EGL033 Märchen, Mythen, Träume: Erich Fromms Ansatz zur Traumdeutung in Abgrenzung von S. Freud und C. G. Jung (Märchen Teil 3)
In dieser Episode betrachten wir Erich Fromm und sein Buch “Märchen, Mythen, Träume” als Teil der Eigentlich-Serie über Märchen. Erich Fromm betrachtet in seinem Text die Verbindung zwischen Traumdeutung und Märcheninterpretation. Er beginnt mit einer Betrachtung des Symbolismus und unterscheidet zwischen manifesten und latenten Inhalten in Mythen und Märchen. Dies führt ihn zur Traumdeutung, bei der ebenfalls Symbole und latente Inhalte gedeutet werden. Fromm stellt die Ansätze von Sigmund Freud und Carl Gustav Jung zur Traumdeutung vor, grenzt sich jedoch von beiden ab. Er argumentiert, dass weder Jungs mythische Ansätze noch Freuds Fokus auf irrationale libidinöse Kräfte ausreichend sind. Stattdessen betont er, dass das Denken und Fühlen durch unser Handeln beeinflusst wird. Zuletzt wollten wir Fromms Interpretation des Rotkäppchen Märchens vorstellen, die haben wir dann aber um einen Monat in die Zukunft verschoben.
Shownotes
- Laufroute
- EGL033 | Wanderung | Komoot
- Links zur Episode
- Helmut Johach: 'Erich Fromms Einfluss auf die Humanistische Psychologie' (Auszug)
- 'Erich Fromms Einfluss auf die Humanistische Psychologie' rezensiert von Prof. Dr. Manfred Gerspach
- Erwähnt: Erich Fromms 'Haben oder Sein'
- Erwähnt: Erich Fromms 'Die Kunst des Liebens'
- Das Buch Jona und der Bauch des Fisches
- Inception, der Film
- Erich Fromms Plakette am Bayrischen Platz 1 verweist mittels QR auf mehr Informationen
- Perlentaucher-Besprechung: Der Ego-Tunnel - Vom Mythos des Selbst zur Ethik des Bewusstseins
- Half-Brained Ducks in a Row - science.org
- Freuds Traumdeutung erschien am 4. November 1899 und wurde auf das Jahr 1900 vordatiert.
- Supernova im Orion? Was Beteigeuzes Verdunkelung bedeutet - nationalgeographic.de
- Sensationsfund: Der Schauplatz der biblischen Sintflut - Tagesspiegel
- Die Sintflut in der Bibel. Von der Strafe zur Gnade Gottes - DLF
Mitwirkende
Transcript
In Schöneberg teilten sich die Wolken und diese Episode: Der Besprechung des Buchs „Märchen, Mythen, Träume: Eine Einführung in das Verständnis einer vergessenen Sprache“ von Erich Fromm sollte auch Fromms Interpretation des Märchens Rotkäppchen beigefügt werden. Das haben wir dann kurzerhand gesplittet und zwei Episoden daraus gemacht. Die vorliegende Episode reflektiert das Buch und zitiert Erich Fromm. (Rotkäppchen ist eine eigene Episode mit der Nummer 35.)
Wenn wir schlafen, erwachen wir zu einer anderen Daseinsform. Wir träumen. Wir erfinden Geschichten, die sich nie ereignet haben und für die es im wirklichen Leben manchmal keine Entsprechung gibt. Manchmal sind wir der Held, manchmal der Bösewicht; manchmal erleben wir die herrlichsten Dinge und sind glücklich; oft werden wir in höchsten Schrecken versetzt. Doch welche Rolle wir auch immer im Traum spielen, wir sind der Autor, es ist unser Traum, wir haben die Handlung erfunden.
Erich Fromm: Märchen, Mythen, Träume (2007) Seite 12
Verwandtschaft der Traumdeutung und der Interpretation von Märchen
Fromm bekommt schnell die Kurve Traumdeutung und Interpretation von Märchen gemeinsam zu betrachten. Seine Ausführungen beginnt er mit einem Blick auf Symbolismus, gefolgt von der Unterscheidung manifester und latenter Inhalte in Mythen und Märchen. Daraus baut er zügig eine Brücke in die Traumdeutung, werden dabei doch ebenso Symbole und latente Inhalte gedeutet. Fromm stellt Sigmund Freuds und Carl Gustav Jungs Ansätze zur Traumdeutung vor, um sich anschließend von beiden abgrenzt wenn er schreibt:
Es ist weder Jungs mythisches Reich mit seinen aus der Gattungsgeschichte ererbten Erfahrungen, noch Freuds Sitz irrationaler libidinöser Kräfte. Wir müssen es vielmehr gemäß dem Grundsatz verstehen: ‚Was wir denken und fühlen, wird von dem beeinflusst, was wir tun.‘
Erich Fromm: Märchen, Mythen, Träume (2007) Seite 29
Damit gibt er uns auch eine schöne Zusammenfassung, bevor wir jetzt — auch wieder mit Zitaten Fromms — etwas mehr ins Detail gehen.
