande für die Mutter, wenn die nicht beerdigt wird.
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Und irgendwie wird dann auch aus der Bibel zitiert, an derselben Nacht,
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man darf nicht über Nacht die Leiche liegen lassen.
Florian Clauß
0:58:46–0:58:51
Also es wird die komplette Druckfolie wieder aufgefahren und er ist wieder...
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Und er kann ja natürlich nichts dafür. Er versucht dann weg und alle und die
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in der Familie, also der Vater, der Familienvater ist halt Arzt und er meinte,
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ja, kein Problem, ich fahr dich dann morgen hin und dann war wieder irgendwas,
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immer kommt was dazwischen.
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Und dann kommt Toni, die Tochter, sagt, ich fahr dich hin. Aber dann gibt es
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halt so eine kleine Psycho-Ausfahrt, wo sie ihn dann fertig machen.
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Und er kommt nicht mehr.
Chris Flor
0:59:16–0:59:19
Aber die Szene musst du ja wirklich anhalten, weil das war für mich nicht mehr
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zu ertragen, wo die halt immer Auto setzen.
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Und dann sie ihn filmen, die Freundin von Tony, und sie ihn dann filmen.
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Und er soll halt einen Joint rauchen. Und ich so, was ist da drin?
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Drei Sachen sind da drin. Aha.
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Ich will nicht. Und dann zwingen sie ihn dann halt dann zu rauchen.
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Und dann merkt er aber, dass sie ihn gar nicht nach Hause fahren,
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sondern dass sie ihn wirklich nur umarmen und so fahren.
Florian Clauß
0:59:42–0:59:47
Genau. Also er wird dann gemobbt. Aber auch das finde ich so ein normales Verhalten in der Situation.
Chris Flor
0:59:47–0:59:47
Ja, ja, klar.
Florian Clauß
0:59:47–0:59:49
Aber es ist natürlich total brutal.
Chris Flor
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Und er noch mal mit Toni, sie schläft auf dem Sofa, er kommt raus nachts und
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möchte auf Toilette gehen grade. Muss auf Toilette, kommt raus,
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sagt, ich muss nur auf Toilette, magst du vielleicht in dein Zimmer gehen?
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Und dann antwortet sie nicht wieder.
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Und er sagt dann, ja, macht mir nichts aus, ich schlaf gerne auf dem Sofa,
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ich find Sofas gut, und du kannst dann rein.
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Und dann sagt sie, no, go back into my bed and close the door oder so.
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Und dann, obwohl er eigentlich aufs Klo muss, da geht er halt so zurück und
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geht rein und sagt, ja, wenn deine Meinung Ende ist, ist es auch okay,
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dann können wir dann wechseln und so und macht dann, und dann, thank you for the drink.
Florian Clauß
1:00:28–1:00:31
Also er kann ja auch sich, er kann sich da nicht so richtig durchsetzen.
Chris Flor
1:00:31–1:00:32
Naja.
Florian Clauß
1:00:32–1:00:35
Also er ist ja auch irgendwie so da vielleicht schuld.
Chris Flor
1:00:36–1:00:39
Ja, ja, und dann hätte, wenn er sich da so ein bisschen mehr,
1:00:39–1:00:44
er hätte da wirklich auch, ja, hätte da auch sich weniger rumschubsen lassen
1:00:44–1:00:46
und dann halt auch irgendwie ein bisschen.
Florian Clauß
1:00:48–1:00:52
Er setzt seine Interessen nicht so richtig durch, also die Verantwortung,
1:00:52–1:00:54
die dann wieder ihm fehlt, für sich einzustehen.
1:00:56–1:01:01
Er flieht dann aus der Familie, nachdem er dann eine Fußfessel bekommt,
1:01:01–1:01:04
und das ist nur for your best.
Chris Flor
1:01:04–1:01:09
Ja, um dann seine Daten zu überwachen, also seine Gesundheitsdaten.
Florian Clauß
1:01:10–1:01:17
Und dann fängt diese Odyssee an, wo er wieder quasi zu dem Haus seiner Mutter zurückkommt.
Chris Flor
1:01:17–1:01:23
Ja, aber das ist ja Tony. Tony dreht dann so durch und sagt,
1:01:23–1:01:26
sie wollte jetzt irgendwie den Nate's Zimmer anmalen.
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Und dann schreibt sie halt hin mit so einem Farbtoff und möchte ihn so kombinieren.
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Dann in rosa, genau, was ihr Zimmerfarbe ist und dann, er möchte halt nicht,
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mitmachen und dann sagt sie, Und dann bringt sie die Farbe stirbt,
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die Mutter kommt rein und sagt, Now I see you, now I know you are a demon oder sowas.
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Und dann hetzen sie halt eben diesen anderen Soldaten,
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diesen traumatisierten Kameraden von dem verstorbenen Sohn, hetzen sie dann
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eben hinterher und er muss fliehen. Und da kommt er dann halt in den Wald rein.
Florian Clauß
1:02:26–1:02:29
Der in den Wald reinkommt, trifft auf die Theatergruppe, die so wie gesagt so
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eine kleine utopische Parallelgesellschaft.
Chris Flor
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Die Frau, die ihn findet, ist halt auch schwanger und die guckt dann halt gleich,
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ist um sein Wohl bemüht, schaut danach, schaut sich die Wunden an,
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dass er sich wäscht und so weiter.
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Die ist halt dann quasi so eine positive Mittelfigur
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und ihr schenkt er dann halt nämlich dann auch diese marienfigur
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die zuvor zerbrochen war
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die war zerbrochen als er sie
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hat fallen lassen als der polizist ihn bedroht hat wurde
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wieder zusammen geleimt von der mutter in dem haus ja und dann auf den nachttisch
1:03:09–1:03:16
als er aufgewacht ist und die schenkte er dann halt eben dieser frau die ihnen
1:03:16–1:03:22
dann halt in in diesem wald quasi gefunden und gerettet hat vielleicht.
Florian Clauß
1:03:23–1:03:26
Und er kommt dann auch, er wird dann irgendwie von der Gesellschaft aufgenommen.
1:03:26–1:03:30
Und das hat mich dann auch diese ganze, das hat mich sehr stark an Midsommar
1:03:30–1:03:34
erinnert, wie dann halt erst mal sehr fürsorglich füreinander,
1:03:34–1:03:35
miteinander umgegangen wurde.
1:03:36–1:03:40
Und dann fängt dieses Theaterstück an, wo er sich dann quasi mit seinen zwei
1:03:40–1:03:45
imaginären Söhnen, die dann von ihm getrennt wurden. Drei. Drei, stimmt, drei.
1:03:47–1:03:51
Und wo er dann seine Reise durch die Welt irgendwo inszeniert sieht und sagt,
1:03:51–1:03:53
Das bin ich ja, ich bin das ja.
Chris Flor
1:03:54–1:03:56
Wobei das halt wirklich ein Stück im Stück im Film ist.
Florian Clauß
1:03:57–1:04:00
Und ich finde, da wird es halt so eine gewisse Willkürlichkeit.
1:04:01–1:04:03
Da wird es halt irgendwie verlässt. Also ich meine, wir hatten schon vorher
1:04:03–1:04:06
diese Bühne der Nachvollziehbarkeit verlassen, schon früh.
1:04:07–1:04:09
Aber da finde ich halt halt so egal.
1:04:11–1:04:17
Da wird einfach extrem viel Visuelles erzeugt, aber ohne dass man jetzt noch
1:04:17–1:04:20
so irgendwie einen Bogen bekommt und das ist gar nicht mehr so.
1:04:21–1:04:28
Da kann man auch nicht mal in die Interpretation reingehen, weil das so ein
1:04:28–1:04:32
bisschen verwahrlost ist in der Kausalität.
1:04:33–1:04:34
Also auch nicht mal so eine syriane...
Chris Flor
1:04:36–1:04:41
Also da waren ja schon Parallelen zu dieser Geschichte,
1:04:41–1:04:52
die dann erzählt wurde im Theaterstück Die Eltern sind gestorben und er geht auf den...
1:04:54–1:04:57
Ich weiß nicht, also da waren ja schon Parallelen, sowohl zu dem,
1:04:57–1:05:00
was halt vorher in dem Film passiert ist, wo er in dieser Familie angekommen
1:05:00–1:05:04
ist. gekommen ist, da war ja dieses Theaterstück hatte dann schon...
1:05:05–1:05:09
So ähnliche Themen, wie was ihm dann halt auch vorher schon passiert war.
1:05:11–1:05:15
Und natürlich war es eher so eine Übung, vielleicht kommt es einem so vor,
1:05:15–1:05:19
dass dann halt eben, also er sieht das Theaterstück, auf einmal ist er selber
1:05:19–1:05:20
in dem Theaterstück drin.
1:05:21–1:05:25
In dem Theaterstück wird halt so eine Geschichte erzählt,
1:05:25–1:05:31
die so ein bisschen an diese Geschichte erinnert, In dem Fall hatte er dann
1:05:31–1:05:33
halt irgendwie eine Partnerin gefunden,
1:05:33–1:05:40
hat Kinder gezeugt, wurde von denen aber dann getrennt wegen einer großen Flut,
1:05:40–1:05:42
hat dann sein ganzes Leben versucht, die zu finden.
1:05:46–1:05:52
Dann wird ihm irgendwie ein Verbrechen in die Schuhe geschoben in diesem Theaterstück.
1:05:57–1:06:03
Er flieht, dann irgendwie wird alt und dann endlich, okay, aber das ist es halt
1:06:03–1:06:09
nämlich, dann gesteht er seine Sünden, er gesteht seine Schuld.
1:06:10–1:06:15
Und dann auf einmal kommt er in den Wald und findet seine Kinder wieder.
1:06:16–1:06:19
In diesem Theaterstück ist halt dieser Moment, wo sich alles wendet von ich
1:06:19–1:06:21
habe meine Familie verloren und
1:06:21–1:06:24
so weiter, gesteht er seine Schuld und man hört aber nicht, was er sagt.
1:06:24–1:06:27
Also vorher hört man, was er sagt, aber dann fragt sich dann natürlich,
1:06:27–1:06:32
was hat denn Bo zu gestehen? Was ist die Schuld, die er gestehen könnte damit?
1:06:32–1:06:36
Also weil ich glaube, das würde er natürlich auch gerne tun.
1:06:36–1:06:40
Ich glaube, Bo würde sehr gerne gestehen, sagen, okay, das ist meine Schuld,
1:06:40–1:06:41
das habe ich falsch gemacht.
1:06:43–1:06:47
Aber es gibt halt nichts, was er sich von der Seele reden kann.
1:06:50–1:06:55
Insofern fand ich dieses Theaterstück dann schon auch ... Es zerfleddert das
1:06:55–1:06:57
ganze Narrativ halt enorm. Aber es halt ...
1:06:58–1:07:03
Es hört ja auf, weil er gar kein Vater sein kann, weil er noch nie Sex gehabt
1:07:03–1:07:06
hat. Das kommt halt in einem Gespräch mit den fiktiven Söhnen vor.
Florian Clauß
1:07:07–1:07:11
Was ist, wenn wir mal über diese Schuldfrage sprechen?
1:07:12–1:07:21
Bei Beau the Freight, Guilty und also du hast es in unserem Vorgespräch selber
1:07:21–1:07:24
angesprochen, Chris, deswegen möchte ich das nochmal aufgreifen.
1:07:26–1:07:28
In Midsommar haben wir ja irgendwie so diesen Charakter Chris,
1:07:28–1:07:34
der mit seiner Passivität und auch mit seiner,
1:07:34–1:07:39
ja eben seiner Verantwortungslosigkeit, so eine gewisse,
1:07:39–1:07:45
ja, so eine gewisse Schuldrolle dann erfüllt und das haben wir ja in unserem letzten Podcast,
1:07:45–1:07:50
den wir zusammen aufgenommen haben über Midsommar, ziemlich lange diskutiert
1:07:50–1:07:55
über diesen Charakter Chris, der dann eben seine… Chris.
Chris Flor
1:07:55–1:07:56
Christian.
Florian Clauß
1:07:56–1:08:03
Sorry, Chris. Du wirst mit K.A. geschrieben.
Chris Flor
1:08:03–1:08:06
Das ist der passive Typ, der nix gebacken kriegt.
Florian Clauß
1:08:08–1:08:13
Aber was mich dabei irgendwie so ein bisschen treibt, ist halt,
1:08:13–1:08:20
ob das jetzt so ein generelles Ding von Ari Aster ist, dass er da diese ...
1:08:23–1:08:27
Verantwortungslosigkeit von seinen Hauptcharakteren dann so herausarbeitet,
1:08:27–1:08:30
dass dann eine ganze Geschichte daraus ausrollt.
1:08:32–1:08:36
Und vielleicht hast du ja noch mal da irgendwie ein paar Gedanken gemacht in die Richtung.
Chris Flor
1:08:36–1:08:41
Ja, also ich denke erstmal, das hatten wir ja damals auch gesagt über diesen
1:08:41–1:08:45
Crystian, dass er quasi an so einem gewissen Punkt ist er halt wie auf einer
1:08:45–1:08:48
Schiene und er rollt also seinem Untergang so entgegen.
1:08:48–1:08:55
Und da hast du ja diese Tragödie, dieses Element der Tragödie hast du ja auch,
1:08:55–1:08:57
wo und dann halt einfach so...
1:09:01–1:09:05
Eine Charakteristik oder eine Schuld bei, oder eine Entscheidung, irgendwas, ne?
1:09:05–1:09:10
Also bei den alten griechischen Dramen war das ja dann, äh, Tragödien,
1:09:10–1:09:15
war das ja, dass, dass da, also einfach die Götter und das war einfach alles
1:09:15–1:09:17
schon so, stand alles eigentlich schon so fest.
1:09:18–1:09:25
Und du, näh, du kommst halt nicht aus dieser, also die Schienen sind halt gelegt,
1:09:25–1:09:28
Du kommst halt aus diesem Untergang nicht raus.
1:09:28–1:09:31
Du weißt halt auch am Anfang, wenn du dir eine Tragödie anguckst,
1:09:31–1:09:34
auch mit der Shakespeare, du weißt, es kann gar nicht gut ausgehen.
1:09:35–1:09:37
Einfach weil sich diese ganzen Weichen halt schon so stellen,
1:09:37–1:09:41
dass es halt wirklich in diese Richtung geht. Und es kann kein Rauskommen mehr.
1:09:41–1:09:45
Und ich hab das, also bei dem Bow is Afraid denke ich halt auch,
1:09:45–1:09:48
dass es von Anfang bis Ende eigentlich, also wie das ...
Florian Clauß
1:09:48–1:09:54
Du meinst halt so diese klassische, ja, dieser klassische Hate,
1:09:54–1:09:56
der dann überrannt wird von seinem Schicksal.
1:09:57–1:10:00
Die Frage, ob das auch Bo so...
1:10:02–1:10:05
Ist der überhaupt ein Held? Kann man ihn als Held bezeichnen?
1:10:06–1:10:10
Weil das war ja dieses Beispiel von mir in der Tragödien-Geschichte,
1:10:10–1:10:19
dass der Held eigentlich in so einer Situation kommt, wo er von seinem Schicksal
1:10:19–1:10:21
überrollt wird, wie du gesagt hast,
1:10:21–1:10:25
Aber eine gewisse Handlungslosigkeit hat, ne?
1:10:25–1:10:27
Wo er dann eben nichts mehr beeinflussen kann.
Chris Flor
1:10:27–1:10:30
Ja, also, jetzt mal Tragödie, ne? Du kannst ...
1:10:31–1:10:33
Macbeth ist vielleicht so ein super Beispiel jetzt hier auch.
1:10:33–1:10:36
Weil du hast dann nämlich auch ... Du hast halt diesen Macbeth selber,
1:10:36–1:10:42
der eigentlich ganz ... Der macht halt so sein Ding in diesem ganzen Machtspiel,
1:10:42–1:10:44
ist eigentlich relativ zufrieden.
1:10:44–1:10:48
Und, ähm, Lady Macbeth ist dann halt eben dieser Einfluss, der dann reinkommt.
1:10:51–1:10:55
Und diese Co-Dependenz zwischen den beiden führt dann halt quasi zu diesem Untergang,
1:10:55–1:10:57
dass dann auf einmal dieser Ehrgeiz reinkommt.
1:11:03–1:11:07
Also er geht halt auf den Untergang zu, weil er halt es nicht schafft,
1:11:07–1:11:10
also auch er schafft es dann halt auch nicht so dagegen zu drücken und sagen,
1:11:10–1:11:14
nee, das ist mir alles zu gefährlich, sondern lässt sich davon also quasi auch
1:11:14–1:11:16
passiv dann halt mitnehmen.
1:11:16–1:11:20
Sag ich mal, also ich habe jetzt nie richtig Macbeth interpretiert,
1:11:20–1:11:23
aber das ist halt so ein bisschen so das Gefühl, was ich daraus dann irgendwie
1:11:23–1:11:27
kriege. Und sowohl dieser Christian als auch Bo ...
1:11:29–1:11:33
Ähm, also, Christian ist natürlich nicht der Held jetzt in dem,
1:11:33–1:11:36
äh ... äh, in, äh, im Midsommar.
1:11:37–1:11:39
Ich würde schon sagen, dass Bo halt eben dann doch der ...
1:11:41–1:11:43
Held ist einfach in der Geschichte, in dieser ...
1:11:45–1:11:51
Puh, ja, also ... Ist halt doof, ne? Ich möchte jetzt nicht anfangen mit der Hero's Journey oder so.
1:11:51–1:11:55
Einfach so diese Sache, dass du halt einen Charakter hast, der an einem bestimmten
1:11:55–1:12:00
Punkt ist und der durchläuft dann was und dann verändert sich was und dann kommt
1:12:00–1:12:01
man halt irgendwo am Ende an.
1:12:02–1:12:07
Und, äh, also so ganz grob, ist ja schon ... Diese Bo-Geschichte ist ja schon
1:12:07–1:12:09
eben so eine Odyssee, die halt so durchmacht.
1:12:10–1:12:14
Insofern würde ich sagen, ja, hält schon in dem Sinne. Ähm,
1:12:14–1:12:19
und die, die, äh, Schuld ist halt diese Passivität,
1:12:19–1:12:26
würde ich sagen, aber die ist ja auch dann so ein bisschen schuldlos schuldig,
1:12:26–1:12:36
weil er ja diese Passivität durch diese dominante Mutter dann halt quasi aufgesogen hat.
1:12:36–1:12:42
Er hat ja keine, er hat ja nicht das Gefühl, dass er überhaupt einen Einfluss
1:12:42–1:12:45
hat. Also er möchte natürlich auch immer...
1:12:48–1:12:53
Autorität und Agency abgeben, weil er sich das nicht zutraut.
1:12:55–1:12:58
Dadurch, weil halt diese Mutterfigur halt so dominant war.
Florian Clauß
1:12:58–1:13:06
Aber ist das dann quasi auch der Punkt für den Charakter, wo man das entschuldigen kann?
1:13:08–1:13:12
Ich mein, das fängt mit der Geburt von ihm selber an, aus der Perspektive von ihm.
1:13:13–1:13:20
Man sieht den quasi, der Filmanfang ist ja quasi so der, aus der Ego-Perspektive,
1:13:20–1:13:23
wie er aus dem Kanal von seiner Mutter kommt.
1:13:23–1:13:29
Und die Frage ist halt, kann man ihn dann irgendwie schuldfrei,
1:13:29–1:13:36
also ist das wirklich so, also was ist das dann letztendlich von Ari Aster für
1:13:36–1:13:38
einen Zug, dass er das dann halt so inszeniert?
Chris Flor
1:13:39–1:13:43
Ich mein, also Beau möchte ja gar nicht, ne? Der möchte nicht mit dabei sein.
1:13:43–1:13:48
Der schreit nicht als Baby, der muss erst beatmet werden und einen Klaps kriegen,
1:13:48–1:13:51
bevor er überhaupt anfängt zu leben. Also, der hat kein Interesse, mitzumachen.
1:13:53–1:13:58
Und wird dann halt quasi dann halt so reingezerrt ins Leben.
1:13:59–1:14:02
Und aus dem wohligen Wasser heraus, aus dem er kommt.
1:14:03–1:14:08
Und muss halt dann raus, wird dann halt geboren. Und dann, warum schreit er
1:14:08–1:14:10
nicht, warum schreit er nicht, was ist los? Und dann wird er beatmet und dann
1:14:10–1:14:14
kriegt er einen Klaps. Und dann, komischerweise ist es ja immer aus seiner Sicht,
1:14:14–1:14:17
aber dann sieht man auf einmal seinen Po, also diesen Baby-Po.
1:14:19–1:14:22
Und dann ist er halt in der Welt drin. Also ich würde sagen,
1:14:22–1:14:27
er ist erst mal, das ist ja sehr existenzialistisch vom Ansatz,
1:14:27–1:14:29
ist es ja, also er ist halt...
1:14:31–1:14:33
Ungefragt ist er halt rein und wird halt schuldlos schuldig.
1:14:33–1:14:37
Ich würde schon sagen, dass er jetzt, ähm, ne, ne ...
1:14:39–1:14:44
Also, eigentlich schon einfach Pech hat irgendwie. Also, wahrscheinlich mit so einer Passivität.
1:14:45–1:14:50
Das ist er. Und das ist so seine Schuld. Aber halt auch dieses ganze Trauma,
1:14:50–1:14:53
was dann oben draufkommt, ist ja nicht seine Schuld. Und die Sache,
1:14:53–1:14:55
dass er natürlich in einem ...
1:14:56–1:15:04
Also, in dem Wald, diese Kommune da in dem Wald, die so herzlich und unterstützend
1:15:04–1:15:08
und so weiter ist, das wäre natürlich für so jemanden wie Bo, wäre das halt ...
1:15:11–1:15:14
Eine gute Umgebung, in der er halt hätte aufwachsen können oder in der er hätte
1:15:14–1:15:17
heilen können, wenn er genügend Zeit gehabt hätte.
1:15:18–1:15:23
Aber die Chance hat er ja nicht, weil er halt eben so durchrast und dann auch
1:15:23–1:15:25
in seine Vergangenheit halt auch einholt.
1:15:25–1:15:32
Aber er kann ja nix dafür, ne? Er wurde... Ähm, ne? Also, diese ganze Reise,
1:15:32–1:15:34
geht raus, muss Wasser holen.
1:15:36–1:15:41
Ähm, dann, Badewanne, rennt raus, ist nackt. Der Typ möchte ihn abschlechen,
1:15:41–1:15:42
die Polizei möchte ihn erschießen.
1:15:43–1:15:46
Ähm, er wird angefahren, ne? Also, es ist eher, ähm ...
Florian Clauß
1:15:46–1:15:50
Sorry, aber wenn wir jetzt dann noch mal auf Midsommar zurückkommen, da ist es ja auch so,
1:15:50–1:15:56
dass Christian als Charakter immer von einer Situation in die nächste stolpert,
1:15:56–1:16:01
gleichzeitig, ich glaube, das ist so sein Punkt, dass er nicht zu seiner Freundin steht.
1:16:01–1:16:06
Ich glaube, das ist so das, was ihn dann halt auch schuldig macht,
1:16:06–1:16:07
einfach in der Passivität.
1:16:09–1:16:13
Und das ist, was vielleicht auch den Charakter abhebt von Bo,
1:16:13–1:16:19
aber gleichzeitig ist das ja bei Bo is afraid.
1:16:21–1:16:26
Der, wie du sagst, der rast da so durch und wird von einer Sache in die nächste
1:16:26–1:16:29
geworfen und hat nirgendwo Griff.
1:16:30–1:16:34
Der kann sich ja nicht irgendwo halten und der ist ja einfach nur so ausgeliefert.
1:16:35–1:16:40
Und ich frage mich, ob dann eben, um das nochmal so ein bisschen von dem anderen
1:16:40–1:16:42
Charakter von Christian von Midsommar,
1:16:42–1:16:51
dass der durchaus viel mehr Griff gehabt hätte, um eben dieser finalen Verurteiler
1:16:51–1:16:53
in diesem Gericht zu entkommen.
1:16:53–1:16:58
Wir haben ja quasi ähnliche Situationen zum Ende. Ich greife jetzt vorweg,
1:16:58–1:17:02
aber dass wir am Ende dann diese Verurteilungsszene haben, also das jüngste
1:17:02–1:17:06
Gericht oder das Gericht, was dann halt auf der einen Seite dann eben Beau verurteilt.
1:17:08–1:17:13
Auf der anderen Seite bei Midsommar haben wir ja auch eine Art von ja,
1:17:13–1:17:18
selbstgemachter Justiz, die dann in dieser Community herrscht,
1:17:18–1:17:26
Ja, wo dann eben toddurch verbrennen, mit eben auch selber, dass dann halt tatsächlich
1:17:26–1:17:31
eigene Mitglieder der Community damit verbrannt werden.
1:17:31–1:17:37
Also es geht ja nicht nur so um irgendwie die und wir, sondern da wird ja auch
1:17:37–1:17:41
schon so eine gewisse Vermischung dann gemacht in der in der Verurteilung.
1:17:43–1:17:45
Und ich versuche gerade so ein bisschen den Unterschied herauszuarbeiten.
Chris Flor
1:17:45–1:17:52
Ja, okay. Ich glaube es ist sehr ähnlich, also ich glaube aber noch,
1:17:52–1:17:54
dass halt eben dieser Christian, dessen...
1:17:58–1:18:03
Also wir wissen ja nicht, wo ihr herkommt und die Familie ist ja eben nicht
1:18:03–1:18:05
eine geerbte Familie, sondern so eine Wahlfamilie.
1:18:07–1:18:09
Da sind ja ganz viele Wahlfamilien in diesem Midsommar.
1:18:13–1:18:17
Die irgendwie, you guys are my family, als die da liegen und diese Pilze essen,
1:18:17–1:18:23
diese Gemeinschaft, dann halt auch sowieso der Freundeskreis und so weiter.
1:18:24–1:18:27
Die Schuld von dem Christian war ja, dass er nicht zu seiner Freundin steht.
1:18:27–1:18:33
Die Schuld in Bo ist, dass er nicht zu seiner Mutter steht. Also so von der
1:18:33–1:18:40
Anklage her, dass er halt die Opfer seiner Mutter nicht zu wertschätzen weiß.
1:18:40–1:18:41
Und das eine ist ja eben die Wahlfamilie.
1:18:42–1:18:50
Er hat sich die Freundin ausgesucht und gibt ihr nicht, was sie braucht in dem eigenen Trauma.
1:18:51–1:18:56
Und jetzt bei Bo ist es ja einfach, dass er sich die Familie nicht ausgesucht
1:18:56–1:19:01
hat. Also ich glaube, es ist halt eben noch tragischer, weil es halt eigentlich
1:19:01–1:19:02
sich nicht verhindern lässt.
Florian Clauß
1:19:02–1:19:05
Also noch deterministischer dann in der Konstellation.
Chris Flor
1:19:05–1:19:08
Ja, er kann ja nicht raustreten. Er kann ja nicht raus aus der Sache.
1:19:08–1:19:12
Er ist halt von Anfang an drin. Er versucht hier und da,
1:19:12–1:19:15
und es ist halt eben diese Szene, die halt mir wirklich das Herz bricht,
1:19:15–1:19:17
wo er halt mit seiner Mutter telefoniert,
1:19:17–1:19:24
dann irgendwie, we can fix this, von wegen, also, dass dieser Konflikt,
1:19:24–1:19:27
er merkt es schon, er möchte da raustreten, aber er kann nicht raustreten.
1:19:27–1:19:30
Die Sache ist halt, hält ihn dann halt so fest.
1:19:31–1:19:33
Natürlich jemand der stärker oder anders,
1:19:35–1:19:39
veranlagt ist als Bow, würde das natürlich hinkriegen, aber halt Bow eben nicht.
Florian Clauß
1:19:40–1:19:44
Ich kann nicht nachvollziehen, das ist genau der Punkt. Diese Wahlfamilie auch
1:19:44–1:19:50
bei Midsommar ist ja eine bewusste Entscheidung von den Charakteren,
1:19:50–1:19:56
die dann halt diese Verbindung eingehen und damit dann auch eine andere bewusste
1:19:56–1:20:00
Verantwortlichkeit quasi einhergeht. geht.
1:20:00–1:20:06
Während bei Boaz Afraid ist dann dieses in die Wiege gelegte Muttertrauma,
1:20:06–1:20:12
was dann halt ausgebreitet wird. Ja, das ist nachvollziehbar,
1:20:12–1:20:14
dass er dann überhaupt keine Wahlmöglichkeit hat.
1:20:16–1:20:21
Und dann ist halt auch die Frage der Verantwortlichkeit, wo wir jetzt eingestiegen sind,
1:20:21–1:20:25
ist, wie weit ist er verantwortlich für sein Handeln,
1:20:25–1:20:30
also für seine Schuldfrage, ob er die überhaupt als Personen,
1:20:30–1:20:36
als Individuum so lösen kann, oder ob das jetzt wirklich so das Machtspiel von
1:20:36–1:20:41
höheren, also das Spiel von höheren Mächten ist, die das dann so weitertragen.
Chris Flor
1:20:42–1:20:46
Er ist ja nie in einen Vertrag eingegangen mit irgendjemand.
1:20:46–1:20:52
Also er war ja, also Bo, da wurde ja nie was ausgehandelt.
1:20:53–1:20:57
Also er ist nicht in der Lage, irgendwie was auszuhandeln. Und dann dadurch
1:20:57–1:20:59
halt, ja genau, würd ich sagen, weniger Verantwortung.
1:21:02–1:21:06
Wobei man eben natürlich, natürlich hätte er Sachen anders machen können.
1:21:08–1:21:13
Und das wäre dann besser ausgegangen für ihn. Also es gibt ja sehr viele Möglichkeiten,
1:21:13–1:21:17
wo man denkt, nur ein bisschen anders oder hier mal was gesagt oder da mal noch
1:21:17–1:21:18
mal nachgefragt oder sowas.
1:21:18–1:21:22
Aber selbst wenn er das versucht, irgendwie selbst wenn er versucht,
1:21:22–1:21:26
Sachen zu klären, wird er ja dann auch immer abgewimmelt, so bei der Familie
1:21:26–1:21:31
zum Beispiel, wo er da unterkommt, wo er dann fragt, ja was soll das bedeuten?
1:21:31–1:21:35
Stop incriminating yourself. Was soll das bedeuten? Und er kriegt halt nie eine Antwort.
1:21:38–1:21:42
Die ist halt, ja, es ist doof zu sagen, aber es ist halt eben so ein bisschen
1:21:42–1:21:45
der Prozess Kafka-esk irgendwie,
1:21:45–1:21:50
dass die, da ist, die Schuld ist da, aber man weiß Ich weiß nicht genau,
1:21:50–1:21:55
woher denn die Schuld überhaupt kommt, weil die halt von Anfang an irgendwie schon mit dazugehört.
Florian Clauß
1:21:55–1:22:00
Und wie du gesagt hast, er will ja verstehen. Er will ja irgendwie ...
1:22:00–1:22:02
Er will's besser machen, er will's verstehen.
Chris Flor
1:22:02–1:22:02
Ja.
Florian Clauß
1:22:02–1:22:05
Aber gleichzeitig kommt er aus den Situationen nicht heraus,
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wo er ständig in Anklage steht.
1:22:08–1:22:11
Und das ist so, was ihn da so treibt durch die Handlung.
1:22:11–1:22:18
Dass er eigentlich so ... Also, würden wir jetzt mit dem Exkurs über Mützer mal sagen,
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dass Beau durchaus von seiner Verantwortungslosigkeit freigesprochen werden kann.
Chris Flor
1:22:28–1:22:36
Das ist halt eben der Verteidigungsanwalt bei der Verhandlung am Ende,
1:22:36–1:22:41
der ruft dann »He was afraid« und das ist ja eben die Sache,
1:22:41–1:22:47
also der Beau ist in die Welt hineingeworfen und versucht halt wirklich nur
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damit klar zu kommen und alles was er macht ist in Reaktion darauf was ihm um
1:22:55–1:22:58
sich zu schützen vor den sachen die ihm angst machen und in,
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sofern zu entschuldigen würde ich mal sagen natürlich
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bei christian genauso also das natürlich bei jedem mensch kann man das halt
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dann kann man dann so weit hingehen ja aber ich würde schon sagen dass halt
1:23:11–1:23:15
diese verteidigung also wir kriegen das ja mit in dem film es ist ja unfair
1:23:15–1:23:20
was passiert und und die verteidiger verteidigungsanwalt hat recht ich weiß
1:23:20–1:23:22
gar nicht wer das ist ob er das auch ob ob das derselbe Schauspieler ist,
1:23:22–1:23:26
ob das dann auch Joaquin Phoenix ist, oder wer dieser Anwalt ist,
1:23:26–1:23:27
der dahinten irgendwie dann vom ...
1:23:27–1:23:32
Der defenestriert wird dann am Ende und dann halt ins Wasser geworfen wird.
1:23:33–1:23:36
Also, das gilt, dass selbst diese Entschuldigung ...
1:23:36–1:23:40
Er hat halt Angst und versucht halt, nur mit dieser Angst klarzukommen.
1:23:41–1:23:42
Das wird dann halt auch ...
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Ist dann ungültig in der Welt, die halt ...
1:23:47–1:23:55
Die dann Schuld zuweist und dann halt verurteilt. Ja. vollstreckt, der ist es egal.
Florian Clauß
1:23:56–1:24:02
Ja, also im Prinzip ist das jetzt so zurückgeworfen auf die eigene archaische Angst,
1:24:02–1:24:11
die dann wo insofern überhaupt nicht mehr Schütz, sondern eben diese Handlung dann reintreibt.
1:24:13–1:24:19
Würde ich jetzt mal so, okay, also das heißt, er kann überhaupt keine Verantwortung übernehmen,
1:24:19–1:24:23
weil er einfach dieses Pettern von der Angst,
1:24:23–1:24:28
diese Verantwortung dann überhaupt überlagert, er kann überhaupt nicht da reingehen und sagen,
1:24:28–1:24:33
okay, ich übernehme jetzt mal verantwortungsbewusst,
1:24:33–1:24:39
also dann wissen wir, bei diesem Theaterspiel, wenn er dann Söhne gehabt hätte,
1:24:39–1:24:45
würde er auch eine gewisse Konsequenz in der Welt dann halt auch spüren und könnte sagen,
1:24:45–1:24:51
an diesem Punkt, okay, übernehme ich die Verantwortung und ist so,
1:24:51–1:24:55
dass ich da eben auch handeln kann.
1:24:55–1:25:01
Aber ihm wird durch die Angst quasi überhaupt dieses, die Möglichkeit sich zu
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wehren, wird ihm genommen.
Chris Flor
1:25:04–1:25:10
Das ist auch interessant, weil ihm wird ja auch dann quasi genommen diese Sache
1:25:10–1:25:11
dieses Erwachsenwerden,
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Kinder haben Verantwortung übernehmen, selber zu gestalten,
1:25:16–1:25:19
das wird ihm ja genommen dadurch, dass er halt diese Angst hat,
1:25:19–1:25:24
dass er keinen Sex haben darf oder so, dass halt die Mutter ihm das so versperrt,
1:25:24–1:25:29
sowohl Sex zu haben, als auch einen würdigen Partner, eine würdige Partnerin zu finden.
1:25:33–1:25:38
Aber natürlich ist es auch so, jeder ist so Ursache, Wirkung,
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ist dann quasi Opfer und niemals Täter und so natürlich.
1:25:44–1:25:51
Ja, wie gesagt, also was dann an Widerständen hätte kommen können gegen dieses,
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wäre halt einerseits eine liebevolle Umgebung, die ihm dann so unterstützt oder
1:25:56–1:26:00
halt irgendwas aus ihm selbst heraus, was dann halt so durchbricht.
1:26:00–1:26:07
Also nicht ein Effekt von Einflüssen von außen ist, würde ich mal sagen.
1:26:09–1:26:16
Und beides fehlt halt. Und das ist halt sein Pech. Es ist nicht seine Schuld.
Florian Clauß
1:26:16–1:26:19
Ja, es ist dann wieder so, wenn man dann beim Anfang des Filmes ist,
1:26:19–1:26:26
das Urvertrauen, was dann vielleicht einfach in so einer psychologischen Interpretation
1:26:26–1:26:30
gefehlt hat, dass er auch dann entsprechend die Verantwortung übernehmen kann.
1:26:30–1:26:36
Also ich glaube, das haben wir jetzt ganz gut nochmal so herausgearbeitet und
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werfen jetzt nicht Ari Aster vor,
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dass er seine Hauptcharaktere in eine gewisse Schuldunfähigkeit durch Verantwortungslosigkeit schickt,
1:26:48–1:26:52
sondern dass wir da schon so unterschiedliche Aspekte haben,
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im Vergleich von Midsommar zu Bows of Raid.
1:26:56–1:27:01
Ich wollte noch mal einen anderen Aspekt ansprechen, den hast du auch noch schon
1:27:01–1:27:06
erwähnt, nämlich die Bedeutung des Wassers in dem Film.
1:27:06–1:27:12
Wir haben ja, das Wasser kommt in unterschiedlichen Formen und Elementen vor.
1:27:12–1:27:18
Ja, und da können wir nochmal so zusammentragen, was uns da aufgefallen ist
1:27:18–1:27:21
bei Boris Zephred, wo überall das Wasser auftaucht.
Chris Flor
1:27:23–1:27:26
Also erstmal natürlich in seinem Namen, Wassermann, er ist der Wassermann, das ist sein Nachname.
1:27:28–1:27:31
Und aber dann ja genau diese Geschichten.
1:27:32–1:27:37
Tabletten müssen mit Wasser genommen werden. In dem Theaterstück ist es die
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Flut, die ihn von seiner Familie trennt.
Florian Clauß
1:27:41–1:27:42
Also das dann ja dann.
Chris Flor
1:27:44–1:27:48
Aber dann halt auch die Sache, dass er jetzt diese Elaine trifft,
1:27:48–1:27:51
als sie auf einem Cruise-Ship sind. Also die machen ja eine Wasserrundfahrt.
1:27:54–1:27:58
Dann dann das erste Mal, wenn er mit Elaine redet, rennt sie rum und sagt,
1:27:58–1:28:00
da ist eine Ertrunkene im Pool, da ist eine Ertrunkene im Pool,
1:28:00–1:28:04
da ist jemand ertrunken im Wasser, ist ja eine Sache, die dann da ist.
1:28:05–1:28:10
Aber dann halt auch eben dieses Trinken, hast du dann später auch diese Toni,
1:28:10–1:28:14
dieses Mädchen in der Familie, trinkt ja Farbe und nicht Wasser.
1:28:15–1:28:18
Also eigentlich bräuchte sie ja, sie würde ja Wasser trinken wollen,
1:28:18–1:28:24
also sie müsste, das Gesunde wäre Wasser zu trinken, aber sie trinkt halt Farbe und das tötet sie.
1:28:24–1:28:30
Also da ist ja auch, da steckt ja auch allerhand drin und da kann man dann irgendwie dann reingehen.
1:28:30–1:28:36
Und ich habe dann halt ein bisschen versucht zu schauen, was halt Wasser ist
1:28:36–1:28:44
und also was das Wasser sein könnte. Und ich hab halt dann ein paar Sachen, das gibt halt eben...
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Interpretation von Träumen oder von insgesamt Symbolen in Filmen bietet sich halt Jung irgendwie an.
1:28:55–1:29:00
Und für Jung ist halt eben, bedeutet halt Wasser das Unbewusste.
1:29:01–1:29:07
Und das ist halt eben so ein Element, das halt einerseits, klar es ist flüssig
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und es schwimmt und so weiter.
1:29:08–1:29:14
Blablabla. Aber es ist halt eben auch ein Element, das halt alle,
1:29:14–1:29:17
das ist so die Grundsätze des Lebens, das alle miteinander verbindet.
1:29:17–1:29:21
Und das Unbewusste ist ja bei Jung halt eben auch was Kollektives,
1:29:21–1:29:27
dass es was ist, was uns alle miteinander verbindet.
1:29:27–1:29:34
Also das Unbewusste ist, das Bewusste grenzt uns von unserer Umwelt ab.
1:29:35–1:29:41
Dadurch, dass wir uns sehen in der Umgebung und dass das Unbewusste,
1:29:41–1:29:45
dieses Wasser, verfließt und fließt halt zwischen Individuen.
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Also wir gehören alle zu demselben unbewussten Quari.
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Das ist so ein bisschen diese Jungschi-Idee. Das hätte einerseits aber ja unbewusster.
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In diesem Fall aber denke ich, dass es bei ...
1:30:04–1:30:09
Hier gibt es diese Supermärkte, wo die so Fische haben, die lebend verkauft werden.
Florian Clauß
1:30:09–1:30:12
Also hier ist nicht nur in Europa, oder?
Chris Flor
1:30:13–1:30:17
Ah, nee, nee, nee, hier genau. Ja, nee, nee, hier. Ich sage hier, ich meinte dort.
1:30:18–1:30:22
Also in Kalifornien, da gibt es halt diesen Supermarkt und du gehst halt vorbei
1:30:22–1:30:25
und da sind diese Fische in so einem Aquarium, die kann man zum Essen,
1:30:25–1:30:29
kann man kaufen, sind dicht bei dicht und die sind halt in dem Wasser drin und
1:30:29–1:30:31
das Wasser riecht unangenehm und die kommen da aber nicht raus.
1:30:31–1:30:36
Das heißt, alles die die pinkeln da rein, die pupen da rein,
1:30:36–1:30:40
die kriegen da ihr Futter reingestreut, das ist alles das Wasser und die kommen
1:30:40–1:30:44
da halt einfach nicht raus und ich glaube, dass das so ein bisschen auch,
1:30:46–1:30:49
Da halt auch bei Boris Afraid so ein bisschen dieses Ding ist.
1:30:49–1:30:52
Also einerseits das, was uns umgibt, also diese ...
1:30:53–1:30:58
Das Wasser im Mutterleib, das Wasser, was sie trinken müssen zum Überleben,
1:30:58–1:31:02
das Wasser, was uns treibt durch die Geschichte, also so transportiert am Ende
1:31:02–1:31:05
ja auch dieses Boot oder dieses Schiff und so weiter, was sie fährt.
1:31:07–1:31:11
Aber ich glaub halt ja, also ganz platt würde ich mal sagen,
1:31:11–1:31:13
dass das Wasser so quasi die ...
Florian Clauß
1:31:14–1:31:21
Dass das das unterstützen die familie vergiftet
1:31:21–1:31:25
ist also wenn man das wieder auf diese trinksituation unter
1:31:25–1:31:31
farbe überträgt und dann vergiftet und wenn man irgendwie das beispiel von der
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familie was einen dann umgibt und was in quasi was dann halt dem einzelnen ermöglicht
1:31:38–1:31:43
sich wohl zu fühlen seiner umgebung wenn wenn dann die bedingung nicht da sind,
1:31:43–1:31:49
dann eben auch durch die Mutter dann eben so diese Bewegungsunfähigkeit auslöst von ihm.
Chris Flor
1:31:50–1:31:53
Ja, also auch wieder diese Toni halt eben, die diese Farbe trinkt.
1:31:53–1:31:57
Sie ist in dieser Familie, das Trauma in der Familie. Sie kommt halt aus diesem
1:31:57–1:31:59
Wasser nicht raus, was sie halt umgibt.
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Und anstatt halt ein Wasser zu kriegen, was ihren Durst löscht,
1:32:02–1:32:11
ist eine Farbe auch, Also eben so, ja klar, also können wir jetzt hier lostreten, diese Sache.
1:32:11–1:32:19
Die Farbe sollte den Raum ihres verstorbenen Bruders übermalen mit ihren eigenen
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Farben, aber halt auch mit dem Namen von eben Bo.
1:32:25–1:32:28
Also, dass sie sich halt einrichten möchte in diese Familie,
1:32:28–1:32:34
aber das halt einfach in diesem Kontext einfach destruktiv ist und sie dann tötet.
Florian Clauß
1:32:34–1:32:41
Ja, das Wasser als mächtiges Element und eben auch als quasi als der Boden der Verurteilung, ne?
1:32:41–1:32:45
Also wenn man das jetzt mit so einem, irgendwo mit einem Schiff dann quasi entkommen
1:32:45–1:32:50
möchte, man hat diesen kleinen Kanal der Utopie, ne?
1:32:50–1:32:54
Das Wasser des Hades, irgendwie, man geht dann halt irgendwie in einen anderen
1:32:54–1:32:58
Raum rüber und auf einmal findet man sich in so einer Stadionsituation und wird verurteilt.
1:33:02–1:33:06
Und Bo selber wird ja dann quasi im Wasser ertrinkt.
1:33:07–1:33:11
Also das ist ja so diese… Kommen wir vielleicht später nochmal darauf zurück,
1:33:11–1:33:12
diese ganze Verurteilungsszene.
1:33:14–1:33:19
Aber es ist auf jeden Fall spannend zu sehen, was das Wasser da für eine Bedeutung spielt.
1:33:20–1:33:24
Aber auch dann möchte ich nochmal in meiner eigenen Kritik anmerken,
1:33:24–1:33:29
dass dann natürlich Ari Aster mit so einem...
1:33:30–1:33:36
Ja, mit so einem Tool, mit so einem Koffer arbeitet an allen möglichen bedeutungsschwangeren
1:33:36–1:33:41
Symbolen und das dann halt so, ja, ganz gut durcheinander wirft.
1:33:41–1:33:45
Also ich glaube, das gelingt ihm dann auf der einen Seite und dann gibt es halt
1:33:45–1:33:49
uns, die diesen Film sehen, dann anfangen irgendwie die Bedeutung reinzulesen.
1:33:51–1:33:54
Und ich weiß nicht, inwiefern das
1:33:54–1:33:58
auch eine gewisse Willkürlichkeit im Arrangement ist, in der Geschichte.
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Und man kann sich da nicht gut ausbreiten.
1:34:03–1:34:04
Das ist ja irgendwie so.
Chris Flor
1:34:04–1:34:07
Ja, nee, ich glaube schon, dass es poetisch ist. Also ich glaube schon,
1:34:07–1:34:11
dass es schon, weil es ist halt so offensichtlich, Wassermann.
1:34:12–1:34:16
Und dann sind diese Sachen da. Natürlich wirft ihr das halt alles so rein.
1:34:16–1:34:20
Und wie das mit der Bedeutung wird, dann halt so ein bisschen so locker in der
1:34:20–1:34:25
Hand gehalten so. Aber ich glaube schon, dass da, dass das schon eine Entscheidung
1:34:25–1:34:28
natürlich war, dass das Wasser halt eine Rolle spielt.
1:34:30–1:34:35
Ich habe immer mein Robert Gernhard Reimund Zeit Buch in der Tasche, das hole ich mal raus.
1:34:36–1:34:41
Da gibt es dieses, also der ist von dieser neuen Frankfurter Schule,
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Titanic, so ein Schreiber. Und der hat hier Deutung eines allegorischen Gemäldes.
1:34:49–1:34:49
Kennst du das?
Florian Clauß
1:34:49–1:34:50
Nee, kenn ich gar nicht.
Chris Flor
1:34:50–1:34:56
Okay. Deutung eines allegorischen Gemäldes. Fünf Männer. Also zu dem Thema hat
1:34:56–1:35:00
Bedeutung in diesen Symbolen, dass man sagt, okay, das Wasser bedeutet hier dieses oder jenes.
1:35:01–1:35:05
Also Deutung eines allegorischen Gemäldes. Fünf Männer sehe ich inhaltsschwer.
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Wer sind die fünf? Wofür steht wer?
1:35:08–1:35:13
Des ersten Wams strahlt blutig rot. Das ist der Tod. Das ist der Tod.
1:35:13–1:35:17
Der zweite hält die Geißel fest. Das ist die Pest. Das ist die Pest.
1:35:17–1:35:22
Der dritte sitzt in grauem Kleid, das ist das Leid, das ist das Leid.
1:35:22–1:35:27
Das vierte Schild trieft giftig nass, das ist der Hass, das ist der Hass.
1:35:27–1:35:32
Der fünfte bringt stumm Wein herein, das wird der Weinreinbringer sein.
Florian Clauß
1:35:32–1:35:39
Ende. Wow. Ich bin beeindruckt, wie spontan du das dann so vorgetragen hast.
1:35:39–1:35:44
Ich dachte so kurz, diese fünf apokalyptischen Reiter, aber das wird ja dann auch wieder gebrochen.
Chris Flor
1:35:45–1:35:48
Ja, der fünfte ist halt der Weinreiniger.
Florian Clauß
1:35:48–1:35:49
Genau, das ist die Service-Schicht quasi.
Chris Flor
1:35:52–1:35:56
Also natürlich, weil die Sachen bedeuten halt was und dann bedeuten sie halt nichts.
1:35:56–1:36:00
Ja, das stimmt. Also teilweise sind sie, die gehören halt zur Geschichte dazu und,
1:36:00–1:36:06
aber das Poetische würde ich mal sagen, ist dann halt eben dieses,
1:36:06–1:36:11
diese Themen halt so reinzubringen und du hast halt sowohl, die Sachen,
1:36:11–1:36:13
du hast halt diese Elemente und die bedeuten was.
1:36:13–1:36:18
Ja. Die werden dann aber in eine Geschichte eingefügt, die dann auch Sinn ergibt.
1:36:19–1:36:23
Dann gibt es den Weinreinbringer, solche Elemente in der Geschichte,
1:36:23–1:36:25
die sich selber bedeuten.
1:36:25–1:36:32
Dann gibt es andere, die bedeutungsschwanger sind, die dann aber auch in diese
1:36:32–1:36:33
Geschichte eingefügt werden.
1:36:33–1:36:40
Also diese Idee der paradigmatischen Ebene der Bedeutung, der Gleichheit und
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der Differenz wird übertragen auf die syntagmatische Ebene der Welt.
1:36:47–1:36:53
Der Zeit, dass man diese Elemente aneinander anordnet und ob das jetzt bewusst ist oder unbewusst,
1:36:53–1:37:00
ob wir das jetzt rein interpretieren oder nicht, also diese aktive Kraft der
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Poetik existiert ja in dem Text dadurch,
1:37:04–1:37:09
dass halt eben diese Bedeutungen dann halt auf dieser syntagmatischen Ebene
1:37:09–1:37:11
halt dann halt so laufen.
1:37:11–1:37:16
Also insofern würde ich jetzt nicht unbedingt denken, okay, das hat der da einfach
1:37:16–1:37:21
nur so hingeworfen und wir interpretieren das rein, sondern es ist halt einfach
1:37:21–1:37:26
poetisch da und dann können wir das halt rauslesen, wenn wir wollen.
1:37:27–1:37:33
Ich glaube, diese Dichte ist zu stark, als dass man sagen könnte,
1:37:33–1:37:37
das ist nicht motiviert vom Ari Aster.
Florian Clauß
1:37:37–1:37:41
Ja, das entspricht dann auch wieder diesem klassischen Surrealismus,
1:37:41–1:37:50
wo man ja auch quasi diese Traumsequenzen noch mal motiviert durch Jungen.
1:37:50–1:37:56
Und da sind wir auch dann wieder quasi im klassischen Surrealismus mit Bonoel und Ali,
1:37:56–1:38:06
wo dann bestimmte bedeutungsschwangere oder einfach bedeutungsvolle Bilder aneinandergereiht
1:38:06–1:38:09
werden, die dann so eine Metaebene von Bedeutung schaffen.
1:38:09–1:38:13
Aber und da kommt wieder mal eine Kritik, so gewisse Willkürlichkeiten auch zulassen.
1:38:14–1:38:19
Und das ist aber trotzdem finde ich das irgendwie, wie du das jetzt mit dem
1:38:19–1:38:21
Gedicht nochmal verbunden hast, so eine Poetik.
1:38:23–1:38:30
Die Frage ist, ob der Film für uns eine poetische Ebene hat oder ob der jetzt
1:38:30–1:38:36
so… Würdest du ihn so generell so… Ich finde ihn sehr gehetzt.
1:38:38–1:38:42
Ich finde da gibt es wenig… Also für mich hat dann irgendwie,
1:38:42–1:38:48
jetzt auch ganz konservativ ausgedrückt, aber Poetik hat ja dann so eine gewisse…
1:38:48–1:38:53
so schafft Räume, wo man eine gewisse Reflexion dann für sich erlaubt,
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wo man eine gewisse Ruhe dann auch hat.
1:38:56–1:39:00
Aber der Film bietet ja nicht irgendwo eine Ruhe.
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Der geht ja von einer Situation in die nächste und überwirft dich mit Bildern
1:39:06–1:39:10
und schafft ganz wenig solche Reflexionsräume, oder?
Chris Flor
1:39:11–1:39:14
Ja, ich hatte halt eben der... Ja, ich fand den Film überwältigend.
1:39:15–1:39:21
Musste den halt, wie gesagt, so auch irgendwie anhalten und dann erst mal verarbeiten.
1:39:22–1:39:24
Und dann fertig gucken und dann weiterverarbeiten.
1:39:25–1:39:32
Und, ähm ... Genau aus dem Grund, weil halt eben diese Reflexionszeit bleibt
1:39:32–1:39:34
einem da nicht. Und das ist ja ...
1:39:34–1:39:39
Aber das Problem hab ich häufiger bei Filmen, dass ich anhalten muss und erst
1:39:39–1:39:47
mal irgendwie aufholen muss, wenn es irgendwo zu peinlich wird oder zu gruselig oder irgendwie so was.
1:39:48–1:39:50
Dann muss ich irgendwie anhalten und dann halt aufholen.
1:39:50–1:39:54
Und da ist es, glaube ich, schon so, dass man die Sachen erst mal so verarbeiten
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muss. Und dann halt eben diese Elemente...
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Es wird eben so sagen, Poetik, also ganz strukturalistisch gesehen,
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ist ja Poetik wirklich nur diese Sache, du hast so dieses Charakteristikum des Gleichen und das.
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Gegensätzlich, also das Gegensätzliche und das Gleiche.
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Und das hast du übertragen auf die Sache, wie du die Elemente anordnest,
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horizontal, also in der Zeit oder irgendwie so nebeneinander.
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Ja, was ich ja irgendwie erstaunlich finde, ist, dass wenn man sich diese ganzen Filme ...
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Du schaust dir Midsommar an, du schaust dir Hereditary an, du schaust dir jetzt Boaz Afraid an.
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Und die sind ja alle von der Stimmung extrem anders und auch von der Ästhetik,
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von der Art, wie Realismus und Surrealismus und magischer Realismus und so weiter,
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Psychologisches, dann halt so einfließt.
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Das ist ja alles, die fühlen sich halt alle irgendwie anders an.
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Aber ich habe jetzt noch mal diesen Studentenfilm von Ari Astemian geguckt.
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Das ist ein Kurzfilm, den kann man sich auch auf YouTube anschauen.
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The Strange Story oder The Strange Thing with the Johnsons.
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Da können wir ja mal einen Link dann auch hin machen zu dem Film.
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Und der Film ist um einiges, also von der Stimmung her, von diesen surrealistischen
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Elementen, ist der um einiges näher dran an Boris Afraid als an diesen anderen Sachen.
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Aber trotzdem war das so ein bisschen auch so ein Schlüssel,
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wo ich gedacht habe, jetzt ist es halt relativ eindeutig worum es Ari Aster
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geht in seinen Filmen hauptsächlich und das geht immer um Familien,
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es geht immer um Trauma das innerhalb von Familien herrscht,
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es geht häufig um Trauer und und wie man mit Trauer umgeht.
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Aber ja, es geht eigentlich um diese
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Horror-Elemente, die halt aus einer Familiensituation heraus entstehen.
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Ja, in die man dann quasi rein ...
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Sich teilweise reinfährt, teilweise reinrutscht irgendwie, und die man dann
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halt am Ende ausbaden muss.
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Das ... ist mir da so aufgefallen.
Florian Clauß
1:42:22–1:42:27
Also okay, das ist nochmal so als übergeordneter Spannungsbogen bei Arya Aster festzustellen.
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Dann sind wir natürlich gespannt, was er als nächstes macht.
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Wie wir die Familie wieder so als die Keimzelle von Traumata und Zerstörung
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oder auch haben wir das irgendwie die Familie als eine Möglichkeit der Heilung oder der Ruhe vorkommt?
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Ich glaube nicht, es ist immer, also bei Hereditary ist ja auch die Familie das Kopflose.
Chris Flor
1:43:00–1:43:04
Ja, ich meine es gibt halt diese Gegenentwürfe, es gibt halt eben diese Sekte
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bei Midsommar, die ja doch sowas hat, so eine Familie, in der man heilen kann,
1:43:11–1:43:13
die halt einen ganz und rund macht.
Florian Clauß
1:43:14–1:43:19
Aber auch verquert von der Gesellschaft, also dann bist du ja nicht mehr so integrationsfähig.
Chris Flor
1:43:20–1:43:24
Ja, ja. Und dann halt eben, wie gesagt, auch wie schon erwähnt,
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diese Theatergemeinschaft auch, die ja auch eben so eine heilende...
Florian Clauß
1:43:29–1:43:33
Ja, ich glaube am ehesten die Theatergemeinschaft. Also wenn man das so aufbauen
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möchte, das ist, glaube ich, so die Outlaws, die Theater... So ein bisschen,
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dann bist du wieder bei Bergmann, ne? Das siebte Siegel oder Fanny und Alexander, die Geschichten.
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Die Theatergesellschaft oder die Theaterfamilie, die dann so als die Familie wahrgenommen wird,
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wo man sein kann, wer man ist oder auch nicht ist und gleichzeitig so aufgenommen ist.
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Also, ja, ich finde, wir haben jetzt mal so mehrere Dimensionen nochmal aufgemacht,
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sind aber noch nicht so ganz am Ende der Geschichte.
1:44:14–1:44:19
Vielleicht sollten wir jetzt nochmal einschwenken und zum letzten Teil der Geschichte,
1:44:19–1:44:26
nämlich wir waren noch zuletzt in dieser Theaterszene und kommen in das Haus der Mutter.
1:44:26–1:44:31
Ach echt? Ah, da sind wir noch gar nicht. Deswegen würde ich jetzt mal sagen,
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wir können uns dann noch mal um die Szene unterhalten, wie das...
1:44:37–1:44:40
Ja, wie das jetzt fortlaufend ist, auch die Gerichtsverhandlungen dann vielleicht
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nochmal ein bisschen näher besprechen. Okay?
Chris Flor
1:44:44–1:44:45
Okay.
Florian Clauß
1:44:45–1:44:53
Vielleicht steigen wir nochmal da in die letzten Teil ein, wo er dann deiner
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Mutter gegenüber steht.
Chris Flor
1:44:55–1:44:59
Ja, also ganz kurz. Er hat ja dann auch endlich Sex.
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Also die Sache war, Elain kommt auch,
1:45:02–1:45:06
also er kommt zu dem Haus aus dem Wald, kommt er dann ins Haus,
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im Haus endlich an, hat die Beerdigung verpasst zu seiner großen Schande,
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ist dann jetzt alleine im Haus. Die Leiche ohne Kopf liegt da.
1:45:20–1:45:24
Er sieht die auch. Na gut, das können wir dann später. Er dann kommt.
1:45:25–1:45:33
Elaine als erwachsene Frau, eben gespielt von Parker Posey, taucht dann halt
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auf und er sagt er ihr, dass er auf sie gewartet hat.
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Sie ist davon sehr, sehr gerührt und entscheidet sich dann, dass man dann jetzt
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doch irgendwie dann Sex haben könnte. Das fand ich sehr deprimierend.
Florian Clauß
1:45:45–1:45:47
Aber nur zu Maria Carey.
Chris Flor
1:45:48–1:45:52
Ja, eben. Das war halt sehr deprimierend. Sie kommt halt rein und sagt,
1:45:52–1:45:56
okay, Bedroom where? Und dann gehen sie halt zum Wasser und fragen,
1:45:56–1:45:57
gibt es hier irgendwo Kerzen?
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Und dann macht sie halt Maria Carey an und dann geht es halt gleich mit dem Sex los.
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Er überlebt, Er kommt und überlebt das, aber kurz danach kommt sie und stirbt.
Florian Clauß
1:46:08–1:46:10
Ja, weil sie friert halt ein.
Chris Flor
1:46:10–1:46:12
Sie friert halt ein, sie stirbt nicht mehr, sie friert halt ein.
1:46:12–1:46:16
Sie ist halt so dann starr und ja,
1:46:16–1:46:22
wie auch, hat sie halt auch diese roten, roten Augen, rot geräderten Augen,
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wie halt auch die Toni damals hatte, als sie dann die Farbe getrunken hatte.
1:46:28–1:46:34
Also wer weiß, aber die Toni war halt schlaff und sie ist halt so während des
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Orgasmus halt so eingefroren.
1:46:35–1:46:41
Dann kommt die Mutter rein und sagt, ja toll, so, das macht mein Sohn immer
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so, wenn er denkt, ich bin tot und so weiter. Stellt sich raus und er hatte das dann aber auch...