Sigmund Freud: Das Unbewusste als treibende, drängende Kraft
Fromm erinnert uns:
Es war Freud, der zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts die alte Auffassung neu bestätigte, dass die Träume sinn- und bedeutungsvoll sind, dass wir nichts träumen, was nicht ein wichtiger Ausdruck unseres Innenlebens ist, und dass man alle Träume verstehen kann, wenn man nur den Schlüssel dazu besitzt.
Erich Fromm: Märchen, Mythen, Träume (2007) Seite 26
Sigmund Freuds Theorien betont die Verbindung zwischen verdrängten Wünschen und symbolischen Trauminhalten. Freud interpretiert Träume als Kanäle, durch die verbotene oder unterdrückte Wünsche ans Licht kommen, oft verpackt in verschlüsselte Bilder. Sein Ansatz ist stark psychoanalytisch geprägt und konzentriert sich auf die Entschlüsselung latenter Bedeutungen hinter den manifesten Trauminhalten.
Die Kritik an Freuds Konzeption besteht vor allem auch darin, dass sich alles auf das alte bezieht, auf verdrängtes, un- und vorbewusstes, was nach oben drängt und im Traum nicht gut in Schach gehalten werden kann. Aber haben Träume nicht auch das Potential nach vorne zu Blicken, Pläne und Lösungen anzuregen? Carl Gustav Jung schreibt dazu: „Die Seele ist Durchgangspunkt, daher notwendigerweise nach zwei Seiten bestimmt. Sie gibt einerseits ein Bild vom Niederschlag alles Vergangenen, und in diesem andererseits ein Bild der keimenden Erkenntnis alles Kommenden, insofern die Seele selber die Zukunft schafft.“ (C. G. Jung, 1968, S. 205, vgl. Erich Fromm: Märchen, Mythen, Träume (2007) Seite 68)
Carl Gustav Jung: Archetypen und individuelle Entwicklung
Jungs Ansatz zur Traumdeutung ist geprägt von seiner Theorie des kollektiven Unbewussten und der Bedeutung von Archetypen. Er argumentiert, dass Träume nicht nur persönliche, sondern auch universelle, kulturelle und symbolische Elemente enthalten. Für Jung sind Träume eine Art, sich mit tiefen Schichten des Selbst und dem kollektiven Erbe der Menschheit zu verbinden.
Fromm streut Salz direkt in Jungs spirituelle Öffnung (oder Wunde?). Ich finde den folgenden Text sehr hilfreich, um neben C. G. Jungs transzendentem Ansatz vor allem auch Erich Fromms Abgrenzung von dieser zu verstehen. Deshalb lasse ich die längere Textpassage aus Fromms Buch mal laufen:
Aber Jung geht noch weiter und behauptet, diese Tatsache sei „ohne Zweifel ein grundlegendes religiöses Phänomen“, und die Stimme, die in unseren Träumen spreche, sei nicht unsere eigene, sondern komme aus einer Quelle, die uns transzendiere. Auf den Einwand, „dass die von der Stimme vertretenen Gedanken nichts anderes seien als die Gedanken des Individuums selbst“, antwortete er (C. G. Jung, 1937, S.41f.):
Erich Fromm: Märchen, Mythen, Träume (2007) Seite 68
„Das mag sein; aber ich würde einen Gedanken nur dann meinen eigenen nennen, wenn ich ihn gedacht habe, ebenso wie ich Geld nur dann als mein eigenes bezeichnen würde, wenn ich es bewusst und legitim erworben habe. Wenn jemand mir das Geld als Geschenk gibt, werde ich zu meinem Wohltäter sicherlich nicht sagen: „Ich danke dir für mein Geld“, obwohl ich nachher zu einer dritten Person sagen könnte: „Dies ist mein eigenes Geld.“ Mit der Stimme bin ich in einer ähnlichen Lage. Die Stimme gibt mir gewisse Inhalte, genau so, wie ein Freund mir seine Ideen mitteilen würde. Es wäre weder anständig noch wahrheitsgemäß, sondern ein Plagiat, zu behaupten, dass, was er sagt, ursprünglich und zuerst meine eigenen Ideen gewesen seien.“
Erich Fromm: Träume mit Potential im umgebender Gesellschaft
Erich Fromm bring eine sozialere Dimension in die Traumdeutung ein. Er betont, dass Träume nicht nur individuelle, sondern auch soziale und kulturelle Bedeutung haben. Fromm sieht Träume als Reflektion der gesellschaftlichen Umstände und als Ausdruck von individuellen Anpassungen an die soziale Realität. Sein Ansatz legt Wert auf Authentizität und Selbstverwirklichung, während er gleichzeitig die Wechselwirkungen zwischen dem persönlichen und dem gesellschaftlichen Kontext betont.
Und dann ist die Zeit auch schon um! Die letzten Schleifen liefen wir in einem Park, denn Flo rechnete bei der Planung der Route nicht mit Überstunden. Deshalb verschieben wir die Rotkäppchen-Interpretation in die übernächste Episode.
Schreibe einen Kommentar