Florian Clauß
1:46:46–1:46:47
Sie werden dann auch gleich die Bettwäsche...
Chris Flor
1:46:47–1:46:51
Ja genau, ich ziehe gleich die Bettwäsche runter. Und er sagt,
1:46:51–1:46:54
er sagt ihr dann aber, er wusste,
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dass sie nicht wirklich tot war, weil er die hat die Hände gesehen und das war
1:46:57–1:47:03
seine, also das Kindermädchen oder die Haushilfe, die sich dann quasi geopfert
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hat, um dann diesen Streich quasi oder diesen...
1:47:10–1:47:16
Also die Mutter hatte quasi ihren Tod inszeniert, damit, um den Sohn zu überführen,
1:47:16–1:47:20
dass er ein schlechter Sohn ist, mehr oder weniger. Also darum ging es,
1:47:20–1:47:21
um halt seine Schuld zu beweisen.
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Und dann wird es halt ziemlich heftig, dann ist halt auch noch mal eine Szene,
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die ich dann ziemlich heftig fand, wo er dann halt so merkt,
1:47:31–1:47:35
was das ist, dass es halt so ein wirkliches Machtspiel ist und er möchte dann halt so weggehen.
1:47:36–1:47:39
Und sie sagt, ah, where are you going? Und lässt ihn aber nicht.
1:47:40–1:47:43
Also was ja das Gesund ist, man sieht, das ist eine toxische Situation,
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man möchte sich aus der entfernen. Sie lässt ihn aber nicht sich aus der Situation
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entfernen. Das ist halt eben auch so ein Trick.
1:47:52–1:47:55
Und bringt ihn halt wieder in die Situation rein, dann stellt sich raus,
1:47:55–1:48:01
dass der Psychologe oder der Therapeut auch von der Mutter angestellt war und
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alles aufgenommen hat und alle Sachen, die er mal über seine Mutter auch gesagt
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hatte, auch alle sehr verständliche Sachen mit der Mutter geteilt hatte.
1:48:09–1:48:14
Das fand ich auch interessant, wie dieser Schauspieler oder diese Figur,
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die ja so sehr freundlich und liebevoll war, mit derselben Mimik und Gestik
1:48:20–1:48:23
auf einmal so bedrohlich und gemein wurde, das fand ich...
Florian Clauß
1:48:23–1:48:25
Ja, der ist aber auch toll, der Schauspieler.
Chris Flor
1:48:25–1:48:26
Kennst du den von anderen?
Florian Clauß
1:48:27–1:48:29
Nee, doch, ich hab dann extra nochmal geguckt und ich glaube,
1:48:29–1:48:34
in einem Film hab ich... Es ist aber auch eher so ein Theater-Schauspieler, der kommt von der Bühne.
Chris Flor
1:48:34–1:48:38
Ja, Wahnsinn. Aber dann wirkt er halt zu seiner Mutter...
Florian Clauß
1:48:38–1:48:40
Aber wann kommt denn diese Szene mit dem Dachboden?
Chris Flor
1:48:41–1:48:48
Oh, die kommt dann... Die kommt eigentlich noch davor, ne? er wirkt ja. Genau, also er wirkt.
Florian Clauß
1:48:48–1:48:51
Aber auch dieses ganze, man muss vielleicht sagen, dieses Haus, also es ist ja,
1:48:51–1:48:56
dieser Kontrast zwischen diesen total zerfallenden Wohnungen in dem New Yorker
1:48:56–1:49:00
Stadtteil, hin zu diesem Haus, das total offen und von der Architektur her dann
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so ein Interieur-Highlight ist, ne?
Chris Flor
1:49:06–1:49:10
Und auch, was ich da auch noch erwähnt haben möchte,
1:49:10–1:49:14
ist, dass er wohl, dass Bo anscheinend nicht selber arbeitet,
1:49:14–1:49:20
dass er die Kreditkarte, weil er hat, als er den Flug nochmal buchen möchte
1:49:20–1:49:24
am Anfang, ruft er die Mutter an und sagt, die Kreditkarte funktioniert nicht mehr.
1:49:24–1:49:27
Also, was ist hier los? Die Kreditkarte funktioniert nicht mehr.
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Und also, dass er wohl von der Mutter ausgehalten wird, aber halt wirklich nur
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auf so einem Level, halt in so einer Armut halt auch, aber er halt auch selbst nicht arbeitet.
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Und in diesem Theaterstück kam das ja auch vor, dass er...
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Ach, jetzt gehen wir wieder zu den Preisen.
1:49:44–1:49:48
Aber in dem Theaterstück wurde ja auch klar, dass diese Idee,
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das Essen von dem eigenen Geld zu kaufen, das man selber verdient hat durch
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die eigene Arbeit, dass das halt was wahnsinnig Wertvolles ist.
1:49:58–1:50:03
Und das hatte er ja nicht. Er ist ja die ganze Zeit unter Kontrolle von seiner Mutter her.
Florian Clauß
1:50:03–1:50:07
Ja, die eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau ist und ganz viele Auszeichnungen
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hat und dann auch entsprechend das Geld und das Haus und so weiter.
1:50:11–1:50:14
Also dann gibt es ja diese Szene, wo dann halt auch er bestraft wird.
1:50:14–1:50:18
Er wird auf den Dachboden geschickt. Auf dem Dachboden sieht er sich selber als verwahrlosten...
1:50:20–1:50:21
Weiß ich nicht was.
Chris Flor
1:50:23–1:50:26
Dünner Joaquin Phoenix. Ich frage mich, ob er sich selber abgemagert hat,
1:50:26–1:50:29
was der Joaquin Phoenix ja auch immer macht, oder ob das CGI war.
Florian Clauß
1:50:29–1:50:36
Ja, und es ist ein riesengroßer Penis, der seinen Vater wohl verkörpern soll.
1:50:37–1:50:40
Er wohnt unter diesem Dachboden, der ein böses Gesicht hat.
Chris Flor
1:50:42–1:50:43
Und wie so eine...
Florian Clauß
1:50:45–1:50:47
Also wie so eine Krabbe, mit so Haken-Armen.
1:50:52–1:50:56
Und dann auch ihn da bedroht, aber er schlägt zurück und da sticht ihn.
Chris Flor
1:50:57–1:50:58
Nein, nein, nein, der andere, der Typ.
Florian Clauß
1:50:58–1:51:00
Ja genau, der andere, seine Eier, genau.
Chris Flor
1:51:02–1:51:06
Dieser traumatisierte Soldat kommt rein, greift den Vaterpenis an,
1:51:06–1:51:11
der halt so groß, was es nicht darf, fünf, sechs Meter groß ist.
Florian Clauß
1:51:11–1:51:15
Und dann, ach ja, da wird's für mich halt schon, okay, dann kommt er wieder runter.
Chris Flor
1:51:15–1:51:19
Aber es ist auch interessant, finde ich, dass niemand wirklich tot ist.
1:51:19–1:51:22
Die Mutter ist nicht tot, der Vater ist nicht tot, der Typ ist nicht tot.
1:51:23–1:51:26
Die sind alle nicht wirklich tot.
Florian Clauß
1:51:26–1:51:30
Und dann gibt's halt diese, was du jetzt schon so beschrieben hast,
1:51:30–1:51:33
diese Szene, wo er dann halt wirklich anfängt, seiner Mutter zu wirken.
1:51:34–1:51:38
Aber er dann auch im letzten Moment zurückschreckt. Und dann ...
1:51:38–1:51:40
I'm sorry, I'm sorry, I'm sorry.
Chris Flor
1:51:42–1:51:46
Und dann fällt sie aber um und man denkt, sie könnte tot sein, also dann noch mal tot.
1:51:46–1:51:51
Das war ja auch am Anfang, der Therapeut fragte ja in der Sitzung ganz am Anfang,
1:51:51–1:51:55
möchtest du jemals deine Mutter
1:51:55–1:51:58
töten? Das ist ja wirklich eine komische Frage. Und er so, but, what?
1:51:59–1:52:03
Und dann, why do you ask this? Und dann sagte er, ja, es wäre doch normal,
1:52:03–1:52:09
dass man das einerseits möchte, Andererseits das aber auch überhaupt nicht möchte,
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sagt dann der alte Therapeuten. dann am Ende passiert es und er wirkt sie und hört dann halt dann auf.
1:52:15–1:52:21
Und er geht dann raus aus dem Haus, steigt in ein Boot, fährt mit dem Boot in
1:52:21–1:52:24
den See und dann kommt er in so eine Grotte irgendwie rein.
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Und da ist dann auf der einen Seite ist die Mutter dann wieder mit dem Anwalt,
1:52:29–1:52:34
mit dem er nur, also mit ihrem Anwalt, mit dem er nur am Telefon vorher gesprochen
1:52:34–1:52:35
hatte über die Beerdigung.
1:52:35–1:52:38
Auf der anderen Seite ist sein eigener Anwalt. Ist er das selber?
1:52:38–1:52:41
Das ist sehr schwer, man sieht ihn nicht, die Stimme ist ganz klein.
Florian Clauß
1:52:41–1:52:45
Also es ist wirklich so ein Riesen-Arena. Hat mich dann auch so ein bisschen
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wieder an Gladiator erinnert.
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Also wo dann auch quasi er als Maximus im Zentrum, als König,
1:52:52–1:52:57
Kaiser, da die Verhandlung führt gegen den Gladiator.
1:52:59–1:53:03
Und er ist aber so in diesem... Also es ist aber auch... Es ist ja schon schön
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inszeniert. Da siehst du ja wirklich so einen... Oben so ein Würfel mit Leinwand,
1:53:06–1:53:08
wo dann irgendwelche Szenen eingestreut.
1:53:08–1:53:13
Wir werden als Beweis dafür gelassen, dass er sich nie um seine Mutter gekümmert hat.
Chris Flor
1:53:14–1:53:19
Und er hat auch so eine Scheinverhandlung, weil es schon klar ist,
1:53:19–1:53:22
dass seine Schuld am Ende bewiesen ist.
Florian Clauß
1:53:22–1:53:26
Und auch sein Anwalt, der dann eine Gegenrede startet, aber auch dann einfach
1:53:26–1:53:31
so runterstürzt von der Brüstung und dann auch tot ist und liegen bleibt.
Chris Flor
1:53:31–1:53:34
Aber seine Entschuldigung war halt, he was afraid,
1:53:34–1:53:39
also als Kind, wenn er irgendwie nicht gut war oder sowas zu seiner Mutter,
1:53:39–1:53:44
dass er sich versteckt hat vor ihr, dann hat dann der Anwalt halt erklärt,
1:53:44–1:53:47
und das stimmt ja auch, he was afraid.
1:53:47–1:53:51
Also da kann man einem Kind keinen Vorwurf machen, Angst gehabt zu haben.
1:53:52–1:53:55
Aber dann wird es trotzdem ins Wasser geworfen.
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Und dann kommt es zur Todesstrafe, aber das passiert fast automatisch.
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Der Bootsmotor tuckert irgendwie rum, die ganze Zeit weiß man,
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da wird irgendwas passieren.
1:54:08–1:54:13
Dann dreht sich einfach das Boot um und dann sieht man noch,
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wie das Boot wackelt, der strampelt halt noch und dann irgendwann hört es auf zu strampeln.
1:54:17–1:54:20
Und die Mutter sagt dann halt, oh my baby, my baby.
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Sie hat halt wieder dieses Fürsorgliche irgendwie,
1:54:24–1:54:30
also einerseits ist sie dafür verantwortlich, was da passiert ist,
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andererseits ist sie halt das Opfer und leidet wegen seines Todes.
1:54:37–1:54:41
Und da stellt sie halt wirklich die Schuldfrage. Und in solchen Situationen
1:54:41–1:54:46
ist es dann natürlich auch so, Schuld sollte eigentlich nicht das Thema sein in so einer Beziehung.
1:54:46–1:54:50
Es sollte nicht sein, ist er schuld, ist sie schuld. Aber wir kommen halt aus
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diesem Ding nicht raus, das ist jetzt die Mutter schuld, das ist er schuld.
1:54:54–1:55:01
Die Sache, um zu zeigen, dass man nicht schuldig ist, muss man halt so eine
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Opferrolle darstellen.
1:55:01–1:55:07
Das ist halt auch eben in diesen narzisstischen Beziehungen sehr wichtig.
1:55:07–1:55:11
Also sie hat ihr Kind verloren, alle sollen Mitleid mit ihr haben,
1:55:11–1:55:13
weil sie halt ihr Kind verloren hat.
1:55:15–1:55:20
Insgesamt ist diese Beziehung schon von vornherein dadurch verurteilt,
1:55:20–1:55:24
dass es überhaupt eben um Schuld geht und nicht um Wünsche und nicht um Unterstützung.
Florian Clauß
1:55:26–1:55:31
Ja, genau. Und in dieser Szene der Hinrichtung, die aber auch eher so wieder
1:55:31–1:55:36
eine Willkürlichkeit ist, das Boot so blubb, und das Häuschen so ein bisschen
1:55:36–1:55:40
blubb, blubb, blubb, und finde ich aber auch ganz schön so.
1:55:42–1:55:45
Und du siehst dann im Hintergrund, es ist alles sehr abgedunkelt,
1:55:45–1:55:48
im Hintergrund siehst du es halt wie aus den Rängen, die dann halt wirklich
1:55:48–1:55:51
sehr steil sind, so langsam die Leute dann halt.
1:55:52–1:55:52
Weggehen.
Chris Flor
1:55:52–1:55:53
Ja, sind halt vorbei.
Florian Clauß
1:55:53–1:55:58
Ja, so und es ist schon nicht mehr ganz tot, aber die gehen schon raus. Die Show ist vorbei.
Chris Flor
1:55:58–1:55:59
Hat sich schon entschieden.
Florian Clauß
1:55:59–1:56:06
Ja, und dann laufen die Credits halt die ganze Zeit und du hast so dieses Wassergeräusch
1:56:06–1:56:08
und du siehst die Credits von einem Film.
1:56:10–1:56:14
Ist ästhetisch, muss man ja sagen, wieder extremst gut gefilmt.
1:56:14–1:56:19
Ist der gleiche Kameramann, der auch bei Harry und Terry und Midsommar, der polnische.
1:56:20–1:56:22
Ich kann den Namen nicht aussprechen, Kameramann.
1:56:23–1:56:28
Vor allen Dingen der erste Teil. Da gibt's eine Szene, wo Bo mit seiner Mutter
1:56:28–1:56:30
telefoniert und mit der Kamera auch so ganz langsam wieder ...
1:56:30–1:56:35
Wie schafft es einen, die Kamerafahrt in so einer Angst auszulösen?
1:56:35–1:56:40
Was bei Mützer mal so stark ist. Da gibt's auch einige Szenen einfach nur eine
1:56:40–1:56:45
ganz leichte Bewegung und so eine ganz unterschwellige Angst wird aufgebaut.
Chris Flor
1:56:45–1:56:48
Ah, jetzt muss ich mir den noch mal angucken.
Florian Clauß
1:56:48–1:56:53
Ja, also es gibt halt diese eine Szene, oder ich meine, der erste Teil,
1:56:53–1:56:56
wenn man das jetzt so ein bisschen auf so einer Meta-Ebene betrachtet,
1:56:56–1:56:57
ist ja viel mit so Zentralperspektive.
1:56:59–1:57:05
Du siehst ja immer so die Gänge, die Gänge von der Wohnung, von dem Treppenhaus, wie er da hinrennt.
1:57:05–1:57:10
Du siehst ihn immer im Zentrum, ja, und man könnte ja dieser,
1:57:10–1:57:14
also wenn man das jetzt irgendwie so ganz weit herholt, ist das ja die erste
1:57:14–1:57:16
Szene, vielleicht die Geburt von ihm. Und da ist er aus dem Geburtskanal,
1:57:16–1:57:20
aus dem Haus, dann wurde er erst dann rausgeworfen in die feindliche Welt.
Chris Flor
1:57:20–1:57:22
Ja, also die erste Szene ist ja sowieso die Geburt.
Florian Clauß
1:57:22–1:57:26
Ja, die erste Szene. Aber ich meine jetzt der erste Teil,
1:57:26–1:57:33
dass er dann quasi so als hilfloses Kind dann so umherurt, Orientierung sucht,
1:57:33–1:57:39
findet dann diese Orientierung bei dieser Familie, wird großgezogen, ist aber in so einer...
1:57:39–1:57:45
Und dann wird er verstoßen, kommt dann in den Wald. Also wenn man das so auf dieser Ebene...
Chris Flor
1:57:45–1:57:47
Ja, und das ist ja dann die Geschichte von diesem Theaterstück.
Florian Clauß
1:57:47–1:57:52
Genau, das ist dann so. Also da heißt es, auf dieser Ebene hast du es ja auch
1:57:52–1:57:53
wieder so ein bisschen gespiegelt.
1:57:57–1:58:02
Aber, wie gesagt, der Film für mich ist in der ersten Hälfte sehr stark.
1:58:02–1:58:06
Und in der zweiten Hälfte, also ab der 90.
1:58:06–1:58:09
Minute, der ist auch sehr lang, geht fast drei Stunden.
1:58:12–1:58:18
Ich habe mich bei der zweiten Hälfte quasi doch schon ein bisschen gelangweilt.
Chris Flor
1:58:18–1:58:19
Ach, gelangweilt, echt?
Florian Clauß
1:58:19–1:58:22
Ja, weil es halt irgendwie so da und hier.
Chris Flor
1:58:23–1:58:28
Ich finde insgesamt bei Filmen, der dritte Akt ist immer so schwierig,
1:58:28–1:58:30
weil da halt oftmals nichts Neues passiert.
1:58:32–1:58:37
Also ganz große, also ganz normale Beispiele, also diese ganzen Superheldenfilme und so weiter.
1:58:38–1:58:41
Die sind natürlich vorher auch schon langweilig, aber da wird es dann halt wirklich
1:58:41–1:58:46
nur noch, dann wird dann das Problem gelöst, irgendwie um eine Statistik wiederherzustellen.
1:58:46–1:58:47
Und dann wird halt einfach gekämpft
1:58:47–1:58:50
und gekämpft und gekämpft oder Autoverfolgungsjagd oder was weiß ich.
1:58:51–1:58:56
Und ich fand bei dem Film aber, dadurch, dass ich halt so orientierungslos war
1:58:56–1:58:59
und nicht wusste, was als nächstes passiert, also ich war schon,
1:58:59–1:59:02
also gelangweilt gar nicht, kein Moment.
1:59:04–1:59:09
Also ich hab mich halt auch gefragt und hatte mir halt auch gewünscht,
1:59:09–1:59:13
dass es irgendwie gut ausgeht, Aber das war ja eigentlich klar, dass es nicht passiert.
1:59:15–1:59:20
Aber ich merke, gelangweilt habe ich mich nicht, nee.
Florian Clauß
1:59:21–1:59:27
Ja, ich finde, insgesamt hat der Film sehr vielversprechende Ansätze,
1:59:27–1:59:33
aber letztlich ist es irgendwie so eine Überladung und er scheitert so ein bisschen
1:59:33–1:59:34
an der mangelnden Klarheit.
1:59:34–1:59:37
Die Klarheit, die er im Midsommar entwickelt hat.
1:59:39–1:59:43
Dieses unglaublich starke Motive, die durchgezogen sind, von hinten bis vorne,
1:59:43–1:59:48
das fehlt halt komplett bei dem Film. Die Kernbestandteile, also diese Paranoia
1:59:48–1:59:52
der amerikanischen Gesellschaft, ist da auch so als ziemlich ergiebiges Thema angesprochen.
1:59:53–1:59:57
Aber diese ganze ökonomische Abhängigkeit und die Überwachung,
1:59:57–2:00:04
was auch diese extreme Paranoia erzeugt, das finde ich halt in den ersten beiden
2:00:04–2:00:07
Teilen quasi sehr ausgereizt, sehr gut platziert.
2:00:08–2:00:13
Aber dann bleibt der halt irgendwo zwischen diesem Muttersohn-Konflikt zurück,
2:00:13–2:00:18
der Film. So, das wäre so mein Resümee von dem Film, aber...
Chris Flor
2:00:20–2:00:24
Okay, ja, also für mich, ich bin da vielleicht so ein bisschen auch durchgegangen ohne...
2:00:27–2:00:31
Also, ich war die ganze Zeit disorientiert. Im Nachhinein konnte ich dann halt
2:00:31–2:00:34
irgendwie Themen erkennen und die dann halt reinbringen.
2:00:34–2:00:41
Ich fand halt eben diese Mutter-Sohn-Sache dann ziemlich zentral für die ganze
2:00:41–2:00:44
Sache, weil das halt irgendwie am Anfang halt passiert und dann halt am Ende
2:00:44–2:00:48
wieder kommt, also diese Telefonate, deswegen hat mich das nicht gestört.
2:00:49–2:00:54
Ich dachte schon, dass der Film eigentlich darum geht hauptsächlich und dass
2:00:54–2:00:57
halt diese anderen Sachen zwischendrin halt der Abstecher sind.
2:00:58–2:01:02
Also ich habe mich nicht gelangweilt während des Films und das passiert nicht
2:01:02–2:01:06
sehr häufig irgendwie und ich bin dann davon, also für einen drei Stunden langen
2:01:06–2:01:13
Film, Dadurch, dass ich irgendwie die ganze Zeit emotional einpacke,
2:01:16–2:01:21
Also einbezogen war und dabei geblieben bin und so weiter.
Florian Clauß
2:01:21–2:01:25
Du hast ja auch gesagt, der hat dir starke Bilder für dich gepflanzt im Kopf. Ja.
2:01:26–2:01:28
Das kann ich auch nachvollziehen. Also es gibt schon Bilder,
2:01:28–2:01:31
die einfach drin bleiben in den Szenen.
Chris Flor
2:01:31–2:01:33
Ja, oder halt auch Gefühle irgendwie.
Florian Clauß
2:01:34–2:01:39
Ja, genau, so Emotionszustände. Das schafft der Film ganz gut.
Chris Flor
2:01:40–2:01:44
Ich fand den halt natürlich auch, wenn man sich dann jetzt auch Ari Aster,
2:01:44–2:01:50
Hereditary, Midsommar und den Film anguckt, dann sind die drei halt so sehr,
2:01:50–2:01:53
sehr, sehr, sehr unterschiedlich, also alle voneinander, deswegen...
Florian Clauß
2:01:55–2:01:59
Unsere Strecke, die war so ein bisschen auch verloren. Hier ist dir aufgefallen,
2:01:59–2:02:00
dass wir im Kreis gelaufen sind?
Chris Flor
2:02:00–2:02:02
Ja, so ein bisschen, aber jetzt
2:02:02–2:02:06
sind wir an einer ganz komischen Stelle gekommen, in so Garagen, die...
Florian Clauß
2:02:07–2:02:14
Ich finde die Ecke total toll. Ich mach mal eine Aufnahme. So.
2:02:14–2:02:19
Und weil wir werden jetzt, wenn wir hier durchschreiten, kommen wir quasi auf
2:02:19–2:02:20
einen Kauflandparkplatz.
2:02:23–2:02:27
Und dann können wir uns mit einer Pommes belohnen. Hier hinten.
2:02:27–2:02:30
Das ist ein riesen Kaufland Dichtenberg.
Chris Flor
2:02:30–2:02:31
Ah ja.
Florian Clauß
2:02:31–2:02:32
So schön peripher.
Chris Flor
2:02:33–2:02:35
Und wie kommen wir zurück?
Florian Clauß
2:02:35–2:02:38
Laufen. Okay. Das ist jetzt nicht mehr so weit.
Chris Flor
2:02:38–2:02:38
Okay, alles klar.
Florian Clauß
2:02:38–2:02:39
Okay.
Chris Flor
2:02:39–2:02:45
Aber ja, gut. Aber wie gesagt, also ich möchte nochmal, was ich am Anfang gesagt
2:02:45–2:02:48
habe, ich fand den Film, ich konnte mich nicht entscheiden, ob er gut ist oder nicht.
2:02:48–2:02:52
Was ich aber wusste, ist, dass er mich sehr mitgenommen hat.
2:02:52–2:02:56
Ich wusste, dass ich sehr viel darüber nachgedacht habe, auch Tage danach noch. und,
2:02:58–2:03:02
Ja, ich mich auch darauf gefreut habe, mich mit dir darüber zu unterhalten.
2:03:02–2:03:05
Und wir hatten das ja die ganzen letzten Tage. Wir hatten uns vorher schon gesehen
2:03:05–2:03:08
und wir haben uns extra nicht über den Film unterhalten. Uns hat es halt beide
2:03:08–2:03:12
gejuckt, dass wir, dass wir endlich dazu kommen.
2:03:13–2:03:17
Ja, insofern würde ich mal sagen, also ich würde schon sagen, ein guter Film.
2:03:17–2:03:22
Ja, irgendwie. Ich fände ihn also, wenn ich jetzt Ari Aster würde ich den würde
2:03:22–2:03:24
ich wahrscheinlich mit so mal schon an erster Stelle stellen,
2:03:24–2:03:28
dann den als zweiten und dann hereditary unten
2:03:28–2:03:31
dran obwohl der ich fand den auch nicht so
2:03:31–2:03:35
richtig ich muss noch mal angucken jetzt glaube ich habe den im kino gesehen
2:03:35–2:03:41
da fand ich schon ziemlich gruselig ja nee aber ja ich war ja gut aber der war
2:03:41–2:03:46
auch wieder der ist dann irgendwann auch gekippt das was bei mit zusammen fand
2:03:46–2:03:51
ich halt so toll dass der mit zusammen einfach so in dieser also also.
2:03:57–2:04:00
Ohne irgendwelchen übersündigen Sachen auskommt, komplett dann halt irgendwie
2:04:00–2:04:05
noch so spielen könnte, während Hereditary dann irgendwann so abgedreht ist.
2:04:05–2:04:11
Und ich glaube, das war auch ein bisschen, warum viele den gut fanden,
2:04:11–2:04:14
auch weil da wird Horror mit einer Mythologie dahinter und dann sieht man auch,
2:04:14–2:04:18
dann diskutieren die, was das mit den Hexen auf sich hat und wer die genau sind
2:04:18–2:04:27
und so weiter Und diese Mythologie dahinter ist ja für manche Leute sehr interessant
2:04:27–2:04:32
und sehr wichtig für so einen Nerd halt. Aber ich bin nicht die Art von Nerd.
Florian Clauß
2:04:33–2:04:36
Nein, mich interessiert das auch nicht so sehr. Okay Chris, vielen,
2:04:36–2:04:43
vielen Dank für unsere gemeinsame Tour und die Besprechung von Bo is afraid.
2:04:43–2:04:54
Die ganzen Informationen zu dem Film, zu unserer Tour könnt ihr auf eigentlich-podcast.de sehen.
2:04:54–2:04:58
Und ja, also vielleicht schaffen wir ja auch das im nächsten Jahr,
2:04:58–2:05:00
uns wieder zusammen zu finden.
2:05:01–2:05:05
Du bist der erste Gast in unserem, obwohl wir hatten ja auch eine Episode,
2:05:05–2:05:07
wo da schon auch jemand anderes mitgemacht hat.
2:05:08–2:05:11
Aber ich freue mich auf jeden Fall, wenn wir das nochmal wiederholen können.
Chris Flor
2:05:12–2:05:16
Also dann sage ich tschüss, bis bald, macht's gut, tschüss!

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„Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.“

Im Delphi Filmpalast am Zoo sahen wir Christopher Nolans Film "Oppenheimer" und beginnen -- während der Abspann noch läuft -- vor dem Kino mit einer Reflektion des Films. Es geht im Film um die Lebensgeschichte von J. Robert Oppenheimer, einem amerikanischen Physiker, der eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Atombombe während des Zweiten Weltkriegs spielte. Nolans Blockbuster beginnt mit Oppenheimer, der seine Lebensgeschichte vorlesen möchte. Er tut dies in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg vor einem Untersuchungsausschuss, also auch nach der Glanzzeit von J. Robert Oppenheimer, dem charismatischen Wunderkind der Wissenschaft. Seine Erzählung trägt uns zurück in die Studienzeit Oppenheimers begleitet. Zu den beiden Zeitebenen "Werdegang" und "Untersuchungsausschuss" kommt noch ein dritter hinzu: "Intrige". Erst wenn alle drei Stränge sich ineinanderfalten und die Trinity von Atombombe-Urteil-Intrige explodiert, kommt der Film zum Urteil: alleine wenn etwas passieren kann, ist alles schon zu Ende.

Shownotes

Mitwirkende

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Micz Flor
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Florian Clauß

Transcript

Micz Flor
0:00:29–0:00:30
Wollen wir gerade klatschen?
Florian Clauß
0:00:47–0:00:47
Läufts?
Micz Flor
0:00:47–0:00:52
Läufts gut? Läuft es? Gucken wir mal. Bei mir sind sie gerade wieder ausgesetzt.
0:00:53–0:00:54
Ja, hallo zu eigentlich-podcast.de.
0:00:56–0:00:57
Oder zwar nicht Podcast.
0:00:59–0:01:07
Wir kommen gerade aus dem Delphi-Filmpalast am Zoo und haben uns Oppenheimer angeschaut.
Florian Clauß
0:01:09–0:01:15
Wir, das sind Mitch, Floor und Florian und Klaus, hallo bei eigentlich Folge Nr.
0:01:16–0:01:20
31, wo wir laufend reden und im Reden laufen.
Micz Flor
0:01:21–0:01:26
Und im Regen laufen, als wir herkamen, aber jetzt gerade regnet es nicht und
0:01:26–0:01:29
wir machen heute ein bisschen was besonderes,
0:01:29–0:01:34
weil eigentlich bin ich quasi dran als Präsentator der Folge,
0:01:34–0:01:39
aber wir hatten Zeit und Lust uns einfach den Film anzugucken und dann rauszukommen
0:01:39–0:01:45
und gemeinsam einfach mal zu gucken was passiert, wenn wir das ins Mikrofon gießen.
Florian Clauß
0:01:46–0:01:51
Die ersten Eindrücke aus dem aus dem Kino, aus dem Filmerlebnis.
Micz Flor
0:01:51–0:01:56
Wow! Hier links ist das quasi Modo.
0:01:57–0:01:59
Das ist Open Air Jazz scheinbar.
0:02:00–0:02:02
So, wir gehen über die Ampel.
Florian Clauß
0:02:03–0:02:07
Und wir müssen auch den Track aufnehmen.
Micz Flor
0:02:08–0:02:10
Warte mal, wir rennen hier noch die letzten Meter.
0:02:15–0:02:15
Wo geht's lang?
Florian Clauß
0:02:15–0:02:21
Ja, wir laufen jetzt so... Wir sind im Delphi Filmpalast gewesen. Das ist...
0:02:24–0:02:28
Um die Ecke vom Zoo. Ich dachte, wir machen jetzt einen kleinen Schwenk,
0:02:35–0:02:38
Richtung Wilmersdorf-Schöneberg runter am Viktoria-Logise-Platz und laufen dann
0:02:38–0:02:43
in Nebenstraßen, gucken, dass wir möglichst wenig befahrene Straßen finden,
0:02:43–0:02:44
zum Gleis-Dreieck-Park.
0:02:48–0:02:52
Also das mit dem wenig Befahren stellt sich jetzt noch nicht so passend dar.
0:02:52–0:02:55
Es ist Samstagabend, wir sind in der Westcity.
Micz Flor
0:02:55–0:02:58
Wir winken mal hier rechts ein, ich hab nämlich das Gefühl, wenn wir jetzt einfach
0:02:58–0:03:02
erst mal so rausgießen, dass wir vielleicht erst mal das Emotionale rausgießen,
0:03:02–0:03:04
was erleben wir, was fühlen wir gerade.
0:03:05–0:03:08
Das ist ja immer das, was einen am meisten verunsichert und was man schnell
0:03:08–0:03:10
versucht, wieder einzufangen.
0:03:12–0:03:14
Wenn wir hier unter der S-Bahn durchlaufen, dann haben wir es,
0:03:14–0:03:15
glaub ich, ein bisschen ruhiger.
Florian Clauß
0:03:17–0:03:18
Ja.
Micz Flor
0:03:18–0:03:22
Fang du mal an, was ist so emotional? Was sind die Worte an Emotionen,
0:03:22–0:03:26
die du so assoziierst mit dem, wo du rausgekommen bist?
Florian Clauß
0:03:28–0:03:33
Also, wir werden ... Ich muss jetzt vorabstellen, dass wir bei dem Film jetzt
0:03:33–0:03:37
spoilern werden. Das heißt, wer den Film noch nicht gesehen hat und ihn noch
0:03:37–0:03:40
sehen möchte, der sollte diese Folge nicht anhören.
0:03:41–0:03:47
Weil ich möchte auch ganz ... ganz nah noch ...
0:03:48–0:03:56
Das Ende des Films ist schon eine ziemliche Explosion nochmal und gibt quasi
0:03:56–0:04:03
so die ganze Motivation von Oppenheimer nochmal so einen gewissen Thrill,
0:04:03–0:04:05
so einen Spin, weißt du, so ein...
Micz Flor
0:04:05–0:04:08
Also ist das das Gespräch mit Einstein zum Schluss?
Florian Clauß
0:04:08–0:04:12
Ja. Also die Auflösung, das sieht man relativ am Anfang von dem Film,
0:04:12–0:04:17
sieht man Oppenheimer und Einstein, wie sie sich auf so einen...
Micz Flor
0:04:17–0:04:20
Nee, nee, aber jetzt erstmal Emotionen, bevor wir jetzt irgendwie nicht so...
0:04:20–0:04:23
Was waren so Gefühle, mit denen du rausgekommen bist?
Florian Clauß
0:04:32–0:04:39
Ähm... Ich hadere gerade so, weil... Ich... Gerade die Emotionen werden ja ganz
0:04:39–0:04:45
stark vom Sound geleitet und der Sound oder die Komposition.
Micz Flor
0:04:45–0:04:46
Aber was waren die Emotionen?
Florian Clauß
0:04:46–0:04:53
Es war schon so was ... Ha! Es war schon was extrem ... Vernichtendes.
Micz Flor
0:04:53–0:04:54
Ja.
Florian Clauß
0:04:54–0:04:57
Und es war was sehr Destruktives am Ende. Was ...
0:04:58–0:05:02
Einen auch nicht da jetzt irgendwie rauskommen lässt und sagen, okay ...
Micz Flor
0:05:02–0:05:05
Aber was hast du erlebt? Was wär die Emotion?
Florian Clauß
0:05:07–0:05:14
Na ja, die Emotion ... ist ... Von mir her schon so eine gewisse Zerstörungsempfindung.
Micz Flor
0:05:20–0:05:24
Also, dass du zerstört wirst, oder dass dein Leben schon zu Ende ist.
Florian Clauß
0:05:24–0:05:28
Dass die ... die Erde kaputtgeht.
Micz Flor
0:05:31–0:05:35
Ja, das fand ich auch. Also, es war halt so ein ... Mh ...
0:05:36–0:05:42
Ja. Also, von Emotionen her war das auch so. War so eine große Wut bei mir, dass das halt ...
0:05:43–0:05:50
Wirklich so gekommen ist, ne? wie er da ja auch dieses Sanskrit-Zitat Ich bin der Tod,
0:05:50–0:05:54
der Zerstörer von Welten oder so, ich kann es jetzt nur paraphrasieren,
0:05:54–0:06:00
dass das halt irgendwie so wahr ist als Versprechen.
0:06:00–0:06:03
Was die allererste Folge war, wo du gesagt hast,
0:06:03–0:06:11
bei dem Buch Contact, dass natürlich irgendwann hinten bei Pi dieser Kreis zwischen
0:06:11–0:06:14
Nullen und Einsen irgendwie gezeichnet wird, weil es einfach nur,
0:06:14–0:06:18
wenn es möglich ist, dann wird es irgendwann passieren bei einer unerblichen Fortführung.
0:06:20–0:06:25
Und das war so dieses Gefühl, was dann irgendwie war, so eine Wut und eine Niedergeschlagenheit,
0:06:25–0:06:29
so eine Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit auch irgendwie, dass man halt jetzt einfach so drin hängt.
0:06:30–0:06:33
Wenn man sich mit Oppenheimer identifiziert, dann auch so,
0:06:39–0:06:42
eine Niederlage, Gegenüber ist jetzt Barbie-Kino, das wäre natürlich jetzt noch
0:06:42–0:06:45
ein Doppel-Doppel-Pack oder irgendwie sowas.
Florian Clauß
0:06:46–0:06:51
Ja, und wir kommen hier gerade auf die Strecke von dem Berliner Nachtlauf, der heute stattfindet.
0:06:51–0:06:56
Das heißt, wir müssen uns erstmal hier den Übergang finden, wie wir hier über die Straße kommen.
Micz Flor
0:06:56–0:06:57
Ja.
Florian Clauß
0:06:57–0:07:01
Ja, das war jetzt so der erste Emo-Shot nach dem Bio-Pic.
0:07:07–0:07:13
Ich würde vielleicht, bevor wir jetzt da in den Film nochmal so reingehen,
0:07:13–0:07:19
würde ich vielleicht noch ein paar Worte zu Nolan verlieren.
Micz Flor
0:07:20–0:07:20
Ja, super.
Florian Clauß
0:07:20–0:07:28
Ja? Also, wann ist dir Nolan das erste Mal so, Christopher Nolan?
Micz Flor
0:07:29–0:07:30
Memento war der erste.
Florian Clauß
0:07:30–0:07:34
Memento, das war so, das war tatsächlich auch so der erste Film,
0:07:34–0:07:38
der mich total begeistert und geflasht hat.
0:07:39–0:07:44
Die Art, also seine Erzählung in so einer,
0:07:46–0:07:50
strengen Geschichte dann aber doch eine unglaubliche Emotion zu transportieren.
0:07:50–0:07:55
Das ist, glaube ich, so das Handwerk von Nolan,
0:07:55–0:08:00
dass er filmisch und auch von der Geschichte,
0:08:00–0:08:03
von der Regie und vom Drehbuch,
0:08:03–0:08:10
ja, dass er so ein ganz, also er kann halt einfach so ein Zeitgeisten,
0:08:10–0:08:15
so ein Mindset irgendwo in der Zeit ganz gut aufgreifen.
0:08:16–0:08:18
Ich denke nur an Interstellar.
0:08:19–0:08:24
Und Interstellar war irgendwie dieser Film, der ganz viele zu der Zeit ziemlich stark geprägt hat.
Micz Flor
0:08:26–0:08:31
Was eingefangen hat, rein emotional,
0:08:31–0:08:36
was für mich so quasi als Emoblase aus der Zeit,
0:08:36–0:08:39
von vor sieben jahren glaube der
0:08:39–0:08:42
war dann 2015 hat er
0:08:42–0:08:46
total das so eingefangen weiß was ich meine ja
0:08:46–0:08:50
kannst du das auch so bestätigen oder
0:08:50–0:08:54
was ich heute also was ich bei nolan das ding ist momento der film ist mir total
0:08:54–0:08:59
aufgefallen und der schauspieler des namens ich inzwischen vergessen habe den
0:08:59–0:09:05
ich sehr gut finde und der dann glaube ich später bei so einem remake von mit
0:09:05–0:09:08
den morlocks irgendwie noch mal so mitgemacht hat, keine Ahnung.
0:09:09–0:09:10
Und natürlich die Schauspielerin von A.G.
Florian Clauß
0:09:10–0:09:12
Wells, die Zeitmaschine, oder?
Micz Flor
0:09:12–0:09:13
Ja, ja, genau.
Florian Clauß
0:09:13–0:09:15
Hatte der mitgemacht? Wann wurde der neu verfilmt?
Micz Flor
0:09:15–0:09:17
Das wurde irgendwann danach, war das.
Florian Clauß
0:09:17–0:09:19
Ach echt? Okay.
Micz Flor
0:09:19–0:09:24
Ich glaube, also ich bin mir ziemlich sicher. Und dann war eben die Schauspielerin
0:09:24–0:09:30
von Matrix, die war ja auch noch in Memento mit drin und ich glaube sogar Cypher.
0:09:32–0:09:35
Von Matrix war auch drin, der dann irgendwie zum Schluss sagt,
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ey, du checkst ja die Story eh nicht.
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Du kannst ja eh nix merken, deshalb alle benutzen dich, alle gebrauchen dich.
0:09:42–0:09:47
Und ich fand den Film total spannend, diese beiden Schauspieler kannte ich so
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aus Matrix. Der Film hat mich irgendwie auch sehr geflasht, Memento hat mich
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sehr geflasht, aber dann war so was ganz anderes, war halt eher so ein Kammer-Spiel,
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so ein Low-Budget-Ding eigentlich.
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Das fand ich total großartig, dass man sowas Intensives machen kann.
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Aber Nolan als Name habe ich gar nicht. Der kam dann erst mit Batman Begins.
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Erst dann habe ich dann mitbekommen, ach, das war der gleiche Regisseur.
0:10:15–0:10:21
Und was ich jetzt dann irgendwie in Verbindung mit Oppenheimer und Memento und
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eigentlich auch Batman, ist es eigentlich so ein John Wick Feeling.
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Es hört bei Nolan nie auf, es steht nie still.
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Selbst wenn die Zeitleisten sich ineinanderfalten und asynchron alles geschnitten
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ist, trotzdem hast du das Gefühl, der geht die ganze Zeit vorwärts.
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Und jetzt auch, weil das so drei Stunden lang, dass der die ganze Zeit Schritt
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für Schritt vorwärts geht, da hatte man nicht wirklich einen Moment.
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Es gab so Aha-Momente, was du auch schon beschrieben hast, eben das Gespräch
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mit Einstein zum Schluss.
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Interstellar, dieser Moment, wo Matthew McConaughey diese Uhrzeiger-Ticker-Sache macht,
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so durch diese Parallelzeitwelten, also es gibt dann immer so Sachen,
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wo es ineinanderfällt, was man bei John Wick, glaube ich, so nicht hat.
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Ehrlich gesagt, kenne ich da auch nur die ersten drei.
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Aber trotzdem, jetzt auch wieder drei Stunden, die ganze Zeit das Gefühl gehabt,
0:11:13–0:11:15
und weiter, und weiter, und weiter, und weiter.
0:11:15–0:11:19
Gleichzeitig gezogen und getrieben. Aber du bist in so einer Maschine drin,
0:11:19–0:11:23
wenn du unten Filme machst, wo du einfach, egal ob es jetzt Batman,
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Bane, Oppenheimer, du bist einfach irgendwie drin.
Florian Clauß
0:11:27–0:11:33
Das kann ich nachvollziehen. Obwohl ich dann an einem Punkt nicht widerspreche,
0:11:33–0:11:33
aber vielleicht ergänzen.
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Man treibt quasi den Charakter, die Handlung weiter mit den Charakteren.
0:11:40–0:11:43
Allerdings, und das hat sich ja auch beim Memento schon so gezeigt,
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dass der ein ganz virtuos mit den Zeitebenen umgehen kann im Film.
0:11:49–0:11:53
Und das ist eigentlich auch so das Auszeichnungsmerkmal von Christopher Nolan.
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Die Memento, wo, ich meine, die Anekdote hat man ja schon oft erzählt,
0:11:59–0:12:02
aber das muss man ja immer, Memento, der Film wird rückwärts erzählt,
0:12:02–0:12:07
Der Hauptdarsteller, der Charakter, hat im Prinzip eine Gedächtnisstörung.
0:12:10–0:12:13
Immer wenn er aufwacht, hat er alles vergessen. Deswegen ist sein Körper überseht.
Micz Flor
0:12:13–0:12:15
Nicht, wenn er aufwacht, sondern
0:12:15–0:12:19
die Überführung von Kurzzeit ins Langzeitgedächtnis ist nicht möglich.
0:12:19–0:12:23
Das heißt, er hat etwa so etwas wie 40 Sekunden Zeit, in denen er sich irgendwie
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Dinge merken kann. Und die ganz wichtigen Sachen versucht er sich eben auf die
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Haut zu tätowieren, bevor sie verschwinden.
Florian Clauß
0:12:30–0:12:31
Ja, genau.
Micz Flor
0:12:31–0:12:34
Und da gibt es zum Beispiel diese eine Szene, die eben nicht geschnitten ist,
0:12:34–0:12:36
sondern wo es quasi ein Reveal ist, wie es ihm eigentlich geht,
0:12:36–0:12:41
ist, dass die Frau aus Matrix ihm halt irgendwie so sagt, ey,
0:12:41–0:12:43
du bist echt ein Depp in gewisser Weise.
0:12:43–0:12:47
Und dann schreibt sie irgendwas auf einen Zettel oder so und dann geht sie aus der Wohnung raus.
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Und er versucht einfach, ne Quatsch, sie geht einfach nur aus der Wohnung raus
0:12:52–0:12:54
und sie sagt ihm, du wirst dich eher nicht erinnern können.
0:12:55–0:12:58
Und er sucht wie ein Verrückter halt Zettel und Stift und du merkst halt,
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dass er dann, als er das irgendwie so findet, gar nicht mehr genau weiß, wozu.
0:13:01–0:13:04
Und er guckt dann hoch und dann kommt sie, sie hat einfach nur draußen gewartet,
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kommt das Haus zu und dann geht quasi eine neue Szene los, ganz ohne Schnitt,
0:13:09–0:13:12
weil er hat schon wieder vergessen, was vorher passiert war.
Florian Clauß
0:13:12–0:13:16
Also es ist nicht, wenn er aufwacht, sondern wirklich so permanent, er vergisst permanent,
0:13:16–0:13:19
ist immer nur so ein klein scheinwerfer licht von
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gegenwart also hier sind
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wir gerade auch an einem meiner lieblings veranstaltungsorte
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berliner festspiele hier befindet auch berlin an der stadt ist ein toller toller
0:13:33–0:13:41
ort so ein bisschen wie die hdk genau also das heißt es gibt dann halt diese
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mord oder dieser die ich glaube es ist eine mordgeschichte die beim momento dann aufgeklärt wird.
0:13:45–0:13:52
Also das heißt, er nimmt seine Haut als Landkarte für bestimmte Erinnerungen
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und der Film wird komplett rückwärts erzählt. Das war auch damals so ein Novum.
0:13:59–0:14:03
Also das heißt, das fängt mit dem Ende an und dann kriegt man den Anfang der
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Geschichte mit, nach und nach.
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Und tatsächlich gab es dann so ein Patch, das war derzeit, als dann schon die
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ersten Filme übers Internet verbreitet wurde, gab es so einen Patch,
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wo man dann die Geschichte in einer richtigen Reihenfolge gucken konnte.
0:14:20–0:14:23
Und so weniger mysteriös, aber was dann noch mal so gegenläufig war.
0:14:24–0:14:26
Also ich weiß nicht, ob du das auch dann geschaut hast.
Micz Flor
0:14:26–0:14:31
Das kenne ich nicht, aber es ist wichtig nochmal zu sagen, dass dieses Ineinanderfalten,
0:14:31–0:14:35
also Nolan gibt es auch so ein Ding überall zu sehen, wo er erklärt, wie die Zeitleiste ist.
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Es geht quasi los von links nach rechts und dann macht es in der Hälfte des
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Films eine Kurve zurück und geht wieder nach links an den Anfang.
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Das heißt, es ist so geschnitten, dass es so ineinander fällt und es ist aber so geschnitten,
0:14:48–0:14:53
dass du am Anfang des Films, in der Zeitleiste des Films, das reden wir zu viel
0:14:53–0:14:59
über Memento, aber in der Zeitleiste des Films am Anfang nur in dem Blickwinkel
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des Hauptdarstellers hast und dem auch ganz viel Macht gibst.
0:15:01–0:15:04
Du hast das Gefühl, der checkt das alles, der sieht auch cool aus,
0:15:04–0:15:05
außer Tattoos und sowas.
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Irgendwas ist falsch, aber erst später kommen dann die Sachen auch vom Anfang
0:15:11–0:15:15
schon, die dann allerdings nicht mehr sein Blick auf die Dinge sind,
0:15:15–0:15:17
sondern... Kommen wir hier raus?
Florian Clauß
0:15:17–0:15:19
Ich hoffe, ich glaube, wir kommen hier irgendwo runter.
Micz Flor
0:15:19–0:15:22
Okay, wir sind gerade auf so einem großen Parkplatz neben...
Florian Clauß
0:15:24–0:15:26
Ja, da hinten sind wohl ein Theaterraum.
Micz Flor
0:15:26–0:15:27
Ja, genau.
Florian Clauß
0:15:27–0:15:31
Also ich wollte jetzt auch, ich habe das wirklich nur so fragmentarisch in Erinnerungen von Memento.
0:15:31–0:15:35
Ich glaube, wie du beschreibst, das ist eine sehr komplexe Zeitebene.
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Und diese komplexen Zeiterzählungen haben wir ja auch im Interstellar drin.
0:15:41–0:15:46
Wir Wir haben die vor allen Dingen in den letzten Filmen von Nolan Tennant.
0:15:48–0:15:53
Wo dann so Zeitebenen gegenläufig sind. Wir haben die ganz episch ausgebreiteten
0:15:53–0:15:57
Inception, wo die Zeit im Traum langsamer läuft.
Micz Flor
0:15:57–0:15:59
Wobei das relativ linear läuft.
Florian Clauß
0:15:59–0:16:05
Das ist linear, aber allein der dramaturgische Kniff, dass dann im Traum die
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Zeit langsamer läuft. Und es gibt so zwei Grundkonstanten des Kinos, das ist Zeit und Licht.
0:16:12–0:16:16
Ja, also Licht als Illumination, als Projekterlicht, ja.
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Und Zeit als das Fortlaufende, wenn du das aufs Zelluloid runterbrichst.
0:16:22–0:16:26
Wir haben das übrigens auch in 70 mm Zelluloid geguckt.
0:16:26–0:16:29
Haben wir extra rausgesucht. Wir mussten die deutsche Originalschauspieler-Fassung
0:16:29–0:16:31
ertragen. Ging einigermaßen.
Micz Flor
0:16:31–0:16:33
Ja, das fand ich jetzt gar nicht so.
Florian Clauß
0:16:33–0:16:36
Aber am Anfang war es ein bisschen gewinnungsbedürftig, dass man jetzt nicht
0:16:36–0:16:39
die Originalschauspieler gehört hat.
0:16:41–0:16:42
Das ist quasi Kinofilm.
0:16:46–0:16:51
Das ist immer wieder diese Meta-Ebene, die mich dann so wirklich völlig in Bann
0:16:51–0:16:56
zieht, dass eben die Kausalität des Zellulose, ein Bild folgt dem anderen und
0:16:56–0:17:00
gleichzeitig das Licht, was es dann halt illuminiert und die Leinwand erleuchtet.
0:17:01–0:17:07
Und das, jetzt komme ich wieder auf Oppenheimer, diese Erleuchtung,
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ja, er hat auch Erleuchtungsmomente.
0:17:13–0:17:19
Und der größte Erleuchtungsmoment ist natürlich in Trinity. Trinity ist der Atomkrieg.
0:17:21–0:17:26
Der dann so nach zwei Drittel des Filmes erfolgreich durchgeführt wird.
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Trinity zeigt, beweist, dass die Atombombe so funktioniert, wie die das auch
0:17:33–0:17:35
geplant haben und vorbereitet haben.
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Der Film handelt eben von Oppenheimer, wie er das Manhattan-Projekt leitet und
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damit die ersten funktionsfähigen Atombomben produziert.
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Ich habe jetzt wieder den Bogen zum Film gemacht, aber ich wollte lieber bei Ton im Blei sein.
Micz Flor
0:17:53–0:17:56
Nolan, du bist Nolan, genau. Arbeite dich da mal ab, das ist ja...
Florian Clauß
0:17:56–0:18:02
Ja, und ich lese mal seine Filmografie vor, weil seine Filmografie ist so,
0:18:02–0:18:05
wo ich dann halt sage, ja, habe ich gesehen, habe ich gesehen, habe ich gesehen.
0:18:06–0:18:10
Und also den einzigen Film, den ich nicht gesehen habe, ist sein Debüt von 1998,
0:18:10–0:18:15
Following, habe ich nicht gesehen.
Micz Flor
0:18:15–0:18:16
Habe ich auch nicht gesehen.
Florian Clauß
0:18:16–0:18:20
Müssen wir mal gucken. Dann 2000 Memento, dann 2002 Insomnia.
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Insomnia ist ein Film über Schlaflosigkeit. Ich habe tatsächlich das skandinavische
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Original davor gesehen, das ist aus den 90er. Und den fand ich schon so großartig.
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Es gibt ja so einen Nordic Noir. Das ist so das Genre von diesen nordischen
0:18:40–0:18:43
Wallander und so weiter, von diesen nordischen Krimi-Helden, Kimi-Thillers.
0:18:45–0:18:49
Nordic Noir. Und, ähm, äh, also wenn man,
0:18:49–0:18:53
wenn man jetzt, ich hab das jetzt nur bei Wikipedia so kurz überflogen,
0:18:53–0:18:58
aber, äh, wenn man jetzt Nolan irgendwie einordnen will, dann ist er auch eigentlich
0:18:58–0:19:02
so eine Außersparte des Noir-Films, also er hat immer irgendwie was Düsteres,
0:19:02–0:19:03
Dunkles und Getriebenes, ne?
0:19:03–0:19:12
What do you mean? Hehehe. Und, ähm, 2002 in Somnia, das ist mit Al Pacino und
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Robin Williams in den Hauptrollen, die auch wieder ein Thriller,
0:19:16–0:19:17
also eine Mordaufklärung machen.
0:19:18–0:19:24
Dann beginnt quasi die Batman-Reihe 2005 mit Batman Begins.
0:19:25–0:19:27
Und ich glaube, das ist einvernehmlich.
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Es gab so ein Revival von Superheldenfilmen Anfang der 2000er.
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Und ich glaube, da hat Nolan einfach neue Maßstäbe gesetzt in der Inszenierung
0:19:38–0:19:38
von Superheldenfilmen.
Micz Flor
0:19:39–0:19:42
Aber ich wollte dazu sagen, ich finde Insomnia nicht so gut.
0:19:43–0:19:47
Ich finde das Original auch besser. Und ich habe so von dem Konzept von Massive Acting das Gefühl,
0:19:47–0:19:53
dass nur skandinavische, vielleicht auch kanadische Regisseure wirklich was inszenieren können,
0:19:53–0:19:59
was mit diesen ewig langen hellen Nächten, wo du gleichzeitig übernächtigt bist,
0:19:59–0:20:03
aber trotzdem das Gefühl hast, das ist noch Tag, dass sie damit vielleicht besser umgehen können.
0:20:03–0:20:08
Aber ich glaube, in seiner Karriere war das so ein ganz smarter Handshake,
0:20:08–0:20:13
wo er halt wirklich Al Pacino und Robin Williams, also die Superstars,
0:20:13–0:20:15
ein bisschen on their way so 21.
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Jahrhundert, also die hatten so die richtige Hülse hinter sich,
0:20:18–0:20:22
aber die konnte er direkten, gerade eben auch Al Pacino. Ich glaube,
0:20:22–0:20:25
Robin Williams ist nochmal ein ganz anderer Star.
0:20:26–0:20:30
Und das hat, glaube ich, allen dreien gut getan, in gewisser Form.
Florian Clauß
0:20:32–0:20:35
Ja, interessant. Also du siehst nochmal aus der... Ich finde,
0:20:35–0:20:39
Robin Williams ist für mich so wie Tom Hanks, so ein All-American-Guy,
0:20:39–0:20:44
von dem ich überhaupt nicht weiß, wie der so als Person war.
0:20:45–0:20:47
Aber kann sein, ja. Kann ich mir vorstellen.
0:20:52–0:20:55
Du hast es auch gerade angesprochen, das wollte ich noch... Ja,
0:20:55–0:21:01
das hat auch wieder mit Licht und so der Dramaturgie von...
0:21:06–0:21:14
Der eine Detektiv von Insomnia hat halt diese Schlafstörungen, es nicht dunkel wird.
0:21:14–0:21:23
Sie sind halt zu der Sommer-Sonnenwende dann im Norden, Also im Original sind
0:21:23–0:21:25
die dann halt, glaube ich, da irgendwo.
0:21:30–0:21:35
Im nördlichen Wendekreis, also es wird nicht dunkel und du siehst die ganze Zeit den Darsteller,
0:21:35–0:21:39
wie er versucht, das Rollo runterzuziehen und dann irgendwann fängt er an,
0:21:39–0:21:48
so Gaffa-Tape drumherum zu kleben, um das Sonnenlicht draußen zu lassen und ich finde,
0:21:48–0:21:54
dass es bei der Rezeption von Christopher Nolan auch gut gelungen,
0:21:54–0:22:02
diese Landschaften in Kanada, diese Berglandschaften und dieses ewige Eis dann auch so einzufangen,
0:22:02–0:22:07
das fand ich nochmal anders als beim Original, weil der Original war eher so
0:22:07–0:22:12
ein Kameraspiel und Nolan hat da mehr so ein Epos draus geformt.
Micz Flor
0:22:13–0:22:18
Ich hab ganz kurz den Wunsch, dass wir bei Nolan so durchgehen,
0:22:18–0:22:19
weil sonst müsste die Folge dann heißen.
0:22:21–0:22:28
Flo und Mitch unterhalten sich über die Filme von Nolan, weil gerade Oppenheimer rausgekommen ist.
0:22:28–0:22:31
Oder wir machen zwei Folgen draus, was insgesamt zu lang wird.
0:22:31–0:22:35
Weil Nolan ja auch gerne über die klassische Zeit hinaus...
Florian Clauß
0:22:35–0:22:38
Wir gehen jetzt, also das jetzt durch. Also ich glaube, du brauchst jetzt da
0:22:38–0:22:41
keine Angst zu haben, dass da irgendwelche Themen wegfahren.
0:22:43–0:22:49
Also dann kommt Batman beginnt, 2005, 2006, Ja, ganz toll.
Micz Flor
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Ich mag den total. Also das ist so ein bisschen so ein geheimer Favourite.
0:22:57–0:23:00
Ich habe so das Gefühl, weißt du, als es früher noch Alben gab,
0:23:00–0:23:04
so das eine Lied, das zweite oder dritte Lied auf der B-Seite,
0:23:04–0:23:08
wo man so denkt, nee, das ist eigentlich mein Lieblingslied. Ich mag den total.
Florian Clauß
0:23:08–0:23:11
Ich mag den auch total. Vor allen Dingen war das auch wieder so ein Film,
0:23:11–0:23:15
der, also ich weiß nicht wie, No One in the Night schafft, aber das hat so eine
0:23:15–0:23:16
creepy Stimmung hinterlassen.
0:23:18–0:23:22
Am Ende fühlst du dich so körperlich aufgerieben, obwohl es halt nur ein Film
0:23:22–0:23:28
ist, aber der schafft irgendwie so Archetypen anzuzapfen, die dich dann halt beunruhigen.
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Und gerade bei Prestige, es geht so ein bisschen um diese, also quasi um diese
0:23:36–0:23:41
magische, Also um zwei Magier, die gegeneinander konkurrieren.
0:23:43–0:23:45
Und der eine davon ist von Tesla dann inspiriert.
0:23:48–0:23:50
Und es geht um dieses Zeitalter des 19. Jahrhunderts.
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Und ganz toll inszeniert, also wirklich ein großartiger Film.
Micz Flor
0:23:57–0:23:59
David Bowie spielt auch mit.
Florian Clauß
0:23:59–0:24:03
David Bowie, genau, ja. Und Wolverine spielt mit.
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Und Christopher, nee, Christian Bale hat in der zweiten Rolle,
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ne? Also, ich weiß nicht, der Vorhalter glaube ich nie, aber das war so diese,
0:24:11–0:24:16
auch diese, der Schaffensbeginn von Nolan mit Bale zusammen,
0:24:16–0:24:18
Batman beginnt, ein Jahr vorher.
0:24:18–0:24:23
Und dann kommt The Dark Knight. Ich glaube, das ist das Highlight von einem Batman-Film.
Micz Flor
0:24:26–0:24:28
Ja, der posthume Oscar auch noch.
Florian Clauß
0:24:28–0:24:30
Ja, also der mit dem Joker.
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2008 kam The Dark Knight raus, dann 2010 Inception, 2012 The Dark Knight Rises,
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der dritte Teil der Trilogie, obwohl ich die jetzt tatsächlich,
0:24:46–0:24:50
Also jetzt, wenn man die so bewerten will im Oeuvre von Nolan,
0:24:50–0:24:53
sind die Batman-Filme, ich glaube, den dritten wollte er auch gar nicht machen.
0:24:53–0:24:57
Also ich finde, kann ich auch so nachvollziehen.
0:24:58–0:25:01
Dann kommt, ich habe mich geirrt, nicht vor sieben Jahren, sondern vor neun
0:25:01–0:25:02
Jahren, 2014, Interstellar.
0:25:05–0:25:07
2017 ist Dunkirk und ich glaube, das ist auch der erste...
Micz Flor
0:25:07–0:25:08
Dunkirk habe ich nicht gesehen.
Florian Clauß
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Der letzte vor Oppenheimer jetzt 2023 ist Tenet von 2020.
0:25:15–0:25:20
Das ist der erste Film, wo der, jetzt habe ich den Namen nicht parat,
0:25:20–0:25:23
aber derjenige, der hat ja sonst immer sehr viel mit Hans Zimmer zusammengearbeitet
0:25:23–0:25:24
als Kompositionskünstler, Komponist.
0:25:31–0:25:39
Er ist auch ein Skandinavier, der den Soundtrack jetzt auch für Oppenheimer gemacht hat.
0:25:41–0:25:51
Und das trägt sich auch, das finde ich ganz interessant, weil der Sound,
0:25:51–0:25:54
wie der hier eingesetzt wurde, wenn man das vergleicht mit Indor Stellar.
0:25:54–0:26:00
Indor Stellar hat ein ganz intensives Theme, was sich die ganze Zeit durch den Film trägt.
0:26:02–0:26:07
Der Komponist, jetzt auch hier in dem Film, hat jetzt kein so ein emotionales,
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tragendes wie jetzt Hans Zimmer bei Interstellar, sondern das ist immer so ein
0:26:12–0:26:14
Staccato, es ist immer so ein Rhythmus.
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Das ist fast so wie jetzt das ...
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Wie jetzt beim Projektor der Film
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durchläuft. Dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd. Immer so ein Staccato.
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Und zu den Figuren, also es löst sich nicht in eine Harmonie auf.
Micz Flor
0:26:26–0:26:29
Ja, in Filmmusik denk ich dann natürlich, wie du's beschreibst,
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an die Geigen von Psycho oder an das Klavier von Jaws. Das hier so dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd-dd.
Florian Clauß
0:26:36–0:26:43
Genau, aber da hast du den Thrill, während hier ist es, glaube ich, eher so ein Taktgeber.
0:26:45–0:26:53
Wir müssen dann eh über den Einsatz vom Sound reden, weil der ist bei dem Film auch sehr stark.
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Gerade mit dem Zünden der Testatombombe Trinity, wie der mit Sound gearbeitet
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wird. Ich will es nicht vorwegnehmen, aber nur eine Anmerkung.
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Dann hast du das erste Mal das Gefühl, dass du den Figuren, vor allem Oppenheimer,
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ganz körperlich ganz nah bist.
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Dadurch, dass du nur sein Atmen hörst, nur die Geräusche, die er macht,
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und alles andere ausgeblendet ist.
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Vorher hattest du immer so etwas Unnahbares, aber in dem Moment bist du auf
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einmal ganz nah bei der Figur.
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So ein bisschen wie bei 2001, wenn dann Bowman mit der Raumkapsel rausfliegt und du hörst sein Atmen.
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Das ist eine stärkere Verbindung, die man nur über eine Atemspur machen kann.
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Und das ist, weil jetzt gerade Stanley Kubrick erwähnt wurde von mir.
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Du spielst dir gerade selber die Bälle zu. Danke, dass du mich daran erinnerst.
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Aber Nolan kann durchaus in seinen...
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Also ich würde auch so... Er hat so eine Dimension von Stanley Kubrick und auch
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ein ähnliches Oeuvre. Er geht durch verschiedene Genres, macht da Meilensteine.
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Und das Lustige ist, dass er quasi beauftragt wurde.
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Ich glaube, das war 2021. hatte er dann die gemasterte Version von 2001 dann
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auch präsentiert in irgendeinem Filmfestival.
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Also er hat auch eine sehr nahe Verbindung zu Kubrick, Nolan, ne?
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Und er ist halt ein Perfektionist, der sehr lange eben auch an seinen Filmen feilt, ne?
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Es ist vor allen Dingen einer, der auch eine unglaubliche Freiheit hat.
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Es gibt, glaube ich, keinen anderen Filmregisseur in Hollywood,
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der so ein Autorenfilmer ist wie er.
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Also alle seinen Drehbücher, bis auf, glaube ich, Insomnia war das,
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wo dann jemand anders noch ein Drehbuch geschrieben hat.
Micz Flor
0:29:17–0:29:17
Ja, sein Bruder schreibt auch.
Florian Clauß
0:29:17–0:29:20
Genau, er schreibt immer mit seinem Bruder zusammen diese Drehbücher.
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Und teilweise jetzt auch eine Vorbereitungszeit von über von mehreren Jahren.
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Genau, also der letzte vor Oppenheimer jetzt hier ist Tenet von 2020,
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wo er auch,
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also er hat ja auch immer wieder so ein ähnliches Ensemble an Schauspielern,
0:29:46–0:29:50
obwohl ich meine der Film Oppenheimer, was der für ein Star-Aufgebot hat,
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das ist ja auch Wahnsinn, mit welchen Leuten er da zusammengearbeitet hat.
Micz Flor
0:29:57–0:30:01
Ja, es war echt irre, weil bei ganz vielen Leuten kennst du das Gesicht und den Namen nicht.
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Oder ich kenn das Gesicht und den Namen dazu, aber nicht. Aber hab so das Gefühl,
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was war das noch mal für ein Film? Und natürlich war halt irgendwie Emily Blunt
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als die Frau von Oppenheimer.
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Gary Oldman als amerikanischer Präsident. Hat er seinen amerikanischen Akzent
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wahrscheinlich wieder ausgepackt.
0:30:20–0:30:24
Aber total irre, auch wieder so eine Rolle, wo ich ihn erst im Close-Up erkannt habe.
Florian Clauß
0:30:24–0:30:27
Ich hab auch die ganze Zeit überlegt, wer ist das? Die kennen den,
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ich kenn den. Der ist so ekelig.
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Gary Oldman mit seinen extrem schmalen Lippen und diesem sarkastischen Ausdruck.
Micz Flor
0:30:36–0:30:41
Und dann ein Schauspieler, wo ich immer dachte, oh, wann kommt der mal wieder?
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Wann kann ich mal wieder was von dem sehen? Der hat jetzt eine Nebenrolle hier bei Casey Affleck.
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Also als dieser fiese Militärpolizist oder General,
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der halt da irgendwie eher schon brutale Androhungen gemacht hat,
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wie man aus den Kommunisten in Los Alamos irgendwie Sachen rauspressen könnte.
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Und natürlich Matt Damon. Also Matt Damon, ich bin absoluter Matt-Damon-Fan.
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Also da können wir bald mal irgendwie eine Tom-Cruise-Folge können wir gerne
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bei Matt Damon machen. Ich finde das wirklich großartig.
Florian Clauß
0:31:15–0:31:19
Also Matt Damon, bin ich da voll bei dir. Indie wie Tom Cruise,
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das ist für mich wirklich so ein Schauspieler, der mich auch so lange begleitet
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und den ich auch so großartig finde.
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So Madame Brad Pitt, das sind so die Global Player. Ja, okay.
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Wollen wir jetzt zu Oppenheimer gehen, zu dem Film? Wollen wir da jetzt einsteigen?
Micz Flor
0:31:40–0:31:44
Gerne. Also was haben wir gemacht? Wir haben uns emotional geöffnet,
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was wir so erlebt haben, so direkt, wenn man rauskommt.
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Das ist quasi Stimmung des Endes und das ist ja nicht unwesentlich,
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weil, wie wir wissen, spätestens seit den unterschiedlichen Schnittversionen
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von Blade Runner, dass das Ende total wichtig ist für die Stimmung,
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wie man rauskommt und auch auf den Film zurückblickt.
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Und das war bei uns irgendwie so was Zerstörerisches, was Wütendes,
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was Hilfloses, was Ausgeliefertes, aber auch irgendwie was so perplexes, ist das wirklich wahr.
0:32:20–0:32:24
Dann haben wir über Nolan gesprochen und wenn wir jetzt einsteigen, wo würdest du anfangen?
Florian Clauß
0:32:25–0:32:30
Ich würde zumindest rein von der Struktur her den Film noch mal so kurz beschreiben.
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Das heißt, wir hatten ja auch schon angerissen, dass das sehr stark mit den
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verschiedenen Zeiten arbeitet.
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Der Film ist von der Dramaturgie, springt ja zwischen ganz vielen verschiedenen Zeitenden hin und her.
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Und in jeder Ebene muss man eine gewisse Orientierung als Zuschauer suchen,
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um zu verstehen, in welcher Zeit der jetzt spielt.
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Und der Indikator dafür ist immer, wie grausen die Haare von Oppenheimer,
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wie eingefallen ist sein Gesicht, trägt der einen Hut?
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Also man versucht dann immer, das zu entschlüsseln und ein bisschen zu reverse-engineeren.
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Der ist jetzt in der Zeit. Es gibt im Prinzip, der Film spielt grob,
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oder vielleicht müssen wir noch mal so die Geschichte von Oppenheimer erzählen,
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bevor man dann halt noch mal so diese Dramaturgie beleuchtet.
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Also ganz kurz, Oppenheimer hat mit dem Manhattan-Projekt dann den Amerikanern
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unter der Leitung mit ganz vielen anderen Physikerinnen und Physikern die Atombombe gebaut,
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die letztendlich dann auch da fabriziert waren,
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vor Ort in der Wüste von New Mexico und Fat Boy und Little Man dann rausgekarrt
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wurden und ein paar Tage später nach dem ersten Eignungstest mit Trinity dann
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über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.
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Aber in dem Moment, wenn die Atombomben quasi das Lager verlassen oder die Los
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Alamos, oder wie heißt die Stadt einmal?
Micz Flor
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Los Alamos, ja das ist dieses Hochplateau in New Mexico.
Florian Clauß
0:34:16–0:34:21
Das Hochplateau, wo die dieses Manhattan-Projekt installiert haben.
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In dem Moment, wenn die das verlassen haben, ist das auch das Kind aus der Hand.
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Es ist quasi in die Welt hinaus.
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Und gleichzeitig erzählt der Film den Prozess, feste aber mehr oder weniger,
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nicht offiziell in dieser Untersuchung, also in einem Untersuchungsausschuss
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der Oppenheimer mit seiner kommunistischen Vergangenheit in der McCarthy-Ära
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konfrontiert und so ein bisschen ihn diskreditieren will,
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dass er die Sowjets spioniert hat.
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Und das ist tatsächlich so gewesen, deswegen gibt es diese Biografie,
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auf deren Grundlage dieser Film gedreht wurde.
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Die trägt den Titel Prometheus.
Micz Flor
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American Prometheus, also der, der das Feuer der Götter quasi auf die Erde gebracht
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hat, aber der amerikanische, der das Feuer der Götter auf die Erde gebracht hat.
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Das Feuer der Götter ist eben die unfassbar große Energie, die bei Kernspaltung entsteht.
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Was wiederum auch Albert Einstein schon mathematisch mit beschrieben hat,
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E gleich mc², jeder kennt das,
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die Umwandlung von Materienenergie, der dann eben auch eine kleine Rolle spielt,
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natürlich auch in der Biografie von Oppenheimer mitgebracht.
Florian Clauß
0:35:55–0:35:59
Und übertragen gesprochen, das Feuer der Erde, du hast es schon gesagt, Prometheus.
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Und als Strafe, Prometheus wurde von Zeus bestraft, dass er den Menschen das Feuer gebracht hat,
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indem er an einem Felsen gekettet, jede Nacht wurde ihm die Leber weggefressen von einem Geier.
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Und er musste die Schmerzen erleiden und am nächsten Tag ist die Leber nachgewachsen
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und das hat sich immer wiederholt.
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Also dieses Leber wegfressen, das ist quasi übertragen gesprochen dieser Prozess,
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der gegen Oppenheimer dann geführt wurde.
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Die Anklage, die dann mehr oder weniger inoffiziell in dieser McCarthy-Ära,
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und ich glaube, das Das ist immer so dieses Geschichtliche, das,
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was man sich, glaube ich, nur in der Zeit dann so erleben konnte,
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aber dieser Hass gegenüber Kommunisten, dieses Machtbollwerk,
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was sich dann gegen die Sowjets errichtet hat und auch diese Hexenjagd,
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die dann auch in Amerika überall stattgefunden hat, dass dann jeder spioniert
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wurde, dieser ganze Aufbau von dem Überwachungsstaat, also von den Geheimdiensten,
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um dann mögliche Spione und so weiter ausfindig zu machen.
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Das ist da sehr sinnfällig erzählt und auch dadurch,
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dass der Film immer in Zeitebenen springt, gibt es schon sehr früh diese Vermutung
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oder für den Zuschauer die Vermutung,
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dass Auf der einen Seite Oppenheiner in seiner Biografie auch sehr aufgeschlossenes Denken,
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er war selber nie in der kommunistischen Partei, hat aber da durchaus so eine
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intellektuelle Nähe und auch Liebschaften, die dann halt aus dieser kommunistischen
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Partei gekommen sind und.
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Aber auch die Überwachung dadurch, dadurch dass der Prozess auch gleich am Anfang
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auch so mit inszeniert wurde,
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bekommt man gleich die Information, okay, hier wird quasi der Vater der Atombombe
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als einen Verräter mit aufgestellt.
Micz Flor
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Aber das finde ich, am Anfang hat man so das Gefühl, das ist eigentlich ein
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sehr konventioneller Erzählbogen.
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So ein bisschen wie bei The Usual Suspects. Man denkt halt, man ist irgendwie schon,
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nachdem alles passiert ist, setzt man einen mit diesem,
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der Verhör ist falsch, also es geht dann im Endeffekt nicht darum,
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dass er verurteilt wird oder nicht, sondern es geht darum, ob er eine Sicherheitsfreigabe
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bekommt, dass er quasi an solchen Regierungsforschungsprojekten überhaupt mitarbeiten
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darf und die kriegt er nicht mehr.
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Das wird quasi in einer kleinen Kammer verhandelt, also es ist kein Verfahren
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und trotzdem wird er quasi weggesperrt von dem ganzen Cutting-Edge-Science-Leben.
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Aber es kommt dann nicht so, es ist nicht so, dass die Erzählung dann zurückspringt
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und dann wie bei The Usual Suspects erklärt, eins nach dem anderen und dann
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kommt quasi der Plot-Twist zum Schluss und dann ist fertig, sondern wir haben
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irgendwie drei Erzählstränge.
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Weil ich weiß auch nicht, das ist eine Frage, die ich an dich habe,
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dieser Schwarz-Weiß-Teil, der da so immer wieder mit reinkommt mit Iron Man, also Robert Downey Jr.
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Spielt im Prinzip den Level-Boss,
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der Oppenheimer die Möglichkeit verbaut, auch nach dem Zweiten Weltkrieg weiterhin
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eben bei diesen Rendierungsprojekten mitzuwirken und das ist ein Schwarz-Weiß.
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Allerdings springt es einmal auch in Farbe, als Oppenheimers Frau mit reinkommt.
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Aber ansonsten ist es halt so, wir beginnen mit der McCarthy-Zeit,
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diesem Verhör oder dieser Besprechung in diesem kleinen Zimmer,
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wo Oppenheimer indirekt angeklagt wird, ohne dass es ein Gericht ist.
Florian Clauß
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Am ehesten so ein Untersuchungsausschuss.
Micz Flor
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Genau, irgendwie sowas. Es ist geheim und später erfahren wir auch von dem Strauss,
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der halt dieser Levelboss ist, dass der das ganz bewusst so haben wollte,
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damit Oppenheimer, der ja charismatisch ist, der auch diese ganzen Forscher
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für sich dann gewinnen konnte und die sind dann alle mitten nach New Mexico gezogen.
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Also ein sehr charismatischer Mensch, der wollte ihm explizit keine Bühne geben.
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Er wollte nicht, dass er als Märtyrer irgendwie so dasteht. Aber auf jeden Fall
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fangen wir nach dem Zweiten Weltkrieg ein, nach der Atombombe.
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Das ist alles schon in der Welt. Wir springen aber sofort zurück in seine Studienjahre,
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wo er dann aus Amerika nach Bonn, Göttingen, Cambridge oder ich weiß gar nicht mehr. Doch, genau.
Florian Clauß
0:40:53–0:40:57
Also Leiden noch, also Holland, wo er gelehrt hat.
Micz Flor
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Gelehrt hat. Und er springt dann quasi da durch die Lehre, der frühen Lehre
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der Quantenphysik, also die
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Generation nach Einstein und bringt das dann wieder zurück nach Amerika.
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Und da wird er dann eben in Berkeley auch diese ganz zentrale Person,
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die am Anfang wartet auf den ersten Student oder PhD oder wer auch immer,
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der halt so reinkommt, weil das halt kein Thema da war.
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Und zum Schluss aber dann durch seine sehr charismatische Ausstrahlung ganz viel um sich sammelt.
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Das heißt, wir fangen an mit McCarthy, springen zurück,
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arbeiten uns dann immer so hin
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und her, springt da durch und kommen dann irgendwann eben an den Punkt,
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wo Los Alamos, er sagt ganz am Anfang irgendwie,
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also seine Quantenphysik und New Mexico, Los Alamos, das sind so die beiden
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Sachen, die in wirklichem Leben etwas bedeuten und er weiß nicht,
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wie er die beiden zusammenbringen könnte.
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Und genau das schafft Also das finde ich auch so spannend, weil da in der Biografie
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so diese Atomspaltung schon mit angelegt ist. Wie kriegt man die theoretische
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Physik der Quantenmechanik in die Hochebenen von New Mexico?
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Und das kann natürlich nur jemand, der genau beides auch beherrscht.
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Und dann kommt eben diese andere Person noch rein, dieser Strauss,
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der ist auch, glaube in schwarz-weiß irgendwie,
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weil diese Geschichte ist der dritte Zeitstrang und damit man den wirklich gut
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unterscheiden kann, weil die anderen sind auch schon farblich so ein bisschen
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getrennt, also die frühe Jugend
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ist sehr satt, das hat fast schon so einen Ölfarben-Charakter, finde ich.
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Die Zeit in Los Alamos ist halt eben Wüste, das ist dann so ein bisschen alles
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staubig, da flirrt auch immer was durch die Luft, was auch so ein bisschen diese.
Florian Clauß
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Tom-Teilungs-Ästhetik so schön. Ja, genau. Also so ein Fluffy,
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fast wie so ein Schnee in der Hose.
Micz Flor
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Ja, man weiß nicht immer, ob das jetzt Schnee ist oder Staub.
Florian Clauß
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Und man kann sich sicher sein, dass es halt nicht CGI ist, weil,
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das wollte ich auch nochmal so Lohnen sagen, der hat ganz wenig mit CGI gearbeitet.
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Und bei ihm ist auch so die, also die Art Filme zu drehen, ist dann tatsächlich
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so Realeffekte zu suchen.
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Interstellar ja so ganz ausführlich gemacht, um dieses schwarze Loch darzustellen.
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Also das ist glaube ich auch noch mal so eine Errungenschaft von Nolan,
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so analog wie möglich zu arbeiten.
Micz Flor
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Und die Bildästhetik, so die Farbqualität von den McCarthy ist so am ehesten
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natürlich, ein Anfangszeichen.
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Natürlich, wenn man das jetzt nebeneinander stellen würde, würde man sofort
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sehen, dass Farb bearbeitet ist, Aber das fühlt sich irgendwie so gegenwärtig an.
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Und dann gibt es ganz später noch so einen Sprung in die Zukunft,
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wo er dann ganz kurz noch mal Richtung Lebensende dann eben anerkannt wird von
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der Regierung, von den ganzen anderen, die ihn teilweise auch in die Pfanne
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gehauen haben und sowas.
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Das ist dann auch, das ist dann farblich eher so in diesem Gegenwartstil.
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Aber das eine ist halt so schwarzweiß reingebuttert und ich checke es nicht
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so richtig. Aber das ist eine Frage, die sehr kopfig ist.
Florian Clauß
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Nee, fand ich auch ähnlich nachvollziehbar. Also man hat am Anfang das Gefühl,
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okay, jetzt gibt es diese Verhandlungen, es gibt die Chairmans,
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es gibt Congressmen, bla bla bla.
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Und dann hat man das Gefühl, man ist dann halt in so einer Art von,
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ja, das Schwarz-Weiß, dann kriegt das so einen dokumentarischen Wert aus der Zeit.
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Und gleichzeitig wird es aber auch wieder aufgelöst, weil die gleichen Szenen
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oder die gleichen Spielorte dann tatsächlich teilweise auch in Farbe gezeigt werden.
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Ich glaube, es ist einfach nur so ein stilistisches Mittel, Um dann nochmal
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so einen Bruch reinzubringen, ne?
Micz Flor
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Ja, ich weiß nicht, also vielleicht ist es dazu da, dass Leute wie wir darüber rätseln.
Florian Clauß
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Ja, ja, also vielleicht, ja, aber gleichzeitig ist es ja auch so ein stilistisches
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Mittel, was dann wieder mit Licht arbeitet und dann ist man wieder auf dieser Metaebene von Film.
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Also gleichzeitig hat es auch die Ästhetik von Röntgenbildern oder sowas.
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Das heißt, es wird schon wieder so, es ist sehr kontrastreich dann auch diese
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Schwarz-Weiß, wie es eingesetzt ist.
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Keine Ahnung. Also es ist glaube ich die Freiheit, da noch mal so andere Akzente zu setzen.
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Also man hat das Gefühl schon, in dem Moment, wenn Schwarz-Weiß wird,
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dass es eine objektivere Erzählweise hat, weil man das Gefühl hat,
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okay, jetzt ist es eine Dokumentaraufnahme.
Micz Flor
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Ja, ich weiß es nicht. Also ich kann es nicht wirklich fassen,
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weil irgendwann am Anfang,
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als das das erste Mal reinkam mit dem Schwarz-Weiß, dann war das wirklich eine
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Parallelwelt, aber es hat sich ja dann, also es war im Prinzip so,
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wenn man jetzt diese Zeitleisten nebeneinander legt, Wir haben eigentlich drei
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Geschwindigkeiten in der Erzählung, die sind alle parallel.
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Aber das erste geht eben aus den Studierendenjahren bis hinein zum Bombenbau.
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Das zweite geht durch diese McCarthy-Protokolle durch. Und das dritte ist eben
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dieses Conference-Hearing oder sowas von diesem Strauss, der halt,
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was halt ein Schwarz-Weiß ist. Und die kommen alle irgendwie hinten dann so zusammen.
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Aber die fangen in unterschiedlichen Zeiten an. und,
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Ich hab's nicht wirklich verstanden, aber jetzt müsste ich's mir noch mal aufzeichnen.
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Ist jetzt vielleicht auch nicht der Raum beim laufend Reden direkt nach dem
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Film gucken, das irgendwie zu entblättern.
Florian Clauß
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Ja, kein Problem. Also, du hast mit diesen einzelnen Handlungssträngen,
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also wie du schon beschrieben hast, wir haben die Geschichten von dem frühen
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Oppenheimer, wie er dann diese quasi sich als Person dann auch findet.
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Ich muss gestehen, ich habe das Hörbuch angefangen von der Biografie,
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auf Grundlage dessen dann dieser Film gedreht wurde und bin auch gerade so in den frühen Jahren,
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weil die auch sehr spannend sind bei Oppenheimer, er ist tatsächlich,
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also es kam in dem Film auch zum Ausdruck, dass er selber in einer schwierigen
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psychischen Situation war, als er dann nach Cambridge gekommen ist.
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Und diesen Apfel hat er auch vergiftet. Es gibt dann so eine Szene,
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wo er dann aus Frustration heraus dann so den Apfel seines Mentors mit einem Gift ...
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Dann ... ähm, behandelt. Und dann rausgeht. Das ist eine wahre Geschichte.
Micz Flor
0:47:55–0:47:58
Das hat er dann irgendwann später erzählt, weil er war ja im Film zumindest
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ganz allein in dem Hörsaal.
Florian Clauß
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Alle waren weg. Ich weiß nicht, wie dieses Buch recherchiert ist,
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keine Ahnung, also ob das jetzt quasi auch so ein...
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Es gab, glaube ich, tatsächlich eine offizielle Anklage. Er ist dann tatsächlich
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zur Univerwaltung hingegangen, hat gesagt, ich habe diesen Apfel vergiftet und
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hat sich dann selber angeklagt.
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Das kam in den Filmen jetzt nicht so raus.
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Aber es muss irgendwo belegt sein.
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Also das heißt, er ist, also es ist glaube ich so,
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und ich fand das jetzt beim Filmen, ist das nicht so rausgekommen,
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er ist eine unglaublich, also das fand ich, das kam schon,
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also das war in einem Dialog mit Matt Dame, wo er sagt, ja, wir reden jetzt
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gar nicht mehr über Brillanz, weil in dem Niveau, in dem sie sich da bewegen,
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da ist Brillanz schon Voraussetzung, ja?
Micz Flor
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Da fragt Oppenheimer diesen General, was haben die anderen denn so über mich
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erzählt. Und das sind dann eher so Eitelkeiten, die er berichtet.
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Und dann fragt Oppenheimer, keiner sagt, ich war brillant.
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Und dann kommt dieser Satz von, ja, Brillanz ist quasi Default Level,
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das ist der Limbo-Stick, da muss man irgendwie unten durch, vorher kann man
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überhaupt nicht mittanzen. und es geht dann quasi wirklich so um Persönlichkeit.
Florian Clauß
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Und auf welchem hohen Niveau auch tatsächlich Oppenheimer,
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also es war ja wirklich so ein Genie, ein Wunderkind, auf welchem hohen Niveau der sich bewegt hat,
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hat tatsächlich innerhalb von sechs Wochen dann Holländisch gelernt als Sprache
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und konnte dann seine Vorlesungen auf Holländisch vortragen.
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War unglaublich sprachbegabt, kam aus einem sehr freigeistigen Elternhaus,
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Er hatte unglaublich viel Kulturelle und auch in der Literatur sehr viel gelesen.
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Dostoevsky, Tolstoi waren dann so seine Ferienromane, wo er dann auch so seine
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Sinnkrisen mit bewältigt hat.
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Er war ein rundum gebildeter Mann, der dann auch erst später zur Physik gekommen
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ist. Vorher hat er Chemie studiert, hat auch Philosophie, Literatur und so weiter studiert.
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Er war, glaube ich, auch ein sehr schwieriger Charakter,
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hat dann aber in einem Griechenland-Urlaub hat er sich dann,
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glaube ich, selber gefunden und konnte auch mit den anderen so interagieren.
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Also der war ja Anfang 20, da ist man ja eh in so einer labilen Phase in der
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Adoleszenz, dieser Persönlichkeitsentwicklung.
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Und das war dann jetzt so ein bisschen, der Film ist ja ein bisschen später
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eingestiegen, ich glaube, das, was er dann schon so vermitteln konnte,
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ist diese Begeisterung.
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Diese Begeisterung, dann wirklich auch die Studenten und Studentinnen mitzunehmen
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und auch da eine unglaubliche Vorbildfunktion einzu- Also er hat dann auch ganz
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viele so eben begeistern können.
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Er hat viele Studenten angeregt, dann halt ihre eigenen Arbeiten zu machen.
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Hat die dann halt auch mit publiziert und hat aber auch deren immer so,
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das ist ja auch mal so ein Ding in der Wissenschaft, dass du dann irgendwo deinen
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Namen auf dem Paper drucken kannst, hat denen aber auch immer die Credits gegeben.
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Also er war ein unglaublicher Förderer, ein Begeisterer und ich glaube aufgrund
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dessen, aufgrund seiner Fähigkeit und andere so auch so mitzureißen,
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allein deswegen konnte er überhaupt so ein Manhattan-Projekt aufbauen.
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Das wurde sehr knapp erzählt in dem Film, finde ich.
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Aber vielleicht liegt es auch nur daran, weil ich die ganze Zeit das Hörbuch
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höre und da ist es sehr ausgebreitet.
Micz Flor
0:51:47–0:51:50
Ja, von dem bisschen, was ich mir halt vorher herangeholt habe,
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finde ich dann immer wichtig, in diese Zeit jetzt so mit einzustricken,
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dieses abstruse Paradox, das halt irgendwie auch so Amerikas Skizzomoment Mitte des 20.
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Jahrhunderts ist. Man war halt im Kampf gegen Hitler, wo die Amerikaner anfangs
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ja nicht wirklich mit drin waren,
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aber dann irgendwie, das wird im Film auch so ein bisschen inszeniert,
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dann spätestens, als klar würde, dass die Deutschen den Atomkern splitten konnten,
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auf einmal dann dachten, oh scheiße, da müssen wir echt, also das war ja das ganze,
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der ganze Kick-off für den, für diese zwei Milliarden, die es gekostet hat damals,
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um die erste Atombombe zu entwickeln.
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Und da waren die dann eben im Krieg mit drin und dann waren die natürlich auf
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dem Papier verbündet mit Russland.
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Und das war diese Split-Personal-Situation, weil die kommunistische Partei war
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auch schon in Zeiten der großen Depression in Amerika einfach sehr stark,
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weil es fühlte sich ja vielleicht auch erstmal auf dem Papier ganz gut an,
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wenn man sagt, hey, für alle ist irgendwie gesorgt, jeder hat irgendwie einen Job,
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wenn das irgendwie klappen könnte, das wäre doch gut, weil jetzt gerade nach
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diesem großen Crash läuft hier gar nichts mehr wirtschaftlich und die Leute
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können ihre Essendmiete nicht bezahlen und Das war wohl auch das Oppenheimer selbst,
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dann Studierende hatte bei ihm die, die dann Bei allem hatte ich das mal gelesen,
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dass der halt irgendwie krank ist.
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Weil er es sich sonst nicht leisten konnte. Das hat ihn halt schon bewegt so
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und die kommunistische Partei war dem sehr nah. Er war nie offizielles Mitglied
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in der kommunistischen Partei.
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Aber als dann irgendwie die Forschung der Atombomben losging,
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war das für ihn auch so eine Sache, die wir jetzt im Film mehrfach,
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wo er so zitiert wurde quasi, wo gesagt wurde, ja aber die Russen sind auf unserer Seite.
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Sollten wir nicht mit denen vielleicht die Dinge irgendwie teilen.
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Das war irgendwie sein Wunsch auch, dass diese eine Bombe ist halt so so schlimm,
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dass sie nicht nur den Krieg beenden wird, sondern alle Kriege beenden wird.
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Das war so seine Hoffnung in gewisser Weise, dass es dann zum Wettrüsten kommt,
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das wollte er irgendwie alles verhindern und springt so rein.
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Und da ist halt in diesem Moment gegen Hitler, sind halt die Russen und Amerikaner auf der gleichen Seite,
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dann kapituliert Deutschland und dann geht es halt gegen Japan und dann beginnt
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eigentlich schon dieser kalte Krieg.
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Und dann beginnt es dann irgendwie, da gibt es ja auch eine Rückblende, bzw.
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Ein Sprung nach vorne, dass die Russen auch den ersten Atombombentest gemacht haben.
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Aber dann war der Kalte Krieg, da waren dann eben die Kommunisten, die 20 Jahre vorher,
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vor dem Zweiten Weltkrieg, oder 15 Jahre vorher, oder wie Emily Blunt als Frau von Obmann sagt,
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okay, ich bin vor 18 Jahren aus der kommunistischen Partei ausgetreten,
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weil ich einfach kapiert habe, dass das nicht das gleiche ist,
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was ich mir gewünscht habe für alle und was dort in Russland irgendwie umgesetzt wurde.
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Da liegt nicht viel Zeit dazwischen und deshalb wurden alle,
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die halt früher sowas wie Gewerkschaftskommunisten und sowas betrieben haben
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unter Merkasi, sehr schnell wurden die angeschwärzt.
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Ist ja auch so ein riesen Hollywood-Thema, also konnten nicht mehr schreiben,
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drehen, filmen, schauspielern und so weiter.
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Und diese Skizzosache der amerikanischen Identität im Kampf gegen Hitler im
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zweiten Weltkrieg und dann davor und danach, die hat irgendwie Oppenheimer auch
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stellvertretend so komplett durchlebt.
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Also da hat er einerseits sich irgendwie immer rausgehalten,
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er war irgendwie dieser Mensch, das sagte dann noch irgendjemand sagt,
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du bist jemand, der sich um die Dinge hinter der Welt kümmert oder sowas.
0:55:38–0:55:45
Und das fordert seinen Preis, als er sein Kind, weil die Ehe sehr leidet,
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und im ersten Kind, dann bringt er das zu einem Freund, sagt,
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könnt ihr den mal nehmen, wir schaffen das nicht mehr.
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Und dann sagt halt der Freund für ihn, sagt, ja, also du beschäftigst dich mit
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Dingen jenseits unserer Welt.
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Und das fordert seinen Preis, natürlich helfen wir. Er hat das dann eben genau
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Mitte des 20. Jahrhunderts an seiner eigenen Bürgerfabrik veröffentlicht.
Florian Clauß
0:56:07–0:56:13
Also, nochmal, ich habe es ja gerade so ein bisschen umrissen,
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aber er war auch nicht nur kulturell unglaublich bewandert und sprachlich,
0:56:17–0:56:26
sondern auch in der Physik war er eine ganz große Ikone, er konnte gut lernen und so weiter.
0:56:27–0:56:31
Es gab vorher in Amerika nicht ein Institut für Quantenphysik,
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Quantenmechanik, das hat er mit aufgebaut.
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Es war tatsächlich so, dass er sich diese Informationen überall dann in Europa geholt hat,
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mit Niels Bohr, mit Heisenberg und mit den ganzen Vertretern der Quantenmechanik
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da auch korrespondiert hat und dann mit diesem Wissen dann in Berkeley dann
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das Institut aufgebaut hat.
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Und da gab es eine Szene, wo wurde dann auch mal gefragt, warum hast du keinen Nobelpreis bekommen?
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Und das ist tatsächlich auch so eine Frage an Oppenheimer. Der hat sehr viel initiiert,
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sehr viel aufgerissen, aber auch gerade,
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also es war auch dann am Anfang über Neutronensternen und rote Riesen,
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Also den Sternensterben hat er viel geforscht und mitgearbeitet,
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aber teilweise Pauli und so weiter, die haben dann Nobelpreise bekommen.
0:57:33–0:57:36
Er nicht, weil er dann halt nicht so tief eingestiegen ist.
Micz Flor
0:57:36–0:57:44
Aber war das nicht so, dass er das erste Paper zum schwarzen Loch theoretisch vorgelegt hat?
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Es wurde auch publiziert und das war im Film zumindest so dargestellt.
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Und dann kamen die halt durch die Tür und Hitler invades Poland.
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Also dann war halt der Beginn des Zweiten Weltkriegs, waren die Big News und
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das Ding ist so ein bisschen unter den Tisch gefallen.
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Und keine Ahnung, ob er dann irgendwie später für das Schwarze Loch hätte was
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kriegen können, wäre er nicht so von der Regierung in der McCarthy-Era halt
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abgesägt worden. Das wird so ein bisschen vorgestellt.
Florian Clauß
0:58:12–0:58:15
Ja, aber vielleicht ist es auch so ein bisschen dieser Aspekt seiner Persönlichkeit,
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dass der so andere dann immer initiieren konnte,
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was zu machen und auch nur deswegen er diese leitende Funktion in dem Manhattan-Projekt
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dann ausfüllen konnte, also weil er sich selber so ein bisschen zurückgenommen hat.
Micz Flor
0:58:32–0:58:36
Das läuft jetzt unter der Fußnote, wir werden es nie wissen.
Florian Clauß
0:58:36–0:58:38
Wir werden es nicht wissen, aber
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es passt zu diesem charakterlichen Aufbau jetzt der Person in dem Film.
Micz Flor
0:58:44–0:58:47
Also was für dich oder dein Argument spricht, war diese eine Szene,
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wo ich dachte, da merkt man so ein bisschen die die Entkopplung zwischen Wissenschaft
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und Militär, wo Matt Damon...
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Cillian Murphy gegenüber sitzt und sagt, wenn das hier schief geht,
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dann sind wir beide unsere Jobs los.
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Und in dem Moment hat sich für mich innerlich wirklich schon ein bisschen das
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aufgemacht. Aber ich dachte, ja stimmt, für den General ist wahrscheinlich ist
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der durch, weil in diesem sehr hierarchischen und strukturierten geht es dann
0:59:12–0:59:13
einfach für ihn nicht weiter.
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Aber für den Wissenschaftler ist es ja nochmal eine völlig andere Welt.
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Also es ist ja wirklich jenseits von so einer rein politischen Denke und hierarchischen Denke.
0:59:24–0:59:28
Und da spricht es ein bisschen für dich, dass halt die Art und Weise,
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wie Oppenheimer in diesem Thema drin war,
0:59:31–0:59:36
in dieser Community drin war, wie er die Leute motivieren konnte,
0:59:36–0:59:44
auch da mitzumachen, in the middle of nowhere zu ziehen und für Jahre da eine Stadt zu bauen.
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Das hat er alles irgendwie hingekriegt und das spricht schon dafür für jemand,
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der sogar fast weltfremdcharismatisch die Leute mitreißen kann.
Florian Clauß
0:59:52–0:59:57
Ja, du hast es so ein bisschen in diesem, als er mit den Studenten arbeitet
0:59:57–1:00:02
und die Vorlesungen gibt, wie er sich so seinen Stapel aufbaut.
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Okay, also ich glaube, wir haben hier so ganz grob die Handlung umrissen.
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Es gibt dann, wie er rekrutiert wird durch das Projekt, wie er dieses Manhattan-Projekt
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aufbaut, wie es dann zum Erfolg geführt wird durch diese Explosion der Testbombe.
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Man sieht den Abwurf von den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki nicht.
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Die passieren völlig im Off. Und dann das letzte Drittel des Filmes ist im Prinzip
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dieser Schauprozess, der geführt wird, mit dem Twist eben am Ende.
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Und dass er dann zwar hergestellt ist in seiner moralischen Instanz in Amerika,
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aber hat dann nicht mehr diese Sicherheitsstufe, wo er dann halt auch Einfluss
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nehmen kann auf die Politik.
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Und der Film ist eben dieser Grat zwischen ...
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Wissenschaft zwischen Erkenntnis, zwischen moralischer Verantwortung und Politik.
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Und das lotet der Film, glaube ich, also für mich auf eine sehr interessante Art und Weise aus.
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Gleichzeitig empfinde ich den als sehr dialoglastig. Der Film ist unglaublich viel Dialog getragen.
1:01:24–1:01:28
Und, das muss ich gestehen, das habe ich auch in so einer Filmkritik vorher
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gehört, habe ich mir angeguckt, nämlich man sieht nur Gesichter.
1:01:35–1:01:39
Also eigentlich hat es so diese Porträtaufnahmen.
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Es ist die ganze Zeit nur ein Dialog mit Gesichtern.
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Es fängt die Gesichter ein, es ist wenig Landschaftsaufnahmen,
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es ist wenig der Tal. Man hat immer so eine Dialogsituation mit Gesichtern.
Micz Flor
1:01:57–1:01:59
Das stimmt, interessanterweise hatte ich nämlich den einen Moment,
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wo ich mal gedacht habe, das tut mir gut.
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Das ist, als man so ein bisschen Distanz schaut, wie es vom Helikopter so ganz
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kurz nur diesen Turm gesehen hat, morgens um 5 Uhr, bevor die Bombe getestet wurde.
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Das war so der einzige Moment, wo man mal so ein bisschen Horizont hatte,
1:02:15–1:02:18
ein bisschen weiter. Also wenn die ausreiten, hat man es ab und zu.
1:02:18–1:02:21
Es gibt schon, und das finde ich halt auch interessant, es ist jetzt aber schwierig,
1:02:21–1:02:23
das irgendwie so anzufädeln, ich sage es jetzt ganz kurz.
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Es gibt ja ziemlich zum Schluss auch diesen Moment, wo Einstein durch den Wald läuft mit Gödel.
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Und Gödel und Einstein, die sind einfach in dem Moment so eine andere Generation.
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Die laufen nicht in den Wald, um sich zu beruhigen. Die haben irgendwie die
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Untiefen der Materie durchlebt und sind irgendwie sehr labil und feinsinnige
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menschen irgendwo habe ich auch mal gelesen einstellen.
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Ganz zarte Füße hat und deshalb später im Alter ist er dick im Bauch, hat auch Fußschmerzen.
1:03:00–1:03:04
Also diese zarten Seelen, die dann durch die Bäume laufen und Einstein sagt,
1:03:04–1:03:07
ja Gödel liebt es durch den Wald zu gehen. Und Gödel sagt, ja,
1:03:07–1:03:10
die Bäume, sie beruhigen mich, inspirieren mich.
1:03:11–1:03:14
Also das ist dann irgendwie schon abgehängt und Oppenheimer ist als nächste
1:03:14–1:03:17
Generation, der wird dann da irgendwie so abgehängt.
1:03:17–1:03:21
Aber dann ist die Flucht in Natur, ist halt dann naheliegend,
1:03:21–1:03:25
wenn man nicht mehr mit den Menschen in diesem politischen Ringkampf steht.
Florian Clauß
1:03:25–1:03:30
Ja, klar. Ich meine, du hast als Wissenschaftler dann natürlich auch so einen gewissen Zenit.
1:03:31–1:03:34
Du hast so eine Leistungsfähigkeit, gerade als Mathematiker.
1:03:34–1:03:38
Du bist dann halt noch vor 30, glaube ich, in den besten Jahren,
1:03:38–1:03:38
wie so ein Spitzensportler.
1:03:39–1:03:44
Die größten Entdeckungen von Mathematikerinnen und Mathematikern kommen dann halt in den 30ern.
1:03:44–1:03:47
Und dann später kannst du halt diese Leistung ja nicht mehr bringen.
1:03:47–1:03:50
Und dann bist du eigentlich nur noch Verwaltung deines Erbes.
1:03:50–1:03:53
Und das ist halt ja auch das, was einstand. Und dann Oppenheimer,
1:03:53–1:03:58
die verwalten ja dann nur noch ihr Ding, was sie auf die Menschheit rausgelassen
1:03:58–1:04:01
haben. Und da ist ja auch so ein ganz ethischer Grundkonflikt in diesem Film beschrieben.
1:04:02–1:04:09
Also was sind das für Personen, die eben so was in der Denkkapazität vollbringen
1:04:09–1:04:15
können? Also Wunderkinder, die dann diese Aufgabe leisten und wen übergeben die ihr Erbe?
1:04:16–1:04:20
Und was also man bei Dürnmatt, sind das die Physiker, die Menschheit,
1:04:20–1:04:22
die Menschheit, denen wird das quasi angeboten.
1:04:24–1:04:31
Gleichzeitig ist dieser Film eigentlich eher ein Dialog zwischen der Entität
1:04:31–1:04:35
von Oppenheimer als Bürger zum Staat.
1:04:35–1:04:39
Also es ist nicht die Menschheit, sondern es gibt ein Verwaltungsapparat,
1:04:39–1:04:45
der der Staat ist quasi, der dann damit umgehen muss, was dann die Physikerinnen
1:04:45–1:04:50
und Physiker entwickeln. Und das finde ich halt irgendwie so krass bei Bei dem Film, ne?
1:04:51–1:04:53
Also, für wen macht man das?
1:04:54–1:05:02
Ja, also die schaffen quasi das Licht, also das Feuer geben ist und es gibt
1:05:02–1:05:05
keine Menschheit, das ist ein Prometheus-Mythos, ne?
1:05:05–1:05:11
Das heißt, du kannst die Menschheit, aber du gibst es quasi in einer Institution,
1:05:11–1:05:15
wo halt so Mittelmäßigkeit angesagt ist, ne? Die Politiker sind halt Mittelmäßig
1:05:15–1:05:18
und die müssen halt irgendwie damit umgehen, machen Politik damit, ja?
1:05:19–1:05:23
Und gleichzeitig hast du es aber von denen, die halt ganz oben stehen,
1:05:23–1:05:29
im Intellekt, weil die halt einfach so, weil sie einfach die mentale Kapazität
1:05:29–1:05:35
haben und übergeben das so und dann kommt es halt in diese Politik, in dieses Umfeld rein.
1:05:35–1:05:39
Ja, und dann wird es halt gegen die selber verwendet und die sind auf einmal auf der Anklagebank.
Micz Flor
1:05:40–1:05:44
Aber ich glaube, ich glaube, dass das dieses,
1:05:44–1:05:50
dass du das Wort mittelmäßig benutzt, das natürlich der Twist jetzt eben oder die Linse des Films,
1:05:50–1:05:54
weil natürlich glaube ich schon dann Oppenheimer irgendwie auch einmal checkt,
1:05:54–1:06:02
aber die Hydrogenbombe und die Wettrüsten und sowas, ey, wie konnte ich das nicht sehen?
1:06:02–1:06:05
Der hat ja diese große Hoffnung und hält sich da irgendwie daran fest,
1:06:05–1:06:09
dass irgendwie diese Bomben, es sind zwei davon gefallen, er war in dem Meeting
1:06:09–1:06:13
mit dabei, wo entschieden wurde, auf welche Städte die fällt und so.
1:06:13–1:06:17
Also er war da irgendwie involviert und war gleichzeitig der festen Überzeugung,
1:06:17–1:06:20
so wird es im Film dargestellt, wir werden das auch nie wissen,
1:06:20–1:06:25
ob er da sich vielleicht auch was in die Tasche gelogen hat und einfach seine
1:06:25–1:06:26
Erfindung aussehen wollte,
1:06:26–1:06:29
werden wir nicht wissen, aber in diesem Film war es eben so inszeniert,
1:06:29–1:06:34
dass er das mitgetragen hat in dem Wissen,
1:06:34–1:06:40
dass es das kleinere Übel ist, wenn es gelingt, diese zwei Bomben wirklich dann
1:06:40–1:06:48
auch zu nutzen, um zu sagen, nie mehr Jeder Weltkrieg jetzt ist das Ende der Menschheit.
Florian Clauß
1:06:50–1:06:56
Also wie weit kann man dann halt legitimieren, noch eine größere Waffe,
1:06:56–1:07:02
noch... Und dann, ich meine, diese Dynamik von eben diesem Wettrüsten ist ja...
1:07:07–1:07:11
Ein Abschreckungsszenario zu schaffen, um dann den Gegner zu signalisieren,
1:07:11–1:07:12
wenn du anfängst, sind wir alle weg.
1:07:13–1:07:16
Und ich mein, das ist jetzt so dieser Punkt ...
1:07:17–1:07:19
Also, das ist, glaub ich, so dieser Geburt der Zivilisation.
1:07:20–1:07:28
Weil Zivilisation ist dann die Fähigkeit, sich komplett selber zu vernichten.
1:07:29–1:07:32
Das ist ja so dieser Punkt der Atombombe. In dem Moment,
1:07:32–1:07:38
wenn die Atombombe in der Welt draußen ist, gibt es keine lokalen Konflikte mehr,
1:07:38–1:07:45
sondern es gibt eine Globalität von Konflikten, weil Regionen dann außerhalb
1:07:45–1:07:50
der Konfliktrandgebiete dann betroffen werden.
1:07:51–1:07:58
Und das ist ja dieser große Schritt, der da passiert mit der Erschaffung der Atombombe.
Micz Flor
1:08:00–1:08:03
Genau, das ist ja auch nochmal dieser qualitative Unterschied,
1:08:03–1:08:04
wenn man einfach nur sagt,
1:08:04–1:08:07
es ist eine Bombe, also es ist eine Waffe in der Kriegsführung,
1:08:07–1:08:13
dann gab es schon mal einen ähnlichen Wunsch auf transnationaler Ebene,
1:08:13–1:08:17
die Eindämmung einer fast unethisch brutalen Waffe einzudämmen.
1:08:18–1:08:20
Vor vielen hundert Jahren sollte die Armbrust verboten werden,
1:08:20–1:08:26
weil die Armbrust konnte halt durch Rüstung durchschießen und das war wirklich
1:08:26–1:08:31
der Versuch wohl zwischen verschiedenen Ländern oder Regionen ein Abkommen zu
1:08:31–1:08:34
schließen, dass man Armbrüste im Krieg nicht einsetzt.
1:08:34–1:08:38
Aber in dem Moment, wenn die Atombombe nur als Waffe gesehen wird,
1:08:38–1:08:41
dann ist es halt eben skalierbar. Wie lange kann das Schwert sein?
1:08:41–1:08:44
Aber die qualitative Änderung ist halt so,
1:08:44–1:08:50
dass die Atomwaffe und das ist jetzt nicht direkter Plot-Spoiler,
1:08:50–1:08:57
aber es gab vor dem ersten Test die Überlegung, ob es sein könnte,
1:08:57–1:09:03
dass die Atombombe die Atmosphäre entzündet, die ja irgendwie aus Sauerstoff auch groß besteht.
1:09:05–1:09:09
Und man konnte das dann mathematisch fast komplett ausspießen, aber...
Florian Clauß
1:09:11–1:09:15
Also diese Kettenreaktion durch Kernspaltung, die sich außerhalb dieses kontrollierten
1:09:15–1:09:19
Bereich ist, der Zündung der Atombombe überträgt auf die Atmosphäre und das
1:09:19–1:09:21
dann komplett die ganze Atmosphäre durchgibt.
Micz Flor
1:09:21–1:09:24
Genau, dass die Erde einfach untergeht bei dem ersten Test, erfolgreichen Test
1:09:24–1:09:28
und das hat man dann mathematisch fast komplett ausschließen können,
1:09:28–1:09:31
hat es dann einfach mal probiert. Dann Theorie am Ende, müssen wir das probieren,
1:09:31–1:09:34
hat sich das auch getraut, ist dann nichts passiert, bis heute nicht.
1:09:36–1:09:41
Aber zum Schluss eben dieser Twist, dass Oppenheimer denkt, okay,
1:09:41–1:09:48
diesen ersten möglichen theoretischen Weltuntergang für die erste Zündung von
1:09:48–1:09:50
der ersten Atombombe beim ersten Test.
1:09:52–1:09:57
Die hat zwar die Welt nicht zum Ende gebracht, aber trotzdem ist mit der Atombombe
1:09:57–1:10:00
die Welt jetzt, das ist nur noch
1:10:00–1:10:03
eine Frage der Zeit, also der Tod der Zivilisation ist jetzt einfach da.
Florian Clauß
1:10:04–1:10:08
Der Tod der Zivilisation und quasi der Endpunkt der Geschichte,
1:10:08–1:10:15
das ist ja auch so, das ist ja das, was dann halt später in der Nazi-Ära,
1:10:15–1:10:20
das war ja das Ende der Geschichte, war ja quasi der Ausgang,
1:10:20–1:10:26
das ist der Fall der Nazizeit und die Erschaffung der Atombombe.
1:10:26–1:10:29
Das ist ja irgendwie so ein Endpunkt in der Zivilisationsgeschichte gefallen.
Micz Flor
1:10:35–1:10:40
Wie gehen wir jetzt so weiter vor? Weil ich glaube, wir haben jetzt zwei Türen,
1:10:40–1:10:42
durch die wir gehen können. Das eine ist quasi in den Film hinein,
1:10:42–1:10:45
so in formale Themen, in erzählerische Themen.
1:10:45–1:10:48
Was war im Film? Was hat uns da irgendwie bewegt?
1:10:48–1:10:52
Das andere ist, die andere Tür ist quasi, was ist die Parabel,
1:10:52–1:10:56
warum jetzt, warum kommt dieser Film jetzt, was hat der jetzt mit uns hier zu tun?
1:10:58–1:11:00
Was ist so die Tür, wo du durchgehen würdest?
Florian Clauß
1:11:00–1:11:04
Also jetzt ganz kurz, ich glaube, wenn ich wählen könnte, das eine haben wir
1:11:04–1:11:07
schon ein bisschen angerissen. Vielleicht kann man da...
Micz Flor
1:11:07–1:11:12
Du kannst wählen, ich bin für beides offen, also beide Türen sind zu, ich bin für beide offen.
Florian Clauß
1:11:12–1:11:15
Ich glaube, die einen haben wir schon so aufgestoßen, wir haben schon über die
1:11:15–1:11:16
Dramaturgie gesprochen,
1:11:16–1:11:20
wir haben über die Erzählweise gesprochen, wir könnten jetzt noch mal ein bisschen
1:11:20–1:11:24
näher in die Figurengestaltung und die Schauspieler reingehen,
1:11:24–1:11:27
aber ich glaube, das ist nicht interessant bei dem Film, weil die Schauspieler
1:11:27–1:11:35
sind einfach nur, wie soll man sagen, die sind dann Ausstattung,
1:11:35–1:11:39
Accessoire, um den Film dann zu gestalten.
1:11:39–1:11:43
Das ist halt wirklich so Figuren-Träger, Geschichten-Träger so.
Micz Flor
1:11:43–1:11:45
Aber das würde ich insofern hinterfragen, weil...
1:11:49–1:11:53
Cecilien Murphy, der kommt ja in sehr, sehr vielen Nolan-Filmen vor.
1:11:53–1:11:57
Und der hat auch noch ein paar andere Filme gemacht, ne? So Red Eye war so ein Horrorfilm.
1:11:59–1:12:03
Sunshine war, glaube ich, auch so ein Film. Der hat gleich bei 28 Days Later auch mitgemacht.
Florian Clauß
1:12:04–1:12:05
Hat der? Ich glaube, ja.
Micz Flor
1:12:06–1:12:12
Und auf jeden Fall ist das die erste Rolle, wo ich jetzt einfach sagen kann, toller Schauspieler.
1:12:14–1:12:18
Ich hatte den nie so wirklich greifen können. Aber ich finde,
1:12:18–1:12:20
da hat er sich jetzt wirklich gefunden.
1:12:20–1:12:25
Teilweise gibt es ja auch diese Gegenüberstellung von diesem Coverpick von dem
1:12:25–1:12:32
Pulitzer Prize-winning Oppenheimer Buch und Murphy,
1:12:32–1:12:36
der halt so ähnlich auch irgendwie diesen leeren, glasigen Blick hat,
1:12:36–1:12:41
der in irgendwas anderes zu schauen scheint, also der nicht wirklich fokussiert.
1:12:42–1:12:46
Es gibt ja diesen Pragmatiker dann auch, als er anfängt, ich habe den Namen vergessen,
1:12:46–1:12:50
Das ist so ein Schauspieler, der sich so zupackt, der hat auch irgendwie so
1:12:50–1:12:54
All-American-Boy mit Brille, so ein smarter Typ, den man auch mag,
1:12:54–1:12:57
der dann auch irgendwie nicht gegen Oppenheimer aussagt, dass es der irgendwie
1:12:57–1:13:01
auch raushält, obwohl er auch gegen die Kommunisten, gegen die Gewerkschaften ist.
1:13:01–1:13:04
Aber der ist total fair und sich selbst treu durchzieht.
1:13:06–1:13:11
Und Oppenheimer ist halt irgendwie der, wo der Blick nicht in der Praxis ist,
1:13:11–1:13:14
sondern der Blick ist irgendwie hinter die Dinge. Und das, finde ich,
1:13:14–1:13:16
hat der Schauspieler wirklich gut hinbekommen.
1:13:17–1:13:19
So, es war wirklich ein gutes Match.
1:13:22–1:13:25
Nolan hat immer auf ihn gesetzt. Ich habe das nie so richtig verstanden.
1:13:25–1:13:29
Er hat jetzt ja auch dann, glaube ich, eine Netflix-Serie, dieses Peaky Blinders
1:13:29–1:13:31
über die Birmingham Gangs. Irgendwie da spielt er auch eine Hauptrolle.
1:13:31–1:13:34
Habe ich aber noch keine einzige Folge gesehen.
1:13:36–1:13:41
Aber jetzt hat er mir da als Schauspieler wirklich sehr, sehr gut gefallen, muss ich sagen.
Florian Clauß
1:13:41–1:13:45
Ja, fand ich auch stark. auf jeden Fall, das kann ich so bestätigen.
1:13:48–1:13:52
Okay, wir haben jetzt so zwei Gates vor uns, das eine haben wir so ein bisschen
1:13:52–1:13:55
aufgestoßen, da wolltest du so ein bisschen noch nachfragen.
Micz Flor
1:13:58–1:14:01
Ja, also wenn wir bei dem erstmal drinbleiben, im Film,
1:14:01–1:14:04
dann wäre dieses Soundthema, also Musik hast du schon angesprochen,
1:14:04–1:14:08
generell, the use of sound fand ich halt schon ganz interessant,
1:14:08–1:14:13
weil diese ganz, also wir waren wirklich im großen Kino,
1:14:13–1:14:18
haben das auf Projektion geguckt, 70 mm IMAX Kamera,
1:14:18–1:14:24
wo das gedreht wurde, hatten dementsprechend auch eine sehr gute Sound Anlage
1:14:24–1:14:27
und da war diese ganz tiefen Bässe,
1:14:27–1:14:32
die fand ich halt irgendwie echt, die fand ich ganz toll,
1:14:32–1:14:38
weil ich fand die tiefen Bässe ganz am Anfang auch schon mit seinen fast schon Halluzinationen,
1:14:38–1:14:42
die er so hatte, wo so Teilchen flirren, Energiebögen irgendwie so bildhaft
1:14:42–1:14:46
irgendwie so beim vor seinem inneren Auge oder auch in der Welt,
1:14:46–1:14:51
wo er hingeguckt hat, so sichtbar war. Und dann kamen eben auch so ganz tiefe Bässe.
1:14:51–1:14:53
Und das fand ich ganz spannend, weil es hatte sowas Bedrohliches.
1:14:55–1:15:00
Und es ging irgendwie da ja auch schon um diese Teilchenphysik,
1:15:00–1:15:01
diese Quantenphysik, diese Quantenmechanik.
1:15:05–1:15:08
Und diese Basslastigkeit fand ich war sehr schön.
1:15:12–1:15:15
War ein sehr schönes bild nicht aber sehr schöner ton
1:15:15–1:15:19
der effekt für diese diese noch
1:15:19–1:15:23
nicht gehobene kraft in der materie und
1:15:23–1:15:26
das fand ich ganz toll und das wurde immer wieder auch eingeführt dann später
1:15:26–1:15:29
als dann die bombe gefallen war die japaner haben kapituliert und dann wurde
1:15:29–1:15:35
er dann noch auf los alamos wurde er dann hat so vor allen hatte dann so eine
1:15:35–1:15:39
kurze Rede gehalten und die trampelten mit den Füßen und waren auch wieder ganz
1:15:39–1:15:39
viel besser reingemischt.
1:15:40–1:15:44
Es gab so ganz viele Sachen, wo es halt dann irgendwie nicht um Emotionen ging,
1:15:44–1:15:51
auch nicht irgendwie um große militärische Dinge, die sich irgendwie anwahren,
1:15:51–1:15:57
sondern wirklich diese Macht, Diese Macht der Teilchen.
Florian Clauß
1:16:01–1:16:07
Ja, ich finde auch, also normalerweise bin ich sehr sensibel gegenüber Lautstärke im Kino,
1:16:07–1:16:10
aber zu dem Film hat es dazu gehört,
1:16:10–1:16:15
dass es extremst laut war an
1:16:15–1:16:22
einigen Stellen und man so auch eigentlich physisch den Bass gespürt hat,
1:16:22–1:16:29
gerade mit der nachkommenden Explosion der Bombe, des Bomben-Tests von Trinity.
1:16:29–1:16:32
Das fand ich auch großartig inszeniert auf der Sound-Ebene,
1:16:32–1:16:37
wo dann erst mal rein optisch dann erst mal nur dieser Lichtblitz zu sehen war
1:16:37–1:16:42
und alle waren und dann hat er auch wieder da diese unglaubliche Nähe zu den
1:16:42–1:16:49
einzelnen Körpern durchs Atmen und durchs Erleben des Lichtblitzes und das war
1:16:49–1:16:52
auch der Moment war sehr lange inszeniert.
1:16:52–1:16:59
Man hat das aus verschiedenen Perspektiven, aus verschiedenen Einstellungen
1:16:59–1:17:01
von den Beteiligten gesehen.
1:17:01–1:17:08
Und dann kam halt dieser unglaubliche Donner, dieser Schlag, der Bombe.
1:17:09–1:17:13
Und das hatte ich halt fast vom Kinostuhl weggerissen. Also das fand ich auch
1:17:13–1:17:18
super eingesetzt und inszeniert von dem Film.
Micz Flor
1:17:21–1:17:24
Hast du eine Ahnung, wenn ich sage, das hat mich an eine ganz andere Art von
1:17:24–1:17:28
Filmen erinnert? An welchen Film ich da...
1:17:30–1:17:33
Denke mit sylvester
1:17:33–1:17:37
stallone es gibt
1:17:37–1:17:40
diesen film copland wo sylvester stallone so ein cop spielt drumherum
1:17:40–1:17:43
ist halt die new jersey mafia und die bullen sind alle irgendwie involviert
1:17:43–1:17:48
und er will aber dann irgendwie jemanden wirklich schnappen und dann kommt es
1:17:48–1:17:53
zu so einem unfall und ich glaube es ist ein unfall aber auf jeden fall hat
1:17:53–1:17:57
er sein gehör verloren es piepst nur noch Und dann passiert so eine ganze Zeit,
1:17:57–1:18:01
passiert dann halt irgendwie richtig viel Action, aber komplett ohne Ton.
1:18:01–1:18:09
Und das ist fast doppelt eindringlich, weil man einfach seine Begrenztheit dann
1:18:09–1:18:12
irgendwie in dieser Abwesenheit von dem Ton noch mal erlebt.
1:18:12–1:18:15
Und daran musste ich irgendwie denken, dass das ein ganz anderer Film ist.
Florian Clauß
1:18:15–1:18:20
Ja, stimmt. Jetzt wo du das sagst, mir fällt auch noch ein anderer Film ein,
1:18:20–1:18:22
wo so mit Sound gearbeitet wird.
1:18:23–1:18:36
Der Wilby Blatt von Chris Anderson, wo der, kennst du den Film?
Micz Flor
1:18:36–1:18:37
Ja.
Florian Clauß
1:18:37–1:18:43
Wo dann auch diese Explosion ist und die auf Öl stoßen und dann auch erstmal
1:18:43–1:18:49
so ein Fiepen und der Sohn des Hauptdarstellers sowieso dann taubstumm ist und nicht hören kann.
1:18:49–1:18:53
Ja, stimmt. Und dann gibt es auch so einen Sound, wo dann erst mal der aussetzt
1:18:53–1:18:58
und diese Explosion kommt. Und das wird ja körperlich erlebbar im Kino.
1:19:00–1:19:05
Du hast ja diese Hitzewelle, die spürt man ja dann irgendwie von der Explosion.
1:19:07–1:19:08
Das ist sehr eindringlich inszeniert.
Micz Flor
1:19:11–1:19:14
Und dieses Licht, also das ist auch schon toll gemacht. Es gibt immer wieder
1:19:14–1:19:19
Momente, wo das dann auch nochmal aufgegriffen wird, wo einfach eben das Licht
1:19:19–1:19:23
hochgedreht wird. Aber in dem Moment wird das Licht wirklich inszeniert. Also es ist ganz grelle.
1:19:25–1:19:30
Es ist ganz früh am Morgen. Es ist alles noch dunkel. Aber diese ersten Lichtblitze,
1:19:30–1:19:37
die sind Kilometer weit entfernt von der Bombe. Das heißt, bis dann der Schall ankommt mit 330 Metern.
Florian Clauß
1:19:38–1:19:41
Neun Kilometer, also das heißt, das sind 18 Sekunden.
1:19:42–1:19:48
Ne Quatsch, das sind 27 Sekunden. Und es war tatsächlich vielleicht so, ich 27 Sekunden.
1:19:51–1:19:55
Also so von der Zeit her. Und ich habe auch die ganze Zeit darauf gewartet,
1:19:55–1:19:59
weil es war so klar, dass es jetzt so erstmal dieser Moment ist.
1:20:00–1:20:04
Und dann war klar, es kommt gleich was, wo du ja irgendwie einen Anorak anziehen musst.
1:20:06–1:20:10
Also akustisch, um dann halt diesen Rausch zu hören.
1:20:13–1:20:18
Also dieser Umgang mit Sound und auch dann, wie würdest du das interpretieren?
1:20:19–1:20:21
Und dann fängt es ja an, du hast gerade die Szene beschrieben,
1:20:21–1:20:28
wo dann alle trampeln und das Projekt war erfolgreich und die wollen dann Oppenheimer feiern.
1:20:28–1:20:35
Er kommt rein und er sieht dann aber auch immer wieder in solchen Momenten auf
1:20:35–1:20:38
einmal so einen völlig überbelichteten Saal.
1:20:38–1:20:42
Er sieht die Gesichter, sieht die fast verzehrt und man kann den nicht mehr
1:20:42–1:20:47
zwischen den Opfern eines Atomschlags unterscheiden, weil die auch so leicht zerfleddern.
1:20:48–1:20:51
Und einmal tritt er dann sogar auf so eine verkohlte Leiche.
1:20:52–1:20:55
Also so ist er dann auch.
Micz Flor
1:20:55–1:20:58
Ich meine, das finde ich jetzt einfach nur eine bildliche Darstellung von diesem.
1:20:58–1:21:02
Es dämmert ihm. Also es war ihm ja immer schon klar, aber er war noch in dieser
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theoretischen Physik. Er war mit bei der Entscheidung. Da sind die Bomben gefallen.
1:21:06–1:21:11
Er hat dann auch nicht mehr Kontakt mit dem Militär. Das Alamos komplett ist
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irgendwie abgeschnitten,
1:21:11–1:21:14
ihr fahrt übers Radio und erst als es im Radio verkündet wird,
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dass vor 18 Stunden diese Bombe gefallen ist auf Hiroshima, erst dann ruft auch
1:21:20–1:21:24
sein General Bezugsperson an, der mit ihm das Ganze gestartet hat,
1:21:24–1:21:28
der ihm versprochen hatte, ich bleibe mit ihnen so gut wie möglich in Kontakt.
1:21:28–1:21:30
Also es ist klar, dass sie auch abgeschnitten sind.
Florian Clauß
1:21:30–1:21:33
Ja genau, das ist der Moment, wo die jetzt dann draußen sind.
1:21:33–1:21:35
Also das ist halt irgendwie, die haben geliefert.
Micz Flor
1:21:35–1:21:39
Dann hat er dieses Gespräch, Also, Entschuldigung, diese Ansprache an sein Team
1:21:39–1:21:43
und an die Familien auch. Also es ist ja über die Jahre hinweg dann auch wirklich
1:21:43–1:21:45
ein Dorf, wirklich geworden so.
1:21:48–1:21:52
Oppenheimer ist in dem Moment, glaube ich, sich erst bewusst nach dieser Euphorie,
1:21:52–1:21:55
dieser Schlaflosigkeit und dieser Testsachen und sowas.
1:21:56–1:22:00
Dann ist diese stille Phase und als er dann vor seinen Leuten spricht,
1:22:00–1:22:03
dann kommt es ihm, glaube ich, erst so hoch und es wird bildlich umgesetzt.
1:22:04–1:22:11
Dieser Blitz, diese Strahlung, dieses Zerfleddern von Körpern,
1:22:11–1:22:15
dieses Verbrennen von Körpern, das hätten auch alles wir sein können.
1:22:15–1:22:20
Also das ist dann auf alle Fälle der Sprung in dieses Ethisch-Moralische,
1:22:20–1:22:23
auch zu sagen, es muss jetzt einfach diese Bombe gewesen sein,
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die alle Kriege beendet.
1:22:26–1:22:29
Das war, glaube ich, der Moment, wo es noch mal für ihn so ganz eindrücklich
1:22:29–1:22:32
spürbar war. Wir sind alles Menschen auf dem gleichen Planeten.
1:22:32–1:22:36
Und dass es jetzt bei denen passiert und ich habe da irgendwie wie er später
1:22:36–1:22:38
auch beim Präsidentsaal. Ich habe Blut an meinen Händen.
1:22:41–1:22:44
Aber das haut ihn dann einfach aus der Bahn in dem Moment.
Florian Clauß
1:22:44–1:22:48
Und ja, jetzt würde ich ja gerne so diese zweite Tür aufmachen,
1:22:48–1:22:51
die du angedeutet hast, da so ein bisschen näher drüber zu sprechen,
1:22:51–1:22:55
weil ich glaube, wie wir über den Filmsound und so weiter, haben wir jetzt schon
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mehr oder weniger besprochen.
1:22:57–1:22:59
Das heißt, du willst da noch mal was zu sagen.
1:22:59–1:23:03
Aber ich würde jetzt genau diese ethisch-moralische, weil du hast es ja auch
1:23:03–1:23:05
so gerade so schön beschrieben jetzt.
Micz Flor
1:23:05–1:23:09
Ich möchte an das Brückefleisch für diese andere Tür nur noch kurz Emily Blunt erwähnen.
Florian Clauß
1:23:10–1:23:14
Das war ja klar. Das ist du, Emily. Ja, ich weiß.
Micz Flor
1:23:14–1:23:20
Und ich fand, dass sie in diesem Film auch noch mal etwas, was man über Einstein
1:23:20–1:23:21
schon irgendwie gesagt hat.
1:23:21–1:23:25
Einstein hat halt nur funktionieren können, weil seine Frau ihm immer alles
1:23:25–1:23:30
zurechtgelegt hat, sich um alles gekümmert hat, ihm komplett den Rücken freigehalten hat.
1:23:31–1:23:34
Bei Oppenheimer ist es so, dass Emily Blunt nicht nur für ihn,
1:23:34–1:23:37
sondern stellvertretend für alle Männer, die in diesem Diskurs drin sind,
1:23:37–1:23:38
dieses Emotionale reinbringt.
1:23:39–1:23:43
Es geht schon damit los, dass sie halt die ist, die trinkt, als sie so ein Crybaby
1:23:43–1:23:48
haben, was halt wohl immer schreit, sie hält's nicht mehr aus,
1:23:48–1:23:53
und dann bringt er das Kind weg, weil er's nicht irgendwie annehmen kann, damit umgehen kann.
1:23:53–1:23:57
Die, die quasi das Leben lebt und auch die Emotionen spürt, die den Leuten nicht
1:23:57–1:23:59
die Hand schüttelt, als er später Medaillen kriegt.
1:23:59–1:24:05
Die halt auch irgendwie bei dieser Anhörung als Zeugin in gewisser Weise auftritt
1:24:05–1:24:10
und den Ankläger, der ja nicht wirklich ist, zerlegt wie kein anderer.
1:24:10–1:24:15
Also die außerhalb der Politik ist und die sagt so, hey, du kannst doch hier
1:24:15–1:24:18
nicht einfach nur Märtyrer werden, du musst auch mal kämpfen.
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Und das ist sie, die das irgendwie so macht.
1:24:34–1:24:41
Und ähm... Ja, also das Emotionale, das finde ich, bringt sie da als in ihrer Rolle so rein.
1:24:41–1:24:45
Und damit können wir jetzt vielleicht diese andere Tür öffnen,
1:24:45–1:24:47
so dieses, warum jetzt dieser Film? und.
Florian Clauß
1:24:52–1:24:56
Genau, warum jetzt? Also diese ethische ...
1:24:56–1:25:01
Also, ich mein, es gibt, glaub ich, keine dramatischere Figur als dann Oppenheimer.
1:25:02–1:25:06
Also, das find ich wirklich so, diese Konfrontation, dieses Bildliche.
1:25:08–1:25:13
Er hat die Atombombe geschaffen und damit ein neues Zeitalter eingeleitet,
1:25:13–1:25:18
ne? Mhm. Wie kommt der mit dieser Verantwortung klar?
1:25:19–1:25:23
Ja, und das ist dieser Prometheus und vielleicht eben,
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na, also, diese, diese, diese, ich bring das Feuer der Menschheit und ich werde
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dafür bestraft und mir wird die Leber so ein bisschen weggegessen.
1:25:34–1:25:39
So, ne, das ist ja so dieser, dieses Payback, ok, du hast deine Leber und das
1:25:39–1:25:43
ist halt so die McCarthy-Ära, ok, die haben so ein bisschen ihre Leber weggegessen,
1:25:43–1:25:46
aber ich finde, darum geht's gar nicht.
1:25:46–1:25:50
Das ist nicht der Punkt bei dem Film. Ich finde, das ist vielleicht der Punkt
1:25:50–1:25:52
bei der Biografie. Aber ich finde nicht ...
1:25:53–1:25:59
Ich finde es nicht entscheidend, dass er dann so eine Läuterung irgendwie durchmacht.
1:26:01–1:26:02
Sondern es wird noch überpersönlich.
Micz Flor
1:26:02–1:26:04
Ja.
Florian Clauß
1:26:04–1:26:08
Weißt du, es geht nicht darum, dass er dann so in seinen moralischen Konflikt kommt.
1:26:09–1:26:14
Das ist nicht erzählenswert. Sondern es geht darum, dass er die Kettenreaktion ausgelöst hat.
1:26:15–1:26:18
Und er derjenige war, der das dann halt auch initiiert ist.
1:26:18–1:26:22
Und ich glaube, da wird ihm auch bewusst, dass es hinter seine Person geht.
1:26:22–1:26:28
Dass es nichts mehr mit ihm zu tun hat. Dass es jetzt Politik und Zivilisationsgeschichte
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ist, die er da angestoßen hat. Und ich glaube, das ist so das,
1:26:32–1:26:33
was der Film erzählen will.
1:26:34–1:26:37
Und wir auch gerade an so einem Kipppunkt sind von...
1:26:39–1:26:44
Dahinter geht's nicht mehr weiter. Wenn das Licht da ist, dann sind wir tot.
1:26:44–1:26:47
Mhm. So ganz übertragen gesprochen, ne?
Micz Flor
1:26:48–1:26:54
Ja, also, gebe ich dir recht. Ich hab das Gefühl, dass dieses ... äh, diese ...
1:26:56–1:26:59
Wenn's eine Analogie oder Parable oder wie auch immer ist, dann ist es aber
1:26:59–1:27:05
für mich interessanterweise am wenigsten noch die Atombombe und der Atomkrieg,
1:27:05–1:27:09
sondern für mich ist es eher so, Und deshalb die Brücke Emily Blunt auch,
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ist zum Beispiel die menschengemachte Klimaerwärmung.
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Das ist halt irgendwie was, wo man das Gefühl hat, das ist eher das,
1:27:16–1:27:19
was gerade wo die Welt verbrennt. Ja, auch dieses Bild, statt der Kettenreaktion,
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wo das Sauerstoff verbrennt.
1:27:22–1:27:31
Also wir sind auf diesem Dobus gerade nicht in der Lage, mit der Thematik umzugehen.
1:27:31–1:27:33
Und diese wütende Emily Blunt, die halt dann irgendwie gesagt hat,
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könnt ihr jetzt eigentlich mal aufhören, irgendwie Gentleman zu sein?
1:27:36–1:27:41
Also jetzt muss man irgendwie mal wirklich, jetzt muss man irgendwie schon mal Nein sagen.
1:27:41–1:27:43
Man muss sich das nicht gefallen, man muss das irgendwie tun.
1:27:43–1:27:46
Also da hatte ich so das Gefühl, die Analogie im Hier und Jetzt ist dann eher
1:27:46–1:27:52
die globale Erwärmung als große Bedrohung, als Menschengemachtes,
1:27:52–1:27:55
als es gibt kein Zurück mehr.
1:27:56–1:27:59
Oder die Hoffnung ist, es gibt ein Zurück, aber das ist dann wirklich auch,
1:27:59–1:28:01
Er spricht von United Nations.
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Es ist ein Zurück, was wirklich auch auf globaler Ebene irgendwie maschinisiert
1:28:07–1:28:08
werden müsste in irgendeiner Form.
1:28:11–1:28:15
Das ist das eine, woran ich denke. Das andere ist aber natürlich dann auch wissenschaftlich
1:28:15–1:28:16
eben diese Diskussion um künstliche Intelligenz.
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Wie kriegt man diesen Genie zurück in die Flasche?
1:28:21–1:28:26
Ist das möglich? Also was er sich ja wünscht, dass halt die Wissenschaft das natürlich kann.
1:28:26–1:28:29
Er spricht vorher auch so, okay, wenn wir das nicht haben, dann haben es die
1:28:29–1:28:34
Nazis. Was ist uns lieber? Was ist moralisch vertretbarer? Irgendjemand wird es zuerst haben.
1:28:35–1:28:38
Jetzt ist die Diskussion um künstliche Intelligenz, irgendwie ist das etwas,
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was wir wirklich wollen, was wir brauchen.
1:28:40–1:28:45
Wenn wir es doch jetzt schon nicht mehr verstehen, warum auf einmal irgendwelche
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neuronalen Netzwerke auf einmal Hindi sprechen können und lesen können und wir
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wussten gar nicht genau.
1:28:53–1:28:56
Wir hatten denen nie einen Auftrag gegeben. Das kam halt scheinbar so mit,
1:28:56–1:28:58
weil die da irgendwie alle sich angeguckt haben.
1:28:58–1:29:03
In dem Moment ist es ja wirklich so, dass wir auch da manchmal die Stimmen hören,
1:29:03–1:29:09
die sagen, wir brauchen eine Form der Regulation, wir müssen das irgendwie kontrollieren können.
1:29:09–1:29:13
Aber auch da dieses Wissenschaftler- und Wissenschaftlerinnen-Gefühl,
1:29:13–1:29:16
wohl irgendwie, es zu sagen, also es wird einfach passieren,
1:29:16–1:29:20
dann mache ich doch lieber mit, dann will ich wenigstens dabei sein.
1:29:20–1:29:22
Und ähnlich war das, glaube ich, auch bei dieser Atombombe.
1:29:23–1:29:27
Er sagt ja einmal explizit auch zu jemandem bei der Anwerbung,
1:29:27–1:29:31
sagt er auch, Ist die Liebe, die Hitler hat oder so eine Art.
1:29:34–1:29:36
Und das Dritte, woran ich dann denke, ist wirklich...
Florian Clauß
1:29:36–1:29:40
Das ist ja quasi die moralische Legitimation für ihn selber,
1:29:40–1:29:45
weil er ja auch selber Jude ist, dann auch zu sagen, ich möchte nicht,
1:29:45–1:29:46
dass das passiert, dass das Hitlerfeuer hat.
1:29:47–1:29:52
Das ist ja so diese, das irgendwie, okay, deswegen bin ich da,
1:29:52–1:29:54
deswegen bin ich da drin und mach das mit.
1:29:55–1:29:59
Das ist ja so seine eine Motivation, da auch den Weg weiter zu gehen.
Micz Flor
1:29:59–1:30:02
Ja, aber das ist ja, wenn wir jetzt durch diese zweite Tür gehen,
1:30:02–1:30:05
dann gucken wir auf so einer Zeitgeist-Ebene.
1:30:06–1:30:11
Wie berührt der Film unsere Welt gerade? Unsere kulturelle, politische, originale Welt?
Florian Clauß
1:30:11–1:30:14
Ich finde nochmal ein Aspekt, und der ist vielleicht dann so,
1:30:14–1:30:18
wenn man das jetzt umdreht, so ein kleiner Hoffnungsschimmer,
1:30:18–1:30:21
den ich dann auch da sehe, also ich stümmel überein.
1:30:22–1:30:28
Es geht um die Erwärmung, um die Erwärmung der Welt, ja, wie ist das aufzuhalten?
1:30:29–1:30:34
Und das, was das Manhattan-Projekt mit dem Mond-Projekt gemein hat, dass ...
1:30:35–1:30:41
Ja, gerade so dieses ... die amerikanische Nation, wenn die ganz viel Geld auf
1:30:41–1:30:46
etwas werfen und ein Ziel haben, wie auch immer, dann schaffen die das.
Micz Flor
1:30:46–1:30:47
Ja?
Florian Clauß
1:30:47–1:30:52
Also, es ist halt irgendwie die Landung auf den Mond. Und diese Bombe zu bauen,
1:30:52–1:30:57
mit ganz viel Geld, mit ganz viel Konzentration, schafft man auf einmal so ein Level.
1:30:58–1:31:04
Und wenn man das jetzt umdreht und sagt, okay, wir haben hier diese globale Herausforderung,
1:31:04–1:31:08
wir werfen jetzt, und das wünscht man sich ja zurzeit von der Politik,
1:31:08–1:31:14
dass alles Geld eben darauf geworfen wird, hier auch eine Lösung zu finden.
1:31:14–1:31:19
Also das ist unser, und das hat ja tatsächlich von allein, hat das mal ja so
1:31:19–1:31:22
programmiert, der Klimawandel ist unsere Mondlandung.
1:31:23–1:31:25
Ja, wir müssen das begreifen wie ein Mondlandungsprojekt.
1:31:26–1:31:31
Und wenn man da jetzt alles Geld draufwirft, dann schaffen wir eventuell da
1:31:31–1:31:33
auch eine gewisse Regulierung und so.
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Aber gleichzeitig ist es nichts Explosives.
1:31:38–1:31:44
So eine Mondlandung, so eine Bombe geht auf den Punkt und es passiert was, ja?
1:31:45–1:31:50
Aber so was Handfestes hast du ja dann nicht. Also wie willst du das verkaufen?
Micz Flor
1:31:51–1:31:58
Ja, das ist, glaube ich, das Ding. Du solltest jetzt irgendwie alles Geld da
1:31:58–1:32:04
draufwerfen, während die Alternativen einfach gar nichts machen.
1:32:04–1:32:08
Können wir endlich mal aufhören? Wir hatten jetzt vor ein paar Wochen die meisten
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Flugzeuge in der Luft überhaupt.
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Also nach Corona, da war das alles ein Lockdown. Und dann dachte man,
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dass die Flugindustrie sich vielleicht gar nicht so sehr da erholen kann.
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Da neulich irgendwie waren noch nie so viele zivile Luftfahrtflugzeuge in der
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Luft wie an diesem einen Tag jetzt vor ein paar Wochen und das ist natürlich dann,
1:32:35–1:32:40
Was irgendwie auch zeigt, klar, wenn man jetzt zwei Milliarden anfasst und die
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Bombe baut und dann nochmal drei Milliarden anfasst und die Mondlandung hinkriegt,
1:32:45–1:32:49
dann, wenn er Raketen untestet und verbrannt und alles, das ist ja genau das,
1:32:49–1:32:50
was man nicht machen will.
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Dein Silent Green Szenario, wo die Menschen einfach nur noch rumliegen in der
1:32:58–1:33:00
Straße und Gemüse essen.
Florian Clauß
1:33:00–1:33:02
Ich weiß, was du damit ausdrücken willst.
1:33:06–1:33:08
Einfach diesen Wachstumsschub zurückdrehen und einfach nichts machen,
1:33:08–1:33:13
um dieses ständige Anwachsen, dieses Reisen und so weiter, diese Konsum ...
1:33:14–1:33:22
Aber ich glaube, es geht darum, gewisse Lösungen zu finden, um auch so ein gemeinsames
1:33:22–1:33:27
Mindset aufzubauen, um das gesammelt angehen zu können. um das halt so gesammelt angehen zu können.
1:33:27–1:33:31
Und das ist ja auch schon, also ich meine, du kriegst da mit Geld was hin.
1:33:32–1:33:35
Also du kriegst, du kannst da bestimmte Sachen angehen mit Kohle.
1:33:36–1:33:41
Und das glaube ich schon, dass es dann eine Verbesserung der Situation herbeiführen kann.
1:33:43–1:33:46
Also da würde ich dir jetzt irgendwie so, auf der einen Seite geht es natürlich
1:33:46–1:33:48
dann zurückzudrehen und zu sagen,
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wir müssen jetzt nicht so viel machen, aber auf der anderen Seite muss man ja
1:33:52–1:33:56
auch ganz bestimmte Schlüsseltechnologien so weit aufbauen, damit man dann auch
1:33:56–1:34:00
völlige alternative Energiequellen dann so auch nutzen kann und so weiter.
Micz Flor
1:34:00–1:34:04
Du, ich bin total bei dir, dass jetzt was passieren muss und natürlich ist es
1:34:04–1:34:08
aber so, dass ich das Gefühl habe, dass es darauf hinläuft, dass man wirklich
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ein Äquivalent von Mondlandung machen muss.
1:34:11–1:34:14
Deshalb ist, glaube ich, diese Utopie, mit dem wir könnten ja mal auf dem Mars
1:34:14–1:34:19
leben, ist irgendwie gerade so gehypt, weil alle irgendwie in Skymoff,
1:34:19–1:34:23
naja, wir haben ja noch einen Plan B, aber diese, diese...
Florian Clauß
1:34:23–1:34:25
Ja, wie Elon Musk und Jeff Bezos.
Micz Flor
1:34:25–1:34:30
Ja, ich glaube, es gibt viele Leute, die irgendwie denken, dann machen wir es halt so.
1:34:31–1:34:36
Bevor ich jetzt aufhöre, Fleisch zu essen, fliege ich doch lieber in zehn Jahren auf den Mars.
1:34:37–1:34:38
Aber auf jeden Fall...
1:34:41–1:34:46
Was jetzt ja auch spürbar wurde, noch mal während der Corona-Zeit,
1:34:46–1:34:51
diese Idee, dass man einfach sich zurückzieht, in gewisser Weise verzichtet
1:34:51–1:34:52
auf soziale Kontakte und sowas.
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Hätte man das konsequent gemacht, hätte man vielleicht früher das irgendwie
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besser eindämmen können.
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Aber sowas wie Eindämmen und Vermeiden und Prophylaxe, das sind halt keine Heldengeschichten.
1:35:03–1:35:08
Und ich befürchte einfach, dass dieser menschliche Wunsch nach den Rittern,
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nach den Königinnen, nach den ersten Männern auf dem Mond,
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nach den ersten Frauen in der Physik und so,
1:35:15–1:35:23
dass die halt so treibend ist, dass halt ein Forschungsprojekt für E-Fuels,
1:35:23–1:35:27
was meiner Meinung nach, also kann mich jetzt jemand von der FDP vielleicht
1:35:27–1:35:29
eines Besseren belehren, aber ...
Florian Clauß
1:35:29–1:35:30
Nee, kann er nicht.
Micz Flor
1:35:31–1:35:35
Nee, völliger Bullshit, der einfach nur noch weiter dazu führt,
1:35:35–1:35:42
dass halt diese Verbrennermotor-Idee von deutschen Autos uns immer weiter international ins Abseits schiebt.
1:35:44–1:35:48
Und trotzdem ist das halt irgendwie so, dann stellt man halt irgendwie so eine
1:35:48–1:35:51
Firma hin, sagt, wir machen E-Fuels und alle atmen so auf. Cool,
1:35:51–1:35:54
dann machen die was, dass Forschung und Forschungsgeld arbeitet.
Florian Clauß
1:35:54–1:35:58
Es ist einfach so ein futuristischer Eskapismus, der da aufgebaut wird.
Micz Flor
1:35:58–1:36:01
Und ich glaube, da gibt es halt unglaublich viele. Es gibt ja auch irgendwie
1:36:01–1:36:10
eine, zumindest in Amerika, glaube ich, eine, wie nennt man das, Fabrik?
1:36:10–1:36:12
Keine Ahnung. Was halt irgendwie CO2 bindet.
1:36:14–1:36:18
Aber die Menge, die halt gebunden werden kann, gerade mit der Technik,
1:36:18–1:36:21
ist halt so lächerlich, dass die
1:36:21–1:36:25
Frage von Energieeffizienz nicht wirklich sinnhaft gestellt werden kann.
1:36:25–1:36:29
Und das ist halt so meine Sorge. Und da ist, glaube ich, dann eben diese Mitte
1:36:29–1:36:33
20. Jahrhundert, die größte Bombe und noch eine größere und die Wasserstoffbombe
1:36:33–1:36:36
und dann auf den Mond fliegen und dann nochmal und dann fliegen wir mit einem
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Jeep auf den Mond. Das sind doch richtige Bilder, die man im Fernsehen verkaufen kann.
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Und dann fahren die mit dem Auto auf den Mond. Wie cool ist das denn?
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So, das sind ja irgendwie dann Geschichten, wo man diese expansive,
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aber auch nicht sehr nachhaltige Fortschrittsgedanken so hat.
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Aber klar, ich bin irgendwie bei dir, wäre schön, wenn wir auf einer globalen Ebene,
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einer atmosphäre mit
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der atmosphäre arbeiten können wir sind hier gerade ich finde es einen interessanten
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weg ist die genaue richtung anhalter bahnhof sind über den kanal gelaufen und
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vom gleis 3 park gekommen ja wir können ja einfach hochgehen da kommt ein kleines
1:37:27–1:37:31
atrium kennst du Siehst du das hier?
1:37:31–1:37:34
Ja. Kommt da nicht dann die Brücke zum Technikmuseum gleich?
Florian Clauß
1:37:37–1:37:39
Aber es ist nur ein kleiner...
Micz Flor
1:37:39–1:37:42
Ach ne, wir sind noch ein bisschen hier am Tempodrom.
Florian Clauß
1:37:45–1:37:51
Ah, hier ist das Tempodrom, krass! Okay, nochmal so einen ganz anderen Backview.
1:37:52–1:38:00
Wir kommen hier mitten aus dem Dschungel. Ja, also ist der Film für dich denn,
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ein moralischer Appell an den Verzicht oder eben, wie wir es gerade so ein bisschen
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getrieben haben, in die Richtung eine neue Mondlandung-Mission in die Welt zu
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rufen. Also die Frage ist halt...
Micz Flor
1:38:22–1:38:24
Deshalb habe ich dich nach den Emotionen ganz am Anfang gefragt.
1:38:24–1:38:28
Also man geht nicht aus dem Film raus mit dem Gefühl, Mondlandung,
1:38:28–1:38:32
sondern man geht aus dem Film raus mit dem Gefühl, das ist nicht mehr zu stoppen.
Florian Clauß
1:38:33–1:38:36
Aber ja und dann ist es aber natürlich ein bitteres Ende, ne?
Micz Flor
1:38:37–1:38:40
Und deshalb habe ich dich nach den Emotionen direkt danach gefragt.
1:38:42–1:38:46
Ja, aber ich finde es schon wichtig, das ist ja genau der Punkt,
1:38:46–1:38:48
ne? Also, dass wir jetzt ja auch auf...
1:38:49–1:38:51
Wir haben das gleiche gemacht, ne? Es gibt die Emotionen...
Florian Clauß
1:38:52–1:38:55
Guck mal, jetzt riecht man die Salzlaker aus dem Thermodrom.
Micz Flor
1:38:58–1:39:01
Das ist die Lüftung. Zum Thema Energieeffizienz.
Florian Clauß
1:39:02–1:39:07
Oh, ich will mal wieder einen Spar. Ich stelle mich in die Lüftung.
Micz Flor
1:39:07–1:39:09
Heizen, künstlich kühlen, alles gut.
1:39:12–1:39:15
Ja, jetzt weiche ich mir nicht noch mal doppelt aus, weil das ist natürlich genau der Punkt.
1:39:15–1:39:19
Man geht aus dem Film raus und man fängt das dann mit den Gedanken alles so
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wieder ein. Aber diese Grundstimmung, die zum Schluss existiert,
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die ist natürlich auch ein Punkt, wo man sich dann auch noch mal die zum Schluss
1:39:26–1:39:28
existierte, war einfach einer der klügsten Köpfe.
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Im mittleren 20. Jahrhundert war ich es einfach nicht mehr weiter. Und ...
1:39:41–1:39:46
Und das war so der Hintergrund, vor dem die Emotionen von Hoffnungslosigkeit
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und Wut sich so irgendwie aufgefaltet haben.
1:39:50–1:39:55
Und Mondlandung war da nicht spürbar. In dem Moment, als das Ganze aufhörte, ähm ...
1:39:59–1:40:02
Kommen wir wieder, du gehst aus dem Kino raus, wir kommen wieder in unsere Welt an.
1:40:03–1:40:06
Das ist die Emotion, mit der wir eigentlich in der Welt auch sein dürften,
1:40:06–1:40:14
weil wir dann vielleicht eben wie Emily Blunt die einzigen sind,
1:40:14–1:40:18
die dann sagen, hey Leute, bitte fangt nicht mehr an rum zu argumentieren und
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Politik zu betreiben und so. Das ist alles vorbei.
1:40:25–1:40:29
Jetzt steht doch einfach mal dafür ein. Verteidigt euch mal, fordert mal.
1:40:30–1:40:34
Das fand ich irgendwie, war für mich zumindest das Ende des Films.
1:40:34–1:40:40
Die Anknüpfung an den Zeitgeist war zu sagen, es ist gerade sehr hoffnungslos und wir müssen was tun.
Florian Clauß
1:40:40–1:40:44
Und das war für dich geknüpft an die Figur von Emily Blunt?
Micz Flor
1:40:44–1:40:48
Ich fand, Emily Blunt, es gab so integere und weniger ... Also,
1:40:48–1:40:52
es gab taktierende Politiker, Politikerinnen wenig eigentlich.
Florian Clauß
1:40:52–1:40:57
Es war eine reine Männerdomäne, ne? Also, man konnte schon so sehen,
1:40:57–1:41:00
dass zumindest die Wissenschaftlerinnen gezeigt wurden.
1:41:00–1:41:02
Aber es war noch eine sehr männlich besetzte Politikdomäne.
Micz Flor
1:41:05–1:41:08
Und die Frau in der Rolle von Emily Blunt ...
1:41:09–1:41:14
Die war die, die quasi da Emotionen Und in gewisser Weise auch so gesunden Menschenverstand
1:41:14–1:41:16
drängende von Ey, das ist doch Quatsch.
1:41:17–1:41:20
Ja, es ist Quatsch. Ihr versucht jetzt da irgendwas anzuregen.
Florian Clauß
1:41:20–1:41:25
Diese Wut, die sie dann halt auch so... Also, die finde ich auch sehr stark
1:41:25–1:41:26
gespielt von Emily Blunt.
1:41:31–1:41:39
Ja, okay. Also, ich möchte jetzt gerade so ein bisschen in die Zielgerade oder Schlusskurve kommen.
1:41:40–1:41:43
Und würdest du sagen, das war ein guter Film?
Micz Flor
1:41:47–1:41:50
Du meinst jetzt wirklich so von Note 1 bis Note 6?
Florian Clauß
1:41:50–1:41:56
Ja, oder von 1 bis 10, 1 bis 5, oder von irgendwie, würdest du jetzt so,
1:41:56–1:42:01
also jetzt, du hast es ja am Anfang erwähnt, du hast dich sehr gefreut,
1:42:01–1:42:03
du willst den unbedingt gut finden.
1:42:04–1:42:09
Wie siehst du jetzt mit den Erwartungen, mit denen du da reingegangen bist,
1:42:09–1:42:16
siehst du die eingelöst, oder hat der Film doch irgendwie was anderes dann bei dir bewirkt?
Micz Flor
1:42:20–1:42:24
Ich habe das bei Büchern oft, da gibt es für mich eigentlich zwei große Faktoren.
1:42:24–1:42:31
Der eine Faktor ist halt so vom Plot her, wie smart oder gut oder spannend ist es geplottet.
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Das andere ist, wie es geschrieben. Und so zum Beispiel so Leute wie Kurt Wernigert
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oder John Irving oder auch Dan Simmons sind für mich Autoren,
1:42:41–1:42:45
alles drei Männer in dem Fall, die gut schreiben können und Dan Simmons Das
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kriegt den Plot meistens nicht so gut hin.
1:42:48–1:42:54
Und bei dem Film, um diese beiden Sachen zu nehmen, war ich eigentlich in beiden sehr zufrieden.
1:42:54–1:42:57
Also dieser Plot von John Wick, wo die Sache einfach immer weiter,
1:42:57–1:43:01
weiter, weiter, weiter ging und diese drei Zeitstränge irgendwann zusammen kamen
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und in diesem Knoten dann sich auch irgendwie gleichzeitig anspannten,
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dann überdrehten, dann war er so raus.
1:43:10–1:43:15
Und danach kam hier dann so die Katharsis, wo wir dann eben dieses ganz frühe
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Gespräch mit Einstein noch mal erleben durften. Das war dann irgendwie das Ende.
1:43:20–1:43:23
Und das hat mir auf der Plottebene gut gefallen.
1:43:27–1:43:31
Und vom Schreiben her, vom Skripten, ja, es war viel Dialog.
1:43:32–1:43:35
Aber ich hatte immer das Gefühl, dass der Dialog die Geschichte weiterbringt.
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Und auch in diesen unterschiedlichen Zeitsprüngen, der Dialog eigentlich linear
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die Sachen aufeinander aufgebaut hat. Das war so ein bisschen wie so ein Hugh-Dunit-Film,
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der immer zur richtigen Zeit den Beweis von etwas Vergangenem irgendwie in die Gegenwart holt.
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Hat mir das auch sehr gut gefallen. Dann ist halt eben dieser John-Rick-Moment
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entstanden, wo man einfach immer weitergetrieben wurde.
1:43:58–1:44:00
Oder auch so bei Herr der Ringe beim ersten Mal, wo man das Gefühl hatte,
1:44:00–1:44:02
man ist immer auf dieser Journey.
Florian Clauß
1:44:03–1:44:07
Ja, und man sieht dann quasi so das Bühnenbild nach hinten, irgendwie so von
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links nach rechts durch die Bühne getragen und der Hauptdarsteller steht auf
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der Stelle unglücklich und läuft die ganze Zeit.
Micz Flor
1:44:12–1:44:16
Ja, super Mario, Gameboy-mäßig, du läufst halt einfach immer in eine Richtung.
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Und deshalb war es für mich einfach toll. Ich denke wahrscheinlich,
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es gibt andere Leute, die denken, ey ...
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Ich habe so das Gefühl, dass es vielleicht Kritiker gibt, die denken,
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wie kann man so gut gelaunt aus dem Film rauskommen, der war doch kein guter
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Film. Ist meine Vermutung.
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Du hast da mehr gelesen als ich.
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Aber vielleicht liegt es auch daran, weil ich immer so selten im Kino bin,
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dass es für mich einfach ein ganz tolles Erlebnis war.
Florian Clauß
1:44:44–1:44:46
Also findest du den als Biopic gelungen?
Micz Flor
1:44:49–1:44:54
Als Biopic finde ich ihn deshalb nicht so ganz gelungen, weil der hat so einen JFK-Moment.
1:44:58–1:45:03
Bei JFK sind wir die ganze Zeit bei der Detektivarbeit dabei,
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wer kann das ein Einzeltäter gewesen sein usw.
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Und hier sind wir auch in so einem Biopic drin die ganze Zeit.
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Zum Schluss kommt dann eben dieses, oder ganz am Anfang dieses Verhör oder dieses
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Gremium oder wie auch immer. Und das kommt ja dann zum Schluss eben in dem Showdown
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auch, spielt das eine zentrale Rolle.
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Und da kommt auf einmal dieser Strauss rein und der wird dann geoutet als Superbaddy,
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der das alles irgendwie eingefädelt hat, weil er narzisstisch überhöht,
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alles immer auf sich bezieht und so weiter.
1:45:35–1:45:40
Und da funktioniert es deshalb für mich als Biopic nicht, weil es bleibt für
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mich dann unklar, ist das jetzt eine Hypothese oder kann ich sagen,
1:45:48–1:45:50
dass es so war? Verstehst du, wie ich meine?
1:45:50–1:45:54
Also die ganze Zeit hat man das Gefühl, man ist sehr stark an so einem bisschen
1:45:54–1:46:00
aufgepeppten, aber sehr realitätsnahen Biografie dran.
1:46:00–1:46:04
Und hinten mit diesem Strauß und diesen Gesprächen und diesem Time-Artikel,
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Da hat man auf einmal das Gefühl, jetzt weiß ich nicht mehr,
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ob die das da einfach reingeschrieben haben oder ob es da wirklich Transkripte
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gibt von diesen Aussagen, ob das Common Knowledge ist und belegt oder ob das
1:46:16–1:46:20
eine Hypothese ist, die mir jetzt die Nolan Brothers irgendwie verkaufen.
Florian Clauß
1:46:20–1:46:21
Verstehe, ja.
Micz Flor
1:46:21–1:46:25
Und wenn man das dann eben mit so einem klassischen Biopic wie Gandhi vergleicht
1:46:25–1:46:31
oder so, wo man das Gefühl hat, großartiger, in sich komplett konsistenter Biopic-Film,
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Da kann ich eigentlich fast alles daraus zitieren, irgendwie hat das eine reale Anbindung.
1:46:36–1:46:39
Und das war zum Schluss da nicht mehr so. Da habe ich so gedacht,
1:46:39–1:46:41
ist das jetzt wahr oder nicht? Was soll ich jetzt hier gerade glauben?
Florian Clauß
1:46:42–1:46:45
Ja, ja, also ich glaube, da sprichst du auf so einen Punkt an,
1:46:45–1:46:49
der mir bei meinem Film so ein bisschen aufgestoßen ist.
1:46:50–1:46:53
Also wenn du mich jetzt fragen würdest, wie ich den...
Micz Flor
1:46:53–1:46:57
Also das wäre jetzt mal eine Frage an dich. Natürlich findest du es ein gelungenes Biopic.
Florian Clauß
1:46:58–1:47:03
Ah, gut, dass du das fragst. Nein, aber ich will da direkt anknüpfen,
1:47:03–1:47:10
nämlich wo für mich irgendwie so die emotionale Fallhöhe, so ein bisschen aus
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dem Ruderläuf, ist eben genau diese Strauß-Geschichte.
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Die extremst aufgeladen ist und in diesem ganzen Prozess geht es ja die ganze
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Zeit nur darum, ob er seine Sicherheitsstufe behält.
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Das heißt, da steht ja nicht so viel, ich sage mal so viel, für Oppenheimer
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auf dem Spiel, als dass er bestimmte Verfügungsgewalten verliert.
Micz Flor
1:47:33–1:47:37
Ja, was auch für ihn auf dem Spiel steht, ist, ich verliere den Anschluss an
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die zeitgenössische Cutting-Edge-Wissenschaft in meinem Feld.
Florian Clauß
1:47:41–1:47:45
Nein, nein, nein, das nicht. Nein, nein, nein. Er ist im akademischen Bereich
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nach wie vor aufgehoben. Es geht nur um reine Politikwirksamkeit.
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Also er kriegt dann nicht mehr dieses politische Programm, er kriegt dann nicht
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mehr die Insights, er kann dann nicht mehr irgendwie eine Direktive oder bestimmte
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Empfehlungen aussprechen.
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Das heißt, sein politischer Arm wird in diesem Moment amputiert.
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Also natürlich ist ja in der ganzen Forschungsgeschichte nach wie vor eine zivile
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Sache, es geht ja um militärische Wirksamkeiten.
1:48:18–1:48:24
Dass das so extremst emotional aufgeladen und diese Fallhöhe so unglaublich
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ausgespielt wurde im Verhältnis dazu,
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dass dann diese ganze Opfergeschichte von Hiroshima und Nagasaki so gar nicht so Thema war.
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Also die ethische Fallhöhe, die viel viel dramatischer ist, als jetzt seine
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persönliche, hat in meinen Augen in der Geschichte zu viel Raum eingenommen.
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Und wie du sagst, man kann es jetzt irgendwie, also ich meine,
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wie denn Strauß dann halt so quasi als so der, der irgendwie die Natter dann eingeführt wurde, ne?
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Also dann hinten dann so Und das war ja so ein bisschen wie Slytherin und dann
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auf einmal beißt er dann halt den und dann wird er selber überführt.
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Das fand ich ein bisschen zu...
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Also gleichzeitig erzählt er ja auch damit so eine Kernkonfliktgeschichte,
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die mit dieser Dramatik des Bombenabwurfs dann überhaupt nichts mehr zu tun hat.
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Und das finde ich so ein bisschen so, da finde ich irgendwie so,
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okay, dann, klar, es gibt natürlich Opfergeschichte drin und so weiter,
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aber ich finde das so ein bisschen, diesen Strang finde ich so ein bisschen vernachlässigt.
Micz Flor
1:49:37–1:49:40
Aber vielleicht ist das auch die Erklärung für das Schwarz-Weiß da drin,
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weil vielleicht ist alles Schwarz-Weiß so hypothetisch und in dem Moment,
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wenn dann zum Beispiel aus Schwarz-Weiß Farbe wird, also es war so ein Übergang,
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wo, glaube ich, Emily Blunt schwarz-weiß Ich weiß nicht mehr genau,
1:49:54–1:49:56
aber auf jeden Fall so ein Sprung.
Florian Clauß
1:49:56–1:50:01
Ja, genau, wo sie in diesem Feuerraum sind. Wo sie dann im Hintergrund in Farbe dann gezeigt wird.
Micz Flor
1:50:01–1:50:05
Ja, und dass sie da, naja, sie ist ja viel in Farbe. Sie ist ja eigentlich immer
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in Farbe. Aber irgendwie war da was.
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Das kannst du jetzt nicht mehr genau zusammenbringen. Aber das ist vielleicht
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der Punkt, wo eben die Person wieder in Farbe kommt, weil diese Gespräche dort
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ja transkribiert wurden. Man sieht ja auch diese Maschine, wo jemand mitschreibt.
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Das heißt, alle Sachen, die schwarz-weiß sind, sind vielleicht Dinge,
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die nicht dokumentiert sind und deshalb hypothetisch sind. Wie zum Beispiel das Gespräch im Park.
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Wie zum Beispiel das Gespräch mit diesem riesen Blumenstrauß in der Mitte.
Florian Clauß
1:50:36–1:50:41
Ja, das war auch so eine Absurde Situation, wo dann halt dieses Bokeh die ganze
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Zeit beschnitten wurde und man immer versucht hat, so eine Überblickssituation
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zu schaffen, die aber nicht hergestellt wurde.
Micz Flor
1:50:49–1:50:54
Ja, dass vielleicht die schwarz-weißen Sachen Sachen sind, dafür gibt es keine
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Belege, aber diese Bausteine haben wir reingenommen, weil so wird eine runde Geschichte draus.
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Dann fällt alles eben zusammen. Wobei natürlich diese Gespräche da vor diesen Richtern,
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die ja auch schwarz-weiß sind, der Typ, der Freddie Mercury gespielt hat,
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und diesen Hacker Raimi, oder wie der heißt, der Schauspieler,
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der ist ja auch schwarz-weiß.
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Aber dafür müsste es ja auch Protokolle geben, keine Ahnung.
Florian Clauß
1:51:20–1:51:27
Ja. Und so ... Jetzt noch mal, ich mein, diese abschließende Frage nach der ...
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Also was jetzt auch bei Dürrenmatt die Physiker dann so als Kernkonflikt aufgeworfen wurde,
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nämlich die Verantwortung von Wissenschaftler, die ihre Konsequenzen für ihre
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Entdeckung dann halt auch ethisch
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irgendwie so tragen müssen und auch die Rechtfertigung für ihr Handeln.
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Siehst du das in dem Film?
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Irgendwie, ja behandelt ist es auf jeden Fall, aber gelöst?
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In der Figur von Oppenheimer, außer dass er jetzt dann irgendwie so diese Visionen
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hat, dass alles verbrennt um ihn herum.
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Also das möchte ich nochmal anmerken, dass es auf dieser, was ich ja auch zu Anfang gesagt habe,
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diese Metaebene von dem Film, die da wieder reinkommt, dass das Licht nur zum
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Licht wird und du siehst, es wird verstrahlen und du bist dann wieder auf das
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Medium Film und Zelluloid zurückgeworfen, finde ich sehr schön gelöst.
Micz Flor
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Ja, ob das gelöst ist. Ich glaube auf dieser multifaktoriellen Matrix zwischen
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eigenen Ambitionen für sich selbst. Also er möchte ein Wissender werden.
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Er fährt ja quasi durch die Universitäten und Ausbildungsstätten für Quantenphysik
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früh in seinem Leben, um das alles irgendwie für sich zu holen.
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Dann aber auch so eine gewisse Berufung, die er spürt, das zurück nach Amerika
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zu bringen. Aber da wird es dann auch so ein bisschen eitel.
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Er will es dann auch mit viel Feuer irgendwie darstellen. Das ist in ihm auch angelegt.
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Er kann sowas auch. Da geht es sehr stark um ihn, um das Wissen.
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Dann gibt es natürlich immer diese ethisch-moralische Frage.
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Okay, wenn man diese Bombe bauen kann, wer sollte sie haben?
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Dann sollen auf alle Fälle wir sie haben. Immer wir, das ist ja dann immer die
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Wir-Seite, nie die andere.
Florian Clauß
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Ja, und die Wir-Seite hat irgendwie Stars and Stripes.
Micz Flor
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Ja, und da wird es dann eben größer als er und gleichzeitig sieht er sich berufen,
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vor allen Dingen, weil eben auch er, er ist jüdisch und weil er dann ja auch
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explizit sagt, das ist mein Volk, war glaube ich.
Florian Clauß
1:53:40–1:53:49
Ich glaube auch, das ist diese Motivation quasi der Errettung oder auch jetzt wirklich so,
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wo ist wer schutzbedürftig und welche Mittel sind dafür notwendig,
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um den anderen dann auch entsprechend in Schach zu halten.
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Da hat er seine moralische, in der theoretischen Physik Entscheidung getroffen,
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aber in dem Moment, wenn es halt in die Welt raus ist, ist er ja diese Zweifel,
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die dann ihn so zerfressen.
Micz Flor
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Aber zuerst legitimiert er sich ethisch-moralisch durch, das sind meine,
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Glaubenskollegen, die umgebracht werden. Das ist dann,
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er generiert sowohl als auch oder nicht nur,
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sondern auch, also nicht nur bin ich der geeignetste fachlich,
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sondern auch noch ethisch-moralisch jemand, der seinesgleichen in gewisser Weise da retten kann.
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Gleichzeitig bricht es dann wieder weg, weil dann ist ja irgendwie Hitler,
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Deutschland hat kapituliert und dann werden die Bomben trotzdem auch mit seinem...
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Also es ist so bei ihm glaube ich, es geht irgendwie schon um ihn und wir sind
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ja nicht von ungefähr, auch wie du schon sagtest, mit vielen Köpfen immer so ganz nah an ihm dran.
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Das sind auch eben immer so innere Visionen, auf die wir auch wortlos uns einlassen,
1:55:08–1:55:12
wenn der Hintergrund irgendwie rüttelt, wenn der Boden rumpelt,
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wenn Teilchen durch das Bild fliegen.
Florian Clauß
1:55:16–1:55:19
Und Wellen, Wasserwellen kommen öfters mal vor.
Micz Flor
1:55:19–1:55:20
Wasserwellen, ja. Also diese ganzen...
Florian Clauß
1:55:20–1:55:22
Also oberflächlichen Erschütterungen.
Micz Flor
1:55:22–1:55:27
Genau, dieser Blick durch die Welt ist ja immer sein Blick, den wir da mitmachen,
1:55:27–1:55:34
insofern näht uns der Film ein, diese Fragen, die du da stellst,
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die nicht lösbar sind, auch nicht wirklich zu lösen.
1:55:36–1:55:41
Aber einfach mitzubekommen, wie jemand darunter leidet, das alles in sich vereinen zu wollen.
Florian Clauß
1:55:41–1:55:45
Ich mein, dieser Aspekt, ich hab den kurz angesprochen, aber es ist schon so ein bisschen so ...
1:55:46–1:55:50
Also, diese Revolution frisst ihre Kinder, diese Entdeckung.
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Also, wie ist die Verantwortung des Staates gegenüber ... Also,
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wem geb ich das, diese Information?
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Bin ich dazu verpflichtet, als jemand, der dann eben in der Lage ist,
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diese Entdeckung machen zu können.
1:56:04–1:56:16
Das ist ja quasi so den begabten Menschen, die möglich von Intellekt fähig sind, das zu entdecken.
1:56:17–1:56:23
Haben die diese Verpflichtung, das dann auch einem Staat, der Nation und so weiter mitzuteilen?
1:56:25–1:56:28
Also ich meine, das Manhattan-Projekt ist die Antwort darauf, ja.
1:56:28–1:56:33
Gleichzeitig, bei den Physikern von Dürnmatt wird ja diese Entdeckung,
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werden ja nicht geteilt. Die sind ja in dieser Anstalt und wollen das ja behalten.
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Ja, also das heißt, dieser ethische Konflikt, und wenn ich das jetzt teile,
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wer kriegt diese Information, ne, auf der anderen Seite?
1:56:49–1:56:53
Das ist ja eigentlich nur der Verwaltungsapparat des Staates, also der Geheimdienst.
Micz Flor
1:56:54–1:57:01
Ja und demgegenüber haben wir natürlich heute zumindest ein Wissen um Open Source-Lösungen,
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auch gerade wenn es um Verschlüsselung von Daten geht, Verschlüsselung von Kommunikation geht.
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Sie auch sehr stark um,
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Das heißt, die Open-Access-Philosophie auch für wissenschaftliche Errungenschaften,
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da gibt es ja schon vielleicht jetzt mehr Argumente als damals im Kalten Krieg,
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zu sagen, vielleicht ist es besser, alles von vornherein zu teilen.
1:57:28–1:57:33
Gerade wenn man jetzt mit KI auch diese rasante Entwicklung sieht,
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was da alles an Giften in Nullkommanix gefunden werden kann,
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wie sich Proteine falten und sowas.
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Also es ist jetzt alles auf so einer Ebene, da ist sowieso alles irgendwie schon
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um die Ecke greifbar und das rechtzeitige Teilen,
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das ist ja dann auch, um an diesem Klimathema noch mal anzubinden,
1:57:51–1:57:54
viele Menschen die sagen, ja mit KI haben wir jetzt wenigstens was,
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was komplex genug Daten verarbeiten kann und vielleicht wirklich mal sinnvolle
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Interventionen auch zu finden.
Florian Clauß
1:58:08–1:58:14
Aber ich finde das immer total entscheidend, deine Erkenntnis zuletzt,
1:58:14–1:58:16
um diesen Teilenaspekt.
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Also das heißt, dass es nicht darum geht, einer Nation einen Vorteil zu verschaffen,
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sondern dass es der globalen Community dann dieses Wissen anheimfallen soll.
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Und dann ist immer diese Frage, wie wird es verwaltet und wie wird es so verwaltet,
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dass es halt nicht dann eben eingenützig ausgenutzt werden kann und so weiter.
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Also aber das wäre ja dieser Impuls, das ist nicht...
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Zum Vorteil einer Partei genutzt wird, sondern das ist dann zur Verbesserung
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der ganzen Menschheit. Und dieses Ventil, was ist die Menschheit?
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Das ist ja so ganz schwierig dann eben auch zu entscheiden.
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Also, ich meine, Oppenheimer dachte wahrscheinlich schon, dass er was Gutes
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tut, indem er dann eben auch die Informationen quasi mit dem...
1:59:06–1:59:11
Also er liebt ja quasi Amerika und sein Land und so weiter,
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das ist ja nochmal dieser final frontier,
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das ist New Mexico, da kommen wir ja auch wieder so auf diese First Cow Geschichten,
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dass dann eben den Indigenen das
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Land genommen wird und da wird halt das Manhattan-Projekt implementiert.
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Und damit wird halt irgendwie auch wieder so eine totale, ja,
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so eine Frontierbewegung.
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Also das heißt, das ist ja natürlich das Letzte, was irgendwie so geht in so
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einer Entdeckung, ist dann halt die Kernspaltung zu dem Zeitpunkt.
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Das Nächste ist jetzt die Kernfusion und die Kernfusion wird ja eben,
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das ist eine zivile Technologie.
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Also sobald wir quasi in den Schritt der Kernfusion kommen, dann haben wir das
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Energieproblem gelöst.
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Das ist, finde ich, auch nochmal so dieser Kontrast zwischen Kernspaltung und Kernfusion.
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Kernspaltung ist gut, es gibt Atomkraftwerke, die sind aber jetzt nicht quasi
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die Lösung unseres Energieproblems.
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Aber sobald wir in so einer Entdeckung kommen, dass wir die Fusion betreiben
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können, dann ist quasi das Energieproblem der Menschheit gelöst.
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Und das finde ich nochmal so einen viel positivistischen Ansatz.
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Also dieser Konflikt zwischen Wasserstoffbombe und...
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Kern, also Plutonium-Atombombe, also ich meine gut, das sind beides Massenvernichtungswaffen,
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das eine größer als das andere, aber trotzdem, dieser nächste Schritt,
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next step, ist halt next level, ist halt Fusion.
Micz Flor
2:00:44–2:00:47
Das ist die Mondlandung. Die Marslandung.
Florian Clauß
2:00:47–2:00:49
Die Marslandung.
Micz Flor
2:00:49–2:00:52
Nein, die Marslandung, die ist Bullshit.
Florian Clauß
2:00:52–2:00:59
Ja, die Mondlandung. Ich meine gut, diese Projekte, die gibt es ja jetzt schon seit Jahrzehnten.
2:01:00–2:01:04
Und es gibt ja so immer wieder Entdeckungen und so weiter.
Micz Flor
2:01:04–2:01:06
Du wolltest doch mal eine Folge darüber sogar machen, oder?
Florian Clauß
2:01:06–2:01:15
Also apropos Folgen, hier auf unserem Weg vom Theater des Westens hin zur Ritterstraße gleich.
2:01:17–2:01:21
Wie viele Folgen haben wir geschnitten, Mitch, von uns selber?
2:01:21–2:01:24
Also Wege, die wir gegangen sind in anderen Episoden.
Micz Flor
2:01:25–2:01:26
Hast du das mal ausgerechnet?
Florian Clauß
2:01:26–2:01:29
Ja, ich rechne die ganze Zeit mit. Ich hab hier ein Protokoll.
Micz Flor
2:01:30–2:01:33
Das heißt, die Frage, wie oft sind wir diesen Weg schon gelaufen?
Florian Clauß
2:01:33–2:01:39
Nein, wie oft haben wir uns in den Folgen davor geschnitten in diesem Weg, den wir gerade laufen.
Micz Flor
2:01:39–2:01:42
Ah. Ich schätze, viermal.
Florian Clauß
2:01:42–2:01:45
Ich hab jetzt dreimal. Wo würdest du die vier ...
Micz Flor
2:01:45–2:01:48
Ich habe auch dreimal geschätzt und gedacht, ich lege noch einen drauf,
2:01:48–2:01:52
ich habe nicht groß gedacht, das war so ein Bauchgefühl.
Florian Clauß
2:01:53–2:01:54
Gästeliste plus one.
Micz Flor
2:01:55–2:01:57
Genau, ich habe gerade eher Emily Blunt gefragt.
Florian Clauß
2:01:59–2:02:04
Wir haben uns vor allen Dingen im Gleis Dreieckpark mehrmals geschnitten mit
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dem First Cow und der Voyager Episode.
2:02:10–2:02:18
Und wir schneiden uns jetzt gerade ganz konkret in Stromgitarren Teil 2.
Micz Flor
2:02:18–2:02:22
Das stimmt. Da habe ich mich auch dran erinnert. Fällt dir noch was ein?
2:02:23–2:02:25
Gestalttherapie 2? Ne, das war 2 südlich.
Florian Clauß
2:02:28–2:02:33
Gestalttherapie, ja genau, wir sind parallel gelaufen. Wir haben uns quasi selber
2:02:33–2:02:36
gesehen, von vor mehreren Wochen auf der Brücke laufend.
Micz Flor
2:02:39–2:02:42
Laufend fällt mir jetzt auch nicht mehr viel ein aber ich möchte bevor wir jetzt den
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abspann noch von dir final hören guter film ja nein nein und warum ich glaube
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ich habe es ja schon so teilweise beantwortet ich war tatsächlich nicht so stark
2:02:57–2:03:02
emotional berührt wie bei anderen no land film Ja.
Florian Clauß
2:03:03–2:03:04
Ja. Ja.
2:03:05–2:03:11
Aber so auf einer intellektuellen Ebene fand ich den sehr gut. Aber es ist halt so...
2:03:13–2:03:17
Auf so einer emotionalen Ebene... halb gut.
Micz Flor
2:03:17–2:03:23
Ja. Ja, das Emotionale ist für mich wirklich auch sehr eng mit Emily Blunt verbunden.
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Das war auch diese Szene, wo sie das Telefon abgenommen hat und ihr gesagt wurde,
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sie kann jetzt die Tücher abhängen, was der Geheimcode quasi war für das Experiment.
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Ist geglückt. Ihr Blick und als sie es gehört hat, das hat mich am meisten ergriffen.
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Von wegen der Genie ist jetzt aus der Flasche. Also irgendwie war das der Moment,
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wo das dann als Wissen in der Welt war.
2:03:43–2:03:48
Vorher waren die ganzen Jungs da unterwegs, ein paar Frauen auch und haben so ihr Ding gemacht.
2:03:48–2:03:53
Es gab auch mal irgendwo was, wo so ein kurzer YouTube-Clip,
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wo Oppenheimer gesagt hat, als dann diese Testbombe hochging,
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da hat irgendwo der gefragt, ob das denn, war das nicht ein sehr tolles euphorisches Gefühl.
2:04:04–2:04:10
Er hat gesagt, manche haben Euphorie gefühlt, manche haben geweint und manche waren stumm.
2:04:10–2:04:14
Also da hatten jetzt ja alle Euphorie gefühlt. Alle haben sich quasi auf die
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Schulter geklopft und nur Emily Blunt war dann irgendwie die,
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die irgendwie diese Tragweite so ein bisschen ausdrücken konnte in so einem emotionalen Bild.
Florian Clauß
2:04:27–2:04:37
Gut gut danke das war eigentlich podcast episode 31 informationen über unsere
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route die wir laufen sind und informationen zum film und zu unserer besprechung
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findet ihr auf eigentlich minus podcast.de.
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Wir kommen alle 14 Tage raus, immer Donnerstags in der Früh.
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Danke fürs Zuhören. Es war etwas ausufernd. Wir haben jetzt schon über zwei
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Stunden aufgenommen. Mal gucken, was wir da reinnehmen. Vielleicht wird es auch
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noch 15 Minuten lang, die Episode.
Micz Flor
2:05:03–2:05:06
Naja, aber in Noland darf man ja schon dann irgendwie... ...darf.
Florian Clauß
2:05:06–2:05:09
Man schon so E-Pep-Überstunden machen. Über Minuten.
Micz Flor
2:05:09–2:05:11
Über Minuten, ja, stimmt.
Florian Clauß
2:05:13–2:05:19
Okay, also, dann nochmal danke fürs Zuhören und bis bald. Macht's gut. Tschüss!

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